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Für immer ist ganz schön lange

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
Kein + Abererschienen am13.08.20151. Auflage, neue Ausgabe
Als Ivan vom Joggen nicht nach Hause zurückkehrt, fragt sich Caroline, ob er überhaupt noch mal wiederkommt. Sollte dies nun tatsächlich das Ende ihrer 20-jährigen Beziehung sein? Hatte sie nicht selbst oft genug darüber nachgedacht, alles hinzuschmeißen und ohne ihn neu anzufangen? Vielleicht wurde er auch überfallen, liegt irgendwo in Manhattan am Straßenrand und wartet auf Hilfe? Hin- und hergerissen zwischen Wut, Angst und liebevollen Gefühlen, beginnt Caroline, ihre Ehe zu rekapitulieren.

Lynne Sharon Schwartz ist eine New Yorker Autorin. Seit den Siebzigerjahren hat sie neunzehn Bücher veröffentlicht, darunter Romane, Sachbücher, Kurzgeschichten und Lyrik. Mit »Für immer ist ganz schön lange« erschien 1980 ihr erster Roman, mit dem Lynne Schwartz viel Aufmerksamkeit erregte und der nun in dieser Neuübersetzung vorliegt.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextAls Ivan vom Joggen nicht nach Hause zurückkehrt, fragt sich Caroline, ob er überhaupt noch mal wiederkommt. Sollte dies nun tatsächlich das Ende ihrer 20-jährigen Beziehung sein? Hatte sie nicht selbst oft genug darüber nachgedacht, alles hinzuschmeißen und ohne ihn neu anzufangen? Vielleicht wurde er auch überfallen, liegt irgendwo in Manhattan am Straßenrand und wartet auf Hilfe? Hin- und hergerissen zwischen Wut, Angst und liebevollen Gefühlen, beginnt Caroline, ihre Ehe zu rekapitulieren.

Lynne Sharon Schwartz ist eine New Yorker Autorin. Seit den Siebzigerjahren hat sie neunzehn Bücher veröffentlicht, darunter Romane, Sachbücher, Kurzgeschichten und Lyrik. Mit »Für immer ist ganz schön lange« erschien 1980 ihr erster Roman, mit dem Lynne Schwartz viel Aufmerksamkeit erregte und der nun in dieser Neuübersetzung vorliegt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783036993164
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum13.08.2015
Auflage1. Auflage, neue Ausgabe
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2324 Kbytes
Artikel-Nr.2078160
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

GRENZTE ES NICHT AN EIN WUNDER, dass sie nach all den Jahren noch so etwas empfinden konnte? Verlangen nämlich, und dessen Befriedigung. Ivan lag erschöpft auf ihr, glitt langsam aus ihr heraus. Sie bemühte sich nicht, ihn festzuhalten. Gleich würde sie die Augen aufschlagen und die Schlafzimmerdecke sehen, gebrochenes Weiß mit körnigen, alten Unvollkommenheiten an der Oberfläche. Sie würde ihre Identität wieder annehmen, ein von den Wechselfällen des Lebens geformtes Gebilde. Doch bis dahin würde sie sich dieser größeren Daseinsform hingeben: der Unermesslichkeit von Ozeanen, der Weite von Kontinenten! Eine Täuschung, gewiss, aber welch extravaganter geografischer Vergleich, und das dank Ivan. Caroline musste lächeln.

Er drehte sich von ihr weg. Eine Weile lagen sie Seite an Seite, bis Ivan sich aufsetzte und verkündete: »Und jetzt muss ich joggen gehen.«

Caroline seufzte. »Vermutlich ist es nur fair, auch andere Körperteile zu trainieren. Die Beine zum Beispiel.«

»Herz und Lunge, um genau zu sein.«

»Verstehe. Damit wären also Fortpflanzungsapparat, Kreislauf und die Atmungsorgane abgedeckt. Wirklich gründlich. Und anschließend musst du nur noch etwas essen, damit auch die Verdauung nicht zu kurz kommt.«

»Hör schon auf«, bat er und täuschte sanft einen Schlag auf ihre Wange vor. Sie streckte sich flach aus, damit er über sie hinweg aus dem Bett steigen konnte, und verfolgte, wie sich sein Körper durch die Luft schwang.

»Ich bin in etwa einer halben Stunde wieder da«, sagte er. »Hörst du es, wenn ich klingle?« Wie diskret er war, dieser Liebhaber. Übersetzt bedeutete die Frage, ob sie die Absicht hatte, aufzustehen oder weiterzuschlafen. Ivan war der Meinung, dass man im Leben zu viel kostbare Zeit mit Schlafen verbrachte. Und er klingelte, weil er behauptete, das Gewicht und das Klimpern der Schlüssel störe die leichte Euphorie, die sich beim Joggen einstelle.

»Ich höre dich bestimmt. Bis du zurückkommst, bin ich längst aus der Dusche.«

Erst neulich war sie in der Morgenzeitung auf einige Zeilen über die Liebe gestoßen. » Liebe «, hatte sie Ivan vorgelesen, der, mit der Krawatte in der Hand, konzentriert vor der Glasscheibe des Geschirrschranks stand, » Liebe ist das gebräuchliche Wort für die sexuelle Erregung der Jugend, die Gewohnheit der mittleren Jahre und die gegenseitige Abhängigkeit im Alter. « Sie hielt inne. »Gewöhnung? Trifft das auf uns zu?«

»Wir gehören noch zur Kategorie Jugend«, sagte Ivan mit einem Lächeln, die Augen, nicht den Kopf, in ihre Richtung gedreht. Ein nettes, anzügliches Grinsen. Gut. Die Einstellung des Autors gefiel ihr ohnehin nicht. Sie grinste zurück und biss mit jugendlichem Appetit in ihr Käsebrot. Ivan schlug das lange Ende der königsblauen Krawatte über das kurze, zog es von unten durch und bewältigte den Knoten mit gequälten ruckartigen Halsbewegungen, als versuchte sein Kopf, dunkel und gedankenvoll, sich aus der erzwungenen Enge zu befreien. Er hasste Geschäftsanzüge und behauptete, dass er in einem Lendentuch am glücklichsten wäre, aber er ging zu einem Treffen mit den Geldgebern. Ivan hatte eine einflussreiche Position am Metropolitan Museum, wo seine ganz speziellen Talente endlich ihre Nische gefunden hatten: untadeliger Geschmack, ein geschultes Auge und ein brillantes, scheinbar natürliches diplomatisches Geschick im Umgang mit potenziellen Geldlieferanten. Während Caroline das Binden der Krawatte verfolgte, dachte sie gleichmütig: Er opfert seine Bequemlichkeit, um unser täglich Brot zu verdienen. Sie verdiente es ebenfalls, aber die höhere Mathematik konnte man in Hose und Pullover unterrichten, erhaben, wie diese von Natur aus war. Ivan zwängte sich in eine Anzugjacke.

»Sehr schön«, bemerkte sie vom Küchentisch aus. »Die erraten nie, dass du Unternehmensstrukturen verabscheust.«

Er verzog das Gesicht, fuhr mit dem Finger unter dem Kragen durch und verließ das Zimmer.

Stimmte es? Gehörten sie wirklich noch zu den Jungen?

Sie hatte geduscht und war mitten in ihrer Morgengymnastik, als ihr auffiel, dass Ivan noch nicht zurück war. Er kam sonst nach dem Joggen immer direkt nach Hause, da er zu verschwitzt war, um irgendwo anders hinzugehen. Sie war nie besitzergreifend gewesen, was seine Zeit betraf - Freiheit war Teil ihrer stillschweigenden Vereinbarung, ihrer dauerhaften Beziehung. Aber sie fürchtete die Gefahren des Parks, insbesondere an unbelebten Wochentagen und grauen Vormittagen. Und heute war ein grauer Dienstag. Ivan hatte Urlaub und hätte ihre Ängste als Unsinn abgetan. Wahrscheinlich war er einem Nachbarn begegnet und mal wieder zu einer guten Tat verpflichtet worden, musste hilflosen Kindern den verbogenen Hausschlüssel richten oder älteren Witwen den Einkaufswagen ziehen, Schweiß hin oder her.

Sie konzentrierte sich bewusst wieder auf ihre Morgengymnastik, anstrengende Ballett-Aufwärmübungen, damit ihr Körper jung und beweglich blieb. (Für wen?, fragte sie sich gelegentlich. Für sich selbst? Ivan? Etwas zwingend Notwendiges in der Zukunft?) Sie war der Ansicht, dass Gymnastik die Übergriffe der Zeit aufhalten konnte, so wie eine disziplinierte Armee eine zerstörerische Horde aufhält. Außerdem glaubte sie an die Geschichte von dem Jungen, der ein Rind hochheben konnte. Er begann damit, kaum dass das Rind geboren war, und hob es jeden Tag hoch. Sie durfte auf keinen Fall eines Tages alt aufwachen und nicht mehr imstande sein, die Dehnungen, Schwünge und Gleichgewichtsübungen auszuführen, die ihr noch am Tag davor so leichtgefallen waren. In Zenons Paradox, das das Vorstellungsvermögen ihrer Studenten überstieg, erreichte der Pfeil nie sein Ziel, da die einzelnen Schritte eine unendlich teilbare Aufeinanderfolge darstellen. Die dahinrasende Zeit bewegte sich in winzigen Etappen. Caroline war fünfundvierzig, aber wie ihre Freunde ihr gelegentlich sagten und wie sie selbst glaubte, sah sie Jahre jünger aus.

Als sie fertig war, schaute sie auf die Küchenuhr. Er war nun seit über einer Stunde weg. Plötzlich erschien ihr, auf das viereckige Zifferblatt der Uhr projiziert, eine Vision von Ivan, der auf einem einsamen Weg von drei großspurigen Burschen mit Messern angegriffen wird. Dass er kein Geld bei sich trug, machte die drei wütend; sie gingen auf ihn los und verschwanden, während er blutend im schlaffen Juligras liegen blieb. Wie erstarrt ließ sie die Szene noch einmal detaillierter ablaufen. Sie kamen auf ihn zu, magere dunkle Gestalten in dunklen Klamotten, dicht nebeneinander, sodass sich ihre Schultern fast berührten, und versperrten ihm den Weg. Wie heftig Ivans Überraschung war, er, dem die Fantasie fehlte, sich Katastrophen auszumalen. Die drei umringten ihn, drehten ihm die Arme auf den Rücken, tasteten seine weißen Shorts nach Geld ab. Als er sich loszureißen versuchte, was er gewiss getan hatte, zogen sie ihre Messer und stachen auf ihn ein: Gesicht, Arme, Oberkörper. Nur wenige Leute wählten diesen Weg; er würde verbluten, langsam verbluten. Oder aber gefunden und zu ihr gebracht werden und den letzten Atemzug tun. Vielleicht würde er am Leben bleiben, als Invalide. Nebenan wohnte ein Mann, der im Rollstuhl saß. Er sprach die Nachbarn an, um ihnen Witze zu erzählen, und sie ertrugen seine Aufdringlichkeit aus Mitleid, denn er war überfallen worden und seither gelähmt. Die Vision blitzte abermals auf, Ivan auf dem verlassenen Weg, auf dem Rücken liegend, ausgestreckt wie ans Kreuz geschlagen, diesmal mit einem blutigen Loch vorne auf den weißen Shorts. Caroline presste die Fäuste auf die Augen, von Selbsthass überwältigt. Wie konnte sie sich so etwas auch nur vorstellen? Tot wäre besser als das. Um seiner selbst willen wäre es ihr lieber, man brächte ihn ihr tot zurück.

Sie schüttelte sich, wie um sich aus Schlingen zu befreien. Er verschwand einfach, er hatte kein Zeitgefühl; so war er eben. Im letzten Sommer war er mit den Mädchen an den Strand gegangen und erst um halb zehn Uhr abends wieder aufgetaucht. Sie hatte sich vorgestellt, wie Trawler mit Schleppnetzen den Meeresboden nach ihren Leichen absuchen, sofern man den Meeresboden mit Schleppnetzen absuchen konnte, vor allem bei Dunkelheit. Als die drei heimkamen, braungebrannt, voller Sand und lachend, erbleichte Caroline, als wären die drei Wiedergänger. In dem Moment hatte sie sich geschworen, nichts mehr von ihrer nachlassenden Vitalität darauf zu verschwenden, sich seinetwegen Sorgen zu machen. Na schön. Sie ging ins Schlafzimmer, holte ihre Jeans aus einer der unteren Schubladen und zog sie zufrieden über die Hüften. Man musste nicht joggen, um jung zu bleiben, dachte sie grimmig und griff nach der Haarbürste.

Es war ein schrecklich heißer Tag. Erst letzte Woche war ein Nachbar, zweiundfünfzig, nur ein paar Jahre älter als Ivan, auf dem Tennisplatz tot umgefallen, nach drei Sätzen bei extremer Hitze. Ganz genau. Ivan war nicht der Typ, Opfer eines Überfalls zu werden: zu kräftig und zu arrogant. Vielleicht lag er so da wie Jeff Tate, niedergestreckt durch hitzebedingte Erschöpfung und Herzversagen. Sie hätte ihn davor warnen sollen, joggen zu gehen - Jeffs Frau sagte, sie habe ihren Mann gewarnt, aber es habe nichts genützt -, doch Caroline war darauf bedacht, keinen ehefraulichen Ton anzuschlagen, selbst in mittleren Jahren. Auch das war Bestandteil ihrer stillschweigenden Vereinbarung, sich niemals das für einen »Ehemann« und eine »Ehefrau« typische Gebaren anzugewöhnen. Außerdem hätte Fürsorglichkeit, angesichts Ivans Veranlagung, nur das Gegenteil bewirkt. Und so war er aufgrund ihrer beiderseitigen Sturheit nun tot.

Und die Kinder im Ferienlager!...
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Autor

Lynne Sharon Schwartz ist eine New Yorker Autorin. Seit den Siebzigerjahren hat sie neunzehn Bücher veröffentlicht, darunter Romane, Sachbücher, Kurzgeschichten und Lyrik. Ihr Debüt »Für immer ist ganz schön lange« (1980) wurde bei Kein & Aber 2015 in einer Neuübersetzung veröffentlicht. »Alles bleibt in der Familie« (1999) erscheint nun erstmals auf Deutsch.