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Asche und Blitz

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
204 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am15.08.20161. Auflage
China am Ende der Ming-Dynastie: Unter Kaiser Kien Ti (1621-1627) blühen die Künste, Philosophie und das Schranzentum. Als plötzlich Barbareneinfälle die Halle der himmlischen Harmonie erzittern lassen, muß der Kaiser erschüttert feststellen, daß sich alle die so ergebenen Höflinge, Generäle, Poeten und schönen Frauen eilig aus der Gefahrenzone absetzen und es ihm überlassen, mit der Situation fertig zu werden. Nur seine Dienerin Kleiner Mond, die ihn liebt, bleibt bei ihm. Das Militär ist geflohen, aber der Abt eines buddhistischen Klosters, ein streitbarer Frommer namens Feuer des Himmels, kommt ihm mit seinen 128 mutigen Mönchen zu Hilfe ... (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Frédérick Tristan, 1981 Träger des Großen Romanpreises der französischen Literarischen Gesellschaft, Verfasser zahlreicher Romane, ist ein bedeutender Kenner der chinesischen Kultur und Tradition und zugleich ein Liebhaber und talentierter Schilderer des Wunderbaren, Abseitigen, Phantastischen.
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Produkt

KlappentextChina am Ende der Ming-Dynastie: Unter Kaiser Kien Ti (1621-1627) blühen die Künste, Philosophie und das Schranzentum. Als plötzlich Barbareneinfälle die Halle der himmlischen Harmonie erzittern lassen, muß der Kaiser erschüttert feststellen, daß sich alle die so ergebenen Höflinge, Generäle, Poeten und schönen Frauen eilig aus der Gefahrenzone absetzen und es ihm überlassen, mit der Situation fertig zu werden. Nur seine Dienerin Kleiner Mond, die ihn liebt, bleibt bei ihm. Das Militär ist geflohen, aber der Abt eines buddhistischen Klosters, ein streitbarer Frommer namens Feuer des Himmels, kommt ihm mit seinen 128 mutigen Mönchen zu Hilfe ... (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Frédérick Tristan, 1981 Träger des Großen Romanpreises der französischen Literarischen Gesellschaft, Verfasser zahlreicher Romane, ist ein bedeutender Kenner der chinesischen Kultur und Tradition und zugleich ein Liebhaber und talentierter Schilderer des Wunderbaren, Abseitigen, Phantastischen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105612798
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum15.08.2016
Auflage1. Auflage
Seiten204 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2100806
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

I

Zu jener Zeit herrschte in China Kaiser Tien ch´i, ein ehrwürdiger Greis und Abkomme der edlen Ming-Dynastie. Sein Palast erhob sich in der fünften Provinz, inmitten der Purpurstadt,[1] die im Herzen der Hauptstadt des nördlichen Reiches, bei jing lag, dem alten Hanbaligh Kubilai Chans, die sein Vorfahre Yung-lo zweihundert Jahre zuvor wieder zur kaiserlichen Residenz gemacht hatte.

Tien ch´i galt als Meister der Dichtkunst. Und so weilten an seinem Hof auch die weisesten Männer des Landes: Schreiber, Schriftsteller, Maler, Architekten, Musiker, Astrologen, Wahrsager und Philosphen, die eine des Kaisers würdige Ehrengarde bildeten.

Die Archive und Chroniken berichten, Tien ch´is Herrschaft sei eine der fruchtbarsten in der Geschichte des Reiches der Mitte gewesen. Und so schrieb denn auch der geniale Wu Thian ching, der unvergessene Autor der Drachen von der Insel des Westens, der lange Zeit am Hof lebte: »Kein Herrscher wirkte segensreicher als Seine Majestät Tien ch´i. In seinem Reich war die Schrift am klarsten, die Dichtung am reinsten, die Architektur am übersichtlichsten, die Musik am frömmsten, die Astrologie am erfolgreichsten, die Punktierkunst[2] am scharfsinnigsten und die Philosophie am unbestechlichsten. Und ich bin sogar überzeugt davon, daß damals die Pfirsichbäume die besten Früchte trugen und die jungen Frauen die bescheidensten und anmutigsten waren. Die Natur, von einer so klugen Herrschaft herausgefordert, wollte sich mit ihr messen und übertraf sich in dem Versuch, mit ihrem hohen Anspruch Schritt zu halten.« Nun war jedoch eines der Nachbarländer Chinas im Nordwesten von einem tatarischen Volksstamm bewohnt, den sogenannten Eleuthen. Diese neideten ihm den Reichtum und den kaiserlichen Frieden. Aufgestachelt und angeführt von einem ebenso ehrgeizigen wie grausamen General, der sich hervorragend auf das Kriegshandwerk verstand, überschritten die Barbaren die Grenze. Plündernd und alles in Brand setzend, was sie auf ihrem Weg fanden, begannen sie, in Richtung auf die Hauptstadt zu marschieren.

Der Tataren-General hieß Phan Lung tien, er war fast zwei Meter groß und wog ebensoviel wie drei Pferde mit vollem Zaumzeug, aber er war so flink, daß er einen Hasen auf der Flucht fangen konnte. Weil er so behaart war und nicht nur sein Gesicht, sondern auch sein Körper unter dem dichten, stoppligen Haarwuchs fast verschwand, hatten seine Truppen ihm den Beinamen »Dreifacher Bär« gegeben.

»Was soll dieses Kaiserreich, das von kleinen Mädchen beherrscht wird?« rief er voller Wut. »Meine Soldaten tragen Leder und eiserne Panzerkleider, während Tien ch´is Leute sich mit seidenen Hemden und Beinkleidern schmücken. Meine Frauen können einem Stier die Augen ausreißen und einer Tigerin ihr Neugeborenes wegnehmen, während Tien ch´is Weiber sich auf nichts als das Flötenspielen verstehen. Unsere Länder sind trocken und von Eis und Schnee bedeckt. Tien ch´is Ländereien sind fett und fruchtbar, alles wächst auf ihnen in Hülle und Fülle, und die Tiere haben ihre Weide. Wir sind tapfer und arm, während man im Reich von Kathay[3] Gedichte schreibt und das Gold von den Zweigen der Bäume pflückt, als sei dies ein wohlverbrieftes Recht. Ruhm und Ehre den Eleuthen! Fluch Tien ch´i!«

Die Nachricht von dem Einfall der Tataren explodierte wie ein Feuerwerkskörper im kaiserlichen Palast. In diesen Mauern, in denen nur frommes Schweigen oder die Harmonie auserlesener Musik herrschte, in denen jeder Schritt von Verbeugungen und ehrfürchtigem Flüstern begleitet war, in denen selbst die Luft ihren Atem anzuhalten schien, um nicht das rituelle Gefüge des kaiserlichen Lebens zu erschüttern, folgte auf das Erstaunen das Erschrecken, und plötzlich waren alle so aufgeregt, daß sie ziellos hin- und herliefen, ohne recht zu wissen, wohin sie die Trippelschritte eigentlich führen sollten.

Der Kaiser wandte sich fragend an einen seiner Ratgeber: »Was ist denn geschehen?« erkundigte er sich.

»Vielleicht hat ein Pferd im Garten geniest«, erwiderte der Ratgeber.

»Glaubt Ihr, dieser sonderbare Lärm, der an mein Ohr dringt, könne von einem irdischen Tier stammen? Ich glaube eher, es handelt sich um einen Drachen. Schaut doch einmal zum Fenster heraus, denn wenn es ein himmlischer Abgesandter ist, sollten wir ihn mit dem gebührenden feierlichen Zeremoniell empfangen.«

Der Ratgeber schritt zum Fenster, öffnete es, beugte sich hinaus und zog dann rasch den Kopf wieder ein:

»Allerdurchlauchtigster, Allerweisester«, rief er, »es handelt sich weder um ein Pferd noch um einen Drachen, sondern um Menschen.«

»Und weiter?« fragte Tien ch´i und hob dabei leicht die Augenbrauen.

»Sie schreien, die Eleuthen hätten die Grenze überschritten.«

Der Kaiser lächelte:

»Kommt wieder zurück. Das sind doch nur alte Ammenmärchen!«

Der Ratgeber lauschte einen Augenblick aufmerksam, dann fuhr er fort:

»Oh Fürst aller Fürsten, man sagt, die Eleuthen hätten die Stadt Tche Seu eingenommen!«

Der Kaiser fing an zu lachen:

»Was für einen Tag haben wir bloß heute, daß allen die Witze so leicht von der Lunge gehen? Mir scheint, bis zur Zeit der Kürbisse und der Geister ist es noch eine Weile hin ...«

»Oh glanzvollster König der Könige, sie schreien, die Eleuthen marschierten auf die Hauptstadt zu!«

Tien ch´i schloß die Augen. Früher einmal, vor zwei oder dreihundert Jahren, waren die Barbaren gekommen. Sie hatten alles verwüstet, die Frauen vergewaltigt und die Schätze geplündert. Sie waren sogar so geschmacklos gewesen, ausgerechnet im Herzen des kaiserlichen Palastes eine Tatarendiktatur zu errichten. Ein paar Jahre lang hatten sie ihre Herrschaft des Schreckens und des Lasters dem Land aufgezwungen. Doch dann hatten die Barbaren durch die Verwilderung ihrer Sitten jede Kontrolle über sich selbst verloren und sich in einem Bürgerkrieg gegenseitig umgebracht. Er muß so grausam gewesen sein, daß die Chronisten dieses Jahr später das »Jahr des reißenden Blutstroms« genannt hatten. Danach wurde das Kaiserreich wiederaufgerichtet, das große Reich der Ming-Dynastie.

»Erhabener Glanz des Morgens«, fuhr der Ratgeber fort, »soeben betritt ein Bote den Ehrenhof. Sein Pferd dampft wie der Stoff im Zuber des Färbers. Der Reiter ist von Kopf bis Fuß mit roter Erde bedeckt, so groß war sein Wunsch, den Wind zu überholen, um die Neuigkeiten von den fernen Provinzen des Reichs in diesen Palast zu bringen.«

»Er möge hereinkommen«, sagte Tien ch´i und öffnete seinen Fächer, um die Erregung zu verbergen, die ihn ergriffen hatt. Glücklicherweise fiel ihm dabei der Vers eines Gedichtes ein: Das Pferd des Todes braucht nicht rasch zu laufen, was ihn wieder einigermaßen beruhigte.

Der Bote war übrigens, wie man jetzt sah, rot von dem Blut, das aus seinen Wunden getropft und auf seiner Kleidung und der Haut geronnen war. Es bildete eine Art glänzende Rüstung, die einen bitteren Geruch verströmte. Er warf sich vor dem kaiserlichen Thron nieder, der durch einen mit dem Phönix-Wappen bestickten Wandschirm seinem Blick entzogen war.

»Er soll reden!« befahl der Ratgeber.

»Rede!« sagte der Hofmarschall.

Der Mann hob den Kopf und rief in großer Erregung: »Die Horden der Tataren unter dem Befehl von General Dreifacher Bär sind wie eine Wolke von Raubvögeln, die die Pest bringen. Wo sie auftauchen, bleibt nichts. Unsere Grenzsoldaten haben mit all ihrer Kraft, ihrem Mut und ihrem Kampfgeist Widerstand geleistet, doch vergebens. Man sagt, diese Eleuthen seien keine Menschen, sondern Geister, und jeder Stoß, den man ihnen versetze, ginge ins Leere. Unsere Alten behaupten, es seien in Menschen verwandelte Dämonen, und ihre Macht rühre von Beschwörung und Zauberei her.«

»Wie viele Städte sind gefallen?« fragte der Hofmarschall.

»Zweiundzwanzig«, erwiderte der Bote und berührte mit seiner Stirn die steinernen Fliesen im kaiserlichen Thronsaal.

»Wie viele Soldaten sind gefallen?« fragte der Ratgeber.

»22000«, antwortete der Bote und schlug mit seiner Stirn gegen den Boden.

»Wie weit entfernt sind die Eleuthen von der Hauptstadt?« erkundigte sich der Kaiser.

»222 mal 22 Meilen«, erwiderte der Bote, schlug ein letztes Mal heftig mit der Stirn auf den Stein auf und verschied.

»Marschall Li Shi choh! Bewaffnet Eure Männer! Haltet den Eindringling auf! Er ist kaum einen Mond von diesem Palast entfernt!« rief der Ratgeber schreckensbleich.

Der Hofmarschall erwiderte:

»Möge der ehrwürdige kaiserliche Ratgeber einem bescheidenen Offizier der Leibgarde Seiner Majestät verzeihen, aber die Soldaten, die ich zu befehligen die Ehre habe, sind nicht darin geübt, gegen Geister zu kämpfen, vor allem, wenn es sich um Geister handelt, die nicht einmal die elementarsten Regeln militärischer Kunst kennen. Diese Eleuthen sind völlig ungebildet und haben keine Ahnung von militärischer Strategie, wie sie in unseren Offiziersschulen so beispielhaft gelehrt wird. Wie könnten also unsere Krieger, die in den kniffligsten Details dieser erhabenen Kunst bewandert sind, ihr edles Wissen an diese Barbaren verschwenden, die unfähig sind, ein Jadeschwert von einem Säbel aus Pfirsichbaumholz zu unterscheiden?«

Diese typisch militärische strenge Logik verschlug dem kaiserlichen Ratgeber einen Augenblick lang die Sprache, doch dann blähte sich seine Stimme sozusagen wie ein Segel kurz vor dem Sturm: »Marschall Li Shi choh, ich habe die Ausbildung unserer Offiziere stets für die umfassendste, die vorbildlichste und aristokratischste, die sich denken läßt,...
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Autor

Frédérick Tristan, 1981 Träger des Großen Romanpreises der französischen Literarischen Gesellschaft, Verfasser zahlreicher Romane, ist ein bedeutender Kenner der chinesischen Kultur und Tradition und zugleich ein Liebhaber und talentierter Schilderer des Wunderbaren, Abseitigen, Phantastischen.
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Tristan, Frédérick
Weitere Artikel von
Clerc-Erle, Widulind
Übersetzung