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Unbekannt verzogen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
312 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am15.11.20161. Auflage
Nach ihrem erfolgreichen Roman über das Geschäft mit der Kinderpornographie, »Ladies' Night«, erzählt Elisabeth Bowers in ihrem zweiten Krimi von der alltäglichen Gewalt gegen Frauen und Kinder in der Familie. Für Meg Lacey, Detektivin aus Vancouver, ist es reine Routine, die verschwundene Sherry und ihren vierjährigen Sohn ausfindig zu machen. Doch am Tag darauf ist Sherry tot ... (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Elisabeth Bowers wurde in Vancouver an der kanadischen Pazifikküste geboren und ist dort auch aufgewachsen. Sie hat als Hilfsarbeiterin gejobbt, war Bibliothekarin, Reporterin und Lehrerin, bevor sie mit dem Kriminalroman ?Ladies' Night? erstmals als Schriftstellerin in Erscheinung trat.
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Produkt

KlappentextNach ihrem erfolgreichen Roman über das Geschäft mit der Kinderpornographie, »Ladies' Night«, erzählt Elisabeth Bowers in ihrem zweiten Krimi von der alltäglichen Gewalt gegen Frauen und Kinder in der Familie. Für Meg Lacey, Detektivin aus Vancouver, ist es reine Routine, die verschwundene Sherry und ihren vierjährigen Sohn ausfindig zu machen. Doch am Tag darauf ist Sherry tot ... (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Elisabeth Bowers wurde in Vancouver an der kanadischen Pazifikküste geboren und ist dort auch aufgewachsen. Sie hat als Hilfsarbeiterin gejobbt, war Bibliothekarin, Reporterin und Lehrerin, bevor sie mit dem Kriminalroman ?Ladies' Night? erstmals als Schriftstellerin in Erscheinung trat.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105614532
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum15.11.2016
Auflage1. Auflage
Seiten312 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2134248
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

Selbst jetzt noch, nach einem Jahr, wenn ich durch die Stadt fahre oder zu Hause Geschirr spüle, wird mir plötzlich bewußt, daß ich wieder dabei bin, Details zu rekapitulieren, Umstände zu erklären, mein Verhalten vor einem unsichtbaren Richter zu rechtfertigen. Es macht mich krank, mir selber zuzuhören. Werde ich niemals darüber hinwegkommen?

Wenn man wie ich in einer kanadischen Mittelschichtsfamilie aufgewachsen ist, ist einem beigebracht worden, daß das Böse immer woanders existiert, in anderen Gegenden, anderen Ländern. Man sieht es im Fernsehen; es bleibt auf der anderen Seite des Bildschirms. Inzwischen weiß ich natürlich, daß hinter den geschlossenen Türen meiner behüteten Vorstadt-Kindheit die üblichen Scheußlichkeiten stattgefunden haben: das Verprügeln von Ehefrauen, Kindesmißbrauch, Mord, Vergewaltigung. Dennoch haben diese frühen Jahre ihre unauslöschliche Wirkung hinterlassen. Wie in festgewordenem Aspik waren sie in mir eingeschlossen - und immer noch bin ich zu vertrauensselig, zu selbstgefällig. Vom Verstand her weiß ich, wozu die Menschen fähig sind, aber auf der Gefühlsebene kann ich dieses Wissen nicht umsetzen. Egal, wie paranoid und vorsichtig ich bin, nie bin ich paranoid und vorsichtig genug.

Ich heiße Meg Lacey. Ich bin weiß, geschieden und mittleren Alters; ich habe zwei (beinahe) erwachsene Kinder. Ich wohne und arbeite in Vancouver, einer Stadt mit etwa einer Million Einwohnern an der kanadischen Pazifikküste. Während der letzten zehn Jahre habe ich mich als private Ermittlerin durchgeschlagen. Ich bin schon besser als am Anfang - manchmal glaube ich fast, daß ich noch mal richtig gut werde. Trotz meiner Fehler.

Aber wir alle machen Fehler, nicht wahr? Das Problem ist, wenn ich zurückblicke, kann ich nicht auf einen konkreten Moment verweisen und sagen: Da habe ich den Fehler gemacht. Ich kann nicht mit Sicherheit ausschließen, daß ich denselben noch einmal mache. Und genau das macht mir angst.

Ich könnte natürlich jemand anderem die Schuld geben - zum Beispiel Vicky Fischer, die mich engagiert hatte für diesen Fall. Sie war eines Nachmittags im März in mein Büro gerauscht - eine robuste, hübsche Frau Mitte dreißig - und hatte den Raum mit ihrer Gegenwart ausgefüllt: mit ihrer auffällig teuren Kleidung, ihrem Moschusparfüm. Sie hatte ein klares Gesicht, helle Haut und dickes, hellbraunes Haar. Sie machte einen tüchtigen und selbstsicheren Eindruck, als habe sie schon vor langer Zeit gelernt, für sich selbst zu sorgen. Wenn sie lächelte, bildete sich ein ausgeprägtes Grübchen auf ihrer linken Wange, aber ihr Blick war nachdenklich, und um ihren Mund hatten sich bittere Linien eingegraben.

In meinem Beruf begegnet man vielen übereifrigen Menschen, die es lieben, das Leben anderer zu organisieren. Zuerst schien mir Vicky solch eine typische Vertreterin zu sein. Sie wollte, daß ich ihre Schwester suche, Sherry, die Heim und Ehemann verlassen und ihren Sohn mitgenommen hatte. Sherry war acht Jahre jünger als Vicky, und es war klar, daß Vicky sich ihr ganzes Leben lang um sie gekümmert, ihr die Schuhe zugebunden, sie an der Hand über die Straße geführt hatte. Doch jetzt war Sherry ihrer Aufsicht entschlüpft.

»Ich suche keine Erwachsenen«, erklärte ich, »es sei denn, sie sind verschwunden, um sich vor Verpflichtungen zu drücken. Als Erwachsene geht man nicht verloren. Und Tote kann die Polizei besser finden als ich.«

Aber als Vicky die Situation ausführlich darlegte, fing ich an zu verstehen, daß es sich in Sherrys Fall anders verhielt, daß Vickys Einmischung gerechtfertigt sein könnte. Sherry war seelisch gestört, und ihr Zustand verschlimmerte sich. Laut Vicky war ihre Schwester schon immer ziemlich labil und reizbar gewesen, aber in den vergangenen Jahren hatten ihre Schwierigkeiten so zugenommen, daß sie zuweilen unfähig war, sich um ihr Kind zu kümmern. Sherry weigerte sich, einen Psychiater zu konsultieren, aber dem Schicksal, eingewiesen zu werden, war Sherry bisher nur deshalb entgangen, weil Vicky immer eingesprungen war, wenn Sherry ausfiel.

»Aber nun hat sie entschieden, daß wir die Schuld an allen ihren Problemen haben«, sagte Vicky ein wenig aufgebracht. »Sie hat mich besucht - das war vor etwa eineinhalb Monaten - und erzählte mir, daß sie entschlossen sei, Glen zu verlassen - das ist ihr Mann -, und daß sie niemandem sagen würde, wohin sie ging. Sie meinte, die Menschen, die sie kennt, wären wie Spiegel, die sie in immer demselben Bild gefangenhielten. Wenn sie uns allen entkäme, könnte sie endlich ein anderer Mensch werden.«

»Vielleicht hat sie recht«, sagte ich.

»Aber sie kommt ständig mit irgendwelchen neuen Theorien und neuen Rezepten, die alle nichts taugen. Mehrmals im Monat ruft Glen mich an und fragt mich, ob er den Jungen bei mir abgeben kann, weil Sherry wieder mal weggetaucht ist und er ihn nicht mit ihr alleine lassen will. Sie schließt sich im Schlafzimmer ein und kommt nicht mehr heraus, sie ißt nicht ... Und so kann das tagelang gehen.«

»Als sie Ihnen erzählt hat, daß sie verschwinden will, hat sie da auch erwähnt, daß sie vorhat, ihren kleinen Jungen mitzunehmen?«

»Ja. Und als ich sie fragte, was Glen davon halten würde, sagte sie, daß Glen so beschäftigt sei mit seinem Restaurant, daß er es gar nicht bemerken würde. Sehen Sie, sie hat keinen sehr guten Realitätssinn. Ich hab zu ihr gesagt: Mark ist Glens Sohn. Du kannst nicht einfach mit ihm fortgehen und verschwinden. Das nennt man Kindesentführung.« Sie machte eine Pause und wartete auf meine Zustimmung.

»Hm.« Ich mochte mich nicht festlegen.

»Aber sie hört niemals zu, wenn sie sich wieder etwas Neues in den Kopf gesetzt hat. Sie wird auf jeden wütend, der sie kritisiert. Ich hab nicht gewußt, ob ich sie ernst nehmen sollte oder nicht, aber ich hab ihr gesagt, wenn sie auszöge, sollte sie mich jede Woche anrufen. Ich versprach ihr, niemandem zu erzählen, daß ich noch in Kontakt mit ihr stehe, solange ich nur wüßte, daß es ihr und Mark gutginge. Sie kann nicht alleine für Mark sorgen. Ich habe mich seit seiner Geburt um ihn gekümmert - um sie beide gekümmert.«

Ich betrachtete sie und überlegte: Würde ich von einer großen Schwester so umsorgt sein wollen? »Warum Sie? Ist das nicht Glens Aufgabe?«

»Oh, er tut, was er kann. Wenn er zu Hause ist«, fügte Vicky geringschätzig hinzu. »Aber er hat vor etwa einem Jahr sein eigenes Restaurant eröffnet und managt es ganz alleine. Er hat Tausende von Dollar da reingesteckt und sich jeden Penny geborgt, den er kriegen konnte, um es zu finanzieren. Wenn er damit scheitert, ist er bankrott. Daher kann er nicht jedesmal auf Mark aufpassen, wenn Sherry einen schlechten Tag hat.«

»Und Sie können das?«

»Na ja, ich habe drei Kinder. Ich bin sowieso zu Hause.«

»Was hat Glen gemacht, als Sherry verschwunden ist?«

»Er hat mich angerufen, er hat meine Eltern, er hat alle ihre Freunde angerufen ... Schließlich hat er die Polizei angerufen.«

Ich nahm meinen Stift. »Wann war das?«

Sie runzelte die Stirn, und ich schob ihr meinen Schreibtischkalender hinüber. Sie schlug darin nach, rechnete leise zurück. »Am 2. Februar, glaube ich. Genau - es war ein Freitag.«

»Und wann hat sie Ihnen von ihrem Plan erzählt, fortzugehen?«

»Ein paar Tage davor. Sie hat mich ungefähr eine Woche später angerufen.«

»Nachdem sie verschwunden war?«

Vicky nickte. »Und sie hat mich auch die Woche darauf angerufen. Sie sagte mir, sie habe eine Wohnung und einen Job in einem Restaurant gefunden und einen Babysitter, der auf Mark aufpaßt, während sie arbeitet. Sie sagte, es sei alles in bester Ordnung, und ich solle mir keine Sorgen machen. Aber sie wollte mir nicht erzählen, wo sie wohnte, und sie sagte, sie habe kein Telefon.«

»Haben Sie Glen von diesen Anrufen erzählt?«

»Nein«, antwortete Vicky mit einem Anflug von Trotz. »Und der Polizei habe ich auch nichts davon erzählt.«

Ich legte meinen Stift weg und lehnte mich zurück.

»Ich sagte Ihnen ja - ich bin auf ihrer Seite«, verteidigte Vicky sich. »Ich suche nach meiner Schwester, nicht Glen. Ich weiß nicht, warum sie ihn verlassen hat - das ist ihre Angelegenheit. Aber sie kann nicht von mir erwarten, nicht nach unserer gemeinsamen Geschichte, daß ich sie einfach fallenlasse. Sie will unabhängig sein. Das kann ich verstehen. Aber selbst wenn ich bereit wäre, sie dieses Risiko eingehen zu lassen - was ist mit Mark? Es ist nicht fair ihm gegenüber. Ihr ist nicht klar, was er durchmacht, denn wenn sie ihre verrückten Anfälle kriegt, kümmert sich jemand anders um ihn. Ich muß dauernd an ihn denken, wie das für ihn ist, alleine mit ihr, wenn sie anfängt zu schreien und -« Sie brach mit einem heftigen Seufzer ab, darum bemüht, ihr Gesicht unter Kontrolle zu halten. »Wenn sie Angst bekommt, bekommt er auch Angst«, fuhr sie mit dünner Stimme fort, »und nun ist niemand mehr da, um ihn zu beruhigen.«

Manche meiner Klienten schluchzen und schreien, und ich zucke nicht mit der Wimper - aber beim Anblick von Vickys kummererfüllten blauen Augen war ich gegen meinen Willen gerührt.

»Wann hat Sherry Sie zum letztenmal angerufen?« fragte ich.

»Nicht mehr, seit ich bei ihr gewesen bin.«

»Sie sind wo bei ihr gewesen?«

»Ich habe diese Anrufe gekriegt, ja? Und dann aus. Sie hat sich nicht mehr gemeldet. Ich bin nicht in Panik geraten - nicht sofort. Aber nachdem ich zwei Wochen nichts mehr von ihr gehört hatte, habe ich gedacht:...
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