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Das warme Licht des Morgens

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Droemer Knaurerschienen am31.03.20171. Auflage
Nach ihrem Debüt 'Die Nacht der Zugvögel' legt die Berliner Autorin Franziska Fischer mit 'Das warme Licht des Morgens' erneut einen berührenden und zutiefst poetischen Roman vor, in dem sie einfühlsam und mit viel psychologischem Feingefühl über das Leben nach einem schweren Schicksals-Schlag und über die heilende Kraft der Liebe schreibt. Das Licht, die Farben, der Ausdruck in den Augen Fremder - das sind die Zutaten, die Levi für seine Gedichte und Romane braucht. Doch als er bei einem Brand ein kleines Mädchen aus dem Feuer rettet und dabei sein Augenlicht verliert, bricht für den erblindeten Schriftsteller eine Welt zusammen. Nie wieder sehen bedeutet für ihn auch nie wieder die richtigen Worte finden. Verzweifelt zieht er sich immer mehr aus dem Leben zurück. Bis er eines Tages Rea kennenlernt, die neue Kellnerin in dem Café, in dem er immer Essen geht. Sie wird seine Vertraute, durch ihre Augen lernt er wieder sehen und mit ihren Händen schreiben. Auch sie hat mit einem großen Verlust zu kämpfen, der noch viel schwerer wiegt als seine Blindheit. Doch das verrät sie ihm nicht.

Franziska Fischer wurde 1983 in Berlin geboren und wohnt dort nach einem Studium der Germanistik und Spanischen Philologie an der Universität Potsdam noch immer. Sie arbeitet als freiberufliche Autorin und Lektorin.
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Produkt

KlappentextNach ihrem Debüt 'Die Nacht der Zugvögel' legt die Berliner Autorin Franziska Fischer mit 'Das warme Licht des Morgens' erneut einen berührenden und zutiefst poetischen Roman vor, in dem sie einfühlsam und mit viel psychologischem Feingefühl über das Leben nach einem schweren Schicksals-Schlag und über die heilende Kraft der Liebe schreibt. Das Licht, die Farben, der Ausdruck in den Augen Fremder - das sind die Zutaten, die Levi für seine Gedichte und Romane braucht. Doch als er bei einem Brand ein kleines Mädchen aus dem Feuer rettet und dabei sein Augenlicht verliert, bricht für den erblindeten Schriftsteller eine Welt zusammen. Nie wieder sehen bedeutet für ihn auch nie wieder die richtigen Worte finden. Verzweifelt zieht er sich immer mehr aus dem Leben zurück. Bis er eines Tages Rea kennenlernt, die neue Kellnerin in dem Café, in dem er immer Essen geht. Sie wird seine Vertraute, durch ihre Augen lernt er wieder sehen und mit ihren Händen schreiben. Auch sie hat mit einem großen Verlust zu kämpfen, der noch viel schwerer wiegt als seine Blindheit. Doch das verrät sie ihm nicht.

Franziska Fischer wurde 1983 in Berlin geboren und wohnt dort nach einem Studium der Germanistik und Spanischen Philologie an der Universität Potsdam noch immer. Sie arbeitet als freiberufliche Autorin und Lektorin.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783426439708
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum31.03.2017
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse728 Kbytes
Artikel-Nr.2137704
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

01

Er würde liegen bleiben. Wenn er nicht so furchtbar dringend auf die Toilette müsste, würde er einfach liegen bleiben und spüren, wie die Zeit verrinnt. Vielleicht würde er das Radio einschalten, nur um zu wissen, wie spät es ist und wie die Welt dort draußen aussieht, für alle anderen. Denn Dinge geschehen weiterhin. Terroranschläge, Regierungsentscheidungen, Krankheiten. Verkehrsunfälle, Staus, Wetterumschwünge. Ein einzelnes Leben ändert nichts daran. Ein einzelnes Sterben genauso wenig. Doch wenn er liegen bleibt, drängen sich die Träume immer stärker in seine Tage, und dann ist es unmöglich, aus ihnen zu erwachen. Die Erinnerungen beiseite zu schieben, als existierten sie gar nicht. Sie wenigstens in irgendeine Ecke zu bannen, wo sie nur gelegentlich aufflackern.

Langsam erhebt er sich. Die Füße tasten nach dem Ende des Bettes und anschließend nach dem Boden. Kratziger Teppich auf rauer, nackter Haut. Dann das weiche Schaffell der Pantoffeln.

»Die sind viel zu warm für diese Jahreszeit«, sagte Robin zu ihm. Wann war das? Vor zwei Wochen, vielleicht schon vor drei. »Mitten im Sommer schwitzt du doch nur, wenn du sie den ganzen Tag trägst.«

Er fühlt sich wohler, solange seine Füße sicher sind. Gegen Schaffell kann niemand etwas sagen. Weich, warm, kuschelig. Es schirmt ihn ab von auf den Boden gefallenen Gegenständen, von Tischbeinen, Türkanten, Fußbodenschwellen. Also gab Robin auf. Manchmal hört er sie seufzen, und dann stellt er sich vor, wie sie auf seine Füße blickt und sanft den Kopf schüttelt. In den zusammengezogenen Augenbrauen, der gerunzelten Stirn könnte er ihre Gedanken lesen.

Für einen Moment bleibt er noch sitzen, bevor er aufsteht und wieder wartet, bis er sicher ist, das Gleichgewicht gefunden zu haben. In kurzen Schritten bewegt er sich vorwärts, die Arme leicht nach vorn gestreckt. Hier das Nachttischchen, auf dem sich früher immer Bücher stapelten, mindestens vier. Dann die Wand, Abstand nehmen, um nicht gegen das kleine Bücherregal zu stoßen. Der breite Schrank, in dem er all seine Kleidungsstücke aufbewahrt, dazu Saisonjacken, Saisonschuhe, Handtücher, Bettwäsche. Mittlerweile zusätzlich ein paar Klamotten von Robin, falls sie spontan bei ihm übernachtet. Auch wenn das nur selten geschieht.

Eine Weile tastet er sich durch Nichts, bis er die Tür erreicht. Sie ist geöffnet, wie immer. Geradeaus über den schmalen Flur bis zum Badezimmer. Die Tür steht ebenfalls offen.

Waschmaschine, Waschbecken, dann erst die Toilette. Er setzt sich jetzt immer hin zum Pinkeln, aus Sorge, dass er sonst nicht trifft. Letztlich kann er sich kaum etwas Demütigenderes vorstellen als seine Tochter, die seinen Urin wegwischt.

Schlimm genug, dass sie das Bad überhaupt putzen muss. Seine Unterhosen waschen. Essen kochen.

Er spült und schlurft zurück in sein Schlafzimmer. Hier, in seinem Zuhause, wirkt die Dunkelheit fast schon vertraut, ohne allzu große Überraschungen. Sie hüllt nur alles ein, mehr nicht, und solange er sich konzentriert und an den verwischten Bildern festhält, die seine Erinnerungen sind, muss er nicht einmal sonderlich nachdenken, wenn er eine Schranktür öffnet und Unterwäsche und Socken und ein T-Shirt herausnimmt.

Früher hat er jeden Tag Hemden getragen, doch das Bügeln würde Robin nur zusätzliche Arbeit bereiten. Zeit, die sie nicht hat. Die er ihrem eigenen Leben stiehlt.

Zurück im Bad stapelt er die Sachen auf der Waschmaschine und hofft, dass nichts herunterfällt, auf den Haufen schmutziger Wäsche davor, denn dann könnte er nur mühsam unterscheiden, was sauber ist und was getragen, müsste sich durch Gerüche nach vergangenen Stunden wühlen. Robin wollte eigentlich einen Holz- oder Bastkorb kaufen, worin er die dreckige Wäsche lagern könnte, doch das kleine Bad bietet keinen Platz dafür.

Das Duschen ist jedes Mal von Neuem eine Herausforderung. Erst die Temperatureinstellung des Wassers. Die Frage, in welcher Flasche sich Duschgel und in welcher sich Haarwaschmittel befindet, obwohl ihm das eigentlich egal ist. Immer wieder stößt er mit den Ellenbogen gegen die Wände der Duschkabine. Manchmal fällt der Duschkopf herunter, wenn er ihn nicht richtig an der Halterung befestigt hat. Das Shampoo riecht viel zu intensiv nach etwas Dunklem und Grünem, wie feuchtes Moos, doch als er das Robin sagte, schwieg sie beleidigt, und auch wenn sie nichts erwiderte, ahnte er, dass sie sehr lange überlegt hatte, welche Sorte sie ihm kaufen sollte. Wahrscheinlich hatte sie ihm eine Freude machen wollen. Etwas Besonderes ausgesucht, für ihn, ausgerechnet.

Mittlerweile hält er sich schon sehr routiniert an der Kabinentür fest, wenn er seinen Fuß über die Schwelle hebt und nach draußen tritt, nicht mehr mit der fast schon notorischen Verzweiflung des Anfangs, als er noch jeder einzelnen Bewegung einen Unfall vorausahnte, ein Stolpern und Ausrutschen und Anstoßen. Dafür stellt er sich vor, wie er wohl aussehen mag, nackt und nass mit diesem übertriebenen Anheben des Beines wie aus einem uninspirierten Fernsehsketch.

Er tastet nach dem Handtuch und dann, Stück für Stück, nach seiner Kleidung. Mehrmals überprüft er, ob die Schildchen an der richtigen Stelle sitzen, er nichts verkehrt herum anzieht. Riecht lange an seinem T-Shirt und fragt sich, ob ein Geruch nicht auch die Farbe transportieren kann, irgendwo unter all den anderen Aromen.

Die Haare rubbelt er trocken. Einmal hat er sie sich bisher von seiner Tochter schneiden lassen, schön kurz, auch wenn sie meint, sie könne das eigentlich nicht.

In seinen Schaffellpantoffeln läuft er bis zum Ende des Flurs, wo neben der Wohnungstür eine kleine, erst kürzlich angeschaffte Kommode steht. Ihn irritiert es, nicht zu wissen, wie sie aussieht. Ein komplett neues Möbelstück, nur damit seine Tochter eine Schale daraufstellen und er seinen Schlüssel darin deponieren kann. In den Schubladen Schals und Mützen, Zeitschriften, die ihn einmal interessierten. Wozu heben sie sie eigentlich auf? Sie bestand darauf, die Schubfächer mit ihm zusammen einzuräumen. Das Telefon neben der Schale, Notizblock ebenfalls. Notizblock. Unsichtbare Schrift.

Es verlangte ihm anfangs einiges an Konzentration ab, den Schlüssel jedes Mal in der Glasschale zu platzieren, anstatt ihn, wie sonst, auf den Küchentisch zu werfen oder auf das Bücherregal zu legen oder neben den Fernseher im Wohnzimmer. Bis sich die Tage sammelten, an denen er die Wohnung nicht verlassen konnte, weil er den Schlüssel nicht fand.

Nicht dass er häufig irgendwohin geht. Eigentlich geht er nie irgendwohin. Nur zum Frühstück verlässt er täglich, außer sonntags, diese Räume, die alles enthalten, was er noch kennt, läuft zwei Stockwerke hinunter ins Erdgeschoss, auf die Straße und gleich links in das Café, mit dem er sich schon seit Ewigkeiten das Haus teilt. Es befand sich bereits darin, als Levi vor fast fünf Jahren einzog, nach der Trennung von seiner Frau. Von seiner Wohnung. Von seinem Kind.

Noch immer ist die Einrichtung dieselbe, behauptet zumindest Robin. Noch immer riecht es nach altem Pfeifentabak und gemahlenem Kaffee und frittiertem Essen. Noch immer flattern die Stimmen von Studenten und jungen Touristen durch den Raum, die Stimmen von Menschen, denen es nichts ausmacht, dass alle Mahlzeiten gleich schmecken, solange sie halbwegs preiswert sind.

»Guten Morgen, Levi«, ruft Manuel, der Besitzer des Cafés, und unwillkürlich stellt Levi sich vor, wie er hinter der Theke steht und Gläser abspült, obwohl um diese Uhrzeit wohl noch niemand Bier bestellt haben kann. Wie spät es auch immer sein mag. Allerdings, wer weiß, manchmal hat man so Zeiten, selbst Levi hat sie. Zeiten, an denen man den Tag am liebsten mit einem Bier beginnen würde. Oder einem Glas Wein. Etwas, das die Gedanken schummrig macht, sie verwirbelt und vermischt in bunten Farben.

»Der gleiche Tisch wie immer. Soll ich dir helfen?«

»Nein, ich komme schon zurecht. Danke, Manuel.«

Der gleiche Tisch wie immer ist der ganz hinten links in der Ecke. Levi wird ihn finden, allein, er braucht Manuels Führung nicht mehr. Allein tastet er sich vorwärts und versucht anhand der Geräuschkulisse zu erraten, wie viele Gäste das Café besetzen. Erstaunlich viele. Stimmengewirr wie eine Wand, die er erst einmal durchdringen muss. Zu viele Geräusche verursachen Kopfschmerzen. Verfärben jeden Orientierungshinweis.

Tisch sieben, der eine Stuhl wieder ein Stückchen zu weit draußen. Tisch zehn, er streift irgendjemandes Haare. Dann der Ecktisch. Erleichtert lässt sich Levi auf das glatte Kunstledersofa fallen. In seiner Erinnerung ist es braun, manchmal, so wie heute, ist er sich dessen aber nicht mehr so sicher.

Manuel schlurft heran, und Levi fragt sich, ob er das früher auch getan hat oder ob es nur seine Art und Weise ist, ihm unauffällig mitzuteilen, dass er auf ihn zusteuert.

»Dasselbe wie immer?«

»Bratkartoffeln, ja. Das Omelette mit Tomaten«, bestellt er, während Manuel in seinem Block blättert. »Heute ausnahmsweise auch einen Milchkaffee und ein Croissant mit Erdbeermarmelade.«

»Alles klar, Chef. Du hast wohl Hunger.« Ein Zwinkern in Manuels Stimme.

»Kann sein.«

Levi sitzt gern mit dem Gesicht zur Tür. Das gibt ihm das Gefühl, wenigstens ein bisschen Kontrolle zu behalten, eher zu spüren, wann jemand kommt und wann jemand geht. Das Draußen, das hereinweht, das Drinnen, das hinausgesogen wird. Frische Luft, Nahrung für seine noch immer beanspruchte Lunge.

Die Mahlzeit wird ihm rasch gebracht, und genauso schnell verschlingt er sie auch. Hofft, dass niemand bemerkt, wenn ihm Kartoffelstücke von der Gabel fallen oder Öl sein Kinn entlangläuft. Die Eier wie immer zu salzig, die...
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