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Heimwärts über das Eis

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
335 Seiten
Deutsch
Insel Verlag GmbHerschienen am12.12.2016Deutsche Erstausgabe
Heimwärts über das Eis erzählt zart und berührend von der zweiten ersten Liebe, von Schuld und Reue, von Entfremdung und Versöhnung - inmitten der herrschaftlichen Weite des Meeres, der anmutigen Landschaft der schwedischen Schären und des schimmernden Glanzes einer Welt, die nach einem langen Winter wieder zum Leben erwacht. Erste Frühlingsboten in den Schären: Kälte und Eis weichen nur zögerlich, doch die täglich höher steigende Sonne lässt den Frühling auf Hustrun, einer der nördlichsten Inseln im Stockholmer Schärengarten, schon erahnen. Ellinor Ingman hat hier ihr ganzes Leben verbracht. Außer ihr und ihrem alten Vater leben fast keine Familien mehr auf der Insel. Es ist ein ruhiges, oft einsames Dasein, doch Ellinor liebt die Insel und das Meer, ihre Eiderenten und ihren kleinen Garten. Als Herrman Engström jetzt nach über dreißig Jahren plötzlich wieder vor ihr steht, ihre einstige große Liebe, gerät ihre Welt aus den Fugen. Die alten Gefühle drängen sich auf. Und mit ihnen die quälende Frage: Warum ging er damals einfach fort? Die Antwort birgt eine alte, unausgesprochene Geschichte, die immer zwischen ihnen stand. Die weit zurückreicht in den Winter 1914, als ein schreckliches Unglück über die Insel hereinbrach und ein verheerender Schneesturm das Leben der Familien dort für Generationen veränderte ... Im sanften Licht des herannahenden Frühlings beginnen die Schatten der Vergangenheit nun langsam zu weichen - und Ellinor und Herrman bekommen eine zweite Chance, für ihre Liebe zu kämpfen.


Gunilla Linn Persson ist Autorin mehrerer Romane, Kinderbücher und Theaterstücke, außerdem schreibt sieDrehbücher für das Fernsehen. Sie lebte lange Zeit auf einer Insel im Stockholmer Schärengarten, wo auch ihr Roman Heimwärts über das Eis spielt.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR14,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextHeimwärts über das Eis erzählt zart und berührend von der zweiten ersten Liebe, von Schuld und Reue, von Entfremdung und Versöhnung - inmitten der herrschaftlichen Weite des Meeres, der anmutigen Landschaft der schwedischen Schären und des schimmernden Glanzes einer Welt, die nach einem langen Winter wieder zum Leben erwacht. Erste Frühlingsboten in den Schären: Kälte und Eis weichen nur zögerlich, doch die täglich höher steigende Sonne lässt den Frühling auf Hustrun, einer der nördlichsten Inseln im Stockholmer Schärengarten, schon erahnen. Ellinor Ingman hat hier ihr ganzes Leben verbracht. Außer ihr und ihrem alten Vater leben fast keine Familien mehr auf der Insel. Es ist ein ruhiges, oft einsames Dasein, doch Ellinor liebt die Insel und das Meer, ihre Eiderenten und ihren kleinen Garten. Als Herrman Engström jetzt nach über dreißig Jahren plötzlich wieder vor ihr steht, ihre einstige große Liebe, gerät ihre Welt aus den Fugen. Die alten Gefühle drängen sich auf. Und mit ihnen die quälende Frage: Warum ging er damals einfach fort? Die Antwort birgt eine alte, unausgesprochene Geschichte, die immer zwischen ihnen stand. Die weit zurückreicht in den Winter 1914, als ein schreckliches Unglück über die Insel hereinbrach und ein verheerender Schneesturm das Leben der Familien dort für Generationen veränderte ... Im sanften Licht des herannahenden Frühlings beginnen die Schatten der Vergangenheit nun langsam zu weichen - und Ellinor und Herrman bekommen eine zweite Chance, für ihre Liebe zu kämpfen.


Gunilla Linn Persson ist Autorin mehrerer Romane, Kinderbücher und Theaterstücke, außerdem schreibt sieDrehbücher für das Fernsehen. Sie lebte lange Zeit auf einer Insel im Stockholmer Schärengarten, wo auch ihr Roman Heimwärts über das Eis spielt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783458749264
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum12.12.2016
AuflageDeutsche Erstausgabe
Reihen-Nr.4487
Seiten335 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2145162
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe





DIE SCHWEBENDEN




 

 

Ein Düsenjet zog einen dicken weißen Strich quer über den Himmel und schnitt wie ein scharfes Messer durch die Wolken.

Vor Hustrun spaltete sich das Eis, die Schollen trieben rasch und lautlos auseinander, wie aufgestemmt von einer unsichtbaren Hand.

Im Flugzeug saß ein Mann, dessen feingliedrige linke Hand einen kratzenden Kohlestrich über ein grobkörniges weißes Blatt Papier zog. Er hielt die Hand in einem seltsamen Winkel. Allmählich wurde der Strich zu einer Rundung und verwandelte sich, ohne dass der Mann den Stift auch nur ein einziges Mal absetzte, in einen Vogel. Eine längliche Taube, die amerikanische Wandertaube. Die Letzte ihrer Art. Martha. Der Mann hob seine Hand und zeichnete die Konturen der Taube mit dem Finger in die Luft.

 

Ellinor Ingman hatte sich einen warmen Mantel übergeworfen, maulwurfbraun und so abgewetzt, dass an manchen Stellen das Futter durchschimmerte. Als sie eine Hand in die Tasche steckte, fand sie eine kegelförmige Samenkapsel von Türkischem Mohn, die sie wohl im Vorjahr versäumt hatte zu setzen. Sie öffnete die Hand, stieß die Tür auf und trat hinaus. Schnappte nach Atem, als ihr der letzte Rest der Nachtkälte entgegenschlug.

Sie ging zur Wäscheleine, die zwischen zwei knorrigen Apfelbäumen aufgespannt war. Ingrid-Marie und Gravensteiner. Zwar brachten die Bäume kaum noch Früchte, doch für eine Wäscheleine taugten sie allemal. Ellinor nahm ein weißes, froststeifes Bettlaken von der Leine. Es war Mitte März, und am Boden vermischten sich gräulich-schmutzige Schneehaufen mit dem frisch aus der Erde sprießenden Grün.

Ellinor strich mit der Hand über das hübsch gestickte Monogramm. Alle ihre Laken waren mit Initialen versehen, E I und A I, dieses hier jedoch mit einer altmodischen Stickerei - K I. Ihre Finger verharrten eine Weile auf den Buchstaben. Das Laken hatte einmal Kyra Ingman gehört, die es höchstselbst für ihre Aussteuertruhe bestickt hatte.

Ellinors Hand war kräftig und sehnig, Ringe trug sie keine. Sie flüsterte, ganz still zu sich selbst: Kyra, Kyra, Kyra. Ingman, Ingman, Ingman.

Die Bettlaken auf der Leine glichen großen Eisschollen, die knisterten, als Ellinor sie herunternahm.

 

Der Mann, dessen Hand mit einem einzigen Kohlestrich einen Vogel aufs Papier zu bringen vermochte, hieß Herrman Engström. Geboren auf Hustrun, irgendwo in seinen Fünfzigern, weder besonders alt noch jung. Sein Gesicht war von Wind und Wetter gegerbt, und er fuhr sich häufig mit den Fingern durchs windzerzauste aschblonde Haar.

Der Mann, der auf dem Platz neben ihm saß, fragte: »Sie zeichnen Vögel, stimmt's?«

»Den einen oder anderen habe ich schon gezeichnet, ja«, gab Herrman zur Antwort.

»Ausgezeichnet. Sie könnten sich damit ihre Brötchen verdienen ...«

Herrman kniff seine graugrünen Augen zusammen, sein Lächeln war so schief wie ein alter Zaun. Weiße Zähne blitzten hervor. Die traurige Geschichte der amerikanischen Wandertaube schoss ihm durch den Kopf. Früher einmal hatte es Milliarden ihrer Art gegeben. Wenn sie sich in die Lüfte schwang, verwandelte sie sich in eine wahre Flut aus Flügeln. Sie war wie eine Sonnenfinsternis und wurde gejagt, mit Schüssen und Scheppern, mit Steinen und Schwefelrauch, mit Schreien und Sirenen. Sie wurde verspeist, die Abfälle verrotteten, und aus Milliarden Tauben wurden Millionen, wurden Tausende, wurden Hunderte, bis eines Tages nur noch Martha übrig war. Sie starb 1944 in einem Käfig in Cincinnati. Was hatte sie Böses getan? Sich von Eicheln und Nüssen ernährt ... ihr Leben als Taube gelebt?

 

Zurück im Haus, war Ellinor in ein Paar abgenutzte Wrangler-Jeans und ein ausgewaschenes T-Shirt mit Aufdruck geschlüpft: Patti Smith' Piss Factory. Ihr Haar war am Hinterkopf zu einem nachlässigen Knoten zusammengebunden, ein paar einzelne Haarsträhnen fielen ihr ins Gesicht.

Sie machte sich an die Frühstücksvorbereitungen, nahm einen großen, mehlbestäubten Brotlaib und schnitt mit einem ratschenden Geräusch zwei dicke Scheiben ab. Dem Schneidebrett war deutlich anzusehen, dass es schon seit vielen Jahren in Gebrauch war. Dann holte sie den Käse, ein dicker Klotz. Auf einer Insel ohne Festlandverbindung kaufte man stets groß und viel ein; die Vorräte mussten schließlich eine Zeitlang reichen.

Als Nächstes holte sie die Butter, die über Nacht draußen in der Kälte gestanden hatte. Ellinor kaufte immer Kilopakete. Sie schmierte die Butter auf die Brote, hobelte ein paar dicke Scheiben vom Käse ab und griff dann nach einem Glas mit selbstgeschriebenem Etikett: »Walderdbeermarmelade vom Hof der Schwarzen Henne«, darunter eine winzige Zeichnung des schwarzen Federviehs.

In der Zwischenzeit hatte auf dem Herd ein großes, rosafarbenes Ei gekocht. Sie setzte es in einen Eierbecher, der geformt war wie ein gelber Hahn, dann nahm sie ein Wasserglas und schüttete einen Fingerbreit Whiskey ein. Four Roses. Darauf ein paar Tropfen ihres Geheimelixiers, ein Extrakt aus drei Kräutern, und einen Eiswürfel, aus dessen Mitte eine winzige blaue Blume hervorschimmerte. Zu guter Letzt ein großer Becher schwarzer Kaffee. Dann griff Ellinor nach einem Tablett, das mit einer Weltkarte bedruckt war, von der jedoch schon ganze Erdteile verschwunden waren, weggeschrubbt von der Spülbürste.

Während all dieser Vorbereitungen dachte Ellinor an rein gar nichts. Es war jeden Morgen dasselbe Lied. Die Vormittage reihten sich aneinander wie die Perlen an einem Rosenkranz.

Ave Maria!

Ellinor pustete eine hartnäckige Strähne, die ihr ständig über die Augen fiel, aus dem Gesicht. Sie hatte ihre grauen Strähnen gezählt, es waren zwölf. Die Menopause hatte sie bereits vor einigen Jahren hinter sich gebracht, Kinder hatte sie nie bekommen. Ab und an nähte sie Stoffpuppen für ein Kinderheim in Rumänien, sie wusste ja, wie es war, ohne Mutter aufzuwachsen. Hier auf der Insel war es das Inselmütterchen gewesen, von der sie Liebe und Trost erfahren hatte, und sie hatte Ellinor auch das Puppennähen beigebracht. Sie hatte schon oft mit dem Gedanken gespielt, dem Kinderheim einen Besuch abzustatten und die Kinder zu fragen, welche Namen sie den Puppen gegeben hatten. Doch dafür war sie zu tief auf der Insel verwurzelt. Wie ein Baum.

Sie nahm das Frühstückstablett und balancierte es routiniert vor sich her. Der Eiswürfel mit der erquicklichen Blume hatte zu schmelzen begonnen, die Butterbrote waren mehr als üppig belegt, und das Ei wackelte in seinem pompösen Becher vor sich hin.

Sie ging an einem Zimmer vorbei, dessen kleine Fenster ungewöhnlich weit oben eingelassen waren, wie in einer Kajüte. Auf den Fensterbänken standen Töpfe mit Sprösslingen von rotem Basilikum, gelben Tomaten und roter Paprika. Mit ein bisschen Hühnermist und einem grünen Daumen würden die Pflanzen sicherlich auch dieses Jahr gedeihen. Ein paar ausrangierte, gegen die Südwand gelehnte Innenfenster gaben für gewöhnlich ein gutes Gewächshaus ab.

Ellinor stieg die schmale, steile Treppe ins Obergeschoss hinauf. An der rechten Wand hingen alte, eingerahmte Fotografien; Schwarzweißportraits ernst dreinblickender Männer, Frauen und Kinder. Nur auf einem Bild lächelte eine junge Frau. Kyra Ingman. Als eine der Stufen knarrte, trat Ellinor, ohne dabei das Gleichgewicht zu verlieren, das lose Dielenbrett beherzt fest.

Das Klopfen war aus dem Zimmer gleich links von der Treppe gekommen. Auch rechts ging ein Zimmer ab, doch dessen Tür war stets verschlossen. Bruchstücke eines Gedichts von Edith Södergran kamen Ellinor in den Sinn: »Der Schlüssel zu allen Geheimnissen liegt im Gras am Himbeerhügel.«

Aber wo lag der Schlüssel zum verschlossenen Zimmer?

Da klopfte es wieder. Das Tablett in Ellinors Hand erbebte.

»Rettung naht«, rief Ellinor und streckte unwillkürlich den Rücken durch. Dann sackte sie wieder in sich zusammen und schleppte sich vorwärts, das Tablett auf dem linken Arm balancierend, während sie mit der rechten Hand die Tür öffnete.




1914




Die große Scheune mit den dünnen Bretterwänden ist noch immer von Musik erfüllt. Es ist der vierzehnte Februar. Bisher war der Winter mild, doch die Eisdecke hat sich in den Schären weit genug ausgebreitet, dass die Jugendlichen von Hustrun bis hierher nach Tasslan kommen und sich zum Tanz versammeln konnten.

Die Burschen von Hustrun stehen dicht gedrängt beieinander. Es ist düster in der Scheune, alles mutet schwarzweiß an, mit grauen Nuancen. Die geblümten Tücher haben ihre Farben eingebüßt, die schwarzen Röcke der Mädchen hängen gerade herunter, und die jungen Männer zupfen ihre Westen zurecht. Werner Engström legt einen Arm um Kyra Ingmans Taille, kaum merklich, damit die anderen nichts mitbekommen, und Kyras Lippen umspielt ein geheimnisvolles Lächeln. Sie sind zu siebt von Hustrun hergekommen; fünf Mädchen und zwei Burschen.

Kyra flüstert: »Es ist so schrecklich dunkel heute Abend, und dann dieser Schnee. Ich kann mich nicht erinnern, jemals eine solche Dunkelheit gesehen zu haben.«

Werner knufft sie leicht in die Seite. »Es ist spät«, antwortet er mit fester Stimme, »aber der Weg ist abgesteckt, und bis nach Hustrun ist es nur ein Kilometer. Fast könnte man seine Schiffermütze von hier bis nach Hause werfen!«

Alles lacht. Werner setzt seine Mütze ab und lässt sie durch die Luft wirbeln.

»Wir tanzen nach Hause«, lacht er triumphierend und fischt einen kleinen Kompass aus der...



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Autor

Gunilla Linn Persson ist Autorin mehrerer Romane, Kinderbücher und Theaterstücke, außerdem schreibt sieDrehbücher für das Fernsehen. Sie lebte lange Zeit auf einer Insel im Stockholmer Schärengarten, wo auch ihr Roman Heimwärts über das Eis spielt.