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E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
180 Seiten
Deutsch
oekom verlagerschienen am02.03.2017
Eine der großen Aufgaben unserer Zeit trägt den Namen Energiewende. Das durchaus anspruchsvolle Ziel lautet, Energie umweltverträglich, wirtschaftlich und sicher bereitzustellen. Das Deutsche Museum in München widmet diesem weltweit diskutierten Thema ab dem Frühjahr 2017 eine Sonderausstellung, die in den kommenden Jahren auch in anderen Städten Deutschlands zu Gast sein wird. Der Band energie.wenden erläutert nicht nur die Grundlagen und die aktuellen Herausforderungen, die die Umbrüche bei Bereitstellung, Verteilung und Speicherung von Energie heute und in Zukunft mit sich bringen. Wie man es vom Deutschen Museum erwarten kann, lernen die Leserinnen und Leser neben historischen Aspekten auch Innovationen aus der Welt der Energietechnik kennen und reisen zu vorbildlichen Projekten in aller Welt.mehr
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Produkt

KlappentextEine der großen Aufgaben unserer Zeit trägt den Namen Energiewende. Das durchaus anspruchsvolle Ziel lautet, Energie umweltverträglich, wirtschaftlich und sicher bereitzustellen. Das Deutsche Museum in München widmet diesem weltweit diskutierten Thema ab dem Frühjahr 2017 eine Sonderausstellung, die in den kommenden Jahren auch in anderen Städten Deutschlands zu Gast sein wird. Der Band energie.wenden erläutert nicht nur die Grundlagen und die aktuellen Herausforderungen, die die Umbrüche bei Bereitstellung, Verteilung und Speicherung von Energie heute und in Zukunft mit sich bringen. Wie man es vom Deutschen Museum erwarten kann, lernen die Leserinnen und Leser neben historischen Aspekten auch Innovationen aus der Welt der Energietechnik kennen und reisen zu vorbildlichen Projekten in aller Welt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783960061809
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum02.03.2017
Seiten180 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2150373
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Energie und Fortschritt

Eine universalhistorische Annäherung an die Energiewende(n)

von Patrick Kupper

1  Die Industrielle Revolution, die auch durch die Erfindung der Eisenbahn angetrieben wurde, markiert den Wandel vom solaren hin zum fossilen Energieregime.

Foto: danm/Moment Open/Getty Images

Seit der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima im Frühling 2011 und dem darauffolgenden Richtungswechsel in der bundesdeutschen Energiepolitik ist die »Energiewende« in aller Munde. Auch der Duden führt den Begriff inzwischen in seinen Wörterbüchern. Allerdings handelt es sich um einen Begriff, der zwar auch in Österreich und der Schweiz weite Verbreitung gefunden hat, für den sich aber in anderen Sprachen kein Äquivalent findet. So spricht man sowohl im Englischen wie im Französischen nicht von einer Energiewende, sondern von einem Energieübergang (energy transition). Dies ist aber nicht dasselbe: Übergänge ereignen sich; Wenden werden bewusst angestrebt und - im erfolgreichen Fall - vollzogen. Der Bedeutungsunterschied wurde bereits wahrgenommen und im Englischen hat man begonnen, von der German Energiewende zu reden. Wird sich der Begriff einbürgern? Und wird er in Zukunft positiv konnotiert sein oder eher eine deutsche Absonderlichkeit charakterisieren wie die German Angst?

Zunächst gilt es einmal festzuhalten, dass der Begriff nicht so neu ist, wie die jüngsten Diskussionen vermuten lassen. Bereits 1980 legte das Öko-Institut Freiburg eine Studie mit dem Titel »Energie-Wende« vor (vgl. den Beitrag von Felix Chr. Matthes in diesem Buch).1) Deren Untertitel »Wachstum und Wohlstand ohne Erdöl und Uran« verrät, dass sich die Wortbedeutung seither kaum verschoben hat, liest sich doch der Eintrag bei Duden online: »Energiewende: Ersatz der Nutzung von fossilen und atomaren Energiequellen durch eine ökologische, nachhaltige Energieversorgung«2). Wird diese Begriffsverwendung zugrunde gelegt, kann der historische Rückblick an dieser Stelle abgebrochen werden - oder er müsste sich auf die letzten knapp fünfzig Jahre beschränken. Hier soll allerdings ein anderer Zugang gewählt werden, der die historische Dimension maximal ausdehnt: In menschheitsgeschichtlicher Perspektive soll ermessen werden, ob sich in der Vergangenheit Umwälzungen ereigneten, in denen sich die gesellschaftliche Energieversorgung grundlegend änderte. Und wie lassen sich solche vergangenen Veränderungen angemessen charakterisieren: eher als Übergänge oder als Wenden? Schließlich interessiert, wie die heute diskutierte Wende in der langen historischen Sicht zu stehen kommt. Die wenigen zur Verfügung stehenden Zeilen erfordern, die Entwicklung in groben Strichen zu skizzieren.3)
Auf dem Weg in die Sesshaftigkeit

Am Anfang der globalen Energiegeschichte steht das Feuer. Wer die Kunst des Feuermachens beherrschte, dem eröffneten sich ganz neue Möglichkeiten, sein Leben und dasjenige seiner Gemeinschaft zu gestalten. Am Feuer konnten sich Menschen wärmen und Speisen zubereiten, was ihr Nahrungsspektrum enorm erweiterte. Zudem konnte Feuer für die Bearbeitung von Werkzeugen und Waffen eingesetzt werden oder auch für die Treibjagd. Und schließlich sollte dem Feuer eine wichtige Rolle bei der Rodung und der anschließenden Kultivierung von Land zukommen: Im - sowohl in tropischen wie gemäßigten Gebieten weit verbreiteten - Wanderfeldbau wurden kleinere oder größere Flächen periodisch abgebrannt und dann über einige Jahre bewirtschaftet, bevor man sie wieder verwildern ließ. In einigen Weltgegenden wird diese Anbaumethode bis heute gepflegt, in anderen wurde sie in jüngster Zeit, nachdem sie im 20. Jahrhundert von den Obrigkeiten unterbunden worden war, als nachhaltige Bewirtschaftungsform wiedereingeführt, etwa für Savannen oder Steppen.

2  In einigen Gegenden, wie zum Beispiel beim Reisanbau in Madagaskar, wird der Wanderfeldbau noch heute praktiziert.

Foto: picture alliance/Mint Images/Frans Lanting

Dies führt uns zu einer weiteren Epochenschwelle in der menschheitsgeschichtlichen Entwicklung, die üblicherweise mit dem Begriff der »Neolithischen Revolution« gefasst wird. Kennzeichnend ist vor allem die Aufnahme des Ackerbaus, welcher höhere Erträge abwarf, als das bis dahin praktizierte Jagen und Sammeln. Der Ackerbau bedingte die Sesshaftigkeit, erlaubte die Produktion von Überschüssen und damit die Anlage von Nahrungsreserven. Ein höheres Bevölkerungswachstum wurde möglich und die Begründung größerer Ansiedlungen bis hin zu Städten. Neben dem Ackerbau war die Domestizierung von Nutztieren die zweite Basisinnovation, welche die verfügbare Arbeitskraft erheblich vergrößerte. Für beides, die Einführung des Ackerbaus und die Domestizierung, ist der Revolutionsbegriff jedoch irreführend. Vielmehr handelte es sich um sehr langfristige, sich über Jahrhunderte hinziehende Übergänge, die zudem in verschiedenen Weltgegenden zu ganz unterschiedlichen Zeiten einsetzten, in unterschiedlichen Rhythmen verliefen und eine unterschiedliche Eindringungstiefe aufwiesen. Jäger-und-Sammler-Gesellschaften koexistierten über Jahrtausende mit Agrargesellschaften. In wenigen Fällen wurde der Ackerbau wieder aufgegeben, wobei die Aufgabe üblicherweise mit einem zivilisatorischen Kollaps und einem Bevölkerungseinbruch einherging. Ohne Ackerbau ließ sich die auf höherem Energieinput beruhende Lebensweise ebenso wenig aufrechterhalten wie eine dichte Besiedlungsform.

 

Sowohl Jäger-und-Sammler- als auch Agrargesellschaften beruhten auf einem solaren Energiesystem, dessen Grundlage die Photosynthese war. Das Sammeln von Holz und essbaren Pflanzen bzw. der Anbau von Nahrungs- und Futtermitteln lieferten bis ins 19. Jahrhundert hinein den überwiegenden Teil der energetischen Ressourcen, die in der Form von Wärme sowie menschlicher und tierischer Arbeitskraft konsumiert wurden. Die Kraft von Wind und Wasser wurde in Mühlen genutzt und erleichterte bzw. ermöglichte erst den Transport von Waren und Menschen über größere Distanzen. Gewässer waren mit Abstand die günstigste Reise- und Transportmöglichkeit, zum Befahren mit (Segel-)Schiffen, aber auch zum Triften und Flößen von Holz. Die eingesetzten Technologien machten über die Jahrhunderte Fortschritte, auch wenn manchmal Wissen und Fertigkeiten wieder verloren gingen. Dennoch blieb der Anteil von Wasser und Wind am gesamten Energieeinsatz vormoderner Gesellschaften gering und dürfte selbst in Ländern, in denen diese Technologien vergleichsweise weit verbreitet waren, wie den Niederlanden, unter zehn Prozent gelegen haben, in den meisten Gegenden wohl unter einem Prozent. Von regionaler Bedeutung konnte zudem die Nutzung von Torf und Kohle sein, überregional fielen beide fossilen Energieträger jedoch nicht ins Gewicht.4)

3  Der Hoover Damm im Bundesstaat Nevada wurde zwischen 1931 und 1935 am Colorado River gebaut. Die 17 Turbinen des Wasserkraftwerks erzeugen eine Leistung von 2080 Megawatt.

Foto: Andrew Zarivny/Shutterstock.com
Aufbruch ins fossile Zeitalter

Eine grundlegende sozioökonomische und ökologische Umgestaltung leitete ab dem ausgehenden 18. Jahrhundert die Industrielle Revolution ein, in deren Zuge sich die solaren Energieregime in fossile Energieregime wandelten. Bei der Industriellen Revolution handelt es sich wiederum nicht um eine rasche Umwälzung, sondern um einen langfristigen Prozess, der Gesellschaften und Räume zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Formen erfasste. Treffender wird daher von Industrialisierung oder auch im Plural von Industrialisierungen gesprochen, die viele Weltgegenden seit dem 19. Jahrhundert direkt oder indirekt umgestalteten. Energetischer Treiber waren fossile Brennstoffe, zunächst Kohle, zu der sich Erdöl und in jüngerer Zeit Erdgas gesellten. Technische Schlüsselinnovationen waren zum einen die kohlebetriebene Dampfmaschine, die es erstmals erlaubte, Wärme in mechanische Energie umzuwandeln und sowohl den Aufstieg der Schwerindustrie als auch der Eisenbahn und Dampfschifffahrt im 19. Jahrhundert ermöglichte, und zum anderen der Verbrennungsmotor, auf dessen Basis sich im 20. Jahrhundert der Personen- und Güterverkehr revolutionierte. Erweitert wurden die fossilen Energieregime ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert durch die Elektrizität, die sich mit ihren vielfältigsten Anwendungsmöglichkeiten, von der Beleuchtung über den Antrieb für Motoren und Maschinen bis zur Übertragung von Signalen und zur Wärmequelle, für moderne Gesellschaften bald unentbehrlich machte.

 

Die fossilen Energieregime brachten einen mehrfachen Übergang. Der massenhafte Einsatz fossiler Energieträger war maßgeblich an der Beseitigung bisheriger Wachstumsbeschränkungen beteiligt. Dieselben fossilen Energieträger erlaubten es, die Transportkapazitäten enorm zu steigern und zu verbilligen, so dass Gesellschaften zunehmend unabhängiger von der Fläche wurden, die sie bewohnten. Die Ausbeutung der »unterirdischen Wälder«, wie der Umwelthistoriker Rolf Peter Sieferle die Kohlevorkommen nannte, ermöglichte, sehr viel mehr Ressourcen zu verbrauchen, als das eigene Land, aber auch die Welt insgesamt in derselben Zeit produzierten.5) Dies bedeutete den Übergang in eine nicht nur regional, sondern auch global nicht nachhaltige Wirtschaftsweise. Die starke Beschleunigung des Ressourcenverbrauchs nach 1950 verursachte zudem globale Umweltprobleme.6) Gegen Ende des Jahrhunderts wurde deutlich, dass der stark erhöhte Ausstoß an Treibhausgasen das Klima weltweit...

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