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Ein angesehener Mann

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
512 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am10.07.2017
Ausgezeichnet mit dem Endeavour Historical Dagger für den besten historischen Kriminalroman des Jahres
Kalkutta 1919 - die Luft steht in den Straßen einer Stadt, die im Chaos der Kolonialisierung zu versinken droht. Die Bevölkerung ist zerrissen zwischen alten Traditionen und der neuen Ordnung der britischen Besatzung.
Aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt, findet sich Captain Sam Wyndham als Ermittler in diesem Moloch aus tropischer Hitze, Schlamm und bröckelnden Kolonialbauten wieder. Doch er hat kaum Gelegenheit, sich an seine neue Umgebung zu gewöhnen. Denn ein Mordfall hält die ganze Stadt in Atem. Seine Nachforschungen führen ihn in die opiumgetränkte Unterwelt Kalkuttas - und immer wieder an den Rand des Gesetzes.



Abir Mukherjee ist Brite mir indischen Wurzeln: Seine Eltern wanderten in den Sechzigerjahren nach England aus. Sein Debütroman Ein angesehener Mann schaffte auf Anhieb den Sprung auf die britischen Bestsellerlisten. Mukherjee lebt mit seiner Familie in London.
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Produkt

KlappentextAusgezeichnet mit dem Endeavour Historical Dagger für den besten historischen Kriminalroman des Jahres
Kalkutta 1919 - die Luft steht in den Straßen einer Stadt, die im Chaos der Kolonialisierung zu versinken droht. Die Bevölkerung ist zerrissen zwischen alten Traditionen und der neuen Ordnung der britischen Besatzung.
Aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt, findet sich Captain Sam Wyndham als Ermittler in diesem Moloch aus tropischer Hitze, Schlamm und bröckelnden Kolonialbauten wieder. Doch er hat kaum Gelegenheit, sich an seine neue Umgebung zu gewöhnen. Denn ein Mordfall hält die ganze Stadt in Atem. Seine Nachforschungen führen ihn in die opiumgetränkte Unterwelt Kalkuttas - und immer wieder an den Rand des Gesetzes.



Abir Mukherjee ist Brite mir indischen Wurzeln: Seine Eltern wanderten in den Sechzigerjahren nach England aus. Sein Debütroman Ein angesehener Mann schaffte auf Anhieb den Sprung auf die britischen Bestsellerlisten. Mukherjee lebt mit seiner Familie in London.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641201081
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum10.07.2017
Seiten512 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2555 Kbytes
Artikel-Nr.2151083
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


2

Ich war sechs, als meine Mutter starb. Mein Vater war Rektor der örtlichen Schule und damit ein sehr bedeutender Mann innerhalb der Gemeinde - und ein völlig unbedeutender jenseits davon. Er heiratete schon bald ein zweites Mal, und prompt wurde ich als entbehrliches Überbleibsel nach Haderley verfrachtet, ein unscheinbares Internat in einer verschlafenen Gegend im tiefsten Südwesten. Weiter als dort konnte man nirgends in England von allem nur halbwegs Bedeutsamen entfernt sein.

Das Internat unterschied sich nicht von unzähligen anderen kleinen öffentlichen Schulen, die überall auf dem platten Land anzutreffen waren. Von der geografischen Lage wie von der Einstellung her überaus provinziell, boten sie eine passable Erziehung, den Anschein von Respektabilität und vor allen Dingen einen bequemen Verwahrungsort für Mittelschichtsprösslinge, die aus welchem Grund auch immer unauffällig aus dem Weg geschafft werden mussten. Mir war das durchaus recht. Ich war glücklich in Haderley, ganz sicher glücklicher, als ich es zu Hause gewesen war. Ich hätte sogar noch mehr Zeit dort verbracht, wenn ich gekonnt hätte. Wie beneidete ich die Jungs, die auch in den Ferien dort blieben, weil ihre Eltern zu irgendeinem abgelegenen Winkel der Erde abkommandiert waren, wo sie die Bürde des weißen Mannes trugen und den Fortbestand des Empire sicherten.

Das Empire - es war tatsächlich ein Unternehmen der Mittelschicht, das fest auf den Schultern von Schulen wie Haderley gründete. In diesen Anstalten nämlich wurden jene unbekümmerten, tüchtigen jungen Männer am Fließband produziert, die später die Schmiere bildeten, mit der das Räderwerk des Empire am Laufen gehalten wurde. Die Jungs, die seine Verwaltungsbeamten und Polizisten wurden, seine Pfaffen und Steuereintreiber. Im Gegenzug würden diese Jungs heiraten und selbst Kinder bekommen, Kinder, die sie später zurück nach England schickten, um dort die gleiche Erziehung zu genießen, die sie erhalten hatten. So wurden sie in genau denselben Schulen zur nächsten Generation von Kolonialverwaltern geformt, und der Kreis schloss sich.

Ich verließ Haderley mit siebzehn, als das Geld ausging. Mein Vater war im Jahr zuvor erkrankt, und angesichts der finanziell angespannten Verhältnisse stellten die Schulgebühren plötzlich einen unbezahlbaren Luxus dar. Ich machte ihm deshalb keine Vorwürfe. Solche Dinge passierten eben. Gleichwohl ergab sich daraus für mich die Frage, was ich nun mit meinem Leben anfangen sollte. Hoffnungen auf ein Studium, sofern ich mir die jemals gemacht hatte, konnte ich nun vergessen. Stattdessen tat ich das, was dynamische junge Männer, denen es an Perspektiven und noch stärker an finanziellen Mitteln mangelte, seit Jahrhunderten taten. Ich ging nach London.

Ich hatte Glück. Ein Onkel von mir wohnte im East End, ganz in der Nähe der Mile End Road. Als Friedensrichter in der Gegend besaß er einige Beziehungen, und er war es, der mir vorschlug, es bei der Polizei zu versuchen. Mir schien das eine gute Idee, vor allem da ich keine Alternativen sah. Also bewarb ich mich, und man bot mir eine Stelle als Constable in der H Division der Metropolitan Police an, die ihre Zentrale in Stepney hatte. Die Leute denken immer, die Met sei die älteste Polizeitruppe der Welt. Ist sie nicht. Wir hatten die Bow Street Runners, das stimmt, aber die erste Stadt mit einer richtigen Polizei war Paris. Und nicht einmal in Großbritannien ist die Met die älteste. Diese besondere Ehre gebührt Glasgow, das bereits gut dreißig Jahre lang eine Polizei besaß, bevor Robert Peel eine für London vorschlug. Andererseits, wenn es eine Stadt gab, die noch dringender als London einer Polizei bedurft hatte, dann vermutlich Glasgow.

Was nicht heißen soll, dass London ein sicheres Pflaster gewesen wäre. Stepney und das East End waren es ganz gewiss nicht; wir erlebten hier mehr als genug Morde, auch wenn die Opfer nie Smoking und Fliege trugen. Dafür war das einfach nicht der richtige Ort. Die Jungs in der H Division waren jedenfalls immer dankbar für ihre verlässlichen alten Bulldog-Revolver, obwohl ich meinen nie im Einsatz benutzt hatte. Gewöhnlich genügte es, ihn auf den Übeltäter zu richten, um den gewünschten Effekt zu erzielen.

Meine große Chance kam zwei Jahre später bei einem besonders abscheulichen Doppelmord in der Westferry Road. Die Leichen eines Ladenbesitzers namens Furlow und seiner Frau waren am frühen Morgen von ihrer jungen Angestellten, einer gewissen Rosa, entdeckt worden. Dieses Mädchen tat angesichts einer Szene, die direkt aus einem Groschenroman hätte stammen können, das einzige Vernünftige und schrie sich die Seele aus dem Leib. Ich war zufällig in der Nähe auf Streife, hörte ihre Schreie und war so als erster Polizist am Tatort. Es gab keine Anzeichen eines Einbruchs. Eigentlich gab es überhaupt nicht viele Anzeichen von irgendetwas Ungebührlichem, sah man einmal von den beiden Toten ab, die in Nachtkleidung und mit durchtrennten Kehlen in der Wohnung über dem Geschäft lagen. Kurz darauf trafen weitere Beamten ein, und nachdem alles abgesperrt war, wurde bei einer gründlichen Durchsuchung eine offene, leere Geldkassette unter Furlows Bett gefunden.

Die Presse griff die Story auf, heizte die Stimmung in der Bevölkerung an, und schon bald übernahmen die Kriminalbeamten vom CID den Fall. Nach einiger Überredung ließen sie mich weiter bei den Ermittlungen helfen. Ich überzeugte sie davon, dass ich nützlich sein konnte, schließlich war ich nicht nur als Erster am Tatort gewesen, ich kannte mich in dem Viertel auch aus.

Mit der Bitte um Hinweise wandten wir uns an die Öffentlichkeit, und verschiedene Zeugen meldeten sich. Sie sprachen davon, an diesem Morgen gesehen zu haben, wie zwei verdächtig wirkende Männer das Gebäude verließen. Ein Ehepaar konnte die beiden sogar als die Brüder Alfred und Albert Stratford identifizieren, zwei Schläger, deren Hang zur Gewalt sogar in dieser üblen Gegend maßlos wirkte. Wir holten sie zur Vernehmung, und natürlich leugneten sie alles. Sie taten so treuherzig, dass man hätte glauben können, sie wären zur Zeit der Morde in der Kirche gewesen.

Dann fingen die Zeugen an, ihre Aussagen zu verwässern. Nach und nach änderte sich die Geschichte. Es war zu dunkel gewesen, sie konnten es nicht beschwören, waren sich nicht einmal sicher, dass es der entsprechende Tag gewesen war. Auf einmal hatten wir nicht mehr genug gegen die Gebrüder Stratford in der Hand, und es schien, als müssten wir sie laufen lassen. Die CID-Beamten starteten einen letzten Versuch und kehrten noch einmal zum Tatort zurück in der vagen Hoffnung, eine Spur zu entdecken, die sie zuvor übersehen hatten. Mich ließen sie im Präsidium zurück, wo ich nichts weiter zu tun hatte. Kurz entschlossen ging ich in die Asservatenkammer hinunter. Da der Fall im Sande zu verlaufen drohte, neigte sich wohl auch meine Zeit beim CID ihrem Ende zu, und ich wollte zum Abschied noch einen letzten Blick auf die Beweisstücke werfen, die wir zusammengetragen hatten. Ich nahm die magere Ausbeute in Augenschein: die blutgetränkte Nachtkleidung, eine Taschenuhr mit gesprungenem Glas und die leere Geldkassette. In diesem Moment bemerkte ich an der Kassette, gut verborgen auf der Innenseite der Verschlussklappe, einen rötlichen Fleck. Er war offenbar in all dem Durcheinander bei der Auffindung der Kassette nicht entdeckt worden. Mir war sofort klar, um was es sich handelte, und vor allen Dingen, welche Relevanz er haben konnte. Ich sprang die Treppe hinauf und zeigte mit zitternden Händen einem leitenden Beamten die Kassette. Rasch wurde die noch junge Abteilung für Fingerabdrücke hinzugezogen. Es gelang den Experten, einen Abdruck zu nehmen, der, wie sich herausstellte, exakt dem Daumenabdruck von Alfred Stratford entsprach. Wir hatten ihn überführt. Ich beantragte eine Versetzung zum CID und wurde angenommen.

Was die Gebrüder Stratford betrifft, so wurden sie beide gehängt.

Die nächsten sieben Jahre verbrachte ich beim CID und beschäftigte mich mit Verbrechen, die den meisten Menschen das Abendessen verleiden würden. Mit der Zeit wurde das etwas ermüdend, und Ende 1912 wechselte ich zur Special Branch, die damals vor allem die irischen Unabhängigkeitskämpfer in der Hauptstadt im Auge behielt. Nur wenige wissen heute noch, dass die Special Branch einst als Special Irish Branch gegründet worden war. Der Name änderte sich, die Aufgabe aber blieb stets dieselbe.

Im Sommer ´14 begann der Krieg. Ich gehörte nicht zu denjenigen, die seinen Ausbruch feierten wie Truthähne, die sich aufs Weihnachtsfest freuen. Vielleicht hatte ich einfach schon genug vom Tod gesehen, um zu wissen, dass er meist grausam, in der Regel sinnlos und nur selten ehrenhaft war. Ganz gewiss verfiel ich nicht der fiebrigen Begeisterung, die in jenen frühen Tagen zahllose junge Männer in die Rekrutierungsbüros strömen ließ, weil sie glaubten, bis Neujahr wäre alles vorbei. So viele Menschen gingen von einem raschen Ende aus und erwarteten, dass wir hinüberfahren, dem Kaiser eine Abreibung verpassen, und das war´s dann. Als würde sich ein modern gerüstetes Deutsches Reichsheer ebenso problemlos abfertigen lassen wie die Speerschleuderer, die wir so gerne in unseren Kolonialfeldzügen bekämpften.

Dennoch meldete auch ich mich am Ende freiwillig. Nicht aus Liebe zu König und Vaterland, was allgemein als verdienstvoll gilt, sondern aus Liebe zu einer Frau, was etwas erheblich Komplizierteres ist.

Zum ersten Mal begegnete ich Sarah im Herbst 1913 in einem Bus in Mile End. Die Leute reden gerne von Liebe auf den ersten Blick, von Geigenklängen und explodierendem Feuerwerk. Bei mir...

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Autor

Abir Mukherjee ist Brite mir indischen Wurzeln: Seine Eltern wanderten in den Sechzigerjahren nach England aus. Sein Debütroman Ein angesehener Mann schaffte auf Anhieb den Sprung auf die britischen Bestsellerlisten. Mukherjee lebt mit seiner Familie in London.