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Die Villa am Meer

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
512 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am20.03.2017
Rostock-Warnemünde 1897: Katharinas Hochzeit mit dem verwitweten, wesentlich älteren Manufakturbesitzer und Korbmacher Olaf Borchers steht unter einem schlechten Stern: Nicht nur, dass ihr Herz einem anderen gehört, Borchers halbwüchsiger Sohn ist nicht einverstanden mit der neuen Frau seines Vaters und torpediert die Ehe von Anfang an. Dennoch tut Katharina ihr Bestes, um mit ihrem Mann glücklich zu werden. Doch das ändert sich an dem Tag, an dem sie Pläne für ein eigenes Geschäft macht - einen Strandkorbverleih an der Ostsee ...

Micaela Jary stammt aus Hamburg und wuchs im Tessin auf. Sie arbeitete lange als Journalistin, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Nach einem langjährigen Aufenthalt in Paris lebt sie heute mit Mann und Hund in Berlin und München. Zum Schreiben begibt sie sich aber auch in ein kleines Landhaus nahe Rostock.
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Produkt

KlappentextRostock-Warnemünde 1897: Katharinas Hochzeit mit dem verwitweten, wesentlich älteren Manufakturbesitzer und Korbmacher Olaf Borchers steht unter einem schlechten Stern: Nicht nur, dass ihr Herz einem anderen gehört, Borchers halbwüchsiger Sohn ist nicht einverstanden mit der neuen Frau seines Vaters und torpediert die Ehe von Anfang an. Dennoch tut Katharina ihr Bestes, um mit ihrem Mann glücklich zu werden. Doch das ändert sich an dem Tag, an dem sie Pläne für ein eigenes Geschäft macht - einen Strandkorbverleih an der Ostsee ...

Micaela Jary stammt aus Hamburg und wuchs im Tessin auf. Sie arbeitete lange als Journalistin, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Nach einem langjährigen Aufenthalt in Paris lebt sie heute mit Mann und Hund in Berlin und München. Zum Schreiben begibt sie sich aber auch in ein kleines Landhaus nahe Rostock.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641203719
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum20.03.2017
Seiten512 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3345 Kbytes
Artikel-Nr.2151360
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1897

Auf dem Kirchplatz von Warnemünde hatten sich kleine Gruppen von Schaulustigen gebildet, die der Ankunft der Braut entgegenfieberten. Offenbar Touristen, die bei einem Spaziergang durch den Ort zufällig auf die Hochzeit aufmerksam wurden. Trotz der für die Badesaison üblichen Vielfalt an Veranstaltungen bot ein Fest wie dieses für die Fremden eine willkommene Abwechslung. Die vielen gut gekleideten Gäste, die durch das im gotischen Stil erbaute Portal des neuen Gotteshauses eilten, waren der Beweis für ein großes gesellschaftliches Ereignis, sogar drei Kutschen und ein Automobil parkten am Rand der angrenzenden Poststraße.

Warnemünde war einst ein unbedeutendes Fischerdorf an der Ostsee gewesen, dann wurde es zu einem bedeutenden Hafen der Segelschifffahrt, und seit der Adel und das vornehme Bürgertum eine gewisse Begeisterung für das sogenannte Luftbaden und die See gewonnen hatten, entwickelte sich der Fremdenverkehr. Inzwischen kamen auf die mehrere tausend Einwohner zählende Gemeinde mindestens ebenso viele Besucher, Hotels und Pensionen entstanden an der Seestraße mit Blick über den breiten, endlos wirkenden weißen Sandstrand und die Ostsee, an der Vorderreihe am Alten Strom wurden in den kleinen aneinandergeschmiegten Kapitänshäusern zahlreiche Ferienwohnungen mit dem Luxus einer eigenen Küche vermietet. Die hochherrschaftliche Eleganz des nahe gelegenen Heiligendamm suchte man hier vergebens, wohl aber Vornehmheit und sämtliche Genüsse eines Badeorts. Der Fremdenverkehr florierte und förderte auf diese und jene Weise den Wohlstand der Gemeinde. Man war stolz auf das Erreichte. Aber wenn eine junge Frau aus alteingesessener Handwerksfamilie einen wohlhabenden Manufakturbesitzer aus Rostock heiratete, war dies auch für die Einheimischen eine Attraktion.

Als die Braut am Arm ihres Vaters erschien, teilte sich die Menge, ein leises Getuschel setzte ein, und Blicke und Finger richteten sich auf die in der Sonne glitzernde Brautkrone der ansonsten in schlichtes Schwarz gekleideten jungen Frau. Nicht ihr hübsches ovales Gesicht mit den ein wenig schräg liegenden blaugrünen Augen war der Blickfang, sondern die schwere Kopfbedeckung, die aus Silberdrähten, bunten Glasperlen und Goldfäden gefertigt war und der Trägerin eine gerade Haltung und einen guten Gleichgewichtssinn abverlangte. Irgendjemand in der Menge klatschte, ein paar andere Neugierige fielen mit ein, und schließlich brandete Applaus auf wie nach einem gelungenen Kurkonzert.

Unwillkürlich fragte sich Katharina, ob der Beifall der kostbaren Handarbeit auf ihrem Haar galt oder ihrem Geschick, die Hochzeitstracht so gelassen zu tragen, als handelte es sich um ein einfaches Kostüm. Oder applaudierten manche Menschen ganz automatisch, wenn sie eine Einheimische auf dem Weg zum Altar beobachten durften? Wie eine lebendige Sehenswürdigkeit. Als wäre sie der neue Leuchtturm, dessen Fertigstellung ihr Vater als leitender Baumeister überwachte. Ein stiller Seufzer setzte sich in ihrer Kehle fest, zwang sie zu einem leisen Räuspern. Wenn der Leuchtturm eingeweiht wird, dachte sie, bin ich bereits seit einem Jahr die Frau von Olaf Borchers. Dann hatte sie wohl endlich Gewissheit, ob sie jetzt die richtige Entscheidung traf.

»Pass auf, dass du nicht krank wirst!«, warnte Baumeister Papenhagen. »Bei unserem wechselhaften Wetter wäre das zwar kein Wunder, aber du solltest deine Ehe nicht mit einem Husten beginnen. Und außerdem ...«

»Außerdem ist die erste Frau Borchers an einer Lungenentzündung gestorben«, vollendete Katharina den begonnenen Satz.

Sie war sich nicht sicher, ob ihr Vater sie an den Tod ihrer Vorgängerin erinnern wollte. Vielleicht wollte sie selbst mit ihrer patzigen Antwort vielmehr einen Streit vom Zaun brechen, der eskalierte - und die Trauung verhinderte. Eine Braut, die sich vor der Kirche lautstark zankte, würde vom Pastor gewiss nicht freundlich empfangen werden. Vom Bräutigam ganz zu schweigen. Immerhin eine Möglichkeit, der Sache ein Ende zu bereiten.

Das Einsetzen des Glockenspiels und der Klang der Orgel, der bis auf den Vorplatz dröhnte, übertönten Papenhagens Antwort. Rasch drückte er ihre Hand. Aufmunterung und väterlicher Liebesbeweis zugleich, aber auch seine Art, ihr seine Zuversicht mitzuteilen.

Wenigstens einer, der überzeugt von meiner Wahl ist, sinnierte Katharina. Wieder stöhnte sie auf. Doch diesmal erstickte sie ihr Seufzen nicht - es hörte schließlich niemand.

Die Brautkrone zwang sie, ihren Kopf aufgerichtet und den Blick geradeaus zu halten. Nur aus den Augenwinkeln nahm sie die bis auf den letzten Platz gefüllten Bankreihen wahr, als sie langsam durch das Kirchenschiff schritt. Die Gesichter darin verschwammen zu einer bleichen Masse. Angehörige und Freunde der beteiligten Familien, Honoratioren und Kunden der Korbmacherwerkstatt Borchers. Katharinas zukünftiger Mann behauptete zwar stets bescheiden, er betreibe in Rostock nur einen kleinen Handwerksbetrieb, tatsächlich aber hatte sich dieser zu einer Manufaktur von beachtlicher Größe entwickelt. Spätestens seit er Sitzmöbel für den Strand herstellte, war er kein einfacher Arbeiter mehr. Die sogenannten Strandkörbe breiteten sich seit der Erfindung des Zweisitzers vor vierzehn Jahren an der Ostsee aus wie die Krabben. Olaf Borchers war gewiss nicht reich, aber er verdiente genug, um seiner jungen Frau ein sorgenfreies Leben zu bieten.

Er stand am Ende ihres Wegs, den Altar im Rücken. Ein hochgewachsener schlanker Mann in einem schwarzen Gehrock. Ihr Bräutigam war zweiundvierzig Jahre alt und damit mehr als zwanzig Jahre älter als Katharina, und er wirkte mit den silbernen Fäden in seinem braunen Haar und dem grauen Schnauzbart über seinem jetzt sanft lächelnden Mund keinen Tag jünger. Zwar strahlten seine grauen Augen eine fast jugendliche Lebendigkeit aus, aber auch Klugheit und Reife. Sie stand im Begriff, nicht den Helden ihrer Jungmädchenträume zu heiraten, sondern einen Herrn, dessen Alltag eine in sich abgeschlossene kleine Welt war, kein schwankendes Schiff. Eine Welt, die er ihr zu Füßen legen würde, wie er es versprochen hatte. Katharinas Bräutigam war ein Mensch, dessen Wort Gold wert war, daran bestand kein Zweifel. Er bot ihr neben seiner Zuneigung eine gewisse Sicherheit, nicht nur finanzieller Art. Und deshalb trat sie von ihrem Vater fort und an seine Seite.

Der Pastor eröffnete mit seiner Begrüßung den Traugottesdienst, ein Segenswunsch und ein Gebet schlossen sich an, dann ein Lied, das die Gemeinde enthusiastisch sang. Mit jedem Ton begann sich Katharina mehr zu entspannen. Es war ihre Hochzeit. Der glücklichste Tag in ihrem Leben ...

Nein, dachte sie, erschrocken über die Gefühle, die sie plötzlich mit ungeahnter Macht überschwemmten. Der glücklichste Tag in meinem Leben war der, als ich Joachims Gesangbuch in den Händen hielt. Ein wunderschönes, in Leder gebundenes und mit silbernen Ankern geschmücktes kleines Buch. Er hatte es ihr schweigend überreicht, aber sie hatte ihn auch ohne Worte sofort verstanden. Seit Jahrhunderten machten die zuweilen recht stillen Männer in Warnemünde ihren Angebeteten auf diese Weise einen Antrag. Doch damit hatte es sich mit der Tradition. Nichts wurde so, wie von ihr erhofft.

Das Verlöbnis blieb ihr Geheimnis. Er hielt nicht bei ihrem Vater um ihre Hand an, und am nächsten Wochenende, an dem üblicherweise das Aufgebot bestellt wurde, saß sie allein in der Kirchenbank und lauschte der Bekanntmachung eines anderen Paares, das heiraten wollte.

»Eine zweijährige Fahrt auf Nord- und Ostsee ist die Voraussetzung für ein Schifferexamen«, rechtfertigte Joachim seinen Abschied. »Ich bin jetzt dreiundzwanzig, und wenn ich zurück bin, steht der Prüfung und dem Erhalt des Patents auf Große Fahrt nichts mehr entgegen. Dann kann ich als Steuermann arbeiten, ich verdiene genug Geld für meine Familie, und wenn ich erst Kapitän bin, darfst du mich gelegentlich begleiten. Wir werden gemeinsam Abenteuer erleben, Katharina! Oder ich werde Lotse und komme jeden Abend nach Hause. An unserer Hafeneinfahrt gibt es immer viel zu tun, wie du weißt, es ist die gefährlichste an der gesamten Ostseeküste. Gute Leute sind gesucht. Ich werde den Weg gehen, den du möchtest, damit wir für immer zusammen sein können. Aber bis dahin muss ich fort.«

Seine ungewöhnlich vielen Worte verbargen die Wahrheit. Katharina hatte keine Vorstellung davon, wie es war, tagein, tagaus zu warten, sich während der Herbststürme zu sorgen und eine Einsamkeit ertragen zu müssen, die manchmal schwerer wog als der Mast auf einem Segelschiff. Als sie sich kennenlernten, befand sich Joachim mitten in der Ausbildung an der Mecklenburger Seefahrtsschule in Rostock - er lebte den Alltag eines Studenten an Land. Natürlich kannte sie viele Familien, in denen der Vater manchmal monatelang abwesend war, die meisten Männer in ihrem Geburtsort wurden entweder Fischer oder Matrosen. Doch nie zuvor hatte sie so leidenschaftlich geliebt. Und diese Liebe verband sich mit der Sehnsucht nach seiner Nähe. Es verzehrte sie, wurde zur Obsession, schließlich fürchtete sie, gemütskrank zu werden. Das war der Moment, in dem sie sicher war, dass sie die bestehende Situation nicht ertrug. Sie war nicht zur Seemannsfrau geschaffen.

Ein Jahr nach Joachims Antrag stand sie im Begriff, einen anderen zu heiraten.

»Barmherzig und gnädig ist der HERR, geduldig und von großer Güte.«

Die Stimme des Pastors drang wie durch einen Nebel zu Katharina durch. Vielleicht dämpften die goldbestickten Ohrklappen der Brautkrone seine Worte....

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