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Azur

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
272 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am15.12.20161. Auflage
Im flirrenden Licht der Ägäis sitzt eine kleine Reisegruppe auf einer kargen griechischen Insel fest. Vor allem ein Paar zeigt sich der unvorhergesehenen Situation nicht gewachsen. In der archaischen Atmosphäre der Inselwelt brechen uralte Konflikte auf. Anlaß für Martin, den erfolgreichen Filmregisseur, und Andrea, seine um zehn Jahre ältere Frau, sich über die Erosion ihrer Liebe klarzuwerden. ?Azur? ist eine bestechende und aktuelle Variation des ältesten Themas der Welt. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Rosa Regàs, 1933 in Barcelona geboren, studierte Philosophie an der Universität Barcelona. Sie arbeitete als Verlegerin und als Übersetzerin bei der UNO. Mit 57 Jahren veröffentlichte sie ihr erstes Buch, 20 weitere Werke - Romane, Essayistik und Reisebücher - folgten. Mit 60 Jahren übernahm sie die Leitung des Ateneo Americano der Casa de América, mit 71 Jahren wurde sie Generaldirektorin der Nationalbibliothek in Madrid.Seit Anfang der 1990er Jahre schreibt sie regelmäßig für Tageszeitungen und Zeitschriften und arbeitet als Rednerin und Aktivistin für Menschenrechtsorganisationen. 1994 wurde ihr Roman ?Azur? mit dem Premio Nadal, einem der bedeutendsten spanischen Literaturpreise, ausgezeichnet.
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Produkt

KlappentextIm flirrenden Licht der Ägäis sitzt eine kleine Reisegruppe auf einer kargen griechischen Insel fest. Vor allem ein Paar zeigt sich der unvorhergesehenen Situation nicht gewachsen. In der archaischen Atmosphäre der Inselwelt brechen uralte Konflikte auf. Anlaß für Martin, den erfolgreichen Filmregisseur, und Andrea, seine um zehn Jahre ältere Frau, sich über die Erosion ihrer Liebe klarzuwerden. ?Azur? ist eine bestechende und aktuelle Variation des ältesten Themas der Welt. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Rosa Regàs, 1933 in Barcelona geboren, studierte Philosophie an der Universität Barcelona. Sie arbeitete als Verlegerin und als Übersetzerin bei der UNO. Mit 57 Jahren veröffentlichte sie ihr erstes Buch, 20 weitere Werke - Romane, Essayistik und Reisebücher - folgten. Mit 60 Jahren übernahm sie die Leitung des Ateneo Americano der Casa de América, mit 71 Jahren wurde sie Generaldirektorin der Nationalbibliothek in Madrid.Seit Anfang der 1990er Jahre schreibt sie regelmäßig für Tageszeitungen und Zeitschriften und arbeitet als Rednerin und Aktivistin für Menschenrechtsorganisationen. 1994 wurde ihr Roman ?Azur? mit dem Premio Nadal, einem der bedeutendsten spanischen Literaturpreise, ausgezeichnet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105614402
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum15.12.2016
Auflage1. Auflage
Seiten272 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2156229
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2

Als sie die Landzunge umrundeten, erblickten sie zuerst die Kormorane, die still und reglos auf den Kliffs hockten. Ihr grünlich-schwarzes Gefieder wirkte stumpf, ihre Schnäbel waren himmelwärts gereckt, und so sahen sie aus wie einsame Vogelskulpturen, die die Hafeneinfahrt flankierten. Hinten in der Bucht drängten sich die Häuser des Dorfes aneinander - ein heller, verwischter Streifen zwischen dem glitzernden Meer und der kargen, kupferfarbenen Steilküste. Das Felsmassiv entlud seine Gluthitze über dem Dorf, und in der sengenden Sonne waberte die Luft so dicht über dem Wasser, daß sie Farben und Formen mit einem Schleier überzog. Alles schien zu ersticken, und die zerklüftete, leblose Landschaft glich einem verschwommenen Bühnenbild.

Monate später, als von Sommer und Hitze kaum mehr übriggeblieben war als das eine oder andere Erinnerungsfoto, als alles, was in der Reglosigkeit jenes Augenblicks seinen Anfang genommen hatte, längst wieder zerronnen, verwandelt und fast vergessen war - Monate später sollte sich Martín Ures bei den ebenso unvorhersehbaren wie seltenen Erinnerungsschüben, die nur kurz aus den Spalten seines Gedächtnisses nach oben drängten, immer wieder die Frage stellen, ob nicht alles so gekommen war, weil die Insel verhext war. Jedenfalls fielen die Segel auf einmal schlaff in sich zusammen, die Albatros verlor Fahrt, und da sie in der bleischweren Luft des leblosen Vormittags nicht vorankam, drehte sie leicht bei und blieb reglos wie auf einer Glasplatte liegen, als wäre Bewegung an diesem Ort nicht angebracht.

Vielleicht lag es an der plötzlichen Stille, vielleicht an der drückenden Schwüle, daß sie alle vier die Köpfe aus den Luks hinaussteckten. Ein ungutes Gefühl beschlich sie, als sie, von Licht und Hitze geblendet, verständnislos zum Hafen und dem Berghang dahinter hinüberspähten. Einzelheiten der felsigen Küste konnten sie nicht gleich erkennen, aber allmählich gewöhnten sich ihre Augen an das stählerne, bebende Licht. Reste von Bauwerken zeichneten sich ab, rostrot wie das Gestein, aus dem sie bestanden, und halbverborgen unter dürrem Gestrüpp, das sich in den Ritzen eingenistet hatte und langsam alles überwucherte. Erst sahen sie an den Hängen nur einen dunklen Schatten, dann noch einen und noch einen, und schließlich erkannten sie eine gewaltige Ruine, die hoch über dem Meer aufragte wie ein Steinhaufen, den Wind, Wetter und Vegetation allmählich abtrugen.

»Wahnsinn!« sagte Chiqui, geschockt von dem abrupten Temperaturanstieg, der stehenden Luft und dem Anblick dieser Mondlandschaft, die still und starr in ihrem eigenen Elend vor sich hinbrütete. »Warum fahren wir nicht weiter?«

Schweigen.

Andrea trocknete sich die Stirn, auf der sich, wie an Hals, Oberlippe, Rücken und Beinen, winzige Schweißtropfen gebildet hatten.

»Das halte ich nicht lange aus«, sagte sie.

Leonardus ging mit trägen Bewegungen zum Ruder. Seine makellos weiße Dschellaba war schweißgetränkt. Leise, als wagte er nicht, die Stimme zu heben, fragte er:

»Was machen wir jetzt?«

Tom hob die Schultern und drehte am Ruder, jedoch eher, um sich vollends davon zu überzeugen, wie nutzlos dies war, als in der Hoffnung, doch noch ein bißchen Wind in die Segel zu bekommen und die Albatros vom Fleck zu bewegen.

»Vielleicht treibt uns die Strömung zur Hafeneinfahrt«, meinte Leonardus.

»Es gibt keine Strömung«, erwiderte Tom.

Die Moschee auf der Landzunge zitterte in der flirrenden Hitze wie eine ferne Oase in der Wüste. Eine einzige Figur, eine Frau, die, auf dem Kopf einen breitkrempigen Hut, an einer gekalkten Wand lehnte, hob sich von ihrer Umgebung ab wie eine Gestalt aus längst vergangenen Zeiten. Sie hatte sich in den schmalen Schatten eines Dachfirsts geflüchtet und stand reglos da, vor sich den Weg, der zum Vorgebirge hinaufführte und an dem ein paar große Häuser standen, die die Katastrophe entweder überstanden hatten oder wieder aufgebaut worden waren.

 

Noch nie hatte er sich so verlassen gefühlt wie an dem Junimorgen, als er nach New York flog, freilich nicht, um nach neuen Horizonten zu suchen, sondern weil seine Beziehung zu Andrea, die vor etwas über einem Jahr begonnen hatte, in die Brüche gegangen war. Das Flugzeug war pünktlich gestartet, und er hatte bis zuletzt daran geglaubt, daß sie kommen und sich von ihm verabschieden würde, sei es auch nur mit einem Händedruck. Als letzter ging er durch den Zoll, und im Zubringerbus spähte er zur Terrasse des Flughafens hinüber, konnte sie aber nirgends entdecken. Sogar als die Maschine zur Startbahn rollte und auch noch beim Start blieb sein Blick mit einer Unbeirrbarkeit, wie sie sich aus einer Mischung von schmerzlicher Sehnsucht, Verzweiflung und Uneinsichtigkeit ergibt, weiter starr auf die Abflughalle gerichtet. Schon bald sah er das Meer, und unter dem Flügel zeichnete sich das Rastermuster der Stadt ab. Das Flugzeug stieß durch dichten Nebel, und als die Sonne durch die weißen Wolken brach, überkam ihn ein Gefühl trostloser Einsamkeit. Ein paar Tränen trübten seinen Blick, aber noch konnte er das Zucken in den Wangen beherrschen. Er riß sich zusammen und unternahm, vielleicht aus Scham sich selber oder den anderen Passagieren gegenüber, einen letzten Versuch, das Beben seiner Lippen unter Kontrolle zu bringen, indem er sich geräuschvoll schneuzte, doch als er schon glaubte, seinen Kummer im Griff zu haben, flossen die Tränen plötzlich so reichlich, daß er den Mund öffnen und schniefend durch die Nase atmen mußte, wobei er die Lippen zu einer unkontrollierten Grimasse verzog und einen erstickten Laut von sich gab, aus dem so viel Leid sprach, daß sein Nachbar ihm einen bestürzten Blick zuwarf. Da ließ er alle Selbstbeherrschung fahren und weinte leise in sich hinein.

Entgegen ihrer Abmachung schickte er ihr aus New York schon bald nicht nur Briefe und knappe Mitteilungen ins Büro, die nur sie verstehen konnte, sondern auch eine dünne, mit Quasten verzierte Kordel für die Brille, bunte Steine, die ein Somali an einer Straßenecke verkaufte, und ein rotes Ahornblatt, das er auf einem seiner melancholischen Spaziergänge im Park aufgelesen hatte. Auch Zeitungsausschnitte und kurze, in seinem Anfängerenglisch abgefaßte Sätze ließ er ihr zukommen, um ihr zu zeigen, daß er Fortschritte machte, und er dachte nicht darüber nach oder verdrängte vielmehr die Tatsache, daß sie ihm nie antwortete. Nur manchmal, in Nächten voller Sehnsucht und Einsamkeit, wenn er sich nicht einmal mehr mit Erinnerungen trösten konnte, weil sie seinem Verlangen nichts entgegenzusetzen hatten - nur manchmal machte er sich bewußt, daß Andreas Entscheidung offenbar unwiderruflich war. Doch selbst dann noch keimte Hoffnung in ihm, und obwohl ihm von Anfang an klar war, daß es nichts brachte, wenn er sich vor Liebe verzehrte, sah er die Stadt immer auch mit ihren Augen, während er sich mit einer Sprache herumschlug, die sich ihm störrisch widersetzte, und als Dritter Assistent an einer Fernsehserie mitarbeitete, ein Job, den ihm keine andere als Andrea dank ihrer Bekanntschaft mit Leonardus verschafft hatte.

Nach ein paar Monaten - es war Januar geworden, und der erste Schnee fiel auf New York - schrieb er sich an der Universität für ein Regie-Seminar ein, und als er Ende April seinen ersten Kurzfilm gedreht hatte, schickte er ihr eine Kopie. Ungeduldig wartete er auf Post oder einen Anruf von ihr, doch obwohl sie sich nicht meldete und Pedro Bali, ein Freund aus dem Seminar, ihm nach seiner Rückkehr versicherte, er habe den Kurzfilm persönlich in Andreas Büro abgegeben, und obwohl auch die Frist verstrichen war, die er ihr eingeräumt hatte, um sich einen Projektor zu besorgen oder einen Vorführraum zu finden - für beides hatte er ihr genaue Instruktionen mitgeschickt -, hörte er nicht auf, ihr tief in seinem Herzen all das mitzuteilen, was er sah und erlebte, und dies hatte er von Anfang an aus der festen Überzeugung heraus getan, daß sie ihn dank einer geheimnisvollen Verbindung, die noch wirkungsvoller war als verschlüsselte Botschaften oder Telefonanrufe, zu denen er sich nicht durchringen konnte, hören müsse. Ständig sah er ihr erstauntes oder skeptisches Gesicht vor sich, hörte ihre Stimme und spürte so stark ihre lebendige Gegenwart, daß er nachts, wenn sie ihm so nah war und er sie dennoch nicht berühren konnte, vor Ungeduld schier verging. Er kannte sie gut genug, um zu wissen, daß nichts sie daran hinderte, einen seiner Briefe zu beantworten, aber eben dies tat sie nicht. Nein, sie lieferte ihm nicht den geringsten Grund zu der Annahme, daß sie ihren Entschluß, nichts mehr von ihm wissen zu wollen, doch noch ändern könnte. Trotzdem trug er weiterhin die Gewißheit in sich, daß einem so radikalen Bruch ein tieferes Motiv zugrunde liegen mußte, oder, anders ausgedrückt: Ihr Wunsch, bei ihm zu sein, war so stark, daß sie ihm nur durch stures Festhalten an ihrer Entscheidung entgegenwirken konnte. Was hätte sie schon mit einem Brief oder einer schlichten Mitteilung riskiert? Eine andere Sichtweise als die, welche ihn sich an seine Hoffnung hatte klammern lassen, sagte ihm, daß er ein halbes Jahr lang Selbstgespräche geführt hatte, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, ob Wut, Schmerz oder einfach nur der Selbsterhaltungstrieb ihn dazu gezwungen hatten, und so faßte er den Entschluß, die Wartezeit zu unterbrechen und sich das Szenarium seines eigenen Lebens vor Augen zu führen, damit er mit um so größerer Kraft loslegen konnte, sobald die Zeit reif sein würde, und sie würde eines Tages reif sein, dessen war er sich sicher. Allerdings sollte er später die Erfahrung machen, daß Willenskraft als Waffe weder...
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Autor

Rosa Regàs, 1933 in Barcelona geboren, studierte Philosophie an der Universität Barcelona. Sie arbeitete als Verlegerin und als Übersetzerin bei der UNO. Mit 57 Jahren veröffentlichte sie ihr erstes Buch, 20 weitere Werke - Romane, Essayistik und Reisebücher - folgten. Mit 60 Jahren übernahm sie die Leitung des Ateneo Americano der Casa de América, mit 71 Jahren wurde sie Generaldirektorin der Nationalbibliothek in Madrid.Seit Anfang der 1990er Jahre schreibt sie regelmäßig für Tageszeitungen und Zeitschriften und arbeitet als Rednerin und Aktivistin für Menschenrechtsorganisationen.1994 wurde ihr Roman >Azur