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Hexengericht

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
350 Seiten
Deutsch
Bastei Lübbeerschienen am21.06.20131. Aufl. 2013
Rouen 1347. Während die Flammen der Scheiterhaufen in ganz Europa gen Himmel lodern, wartet die Korbflechterin Anne Langlois im Hexenturm von Rouen auf ihre Verurteilung. Nur der junge Dominikanermönch Raphael glaubt an ihre Unschuld. Aber seine Bemühungen sind vergebens - gegen den Inquisitor Henri le Brasse verliert er den Kampf um Annes Leben. Als er selbst in das Visier des Hexenjägers gerät, beginnt eine abenteuerliche Flucht durchs ganze Land nach Avignon. Dort will Raphael den Papst von Henris Machenschaften in Kenntnis setzen. Doch die Verfolger sind ihm dicht auf den Fersen. Und Raphael ahnt den Grund: Er weiß als Einziger, warum Anne in Wahrheit sterben musste ...mehr

Produkt

KlappentextRouen 1347. Während die Flammen der Scheiterhaufen in ganz Europa gen Himmel lodern, wartet die Korbflechterin Anne Langlois im Hexenturm von Rouen auf ihre Verurteilung. Nur der junge Dominikanermönch Raphael glaubt an ihre Unschuld. Aber seine Bemühungen sind vergebens - gegen den Inquisitor Henri le Brasse verliert er den Kampf um Annes Leben. Als er selbst in das Visier des Hexenjägers gerät, beginnt eine abenteuerliche Flucht durchs ganze Land nach Avignon. Dort will Raphael den Papst von Henris Machenschaften in Kenntnis setzen. Doch die Verfolger sind ihm dicht auf den Fersen. Und Raphael ahnt den Grund: Er weiß als Einziger, warum Anne in Wahrheit sterben musste ...
Details
Weitere ISBN/GTIN9783838720098
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum21.06.2013
Auflage1. Aufl. 2013
Seiten350 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2188423
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Im Palast des Papstes
Sie durchquerten die grüne Landschaft der Bourgogne und das karge Land der Auvergne, ohne einen Verfolger zu entdecken. Der düstere Mönch, der Pierre auf der Fähre so in Schrecken versetzt hatte, blieb wie vom Erdboden verschluckt.

Immer wieder wechselte Luna die Richtung. Allein, der Grund blieb Pierre und Amicus verborgen. Die Antwort erschien im Moment auch nicht wichtig. Nur Lunas Sicherheit zählte. Und diese Aufgabe oblag ihm und Amicus. Obwohl er ab und zu dachte, dass es Luna war, die für seine und Amicus´ Sicherheit sorgte. Wie auch immer. Es war unbeschreiblich schön, so nah bei ihr zu sein. Ihre Stimme zu hören, wenn sie ihn am Morgen mit den Vögeln weckte. Und zu sehen, wie sie stolz und unnahbar auf ihrem Pferd saß. Mit ihr über dieses und jenes zu schwatzen, mit ihr zu lachen und zu schweigen. All das genoss Pierre in jedem einzelnen Augenblick auf ihrer Reise. Und er war Gott dankbar, dass er dies erleben durfte.

Dann endlich, nach dreißig Tagen, erreichten sie ihr Ziel.

Avignon, die Stadt am Ufer der Rhône, erhob sich wuchtig auf einem schneeweißen Kalksteinfelsen. Sogar hier, auf dem Pont-Saint-Bénézet, ein Stück über dem Fluss, erkannte man Avignons Pracht. Die Stadt, die Eigentum des Herzogs von Anjou war, jedoch zum Heiligen Römischen Reich gehörte, bestach durch mächtige gotische Bauwerke. Alle sieben Kirchen von Avignon waren von weitem zu sehen. Darunter die kolossale Kathedrale Notre-Dame-des-Doms und der gewaltige Palast des Papstes. Umgeben war Avignon von dicken, hohen Mauern, die einen hervorragenden Schutz vor Angreifern boten.

Es war für die drei Gefährten auf der Brücke nicht zu übersehen, dass weitaus mehr Menschen die Stadt verließen als hineinströmten. Dabei schienen es keineswegs Händler und Bauern zu sein, die von den Märkten kamen. Vielmehr flüchteten hier die Bürger mit Sack und Pack. Wer keinen Pferdewagen, nicht einmal einen Karren, sein Eigen nennen konnte, der schleppte seine Habseligkeiten auf den Schultern hinfort.

Vom Rücken seines Pferdes blickte Pierre in panische, erschöpfte oder starre Gesichter. Kinder schrien und versuchten verzweifelt, mit ihren Eltern Schritt zu halten. Wer dies nicht konnte, blieb zurück.

»Was ist hier los?«, fragte Pierre den neben ihm reitenden Amicus. Der schüttelte ratlos den Kopf.

Nach dem mühevollen Ritt über die Brücke erreichten sie bald die Stadtmauer. Die Stadtwachen am Tor ließen die Ankömmlinge wortlos passieren.

An die Mauer gelehnt, saß ein dürrer Mann, der einen verwirrten Eindruck machte. In der Hand hielt er einen Krug, aus dem er immer wieder einen Schluck nahm. Dazu sang er aus voller Kehle: »Avignon in Not, Avignon in Not. In Avignon reitet der Tod - Falara falara falara.«

»Was hat das alles zu bedeuten?«, fragte Pierre nun Luna.

»In Avignon wütet die Pest«, antwortete sie.

Amicus rang nach Atem. »Zum Teufel!«, fluchte er. »Du führst uns sechs Wochen lang kreuz und quer durch Frankreich bis hierher in diese Pesthölle?«

»Dir wird kein Leid geschehen«, sagte Luna.

Amicus biss die Zähne zusammen und ballte die Fäuste. Er wollte etwas erwidern, schluckte dann aber seine Entgegnung hinunter.

Pierre fächelte sich mit einer Hand Luft zu. »Es stinkt erbärmlich!«

»Wohl der Pesthauch«, spottete Amicus.

»Eher der Unrat auf den Straßen«, meinte Luna.

An den Türen vieler Häuser prangte ein Kreuz aus roter Farbe. Davor standen finster dreinblickende Wachen. »Wozu dienen die Kreuze?«, wollte Pierre von Luna wissen.

»In diesen Häusern hält man die Familien der Erkrankten fest«, erklärte Luna. »Vierzig Tage lang darf niemand diese Häuser betreten oder verlassen. Darauf achten die Wachen Tag und Nacht.«

»Woher bekommen diese Leute dann zu essen?«, fragte Amicus.

»Dafür sind auch die Wachen verantwortlich.«

Gebannt starrte Pierre auf die vielen Kreuze. Er blickte die Straße hinauf. Rote Kreuze überall. »Wohin jetzt?«, fragte er.

»Wir begeben uns in den Papstpalast«, sagte Luna, und Amicus stöhnte auf.

»Jesus Christus!«, rief er und streckte die Hände gen Himmel. »Lass mich einfach hier sterben!«

Luna schnalzte mit der Zunge, und ihr Pferd fiel in leichten Trab. Sie führte ihre Freunde an der Mauer entlang, bis sie am gegenüberliegenden Punkt des Tores waren. Hier stiegen sie ab und machten ihre Pferde fest. Nun weiter durch enge Gassen, in denen unheimliche Todesstille herrschte. Vor einem verfallenen Gebäude machte sie Halt. Inzwischen war die Sonne untergegangen.

»Das ist nicht der Palast«, wunderte sich Pierre.

»Offensichtlich«, lächelte Luna. Sie öffnete die Tür. Staub und der Geruch von vermodertem Holz schlugen ihnen entgegen. Auf einem Tisch sah Pierre die Umrisse einer Fackel. Er reichte sie weiter an Amicus, der sie entzündete. Der fahle Schein tauchte den Raum in dämmriges Licht. Bis auf den Tisch, zwei umgestürzte Stühle und ein paar Spinnweben war hier nichts Ungewöhnliches zu entdecken. Warum brachte Luna sie hierher?

»Kommt weiter«, sagte Luna. Sie ging durch eine Tür in ein leeres Hinterzimmer. »Öffnet die Falltür.«

Hinter ihr betrat Pierre den Raum. »Welche Falltür?«, wollte er wissen, doch da stolperte er schon und fiel hin.

»Du hast sie gefunden«, lachte Luna.

Pierre fand den eisernen Griff der Bodenluke und zog daran. Er starrte in ein finsteres Loch und zögerte. »Da sollen wir hinunter?«

Luna nickte und stieg als Erste hinunter. Über Steigeisen an der Wand des Schachtes glitt sie langsam in die Tiefe. Pierre trat von einem Bein aufs andere. Doch schließlich siegte der Beschützer in ihm. Er atmete tief durch und folgte Luna in die schier unendliche Dunkelheit.

»Noch drei Stufen.« Lunas Stimme klang nah. Mit zittrigen Beinen erreichte Pierre festen Boden. Kurz darauf war Amicus mit der Fackel bei ihnen. Hier unten erstreckte sich ein Gang, der so niedrig war, dass sie nur gebückt gehen konnten.

»Was zur Hölle ist das?«, fragte Amicus.

»Dies sind die Katakomben unterhalb des Palastes«, erklärte Luna. »Sie dienen dem Papst als Fluchtweg im Falle einer Belagerung oder eines Angriffs.« Sie deutete in eine Richtung. »Dort entlang geht es weiter unter der Stadtmauer hindurch und hinüber in den Wald. Wir gehen hier weiter bis zum Herz des Palastes.«

»Ich gehe voran und leuchte euch den Weg«, sagte Amicus.

Sie kamen nur langsam vorwärts. Nach kurzer Zeit schmerzte Pierre der Rücken ob der gebeugten Haltung. Immer wieder stieß er mit dem Kopf hart gegen das Gewölbe. Seit Ewigkeiten mochten diese Mauern keines Menschen Seele mehr gesehen haben. Es waren kaum Rußspuren an den Wänden zu entdecken, in der dichten Staubschicht auf dem Boden sah er keine Fußabdrücke. Die Schmerzen in Rücken und Nacken trieben ihn fast zur Raserei. Schon wollte er um eine Rast bitten, als Amicus stehen blieb. Vor ihnen ragte eine Wand mit Steigeisen in die Höhe.

»Hinauf«, flüsterte Luna. »Aber seid leise.«

Amicus übergab Pierre die Fackel und stieg hoch. Pierre hörte, wie Amicus weiter oben vorsichtig eine Falltür öffnete. Kurz darauf bedeutete er Pierre und Luna, ihm zu folgen.

Oben angekommen, herrschte Amicus Pierre an. »Weg mit der Fackel!« Unverzüglich warf Pierre die Fackel zurück in die Tiefe. Er sah sich um. Sie waren in einer fensterlosen Kammer, in der unzählige alte Truhen standen. Die Tür zu der Kammer war verschlossen. Durch eine kleine Sichtöffnung in der Tür drang schwacher Lichtschein zu ihnen herein. Es roch nach faulem Holz.

Amicus spähte durch die Öffnung. »Niemand zu sehen«, sagte er, ohne sich umzudrehen. »Was nun?«

»Wir warten«, sagte Luna. Sie setzte sich auf eine der Truhen, nahm ihren Beutel von den Schultern, bat Amicus um ein Messer und schnitt jedem von ihnen eine Scheibe Brot und ein großes Stück Schinken ab.

Als Raphael und Jeanne Gousset am Abend Avignon erreichten, bot sich ihnen das gleiche Bild wie Luna, Pierre und Amicus einige Stunden zuvor. Über die Brücke strömten die Menschen aus der Stadt heraus. Einige sahen die beiden Reisenden auf ihren Pferden mitleidig an, andere warfen ihnen spöttische Blicke zu. Die meisten jedoch nahmen keine Notiz von ihnen. Sie waren nur froh, dem schwarzen Tod entkommen zu können.

»Die Pest hat Avignon fester im Griff, als ich angenommen habe«, flüsterte Raphael Jeanne zu.

An den Stadtwachen kamen sie ohne Schwierigkeiten vorbei. Hinter den starken Mauern packte Raphael das blanke Entsetzen. Welch Sündenpfuhl war die Stadt, in der der Heilige Vater residierte? Überall in den Straßen und offenen Fenstern sah man Frauen, so spärlich bekleidet, dass die Umrisse des nackten Körpers durchschienen. Durch die eng anliegende Kleidung konnte man ihr Geschlecht erkennen. Zudem hatten die Gewänder so weite Ausschnitte, dass die Brüste fast völlig entblößt waren. Die Röcke der Jünglinge waren so kurz, dass sie ihr Gemächt und Gesäß kaum mehr verhüllten. »Sodom und Gomorrha«, flüsterte Raphael fassungslos. »Schaut nicht hin, Madame.«

Aber sie lachte nur. »Gewiss wird es in der Nähe des Heiligen Stuhles keuscher zugehen.«

Raphael trieb sein Pferd an und vertiefte Jeanne in ein belangloses Gespräch, damit sie nicht in Versuchung geriet, diesem schamlosen Treiben Beachtung zu zollen.

Der Papstpalast lag nun unweit in südlicher Richtung. Auf dem Place du Palais angekommen, sagte Raphael: »Madame, Ihr wartet hier. Es ist sicherer, wenn ich allein...

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