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Tote Dinge

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
303 Seiten
Deutsch
Bastei Lübbeerschienen am14.01.20161. Aufl. 2016
Erik Carter sieht die Geister der Toten und verdient gutes Geld damit, sie ins Jenseits zu befördern. Als seine Schwester Lucy brutal ermordet wird, kehrt er nach 15 Jahren wieder nach L.A. zurück. Damals verließ er die Stadt auf der Flucht vor einem brutalen Gangster, der damit drohte, jeden umzubringen, den Carter liebte. Hat sein alter Feind seine Drohung nun doch wahrgemacht? Ist Lucy seinetwegen gestorben? Carter findet seine schlimmsten Ängste bestätigt, als er am Tatort eine Nachricht an ihn findet - eine Nachricht aus der Geisterwelt, die niemand außer ihm sehen kann ...mehr

Produkt

KlappentextErik Carter sieht die Geister der Toten und verdient gutes Geld damit, sie ins Jenseits zu befördern. Als seine Schwester Lucy brutal ermordet wird, kehrt er nach 15 Jahren wieder nach L.A. zurück. Damals verließ er die Stadt auf der Flucht vor einem brutalen Gangster, der damit drohte, jeden umzubringen, den Carter liebte. Hat sein alter Feind seine Drohung nun doch wahrgemacht? Ist Lucy seinetwegen gestorben? Carter findet seine schlimmsten Ängste bestätigt, als er am Tatort eine Nachricht an ihn findet - eine Nachricht aus der Geisterwelt, die niemand außer ihm sehen kann ...
Details
Weitere ISBN/GTIN9783732515141
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum14.01.2016
Auflage1. Aufl. 2016
Seiten303 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2190882
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Kapitel 1

Als ich an der Kneipe vorfahre und der Truck dabei Staub und Schotter hinter mich schleudert, weiß ich, dass es schon zu spät ist, um noch jemandem zu helfen. Unter den acht oder neun Wagen auf dem Parkplatz sind zwei der Texas State Troopers, und ihre Blaulichter blinken nach wie vor.

Das Auto, das ich suche und seit Miami verfolge, ein 1973er Cadillac Eldorado Cabrio, wurde ordentlich auf dem Schotterstellplatz neben zwei Ford F-150 abgestellt, beide mit Gewehrständern und Schmutzfängern voller Chromfrauen.

Ich überzeuge mich davon, dass ich alles bei mir habe, und bekreuzige mich bei jedem Artikel. Wie in dem alten Witz: Brille, Hoden, Brieftasche und Uhr.

Nur sind es diesmal ein Fleck Friedhofserde auf der Stirn, die Gürtelschnalle (ein komplexes Eisengeflecht, um den Bösen Blick abzuwehren), ein Rasiermesser, das ich dem Mann ent­wen­det habe, mit dem es begraben wurde, und, ja, eine Uhr. Eine Illinois Sangamo Special Railroad Grade Watch von 1919. Hält die Zeit fantastisch gut fest!

Ich hoffe, dass ich sie nicht benutzen muss.

Als Nächstes kommt der Rucksack an die Reihe. Ich habe schon fünfzehn Mal hineingeblickt, seit ich heute Morgen aufgewacht bin, aber es lohnt sich, genau zu wissen, wo man sein Zeug findet.

All das, was der anspruchsvolle Nekromant braucht: Astragale, eine Schlinge vom Hals eines gehängten Mörders, ein Satz Karten, zusammengesetzt aus Assen und Achten, und ein Beutel, den ich mir an den Gürtel hänge. Er ist voller pulverisierter Friedhofserde, Salz, zermahlener Knochen und Blut, das unter einem Vollmond getrocknet ist.

Und eine Browning Hi-Power 9 mm, speziell für die Wehrmacht angefertigt, nachdem die Nazis in den Besitz der Fabriken gelangt waren und ehe die Belgier damit loslegten, diese zu sabotieren. Das Ding trägt reichlich Waffen-SS-Kennzeichnungen.

Ich glaube nicht so recht an das Böse, aber diese Knarre ist einfach schlimm. Es ist die Pistole eines Mörders, eines Sadisten. Jedes Leben, das damit zerstört wurde, ist darin eingebrannt wie die Stempel des Dritten Reichs, die den Verschluss bedecken.

Wenn ein Typ wie ich sie benutzt, verleiht ihr all diese Energie einen Wumms, neben dem eine .44er wie ein Spielzeuggewehr abschneidet.

Ich schieße nicht gern mit dem Ding. Fasse es nicht mal gern an. Fühlt sich an, als huschten Kakerlaken unter den Fingern herum. Manchmal ist das beste Werkzeug für einen Job jedoch eines, das gar nicht existieren sollte.

Die Knarre ist nicht ganz so schlimm wie die Uhr, aber sie wird ihren Zweck erfüllen. Also klemme ich mir das Holster in den Hosenbund und hoffe, dass ich mir nicht die Eier wegballere.

Die Sonne in West-Texas ist brutal und backt alles in einem Dunstschleier aus verbranntem Karamell zusammmen. Warum zum Teufel irgendjemand mitten in diesem Kalksteinödland eine Kneipe eröffnet, bleibt mir verborgen. Yucca, Kreosot­büsche, ein paar Agaven und eine vom Wind geschüttelte Well­blech­hütte sind die einzigen störenden Elemente in der end­losen Weite der Landschaft.

Charles Tyrone Washington ist ein harter Brocken. Konnte sich in den 1960ern aus einer Totschlagsanklage in Detroit winden und bezog einen Wohnwagen in Florida. Gründete diese bescheuerte Voodookirche, um die Einheimischen zu prellen und mit ihren Töchtern zu schlafen.

Feines Geschäftsmodell, wenn man es richtig hinkriegt, schät­­ze ich. Geholfen hat dem Typ, dass er echt ist. Er spricht wirklich mit den Toten, verflucht seine Feinde, sagt die Zukunft voraus. Das volle Programm. Hat echt was drauf. Verschwendet das Talent auf Böse Blicke und Pferdewetten.

Letztlich haben sich die Gespräche mit Voodoogeistern ausgezahlt, und er hat in den 1990ern genug Knete zusammengerafft, um die ausgebrannte Hülse einer Villa von vor dem Bürgerkrieg mitten in den Everglades zu erwerben. Sechs Monate später kamen einige seiner Anhänger zu Besuch und entdeckten seine verwesende Leiche in einem Kreis aus Salz und Kerzenwachs in der Eingangshalle.

Von da an hat er sich richtig ins Zeug gelegt.

»He, Chuck«, sage ich und betrachte das Blutbad. »Du wirst kreativ.« Ich stehe an der Tür und betrachte eine grausige Szene, angesichts der Hieronymus Bosch rot geworden wäre.

Ich muss sehr an mich halten, um gelassen zu bleiben und nicht die ganze Bude vollzukotzen. Ich habe schon Tote gesehen, aber das hier ist der reinste Irrsinn. Wer Glück hatte, ist auf seinem Stuhl gestorben. Fünf, vielleicht sechs Typen; im Gewirr der Körperteile ist das etwas schwer zu erkennen. Er hat ihre Schädel zur Explosion gebracht und die offenen Rümpfe in einem Meer aus Blut auf dem Fußboden abgeladen.

Die anderen, besonders die Trooper, haben die fürstliche Behandlung abgekriegt. Mit den Flügeln eines Deckenventilators an die Rückwand genagelt, die Brustkörbe aufgerissen, um leere Hohlräume zu zeigen, auf Barhockern gepfählt, mit tausend Schnitten von Glasscherben zerfetzt. Ein armes Schwein besteht nur noch aus seinem Torso. Jesus allein weiß, was Washington mit dem Rest von ihm angefangen hat.

Der schlimmste Fall hat eine Verwandlung begonnen, aber nicht zum Abschluss gebracht. Die Gliedmaßen ragen in schiefen Winkeln hervor, und Fellbüschel und Chitin sind an die Stelle der Haut getreten. Ein Dutzend kleiner Münder steht offen und lässt die Zungen heraushängen. Das einzig erkennbar menschliche Teil an ihm sind die Cowboystiefel.

Es treiben sich keinerlei Geister herum. Bei so viel Verwüstung ist es eigentlich normal, dass jemand mindestens einen Geist hinterlassen hat. Washington hat sie aber schon verspeist.

Er sieht nach einem drahtigen, siebzig Jahre alten Schwarzen in Hawaii-Hemd und Khaki-Cargohose aus. Eine Nickelbrille mit schmalem Gestell hockt auf seiner Nase. Typischer Ruheständler in Florida. Spielt vielleicht Golf. Hängt auf seiner Ve­ran­­da herum und blickt den vorbeischlendernden kubanischen Chicas nach.

Aber das ist nur der Eindruck, den man auf dieser Seite bekommt. Drüben auf der Zwielichtseite ist er eine brennende, durcheinanderquirlende Masse von Gesichtern - in jener Zwischenwelt, wo die Toten ihre Kadaver parken, um auf das zu warten, was auch immer danach kommt. Die Loa tanzen unter seiner Haut und leuchten wie heiße Kohlen - eben jene Voodoogeister, die ihm genug Lotteriezahlen verraten haben, um seine Versorgung mit Alkohol und Zigaretten zu gewährleisten. Ich bin mir gar nicht sicher, ob er überhaupt noch ein Mensch ist.

Nach Washingtons Tod kamen allmählich Gerüchte in Umlauf, denen zufolge er dort unten eine echt üble Magie abziehen sollte. So was kommt vor. Den Tod eine Zeit lang zu beschummeln ist gar nicht so schwierig, wie man vielleicht denkt. Er hing mit den Loa ab und ernährte sich von Geistern, die er in umliegenden Städten erjagte.

Natürlich hat niemand versucht, ihn aufzuhalten. So ticken Magier nun mal nicht. Er fand überhaupt nur akademisches Interesse. Man kann von uns nicht erwarten, auch nur einen Scheiß auf ihn zu geben, solange er uns nicht in die Parade fährt oder zu viel Aufmerksamkeit der Normalen weckt.

Die Magierszene funktioniert wie die der illegalen Kämpfe. Man redet nicht darüber. Schließlich dürfen die normalen Bürger nicht erfahren, dass der ganze Scheiß real ist. Wir müssten sonst vielleicht was abgeben.

»Du bist mal ein zähes Arschloch, Eric Carter«, sagt Washington. Er kippt sich ein Miller-Bier hinter die Binde und zieht an seiner Zigarette.

»Das gehört zu meinem Charme«, sage ich.

Auf der anderen Seite sehe ich die Gesichter unter seiner Haut aufleuchten wie Benzin, das man auf einen brennenden Scheiterhaufen schüttet. Zu sehen, wie das Land der Toten unsere Seite überlagert, hat seinen Nutzen, obwohl es manchmal schwierig wird zu erkennen, was wirklich ist und was nicht. Aber ich blicke auf Jahre der Übung zurück. Magier werden mit einem Talent geboren. Illusionen, Transformationen, Weissagungen. Manche Leute sind in manchen Dingen einfach besser als andere.

Ich hab das Talent für die toten Dinge abgekriegt. Juhu!

»Ich will schon länger mit dir reden. Ich wusste, dass du herkommen würdest«, sagt Washington. »Sobald ich erst mal genug Leute umgebracht hatte, wusste ich, dass du es spüren würdest. Und schnurstracks zu mir kommst.«

Ich bin gut, aber nicht so gut. Ich deute mit dem Daumen über die Schulter. »Nee. Hatte einfach Glück. Habe einen Funkscanner im Auto. Hörte, wie die Cops in den Einsatz gefahren sind. Ich wollte gerade nach Süden. Dachte mir, du hättest dich inzwischen nach Mexiko verpisst.«

Washington hat schon eine ganze Weile lang in seinem Sumpfpalast sein Ding durchgezogen. Nicht wirklich tot, nicht wirklich lebendig. Irgendwann, vermutlich vor ungefähr einem Jahr, ging er dann noch ein bisschen weiter und über alle Grenzen. Anstatt die Loa um Gefallen anzubetteln, fing er damit an, ­ihnen Fallen zu stellen, mit ihnen zu experimentieren, sie in leicht genießbare Häppchen zu zerschneiden. Begann, sie zusammenzuflicken und sie auf der Seele zu tragen, wie ein Psychokiller, der sich abgezogene Haut überstreift.

Damit machte er manche Dinge ganz entschieden unglücklich. Als Daumenregel kann man sagen, dass man sich nicht mit Sachen anlegt, die große Brüder und Schwestern haben. Die könnten einem womöglich auf den Leib rücken. Schlimmer noch: Sie könnten jemanden wie mich schicken.

»Du könntest mich einfach in Ruhe lassen«, sagt er. »Auf diese ganze Farce verzichten und jemanden deinesgleichen in Frieden leben...

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