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Der Tag vor der letzten Nacht

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
334 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am31.03.20171. Auflage
Noch ist es ein Tag wie jeder andere, an dem Gordon und Susan sich auf einem Flug von San Francisco nach New York kennen und lieben lernen, obwohl sie erste Zeichen dessen, was sich anbahnt, bereits entdecken könnten ... Eine erregende und aufregende Love-Story - die Geschichte zweier Menschen, die in einer höllischen Ausnahmesituation ihr Leben und ihre Liebe retten wollen, einer Situation, die Menschen zu Taten treibt, die sie sich nie haben träumen lassen. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Daniel B. Dodson war Literaturwissenschaftler und Romanautor.
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Produkt

KlappentextNoch ist es ein Tag wie jeder andere, an dem Gordon und Susan sich auf einem Flug von San Francisco nach New York kennen und lieben lernen, obwohl sie erste Zeichen dessen, was sich anbahnt, bereits entdecken könnten ... Eine erregende und aufregende Love-Story - die Geschichte zweier Menschen, die in einer höllischen Ausnahmesituation ihr Leben und ihre Liebe retten wollen, einer Situation, die Menschen zu Taten treibt, die sie sich nie haben träumen lassen. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Daniel B. Dodson war Literaturwissenschaftler und Romanautor.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105616758
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum31.03.2017
Auflage1. Auflage
Seiten334 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2351676
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

Als das No-Smoking-Zeichen verloschen war, schob sich das Mädchen mit dem langen blonden Haar und den eisgrünen Augen mit einer Wildheit, die an Gewalttätigkeit grenzte, eine Zigarette in den Mund, so daß Gordon Mariner annahm, sie brauchte ein ...

«Haben Sie Streichhölzer?» fragte sie.

«Nein. Warum versuchen Sie nicht -?»

«Ich habe Sie nicht um Rat gebeten. Ich wollte Streichhölzer.»

«Ich habe keine. Hab´ das Rauchen aufgegeben.»

Sie fand ein Streichholz, aber gerade als sie sich die Zigarette anzündete, sackte die Boeing 707 in einer Thermik ab, wodurch sich die Maschine, wie von einem Krampf befallen, so ruckartig drehte, daß Zeitschriften und Papiere ringsum zu Boden fielen.

«Mein Gott», keuchte das Mädchen.

Gordon bückte sich, hob sein Buch auf und sah durchs Backbordfenster in den braunen Dunst, durch den die 707 nach Verlassen des Flughafens von Los Angeles aufgestiegen war. Wie eine breiige See mit schlammig trüben Wellen lagerte der Dunst über dem weiten Becken und stieß träge Schmutzwirbel durch das San Fernando Valley bis hin zu den Sierras aus, deren schimmernde Gipfel in der Nachmittagssonne aufglänzten.

«Ich weiß, wer Sie sind», sagte das Mädchen.

«Das ist wenig wahrscheinlich, da ich es selbst nicht weiß. Aber wenn es stimmt, erklärt das vielleicht, warum Sie so giftig sind.»

«Sie sind Gordon Mariner, und geschrieben haben Sie dieses alberne Buch über Mensch und Natur.»

«Donnerwetter! Die anderen zwei, die es gelesen haben, hatten keine Meinung.»

«Oh, eine Menge Leute haben es gelesen, aber sie sind zurückhaltender als ich.»

«Weshalb sind Sie eigentlich so gelöst?»

«Ich habe mich von meinem Mann getrennt.»

«Sollte ich Sie dazu beglückwünschen?»

«Ich glaube, Sie sind so richtig vulgär. Darum lesen Sie wohl auch Mailer. Ein lausiger Sexist.»

«Sexist, gebe ich zu - wenn ich das Wort richtig verstehe - aber, lausig, nein. Er hat Freude am Umgang mit Wörtern und Gedanken und bringt sie ziemlich zur Deckung.»

Wieder gerieten sie in eine Thermik, und die Maschine wurde heftig durchgeschüttelt. «Gottverdammich», stöhnte das Mädchen.

«Geht das nun die nächsten fünftausend Kilometer so?»

Gordon sah wieder nach draußen. Der gipsdichte Smog bedeckte das Tal, so weit er sehen konnte.

«Haben Sie gehört, was ich gefragt habe?»

«Ja, aber ich weiß es auch nicht. Es handelt sich um Turbulenzen. Ein Vorgang, ebenso unsichtbar wie unberechenbar.»

«Enorm hilfreich, was Sie da erzählen», bemerkte das Mädchen.

Wieder faßte ein heißer Aufwind das Flugzeug, und das Mädchen klammerte sich an die Sessellehnen. «Ach, wenn das doch bloß aufhörte», sagte sie erblassend, mit geschlossenen Augen und so kläglich, daß er ihre Rückenlehne runterließ. Er legte seine Hand auf ihre.

«Sie mögen das nicht ... fliegen?»

«Ich hasse es, gelinde gesagt.» Wieder wurde die Maschine durchgeschüttelt.

«Warum tun Sie´s dann? Oder warum gerade diesmal?»

«Ich mußte an einem Treffen teilnehmen.» Sie hielt die Augen geschlossen. Gordon zog seine Hand zurück.

«Ein Treffen der NOW Generation, nicht wahr?»

«Ja. Woher wissen Sie das?»

«Ich hab´s mir zusammengereimt: die Einstellung, die aus Ihnen spricht, und die Pressemeldung, daß NOW an diesem Wochenende in Los Angeles tagt. So was nennt man induktive Logik.»

Das Mädchen lächelte. «Sie teilen die unter Männern übliche Meinung, daß Frauen nicht zur Logik fähig sind.»

«Ich teile alle Unzulänglichkeiten und einige Vorzüge mit meinen Geschlechtsgenossen, wozu allerdings dieses Vorurteil nicht gehört. Meine ehemalige Frau war allerdings gelegentlich so logisch, daß es mich juckte, ihr den Schädel einzuschlagen.»

«Oh, Sie gehören auch zu dem Klub?»

«Derer, die verheiratet waren und es nicht mehr sind?»

«Ja.»

«Kein besonders exklusiver Klub. Wer von unseren Zeitgenossen ist schon zehn Jahre mit ein und demselben Mann, ein und derselben Frau verheiratet gewesen?»

Sie wollte antworten, aber da geriet die 707, 10000 Meter über dem Death-Valley-Nationalpark, wiederum in eine heftige Thermik, so daß sie zusammenzuckte und ihr Gesicht mit den Händen bedeckte. «Sorgen Sie dafür, daß es aufhört damit - bitte.»

Impulsiv streckte er die Hand nach ihr aus, aber er berührte sie nicht. «Physikalisch ist es so, daß wir uns innerhalb der gegebenen Sicherheitsgrenze bewegen.»

«Ich hasse alles Physikalische.»

«Die Flügel, in denen sich die Treibstofftanks befinden, sind fest in den Flugzeugrumpf eingelassen. Dieser Rumpf ist wie ein Ei, eine Schalenkonstruktion -»

Sie öffnete die Augen und starrte ihn an. «Wovon, zum Teufel, reden Sie?»

«Über die Konstruktion dieses Flugzeugs. In dieser Maschine von Los Angeles nach New York zu fliegen, ist dreihundertmal sicherer als in einem Auto, sagen wir, von der 96. zur 14. Straße zu fahren -»

«Sagen Sie das etwa, um mich zu beruhigen?»

«Wenn gewisse Erfahrungswerte das bewirken können, ja.»

«Warum?»

«Warum - was?»

«Warum versuchen Sie mich zu beruhigen?»

Er sah in ihre weit offenen, grünen Augen, in denen sich Entrüstung spiegelte, betrachtete den kräftigen, kampflustig vorgeschobenen Unterkiefer mit dem leicht gespaltenen Kinn. «Ich dachte, es wäre Ihnen nicht so ganz geläufig, was heiße, auf ein Flugzeug treffende Aufwinde bewirken, und ich meinte, der Himmel müßte Ihnen etwas freundlicher erscheinen, wenn Sie über Ursache und Wirkung im Bilde sind.»

Sie sah ihm prüfend ins Gesicht und wandte sich dann ab, drehte sich aber mißtrauisch noch mal zu ihm um. «Ich glaube, Sie wollen mich bloß beschwatzen.»

«O Gott, nein! Ich kann mir niemanden vorstellen, bei dem so etwas aussichtsloser wäre.»

«Sie haben in Ihrem Verhalten etwas Beleidigendes.»

«Das ist ganz und gar nicht meine Absicht.»

Sie wandte sich wieder ab.

Als die Sicherheitsgurte abgeschnallt werden durften, stand sie entschlossen auf und ging an dem inzwischen bei ihnen angekommenen Getränkewagen vorbei den Gang hinunter. Er bestellte einen doppelten Wodka-Martini und einen doppelten Scotch und nahm sich wieder sein Buch vor.

Das Eis in dem für den Whisky gedachten Plastikbecher war bereits am Schmelzen, als sie zurückkam und sich wieder auf den Sitz rechts von ihm setzte. Er klappte das Tischchen vor ihr herunter und stellte ihr den Scotch hin.

«Was ist das?»

«Ich habe Scotch für Sie bestellt.»

«Wie kommen Sie darauf, daß ich Scotch trinke?»

Er öffnete das Fläschchen, leerte es in den Becher und goß Sodawasser darüber. «Sagen Sie halt.»

«Halt!»

«Sie trinken also Scotch.»

«Ist Ihnen eigentlich klar, wie unerträglich überlegen Sie sich geben?»

«Nicht, daß ich wüßte.»

«Sie sind wie ein Kind.» Sie nahm einen Schluck von dem Whisky und zog ein Notizbuch aus ihrer Handtasche. «Entschuldigen Sie. Ich habe zu tun.» Sie schrieb etwas in das Notizbuch. «Danke für den Whisky.»

«Nichts zu danken.»

Er sah wieder aus dem Fenster. Weit im Norden schimmerte in naturhafter Reinheit der schneebedeckte, über 4400 Meter hohe Mount Whitney, zu seinen Füßen aber und über der Mojave-Wüste dehnte sich ein umbrabrauner Dunst. Er war jahrelang nicht in Los Angeles gewesen und hatte unangenehm überrascht feststellen müssen, daß die Berichte stimmten, wonach es hier reinen Sauerstoff nur in Tanks gab. Selbst in dem altmodischen und wohlhabenden Newport Beach, wo er drei Tage mit wenig erfolgreicher Arbeit zugebracht hatte, wurde die Sonne durch eine so dicke Dunstschicht gefiltert, wie er es sonst noch nirgends erlebt hatte. Er öffnete das zweite Wodkafläschchen und spürte neben sich das grünäugige, wild schreibende Mädchen, dessen goldene Armreifen leise am Handgelenk klirrten. Von ihr ging eine exotische, sinnliche Wärme aus, die er zu ignorieren suchte, aber ihre Nähe teilte sich seiner Haut als ein Prickeln mit, so daß Mailer mit seinen empörten, sexzentrischen Aufschreien verblaßte.

«Und Sie? Was haben Sie in L.A. gemacht?» fragte, ihm allerlei Scheußlichkeiten unterstellend, das Mädchen plötzlich.

«Gearbeitet.»

«An einem Buch?»

«Ja. Andere Arbeit kenn ich nicht.»

«Worüber?» fragte sie.

«Ich sprech´ nicht gern drüber -»

«Ach, haben Sie sich nicht so. Schriftsteller sind die schlimmsten Narzißten, die ich kenne.»

«Kennen Sie viele?»

«Ja.»

«Das ist bei mir kein Narzißmus. Es ist eher Taktik. Wenn ich viel über das, was ich schreibe, spreche, verliere ich die Lust zu schreiben.»

Sie klappte ihr Notizbuch zu, zog ihre nackten, gebräunten Beine auf den Sitz und drehte sich mit einem strahlenden Lächeln zu ihm. Sie war eine jener außergewöhnlichen Frauen, die selbst in der banalsten Umgebung die Aufmerksamkeit aller anwesenden Männer, von Geistlichen bis zu Bauarbeitern, auf sich ziehen.

Gordon schenkte ihr noch einen Scotch ein und goß Soda nach. «Möchten Sie mehr Eis?»

«Nein danke. Wissen Sie, Sie sind ein guter Schriftsteller. Viel besser als der da.»

Sie tippte auf das Umschlagfoto von Mailer.

«Das ist ein reichlich leichtfertiges Kompliment.»

«Ich meine es wirklich. Die Gedanken in Mensch und Natur halte ich für albern, aber es ist sehr gut...
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