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Das Haus im Fenn

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
144 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am28.04.20171. Auflage
Harriet fährt nach London und tut alles, um die Spuren ihrer Fahrt zu verwischen: sie will ihren jähzornigen Mann für immer verlassen. Tags darauf wird dieser in dem einsam gelegenen Haus im Fenn tot aufgefunden, und Harriet braucht dringend ein Alibi. Spät, fast zu spät erst erkennt sie, daß sie sich in eine Falle hat locken lassen ... (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Claire Rayner (1931-2010), ausgebildete Krankenschwester, war in verschiedenen Londoner Krankenhäusern tätig, bevor sie 1960, nach der Geburt ihres ersten Kindes, anfing zu schreiben. Sie hat zahlreiche Bücher - Sachbücher über Sexualerziehung und häusliche Krankenpflege ebenso wie Romane -, zudem unzählige Artikel in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht. Darüber hinaus ist sie als führende »Briefkasten-Tante« des Landes bekannt geworden, die regelmäßig im britischen Rundfunk und Fernsehen auftrat.
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Produkt

KlappentextHarriet fährt nach London und tut alles, um die Spuren ihrer Fahrt zu verwischen: sie will ihren jähzornigen Mann für immer verlassen. Tags darauf wird dieser in dem einsam gelegenen Haus im Fenn tot aufgefunden, und Harriet braucht dringend ein Alibi. Spät, fast zu spät erst erkennt sie, daß sie sich in eine Falle hat locken lassen ... (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Claire Rayner (1931-2010), ausgebildete Krankenschwester, war in verschiedenen Londoner Krankenhäusern tätig, bevor sie 1960, nach der Geburt ihres ersten Kindes, anfing zu schreiben. Sie hat zahlreiche Bücher - Sachbücher über Sexualerziehung und häusliche Krankenpflege ebenso wie Romane -, zudem unzählige Artikel in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht. Darüber hinaus ist sie als führende »Briefkasten-Tante« des Landes bekannt geworden, die regelmäßig im britischen Rundfunk und Fernsehen auftrat.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105617557
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum28.04.2017
Auflage1. Auflage
Seiten144 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse895 Kbytes
Artikel-Nr.2362886
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2. Kapitel

Es war beinahe zu einfach. Für die zwei Meilen bis zum Bahnhof brauchte sie eine knappe halbe Stunde. Von Joe Potter war nichts zu sehen, obwohl der Zug nach London in weniger als fünfzehn Minuten eintreffen mußte. Sie ging auf den Abfahrt-Bahnsteig und stellte sich am hinteren Ende an eine Reklamewand, so daß sie in der Dunkelheit verschwand. Später hörte sie, wie Joe den Bahnhof betrat, machte jedoch keinen Versuch, ihm zu erklären, wieso sie vorhatte, ohne Fahrkarte zu reisen.

Ihr Plan, soweit man davon reden konnte, hatte Gestalt angenommen. Die Fahrkarten wurden im Zug eingesammelt, eine ganze Weile vor der Ankunft am Bahnhof Liverpool Street. Wenn sie sich unsichtbar machen konnte, während der Schaffner seinen Rundgang machte, würde es gar nicht schwierig sein. Sie kicherte leise. Fest entschlossen zum neuen Verbrecherleben - so sehe ich aus - und gleich zu Anfang beschummle ich die Britische Eisenbahn!

Als der Zug einfuhr, wartete sie angespannt, bis das halbe Dutzend Fahrgäste ausgestiegen war und den Bahnsteig entlang auf Joe, vorne an der Sperre, zueilte. Dann schlüpfte sie hastig durch die Lichtflecke, die aus den Zugfenstern drangen, und stieg ein. Sie dachte, sie wäre der einzige Fahrgast, aber als sie die Waggontür so leise wie möglich schloß, hatte sie das Gefühl, als sähe sie am andern Ende des Bahnsteigs eine undeutliche Bewegung, so als sei noch jemand eingestiegen. Aber keine Tür schlug zu. Sie hatte es sich wohl nur eingebildet.

Zusammengekauert saß sie in einer Ecke des Abteils, an der Seite zum Gang, den Körper halb vom Fenster abgewandt, als schliefe sie. Sie hoffte, es werde so aussehen, als sei sie schon die ganze Zeit über im Zug gewesen. Sie hörte Joes Schritte, als er nach vorn ging, um einen Augenblick mit dem Lokomotivführer zu reden, hörte nach einer Pause seine Pfeife schrillen und saß stocksteif da, als der Zug sich in Bewegung setzte. Sie wagte nicht, sich zu regen, damit Joe sie nicht bemerkte, wenn der Wagen an ihm vorbeifuhr. Aber er konnte sie nicht gesehen haben, sonst hätte er wahrscheinlich gerufen - schließlich wußte er ja genau, daß sie keine Fahrkarte hatte.

Der Zug wurde schneller, ratterte über die Weichen und verfiel dann in ein regelmäßiges Schaukeln, das sie schläfrig machte, so sehr sie auch fror und so unruhig sie auch war. Aber sie wagte nicht einzuschlafen, obwohl zwei lange Stunden Fahrt vor ihr lagen.

Fünfzehn Minuten hinter Thaxham-on-the-Fen stand sie auf und öffnete vorsichtig die Tür. Im trüben Licht des schaukelnden Korridors war niemand zu sehen; es gab nur das Geräusch des Zuges, gelegentlich ein fernes Licht von der ertrunkenen, schwarzen Landschaft draußen, das über ihr Spiegelbild im Fenster huschte. Sie schlug den Kragen hoch, vergrub die Hände tief in den Manteltaschen und marschierte den Gang entlang zu der am Ende liegenden Toilette. Sie versuchte, sich ganz normal zu bewegen. Während sie die Abteile passierte, warf sie aus den Augenwinkeln einen Blick hinein. Aber nur zwei waren besetzt, das eine mit einem Mann, der die Füße auf den Sitz gegenüber gelegt und den Kopf im Schlaf zurückgelehnt hatte, das andere mit einem engumschlungenen jungen Paar, das sich in einer so langen, langsamen Umarmung küßte, daß es sie wieder zum Kichern reizte. Sie sahen richtig wie auf einem Kinoplakat aus, dachte sie.

Sie schloß sich in der muffigen, mit Papierhandtüchern übersäten Toilette ein und lehnte sich tiefatmend gegen die Tür. Jetzt war sie sicher. Sie mußte nur hier drinbleiben, bis der Zug in Liverpool Street ankam.

Sie schloß den Holzdeckel über der Toilettenschüssel und hockte dort ungeschickt, die Füße gegen den Boden gestemmt, damit sie beim Schaukeln des Zugs nicht herunterfiel. Sie versuchte sich zu entspannen. Nicht die bequemste Art zu reisen und auch nicht die gesündeste, aber sicher - und natürlich sehr billig. Und so saß sie dort und las immer wieder, im Takt mit dem Rattern des Zuges, das kleine Schild an der Wand: »Nicht-beim-Aufenthalt-auf-den-Bahnhöfen-benutzen, nicht-beim-Aufenthalt ...« Es gab einen schlimmen Augenblick, als jemand versuchte, die Tür zu öffnen. Aber dann hörte sie, wie sich die Schritte entfernten, hörte die Tür der Toilette auf der anderen Seite des Übergangs zwischen ihrem und dem nächsten Wagen, entspannte sich wieder. Ein Segen, daß der Zug heute abend so leer war. Es würde keine wütenden Fahrgäste geben, die nach dem Schaffner fahndeten, weil eine Toilette ständig besetzt war.

Sie hörte, wie der Schaffner den Kooridor entlangkam, um die Fahrkarten einzusammeln. Sie hörte ihn rufen: »Die Fahrkarten bitte - alle Fahrkarten, wenn ich bitten darf!« Die Zunge zwischen den Zähnen, drehte sie leise den Riegel um, so daß das Schildchen außen das Wort »frei« zeigte. Dann preßte sie sich unbequem in den freien Raum zwischen Tür und Toilette.

Der Schaffner kam näher und schob, als er an der Toilette vorbeikam, die Tür einen Spalt auf, wobei er immer noch seinen monotonen Ruf ausstieß: »Die Fahrkarten bitte - Ihre Fahrkarten! « Aber er ging weiter, überzeugt, daß die Toilette nicht besetzt war. Sie holte wieder Luft, als das Geräusch seiner Schritte leiser wurde und er den nächsten Wagen betrat. Dann verriegelte sie von neuem die Tür.

Sekundenlang überlegte sie, ob sie jetzt unbehelligt in ein Abteil gehen könnte, entschied dann aber, es nicht zu tun, so ungemütlich und unkomfortabel es hier auch war. Das war auch nur gut, denn nach einer Weile kam der Schaffner zurück, wohl auf dem Weg in sein Dienstabteil und zu seiner Tasse Tee. Selbst danach blieb sie, wo sie war. Nichts riskieren.

In Liverpool Street achtete niemand auf sie, als sie den Bahnsteig entlang und durch die große Sperre ging. Dort lochte ein Mann die Fahrkarten von Reisenden, die mit dem nächsten Zug abfahren wollten. Um die Ankommenden kümmerte er sich nicht. Sie hatte es geschafft, sie war in London und ihr kleiner Geldvorrat noch unangetastet. Das gab ihr ein Hochgefühl, sie war begeistert über den Erfolg ihrer Kriegslist; und mit diesem Schwung durchquerte sie den vollen Bahnhof bis zum Ausgang.

Dann freilich blieb sie stehen, abrupt und voller Panik, so daß die mit sich selbst beschäftigten Reisenden sich um sie herumbewegen mußten wie Wasser um einen Felsen im Flußbett. Was zum Teufel sollte sie jetzt anfangen? Sie hatte nichts geplant. Sie bemühte sich, ruhig nachzudenken. Das wenige Geld würde nicht weit reichen. Sie hatte keine Ahnung, wieviel ein Hotelzimmer, und sei es auch nur für eine Nacht, kostete; außerdem hatte sie die verschwommene Vorstellung, daß Hotels sowieso keine Gäste ohne Gepäck aufnahmen. Also was nun? Da war ein Erfrischungsraum, den betrat sie und holte sich bei der gelangweilten Frau hinter der Theke eine Tasse dicken, braunen Tee. Dann setzte sie sich an einen der schmuddeligen Tische und rümpfte ein wenig die Nase über den Geruch des Raums und die Handvoll einsamer Leute, die an den anderen Tischen herumhingen, in sich selbst versunken, ohne das geringste Interesse daran, wer sie war oder warum sie hier saß oder was sie nun tun sollte.

Während sie den Tee trank, dankbar für seine Wärme trotz des bitteren, unangenehmen Geschmacks, überlegte sie. Mit einer plötzlichen Aufwallung von Erleichterung fiel ihr etwas ein.

Wie hatte sie noch geheißen, dieses Mädchen, die vor so langer Zeit ihre Schulfreundin gewesen war? Vor ungefähr sechs Jahren? Ja. Sechs Jahre, kurz bevor sie aus der Schule gekommen war, bevor sie Jeffrey kennengelernt hatte und Barbie so krank geworden war und Harriet gebeten hatte, doch diesen vernünftigen, zuverlässigen Mann zu heiraten - Harriet schüttelte den Kopf, schob diese Erinnerung beiseite und konzentrierte sich.

Sie hatte in London gewohnt, zusammen mit ihren Eltern. Sie hatte Harriet öfter mit nach Hause genommen. Ein nettes, freundliches Mädchen, rundlich und vergnügt, mit rundlichen, vergnügten Eltern. Sandra - nein, Shirley, das war es, Shirley. Und nun fiel ihr auch das andere wieder ein. Shirley Lucas, Wohnung Nr. 17, Prince George´s Mansions, SW 3. Gleich bei der King´s Road in Chelsea.

Harriet würde dorthin gehen, Shirley die Sache irgendwie erklären und sie um eine Bleibe bitten, nur ein oder zwei Nächte, bis sie irgendwo Arbeit und ein eigenes Zimmer gefunden hätte, bis sie ihr neues Leben beginnen konnte.

Erst als sie in der U-Bahn nach Sloane Square saß, wurde sie etwas ruhiger. Es war ihr eingefallen, welche Station am nächsten zur Wohnung der Familie Lucas lag, und sie hatte festgestellt, daß sie sich hier trotz der fünf Jahre auf dem Land immer noch auskannte, denn sie hatte damals, vor dieser ganzen langen Zeit, mit Barbie in Fulham gewohnt.

Wahrscheinlich, murmelte die kleine Stimme in ihrem Hinterkopf, ist Shirley mittlerweile längst verheiratet. Sie ist so alt wie ich - dreiundzwanzig. Und sie war hübsch, mochte junge Männer. Sie hatte schon damals einen festen Freund. Die beiden waren fast die einzigen Gäste bei Harriets stiller Trauung im Büro eines Standesbeamten gewesen. Zuerst hatten sie einander noch geschrieben, unregelmäßig, aber dann hatte Shirley nicht mehr auf Harriets Briefe geantwortet. Bestimmt war sie verheiratet, war weggezogen.

Jedenfalls werden ihre Eltern noch dort wohnen, erklärte sie sich selbst energisch. Und sie waren genauso freundlich wie Shirley. Sie würden sie nicht fortschicken. Sie mußten einfach dortsein.

Der Bahnsteig Sloane Square war voll von lärmenden jungen Leuten mit bunten College-Schals. Als sie sich durch sie hindurchdrängte, wurde ihr plötzlich richtig übel...
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Autor

Claire Rayner (1931-2010), ausgebildete Krankenschwester, war in verschiedenen Londoner Krankenhäusern tätig, bevor sie 1960, nach der Geburt ihres ersten Kindes, anfing zu schreiben. Sie hat zahlreiche Bücher - Sachbücher über Sexualerziehung und häusliche Krankenpflege ebenso wie Romane -, zudem unzählige Artikel in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht. Darüber hinaus ist sie als führende »Briefkasten-Tante« des Landes bekannt geworden, die regelmäßig im britischen Rundfunk und Fernsehen auftrat.Verena Charlotte Harksen, geboren 1942 in Berlin, studierte Jura und veröffentlichte nebenher Kurzgeschichten, Aufsätze und Gedichte sowie zahlreiche Rezensionen (u. a. für Brigitte). Sie gab die >Bibliothek der Phantastischen Abenteuer