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Wie der Wind und das Meer

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
512 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am18.09.2017
»Halt dein Gesicht in den Regen, jeder Tropfen ist ein Kuss von mir ...«
München, April 1945. Nach einem verheerenden Fliegerangriff irrt der elfjährige Paul mit einem Koffer durch Trümmer und Verwüstung. Auf der Suche nach einem Versteck trifft er ein kleines Mädchen. Sie heißt Sarah, hat wie er ihre Familie verloren - und sieht seiner Schwester verblüffend ähnlich. Um nicht allein zu bleiben und von den Behörden nicht getrennt zu werden, schließen Paul und Sarah einen Pakt: Von nun an werden sie sich als Geschwister ausgeben. Ihr Plan geht auf. Doch wie hätten sie ahnen können, dass ihre Notlüge Jahre später ihr Verhängnis werden würde ...


Lilli Beck wurde 1950 in Weiden/Oberpfalz geboren und lebt seit vielen Jahren in München. Nach der Schulzeit begann sie eine Ausbildung zur Großhandelskauffrau. 1968 zog sie nach München, wo sie von einer Modelagentin in der damaligen In-Disko Blow up entdeckt wurde. Das war der Beginn eines Lebens wie aus einem Hollywood-Film. Sie arbeitete zehn Jahre lang für Zeitschriften wie Brigitte, Burda-Moden und TWEN. Sie war Pirelli-Kühlerfigur und Covergirl auf der LP Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz von Marius Müller-Westernhagen.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR9,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

Klappentext»Halt dein Gesicht in den Regen, jeder Tropfen ist ein Kuss von mir ...«
München, April 1945. Nach einem verheerenden Fliegerangriff irrt der elfjährige Paul mit einem Koffer durch Trümmer und Verwüstung. Auf der Suche nach einem Versteck trifft er ein kleines Mädchen. Sie heißt Sarah, hat wie er ihre Familie verloren - und sieht seiner Schwester verblüffend ähnlich. Um nicht allein zu bleiben und von den Behörden nicht getrennt zu werden, schließen Paul und Sarah einen Pakt: Von nun an werden sie sich als Geschwister ausgeben. Ihr Plan geht auf. Doch wie hätten sie ahnen können, dass ihre Notlüge Jahre später ihr Verhängnis werden würde ...


Lilli Beck wurde 1950 in Weiden/Oberpfalz geboren und lebt seit vielen Jahren in München. Nach der Schulzeit begann sie eine Ausbildung zur Großhandelskauffrau. 1968 zog sie nach München, wo sie von einer Modelagentin in der damaligen In-Disko Blow up entdeckt wurde. Das war der Beginn eines Lebens wie aus einem Hollywood-Film. Sie arbeitete zehn Jahre lang für Zeitschriften wie Brigitte, Burda-Moden und TWEN. Sie war Pirelli-Kühlerfigur und Covergirl auf der LP Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz von Marius Müller-Westernhagen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641189167
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum18.09.2017
Seiten512 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3838 Kbytes
Artikel-Nr.2363907
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1

Mittwoch, 25. April 1945

Paul duckte sich instinktiv, als er die zischenden Pfeiftöne hörte, die wieder fallende Bomben ankündigten. Gleich darauf folgte das donnernde Geräusch der Einschläge. Sekunden später das Krachen der Explosionen, begleitet vom Klirren zerberstender Fensterscheiben und dem nachfolgenden Einstürzen der Häuser. Verängstigt presste er die Handflächen auf die Ohren und öffnete gleichzeitig den Mund, wie es alle taten. Ständig wurde gewarnt, dass durch die Wucht des Einschlags schwere Lungenschäden möglich seien, und es hieß, dass man so die mächtigen Druckwellen ausgleichen könne.

Kellerwände vibrierten. Einmachgläser zersprangen. Putz bröselte von den Wänden. Dichte Staubwolken verdunkelten das ohnehin schwache Licht der Petroleumlampen. Jeder der Anwesenden tauchte hastig sein Taschentuch in einen der bereitstehenden Wassereimer und hielt es sich vor Mund und Nase, um nicht am dichten Mauerstaub zu ersticken.

Kurz drauf verebbten die Geräusche. Stille trat ein. Niemand sprach über die ausgestandenen Todesängste. Über die Furcht, verschüttet zu werden. Jämmerlich zu ertrinken, wenn ein Wasserrohrbruch den Keller überflutete. Oder sich wie eines der kleinen Kinder eingenässt zu haben. Viele beteten für das Ende des Krieges. Manche fürs Überleben. Andere für den Einmarsch der Alliierten. Nur verblendete Fanatiker glaubten noch an den Endsieg, den die Volksempfänger verkündeten.

Erneut ertönten die zwei gefürchteten Heulperioden der Sirenen von je acht Sekunden. Paul wusste sehr genau, was sie bedeuteten: akute Luftgefahr! Tiefflieger. Wer sich jetzt noch draußen aufhielt, sollte tunlichst in die Sicherheit der öffentlichen Bunker fliehen. Doch wer zu spät kam, fand keinen Einlass mehr. Manche suchten in ihrer Not Deckung in den noch unbeschädigten Häusern. Wie eine Nachbarin, die letzte Woche vom Hamstern zurückkam und es nicht mehr rechtzeitig in den Keller geschafft hatte. Nach der Entwarnung fand man sie zwischen den Trümmern, den Rucksack noch im Tod umklammernd.

Pauls Stiefmutter ordnete das lange dunkle Haar ihrer zitternden Tochter Rosalie, versuchte ihr Zöpfe zu flechten, um Normalität vorzutäuschen. Andere Hausbewohner lenkten Rosalie mit allerlei Fragen ab.

»Wie heißt deine Puppe?«

»Hat sie ein eigenes Bettchen?«

»Oder schläft sie bei dir?«

Rosalie antwortete nicht, sie hatte schreckliche Angst. Genau wie ihre tapfere Mutter, ihr Bruder Paul, Onkel Fritz, Tante Tilli und die anderen Bewohner des Schwabinger Gebäudes an der Danziger Freiheit.

Die Bombardierungen dauerten nun schon viele Stunden an, und die Sirenen heulten beinahe ohne Unterlass. Wie so oft in den letzten Tagen waren sie um Mitternacht aus dem Schlaf gerissen worden - sie schliefen ohnehin nur noch in Kleidern -, hatten sich die bereitstehenden Koffer und Körbe gegriffen, die Mäntel übergeworfen und waren in die Schutzkeller gehastet. Hier harrten sie nun auf unbequemen Holzbänken und Küchenstühlen aus. Die Erwachsen bezwangen ihre Furcht mit launigen Unterhaltungen oder stellten sich auf einer der wenigen verstaubten Matratzen schlafend. Niemand traute sich zwischen den einzelnen Alarmen nach oben. Nicht einmal, um die Notdurft zu verrichten. Wer es gar nicht mehr aushielt, musste den Kübel benutzen, der in einer entfernten Ecke stand.

»Keine Angst, kleine Rosie«, tröstete Tante Tilli mit aufgesetzter Fröhlichkeit. »Unser Haus ist nicht in Gefahr. Die werfen ihre vermaledeiten Bomben nur auf ganz besondere Gebäude. Solche wie den Bahnhof, auf Kirchen und sogar auf Krankenhäuser. Außerdem bist du ein Glückskind, wo du doch die schreckliche Flucht aus Pommern bis nach München überstanden hast. So ein paar Bomben können dir nichts anhaben.« Sie selbst stülpte sich bei jeder anrauschenden Bombe den großen Kartoffeltopf über den Kopf, als könne der sie vor dem Tod retten.

»Amen«, sagte Onkel Fritz, der Mann von Tante Tilli, der zum Luftschutzwart der Hausgemeinschaft und zum Hüter der Notfallapotheke bestimmt worden war. Er überprüfte auch regelmäßig, ob im Falle eines Brandes genügend Sandsäcke vorhanden waren.

Paul wollte nichts von alldem hören. Er sehnte sich nach Hause. Nach dem elterlichen Gut in Pommern, den gelben Kornfeldern im Sommer, den kreischenden Möwen über der Ostsee. Vor allem wollte er nicht an die Flucht erinnert werden. An die Kälte, den Hunger und die ekligen Kleiderläuse, die das schreckliche Fleckfieber übertrugen, das seinen Vater und ihn während der Flucht gepackt hatte. Tagelang waren sie mit hohem Fieber auf dem Pferdekarren dahingedämmert. Im Fieberwahn hatte er von zu Hause geträumt. Von warmen Suppen, Kernseife und heißem Wasser, sauberen Nachthemden und seinem dicken Federbett ohne Läuse. Von den geliebten Großeltern, die auf der Flucht an Entkräftung gestorben waren. Im Traum war er im Meer geschwommen, hatte das salzige Wasser auf seinem Gesicht gespürt. Doch es waren die Tränen seiner Stiefmutter gewesen, die weinend über ihn gebeugt war. Sein einst so starker Vater hatte den Kriegstyphus nicht überlebt. Nur er war »dem Tod von der Schippe gesprungen«, wie es der Treckführer genannt hatte. Abgemagert und vollkommen entkräftet, waren er, seine kleine Stiefschwester Rosalie und die Stiefmutter in der bayerischen Hauptstadt angekommen. Dort waren sie von Onkel Fritz, einem Cousin seiner Stiefmutter, aufgenommen worden. Deren Wohnung war wie durch ein Wunder unversehrt. Sogar fließendes Wasser gab es noch.

»Es grenzt an Zauberei, dass uns bis jetzt noch keine einzige Bombe erwischt hat«, hatte der Onkel immer wieder gesagt. »Seit Kriegsbeginn wurden wir von sechsundvierzig Fliegerangriffen heimgesucht. Über siebentausend Brandstellen haben den Himmel über München lodern lassen. Ganze Straßenzüge sind in Trümmerfelder verwandelt worden.«

»Eine unbeschädigte Wohnung ist heutzutage wertvoller als ein frisch geschlachtetes Schwein«, hatte Tante Tilli lachend hinzugefügt. »Wenn ich nach der Entwarnung in die Badewanne steigen und mir den Kellerdreck abwaschen kann, singe ich fröhlich vor mich hin.«

Paul hörte der Tante gerne zu, wenn sie ganz laut das Lied vom Seemann schmetterte, den nichts erschüttern konnte. Keine Angst, keine Angst, Rosmarie. Wir lassen uns das Leben nicht verbittern, keine Angst, keine Angst, Rosmarie ... Gegen das ständige Loch in seinem Magen half jedoch kein noch so lustiger Gassenhauer.

Seine Stiefmutter hatte sich von ihrer massiv goldenen Halskette, einem wertvollen Hochzeitsgeschenk, getrennt, um Lebensmittel zu schachern. Onkel Fritz wusste, wohin sie gehen mussten. Entweder in die Bogenhauser Möhlstraße, zum Hauptbahnhof oder in diverse Wirtshäuser; überall waren Schwarzmärkte entstanden. Die Reichsmark war wertlos geworden, doch solange man etwas zum Tauschen besaß, gab es alles, wonach einen gelüstete.

»Es ist natürlich streng verboten«, hatte der Onkel erklärt »aber der Mensch muss essen, deshalb pfeifen wir auf Verbote.«

Am Gründonnerstag hatte er Onkel Fritz in ein Wirtshaus begleiten dürfen, um Eier für Ostern zu tauschen. Das Fest war auf den 1. April gefallen, ein echter Aprilscherz, wurde allgemein gelacht. Eier hatten sie keine ergattert, mangels Futter wollten die Hühner nicht mehr legen. Aber einmal hatten sie doch Glück. Ein echter Persianermantel von Tante Tilli hatte zwei Kilo Zucker, ein Kilo Bohnenkaffee und eine ganze Tafel Schokolade eingebracht.

Daran wollte Paul aber jetzt nicht denken. Dem nagenden Gefühl in seinem Bauch nach musste es lange nach Mittag sein, und die letzte Mahlzeit hatte er gestern Abend verspeist. Ein trockenes Stück Brot mit etwas Salz. Butter, Wurst oder gar einen richtigen Sonntagsbraten hatte er seit dem Verlassen des Gutshofs nicht mehr gesehen.

Zur Ablenkung starrte er auf den Wäschekorb, der neben Tante Tilli stand. Ihre zaundürre schwarze Katze kauerte darin mit angelegten Ohren. Ein Zeichen, dass sich die arme Mieze genauso fürchtete wie er. Vor dem letzten Bombeneinschlag hatte sie noch gemaunzt, seitdem aber keinen Mucks mehr von sich gegeben. Ob sie tot war?, überlegte Paul. Vielleicht verhungert, sie war schrecklich abgemagert, weil Tante Tilli kaum was zu fressen für sie hatte. Zum Mäusefangen war das Tier längst zu schwach, wobei Paul bezweifelte, dass auch nur eine einzige Maus die andauernden Bombardements überlebte.

Ob Menschen Mäuse essen konnten? Vielleicht gebraten? In der Not würde er es versuchen. Diese Viecher galten auf dem Gut nicht als Haustiere, denn sie übertrugen Krankheiten, und die Köchin hielt ständig zwei bis drei Katzen, um der Plage Herr zu werden.

Pauls Magen knurrte lautstark in die Stille hinein. Onkel Fritz schubste ihn kumpelhaft an.

»Wenn´s hart auf hart kommt, schlachten wir die Katze«, flüsterte er. »Schmeckt wie Kaninchen.«

Paul hielt sich die Ohren zu. Der Onkel liebte derbe Scherze. Er würde niemals ein Haustier essen. Niemals! Lieber würde er hungern. Er liebte Tiere. Alle Tiere, sogar Spinnen oder Schlangen. Hunde waren seine Lieblingstiere. Zum zehnten Geburtstag hatte er Flecki, einen kleinen struppigen Terrier, bekommen.

Paul verdrängte die Erinnerung an den lustigen Spielgefährten mit aller Macht, dennoch hörte er wieder den Gnadenschuss, den sein Vater kurz vor der Flucht abgegeben hatte. Immer und immer wieder gellte dieser grauenvolle Knall durch seinen Kopf. Er schluchzte auf, gleichzeitig schossen ihm die Tränen in die Augen, und Rotz tropfte ihm aus der Nase.

»Hör auf, dem Jungchen Angst zu ...«, schimpfte Tante Tilli ihren Mann, wurde aber von einer...

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Lilli Beck wurde 1950 in Weiden/Oberpfalz geboren und lebt seit vielen Jahren in München. Nach der Schulzeit begann sie eine Ausbildung zur Großhandelskauffrau. 1968 zog sie nach München, wo sie von einer Modelagentin in der damaligen In-Disko Blow up entdeckt wurde. Das war der Beginn eines Lebens wie aus einem Hollywood-Film. Sie arbeitete zehn Jahre lang für Zeitschriften wie Brigitte, Burda-Moden und TWEN. Sie war Pirelli-Kühlerfigur und Covergirl auf der LP Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz von Marius Müller-Westernhagen.