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Mann in Flammen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
400 Seiten
Deutsch
Berlin Verlagerschienen am01.02.20181. Auflage
John Lock ist nicht nur nach Indien gefahren um der leisen Verzweiflung seines Lebens in England zu entkommen, der Bedeutungslosigkeit seiner Arbeit oder auch nur dem Geheimnis, das er sich nicht getraut seiner Frau zu erzählen. Nein, er ist auch nach Mumbai gekommen, um einem einzigartigen Mann seine Hilfe anzubieten. Bibhuti Nayak ist Inhaber mehrerer Weltrekorde. Er hat sich auf das Ertragen extremer Martern spezialisiert und ist darüberzu einer kleinen Berühmtheit geworden. Sein nächstes und letztes Vorhaben: 50 Baseballschläger sollen an seinem Körper zerbrochen werden. John will ihm bei diesem hochriskanten Rekordversuch assistieren und wird in Bibhutis ungewöhnliche Familie aufgenommen. Er begegnet Tischtennis spielenden Mönchen, einem furchtlosen siebenjährigen Kampfsport-Krieger und einem alten Mann, der auf den Monsun wartet, damit der ihn hinfort spült. John lernt mehr über Leben und Tod und all ihre Zwischenstufen, als er je zu träumen gewagt hätte.

Stephen Kelman wollte immer schon Schriftsteller werden. Aufgewachsen in Luton, einem Arbeiterviertel im Norden Londons, waren die Voraussetzungen denkbar schlecht. Doch er schaffte das, von dem so viele träumen. Mit seinem ersten Romanmanuskript »Pigeon English« - sorgte er für internationales Aufsehen - das Buch wurde in 25 Sprachen übersetzt - und Kelman wurde über Nacht vom arbeitslosen Schriftsteller zum begehrten Debütautor. Auch sein zweiter Roman, »Mann in Flammen«, sorgte 2015 bei Erscheinen in England erneut für Aufsehen. Er wurde für den begehrten Dublin Literary Award nominiert und der Observer wählte den Roman zum Buch des Jahres. Derzeit arbeitet Stephen Kelman an seinem dritten Roman.
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Produkt

KlappentextJohn Lock ist nicht nur nach Indien gefahren um der leisen Verzweiflung seines Lebens in England zu entkommen, der Bedeutungslosigkeit seiner Arbeit oder auch nur dem Geheimnis, das er sich nicht getraut seiner Frau zu erzählen. Nein, er ist auch nach Mumbai gekommen, um einem einzigartigen Mann seine Hilfe anzubieten. Bibhuti Nayak ist Inhaber mehrerer Weltrekorde. Er hat sich auf das Ertragen extremer Martern spezialisiert und ist darüberzu einer kleinen Berühmtheit geworden. Sein nächstes und letztes Vorhaben: 50 Baseballschläger sollen an seinem Körper zerbrochen werden. John will ihm bei diesem hochriskanten Rekordversuch assistieren und wird in Bibhutis ungewöhnliche Familie aufgenommen. Er begegnet Tischtennis spielenden Mönchen, einem furchtlosen siebenjährigen Kampfsport-Krieger und einem alten Mann, der auf den Monsun wartet, damit der ihn hinfort spült. John lernt mehr über Leben und Tod und all ihre Zwischenstufen, als er je zu träumen gewagt hätte.

Stephen Kelman wollte immer schon Schriftsteller werden. Aufgewachsen in Luton, einem Arbeiterviertel im Norden Londons, waren die Voraussetzungen denkbar schlecht. Doch er schaffte das, von dem so viele träumen. Mit seinem ersten Romanmanuskript »Pigeon English« - sorgte er für internationales Aufsehen - das Buch wurde in 25 Sprachen übersetzt - und Kelman wurde über Nacht vom arbeitslosen Schriftsteller zum begehrten Debütautor. Auch sein zweiter Roman, »Mann in Flammen«, sorgte 2015 bei Erscheinen in England erneut für Aufsehen. Er wurde für den begehrten Dublin Literary Award nominiert und der Observer wählte den Roman zum Buch des Jahres. Derzeit arbeitet Stephen Kelman an seinem dritten Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783827079473
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum01.02.2018
Auflage1. Auflage
Seiten400 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3557 Kbytes
Artikel-Nr.2367187
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Ich teile mir die Zelle mit einem fertigen Typen in einem T-Shirt, auf dem »Welcome to Fabulous Las Vegas« steht. Er kommt von irgendetwas runter, das sein Leben verändert hat, und die Tragödie seiner Rückkehr in die wirkliche Welt steht ihm ins Gesicht geschrieben wie ein müdes Gebet. Sein Blick ist leer und flackert. Er weiß, dass ich ganz knapp davor war, einen Menschen umzubringen. Das strahle ich aus, und es macht ihn nervös.

Ich sage dem Inspektor, dass ich noch wohin muss.

»Wohin denn?«

»Ich muss nach Hause. Ich muss sterben. Ich habe nicht mehr viel Zeit. Sie wissen, dass ich unschuldig bin. Lassen Sie uns raus, wir wollen einfach nach Hause.«

Der Inspektor flucht leise und schmutzig und blättert die Zeitung um.

»Du musst sterben?«, fragt mein Zellengenosse.

»Stimmt genau.«

Als er das hört, kommt er ran und ist ganz Ohr. Ich kann seinen Klamotten den Kampf anriechen. Irgendwie weiß ich, dass für ihn jeder Tag ein Kampf ist, den er nicht gewinnen kann. Sein Atem ist heiß und süßlich, und ich brauche einen Drink.

»Ich muss auch sterben«, sagt er. Ganz jung sieht er aus, als er das sagt. Er hat etwas Verschwörerisches in der Stimme, das finde ich ein bisschen eklig.

Er hält die Arme aneinander, als würde er Handschellen tragen. Die Innenseiten seiner Unterarme sind zerstochen und böse zugerichtet. Ohne jede Scham erzählt er mir, dass er Heroin drückt. Es bringe ihn um, sagt er, aber er könne nicht damit aufhören.

»Ich brauche es zu dringend. Ich habe versucht aufzuhören, aber das ist sehr schwierig. Mein Bruder ist auch an Heroin gestorben. Er war neunzehn. Ich bin zweiundzwanzig. Ich bin schon zweimal gestorben, aber immer wieder aufgewacht. Als mein Bruder gestorben ist, war ich auf dem College. Ich wollte Ingenieur werden. Jetzt lebe ich auf der Straße. Ich klaue und bettele. Manchmal verkaufe ich Bücher, aber die Konkurrenz ist zu groß, die Arm- oder Beinamputierten verkaufen immer am meisten, weil die Kunden Mitleid mit ihnen haben. Ich bin bloß ein Junkie. Mit mir hat keiner Mitleid.«

Ich möchte ihm eine Hand auf die Schulter legen, aber dann ziehe ich sie schnell wieder zurück, weil ich nicht aufdringlich wirken will. Ich weiß selbst nicht, warum mir so wichtig ist, dass er mich für einen guten Menschen hält, mit einem Gespür für die Bedürfnisse seiner Mitmenschen.

»Das Leben ist sehr hart. Gott hat mich vergessen. Ich weiß, dass ich ihn enttäuscht habe. Deshalb hört er mir nicht mehr zu. Andere Leute brauchen seine Hilfe dringender. Sie haben sie verdient.«

Sein Lächeln ist entwaffnend. Völlig unberührt von dem Selbstmitleid, dem ich mich unterworfen hatte.

Ich sage ihm, dass Gott ihn nicht vergessen habe. Und bin überrascht, dass ich es sogar glaube. Aber eigentlich dürfte es mich nicht überraschen, nach allem, was geschehen ist. Ich glaube zwanglos an Dich, wie an ein Kochrezept, das man geerbt hat. Du bist nun mein Brot. Seltsam, wie mein Geschmack für Dich aufgelodert ist, wie ein Feuer in einem stickigen Zimmer.

Der Junge schlingt die Arme um sich selbst und zittert wie ein begossener Pudel. In den kleinen Erschütterungen und dem Fußaufstampfen ist noch das Kind zu sehen, das er einmal war.

Er will Geld von mir. Bloß genug für eine Nacht Trost, wenn er hier rauskommt. Morgen kauft er sich dann neue Bücher und zieht wieder los. Der Monsun ist fast vorbei, und viele Sachen sind weggespült worden. Er weiß, dass er sie sich nicht zurückholen kann. Bloß genug für eine Nacht Trost.

Ich könne ihm nicht helfen, sage ich. Gott werde ihm beistehen, sage ich, und dass er die Hoffnung nicht aufgeben dürfe.

Er legt sich auf die Betonbank, rollt sich fest zusammen, mit dem Rücken zu mir. Ich lausche auf Anzeichen für einen Wutausbruch, aber nach kürzester Zeit atmet er tief und wird ganz ruhig. Ich mache mir schon lange keine Gedanken mehr darüber, was andere Menschen träumen.

Eine Stunde vergeht, und Du bist bei mir. Die Welt, die Du für mich erschaffen hast, sei wunderschön, sagst Du, und werde es auch, nachdem ich sie verlassen habe, noch lange sein.

Was ist mit Erdbeben und Vulkanausbrüchen?, frage ich.

Größtenteils auch wunderschön, sagst Du. Und was sie an Schrecken bringen, geht vorbei, damit die Schönheit neuen Platz hat, ihr Hochamt abzuhalten. Gras sprießt aus der Asche, aus den Gerippen steigen Vögel auf.

Die Schrecken, die ich gebracht habe, sind noch frisch, und ich hoffe, dass mir vergeben wird, bevor ich sterbe. Ich erlaube mir ein Lächeln. Ich werde Indien vermissen und den Regen auf meiner Haut.

Weltrekord Nummer 1: 43 Tritte in die ungeschützte Scham in anderthalb Minuten (1998)

Mein Erst-Weltrekord gelang mir auf Anhieb zu Hause bei meinem damaligen Arbeitgeber und wichtigen Freund Rajesh Battacharjee, damals im Ort ein hoch angesehener Geschäftsmann und Angehöriger der Gemeindeverwaltung. Er war einer der vier Unterstützer, die gemeinsam mit dreien meiner Schüler alles in die Wege leiteten; ihre außergewöhnliche Entschlossenheit und ihre gemeinsame Lebenseinstellung hatten ihnen den Job eingebracht. Alles war sehr experimentell, ein nie da gewesener Rekordversuch; es war mir deshalb eine Ehre, den Versuch auf meine ganz eigene Weise auszurichten - mein Dank gilt den guten Menschen von Limca für ihre Gewogenheit und ihr Verständnis.

Ich wählte für meinen Erstrekord den Schamtritt, weil Gefährlichkeit und großes erforderliches Geschick dafür sorgen würden, dass er auf viele Jahre unangefochten blieb (dies hat sich bis heute als richtig erwiesen, da ich bis zu dem Tag, da ich dies schreibe, auf diesem Gebiet unübertroffen geblieben bin). Wer höchste Ziele anstrebt, muss die Arme bis an die äußerste Grenze ausstrecken, das habe ich von Kindertagen an geglaubt. Meine Frau war nicht überzeugt, aber ich war nicht zu bremsen. Ich hatte schon meinen Sohn bekommen, Shubham, der damals sechs Monate alt war, insofern war meine Familie komplett. Wenn ich also invalid werden sollte, wäre es kein Unglück. In der Trainingsphase entwickelte ich das ultimative Erfolgsrezept: Vier abwechselnd zutretende Unterstützer kamen auf eine Frequenz von einem Tritt alle zwei Sekunden oder öfter, und ich war überzeugt, dies würde für eine respektable Endsumme genügen. Rajesh Battacharjee war der führende Zutreter, weil er in der Gemeinde ein wichtiger Mann war und auch den Veranstaltungsraum und die Erfrischungen stellte.

»Mit deinem Training bist du klar im Vorteil«, erklärte er mir. »Dies wird die ideale Bühne für die Talente, mit denen der Allmächtige dich gesegnet hat.«

Seine Worte leuchteten mir sofort ein. Es war schon immer mein tiefster Wunsch gewesen, Weltbester einer großen Disziplin zu werden, wie es nur mir gelingen konnte. Viele Jahre hatte ich überall nach einem Weg gesucht. Dann folgte ich einem merkwürdigen Impuls und erwarb ein Exemplar des Guinness-Buches der Rekorde. Ich fand es zufällig während meiner ersten einsamen Monate in Mumbai in der Auslage eines Straßenhändlers am Marine Drive - ich war aus meinem Heimatort Cuttack in die große Stadt gekommen, mit ehrgeizigen Plänen, mir einen Namen zu machen, zur Ehre meiner Lieben, die ich zurückgelassen hatte. Jede freie Minute verbrachte ich auf seinen Seiten und suchte nach Inspiration und Erlösung von der Mühsal meiner Buchhaltertätigkeit in der Kühlturmproduktion in Rajesh Battacharjees Everest-Engineering-Fabrik. Aber alle dort verzeichneten Rekorde kamen mir vor wie ein Witz. Besonders die von meinen indischen Landesgenossen aufgestellten: längster Bart. Längste Fingernägel. Dauerpfahlsitzen. Höchste Anzahl überlebter Schlangenbisse. Nichts entsprach meinem Wunsch, ganz neue Wege einzuschlagen. Ich wollte auf nie da gewesene Weise Eindruck machen, und als Rajesh Battacharjee im dritten Jahr meiner Beschäftigung in Mumbai den Tritt in die Scham als unerprobten Leistungsbereich erwähnte, schien mir dies ein Musterbeispiel für meine Ziele zu sein. Ich war nicht mehr so aufgeregt gewesen, seit ich als Junge in meinem Heimatdorf die Freunde im Liegestützwettbewerb besiegt hatte. Damals schon hatte ich gewusst, dass ich zu Großem bestimmt war, und dieses Mal war das Gefühl noch hundertmal stärker. Als ich die Augen schloss und in mich ging, erschien mir ein herrliches Feuer, und aus seinen Flammen trat BB Nayak hervor, die Arme zur Siegerpose erhoben, mit der Medaille des Weltrekordhalters um den Hals.

»Ich werde Weltbester im Schamtreten werden«, erklärte ich mit tiefem Ernst.

»Jawohl, BB, das wirst du!«, stimmte Rajesh Battacharjee mir zu, und wir fielen einander kameradschaftlich beglückt in die Arme. Ich wollte mit Volldampf voraus.

Die Trainingsphase war ein rechter Spaß. Es begann damit, dass Rajesh Battacharjee und ausgewählte Schüler sich überwinden lernten, um mir in die ungeschützte Scham treten zu können. Anfangs war ihre Angst, mich zu verletzen, groß, und ich musste ihnen mit zahlreichen Zusicherungen Mut machen. Jedes Mal, wenn sie zutraten und ich nicht zusammenbrach, ging es ihnen ein wenig besser dabei, bis zum vollen Krafteinsatz ohne Hemmungen. Danach lief alles ganz glatt. In den ersten paar Tagen hatte ich Schmerzen, was ich aber vor ihnen geheim hielt, um mir ihre Besorgnis zu ersparen. Nachdem ich meine Atmung angepasst und eine längere Meditationseinheit in mein Aufwärmtraining eingebaut hatte, war es für alle ein Vergnügen. Die Resultate wurden immer besser, und ich konnte ohne böse Folgen immer mehr Tritte aushalten, bis zu zwanzig in Folge. Als dieser...

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Stephen Kelman wollte immer schon Schriftsteller werden. Aufgewachsen in Luton, einem Arbeiterviertel im Norden Londons, waren die Voraussetzungen denkbar schlecht. Doch er schaffte das, von dem so viele träumen. Mit seinem ersten Romanmanuskript »Pigeon English« - sorgte er für internationales Aufsehen - das Buch wurde in 25 Sprachen übersetzt - und Kelman wurde über Nacht vom arbeitslosen Schriftsteller zum begehrten Debütautor. Auch sein zweiter Roman, »Mann in Flammen«, sorgte 2015 bei Erscheinen in England erneut für Aufsehen. Er wurde für den begehrten Dublin Literary Award nominiert und der Observer wählte den Roman zum Buch des Jahres. Derzeit arbeitet Stephen Kelman an seinem dritten Roman.