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In einem anderen Licht

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
Ullstein Taschenbuchvlg.erschienen am08.09.2017Auflage
'Fragen Sie Dorothea nach Marguerite.' Miriam bekommt anonyme Briefe mit nur diesem Satz geschickt. Dorothea Sartorius ist die charismatische Witwe eines Reeders und eine große Mäzenin in Hamburg. Gemeinsam mit ihr bereitet Miriam gerade die Verleihung des Sartorius-Preises für Zivilcourage vor. Dorothea beantwortet Miriams Frage nicht, ermuntert sie aber, nach dem Absender der Briefe zu suchen. In einem Beginenhof an der Schlei findet Miriam eine alte Bewohnerin und Antworten, die ihr Weltbild ins Wanken bringen. Dorothea war in den 70er Jahren Mitglied in einer linksextremen Terrorgruppe. Die frühere Freundin und politische Weggefährtin von Dorothea erhebt schwere Anklage: 'Sie hat uns verraten. Sie hat alles verraten, was ihr heilig war.' Katrin Burseg erzählt von Liebe und Verrat, von Wahrheit und Wahrhaftigkeit. Und von der Herausforderung, authentisch zu leben. 'In einm anderen Licht' ist ein lebendiges Porträt einer Frau vor dem historischen Hintergrund des deutschen Herbstes. 'Ein ungewöhnlicher und spannender Roman, an dem mir vieles gefallen hat' Rainer Moritz, Literaturhaus Hamburg  

Katrin Burseg, geboren 1971 in Hamburg, studierte Kunstgeschichte und Literatur in Kiel und Rom, bevor sie als Journalistin arbeitete. Sie hat mehrere historische Romane veröffentlicht. Für ihren Roman 'Liebe ist ein Haus mit vielen Zimmern' wurde sie 2016 mit dem DELIA-Literaturpreis ausgezeichnet. Die Autorin mag Spaziergänge am Wasser, hört gerne klassische Musik und liebt die überraschenden Abenteuer beim Schreiben. Hamburg ist ihr Sehnsuchtsort, sie lebt mit ihrer Familie im Herzen der Stadt. www.katrinburseg.de
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Produkt

Klappentext'Fragen Sie Dorothea nach Marguerite.' Miriam bekommt anonyme Briefe mit nur diesem Satz geschickt. Dorothea Sartorius ist die charismatische Witwe eines Reeders und eine große Mäzenin in Hamburg. Gemeinsam mit ihr bereitet Miriam gerade die Verleihung des Sartorius-Preises für Zivilcourage vor. Dorothea beantwortet Miriams Frage nicht, ermuntert sie aber, nach dem Absender der Briefe zu suchen. In einem Beginenhof an der Schlei findet Miriam eine alte Bewohnerin und Antworten, die ihr Weltbild ins Wanken bringen. Dorothea war in den 70er Jahren Mitglied in einer linksextremen Terrorgruppe. Die frühere Freundin und politische Weggefährtin von Dorothea erhebt schwere Anklage: 'Sie hat uns verraten. Sie hat alles verraten, was ihr heilig war.' Katrin Burseg erzählt von Liebe und Verrat, von Wahrheit und Wahrhaftigkeit. Und von der Herausforderung, authentisch zu leben. 'In einm anderen Licht' ist ein lebendiges Porträt einer Frau vor dem historischen Hintergrund des deutschen Herbstes. 'Ein ungewöhnlicher und spannender Roman, an dem mir vieles gefallen hat' Rainer Moritz, Literaturhaus Hamburg  

Katrin Burseg, geboren 1971 in Hamburg, studierte Kunstgeschichte und Literatur in Kiel und Rom, bevor sie als Journalistin arbeitete. Sie hat mehrere historische Romane veröffentlicht. Für ihren Roman 'Liebe ist ein Haus mit vielen Zimmern' wurde sie 2016 mit dem DELIA-Literaturpreis ausgezeichnet. Die Autorin mag Spaziergänge am Wasser, hört gerne klassische Musik und liebt die überraschenden Abenteuer beim Schreiben. Hamburg ist ihr Sehnsuchtsort, sie lebt mit ihrer Familie im Herzen der Stadt. www.katrinburseg.de
Details
Weitere ISBN/GTIN9783843716260
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum08.09.2017
AuflageAuflage
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3192 Kbytes
Artikel-Nr.2379709
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


EINS

Gregors letztes Bild war heiter. Das Porträt eines jesidischen Mädchens, fremde grüne Augen, Lichtblitze darin, und ein neugieriges Lächeln auf den Lippen. Es spiegelte Hoffnung und den Willen, sich nicht unterkriegen zu lassen. Vertreibung, Gewalt und Angst sah man darin nicht. Lediglich Armut, die Not zeigte sich in dem zerschlissenen rostfarbenen Tuch, das dem Mädchen über Haar und Schulter fiel. Der Umhang und das Spiel von Licht und Schatten verliehen ihm die Aura einer Madonna.

Eine heitere Madonna - und ein Bild für die Ewigkeit. Es nutzte sich nicht ab. Zärtlich strich Miriam mit den Fingerspitzen über das Foto. Sie trug es immer bei sich, in ihrem schwarzen Notizbuch, und manchmal wünschte sie sich, mehr über dieses Mädchen erfahren zu können. Antworten zu finden auf all die Fragen, die sie immer noch quälten.

Vielleicht hätte Gregor ihr etwas über dieses Mädchen erzählen können, so wie er es oft nach seinen Reisen getan hatte. Nachts, flüsternd, wenn er sie in seinen Armen hielt und sie seinen warmen Geruch in sich aufsog. Wenn ihr Atem ruhig floss und sie sich im schützenden Kokon seiner Liebe eingesponnen hatte.

Doch Gregor war tot.

Kurz nachdem er die Aufnahme in einem Dorf in der Sindschar-Ebene gemacht hatte, war er ums Leben gekommen. Ein Querschläger, mitten ins Herz. Die Kugel aus der Kalaschnikow eines Dschihad-Kämpfers hatte eigentlich den vorausfahrenden UN-Botschafter treffen sollen. Ein irrwitziger Zufall, das Zusammenspiel erklärbarer und nicht erklärbarer Kräfte, hatte das Geschoss abgelenkt und ihren Mann getroffen. Gregor Raven, zweiundvierzig Jahre alt, Fotojournalist aus Hamburg, kriegserfahren und trotzdem nicht abgebrüht. Kein Hasardeur und auch kein Held. Jede seiner Reisen in die Krisengebiete der Welt war der Suche nach Wahrheit verpflichtet. Er hatte den einen Augenblick gesucht, der Augen öffnen konnte. Dieses eine Mal war er einfach zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen.

Die Nachricht von seinem Tod hatte Miriam in der Redaktion des Hamburger Nachrichtenmagazins erreicht, für das sie beide arbeiteten. Wenig später war die Meldung schon online. Der Tod des Geliebten als Aufmacher, ein unbarmherziges Flackern auf den Bildschirmen im Newsroom. Auch heute noch, fast zwei Jahre später, fanden sich die Bilder und Artikel im Netz, sie musste nur Gregors Namen eingeben.

Miriam wischte sich über die Augen. Sie saß an ihrem Schreibtisch in der Redaktion, nun schaute sie auf und blickte aus dem Fenster. Der Märzhimmel war milchig-grau, ein Tiefdrucksumpf, der noch über der Nordsee festhing und Regen bringen würde, kündigte sich an. Fröstelnd kuschelte sie sich in ihren Schal und nahm einen Schluck Tee, dann steckte sie das Foto mit dem Mädchen in ihr Notizbuch zurück.

Es gab keine Antworten mehr.

Nur noch Fragen.

Quälende bohrende Fragen.

Und den Schmerz, der schwarz und schwer wie ein Krähenvogel in ihrer Brust hockte.

Der Rabe ihrer Trauer.

Er war ihr ständiger Begleiter. Mal zurückhaltend und mahnend, mal fordernd und laut.

Miriam konnte ihn spüren, er spreizte sich und trippelte unter ihren Rippenbögen auf und ab. Sie nickte dem Raben zu, bevor ihr Blick die gelben Kisten streifte, die sich in ihrem Büro stapelten. Sie wartete auf die Post, auf etwas, das sie davon abhielt, sich ganz auf die Traurigkeit einzulassen. Und auf die Zweifel.

Früher hatte sie nie an ihrem Beruf gezweifelt. Sie war Journalistin geworden, weil sie über die Welt, so wie sie war, berichten wollte. Das Schreiben war etwas Lebensnotwendiges gewesen, so wie Atmen. Und Lachen.

Doch Gregors Tod hatte alles verändert.

Sie war an ihre Grenzen gelangt - und darüber hinaus. Schock, Betäubung, Zusammenbruch. Dass sie heute wieder arbeiten konnte, verdankte sie nicht nur der Liebe zu Max, ihrem Sohn, sondern auch der Therapie, die sie ein halbes Jahr nach dem Unglück begonnen hatte. Die Trauerbegleitung hatte ihr wieder Hoffnung und Lebensmut schenken können. In der Therapie hatte sie Gregors Madonna das erste Mal anschauen können, ohne in Tränen auszubrechen. Sie hatte sich ihrer Trauer gestellt.

Nur nicht unterkriegen lassen!

Die Aufnahme, drei mal zwei Meter, hing auch in der Redaktion des Globus. Doch dort war sie seit ihrem Zusammenbruch nicht mehr gewesen. Zu viele Erinnerungen begegneten ihr in den Räumen, zu viele Anlässe, um in die Vergangenheit zu driften, zu viele Spuren des Glücks. Der Verlag hatte ihr jedoch ermöglicht, zur Anabel zu wechseln. Die Frauenzeitschrift saß im selben Gebäude an der Elbe und war ein anspruchsvolles Magazin mit treuen Leserinnen. Ehrlich, berührend und an der Welt interessiert. Reportagen, Kultur, Gesundheit, ein paar Rezepte und Mode - fünfter Stock statt des Panoramadecks des deutschen Journalismus. An ihrem ersten Tag im neuen Job hatten die Kollegen ihr einen riesigen Strauß Rosen aus dem Alten Land auf den Tisch gestellt, und aus der Versuchsküche der Anabel kam mitten im Sommer ein Teller mit Weihnachtskeksen. Sie hatten es ihr leichtgemacht, sich nicht fremd zu fühlen. Und nach und nach verlor auch der Bildschirm seinen Schrecken.

Miriam zögerte kurz, dann fuhr sie endlich ihren Computer hoch. Als das Handy neben ihr summte und eine SMS für einen neuen Tarif und noch mehr Freiminuten warb, schaltete sie es auf stumm.

Gregor - wieder flatterte ihr Herz. Es gab Tage, da fuhr sie summend aus der Redaktion nach Hause. Irgendein Song aus dem Autoradio verführte sie dazu, und im Rückspiegel sah sie ihr altes optimistisches Ich hinter der Wimperntusche aufblitzen. Und an den weniger guten rief sie ihn einfach an. Gregors Kamera und Mobiltelefon hatten den Anschlag unbeschadet überstanden, der Botschafter hatte ihr die Ausrüstung mit einem Beileidsschreiben zugesandt.

Miriam hatte es nicht geschafft, Gregors Handyvertrag zu kündigen. Seine Stimme auf der Mailbox war die letzte sinnliche Verbindung zu ihm, denn sein Geruch war längst aus den wenigen Kleidungsstücken verflogen, die sie noch von ihm aufbewahrte. Manchmal sprach sie ihm etwas auf die Mailbox, manchmal legte sie einfach wieder auf. Ihr Therapeut hatte von einem Trauerritual gesprochen. Miriam schaute auf ihr Handy. Trotzig dachte sie, dass sie wenigstens nicht klaute oder vierzig Kilo Kummerspeck mit sich herumtrug, so wie einige der anderen, die sie in der Therapie kennengelernt hatte. Sie bezahlte lediglich für das Handy eines Toten.

Dann kam die Post, Miriam atmete erleichtert auf. Der Einsendeschluss für den Sartorius-Preis rückte näher. Gemeinsam mit der Anabel verlieh Dorothea Sartorius, vermögende Reederswitwe und großzügige Stifterin, in diesem Jahr zum ersten Mal einen Preis für Zivilcourage. Sie hatte fünfundzwanzigtausend Euro ausgelobt, für die Preisverleihung im Mai war das Schauspielhaus angemietet worden, Prominenz aus Politik und Gesellschaft wurde zur Matinee erwartet. In Miriams Büro stapelten sich die Bewerbungen, die in dicken braunen Umschlägen eintrafen. Doch dieser Brief gehörte nicht dazu, dafür war er zu leicht.

Ein Spinner, dachte sie sofort, als sie den Umschlag betrachtete. Ein Standardformat, weiß und ausreichend frankiert. Die Briefmarke war ordentlich in die rechte obere Ecke gesetzt, im Adressfeld stach die saubere und irgendwie soldatisch anmutende Handschrift hervor. Unter die Anschrift war ein resoluter Strich aus schwarzer Tinte gezogen worden, einen Absender gab es nicht.

Beim Globus hatte es einen Redakteur für diese Art von Post gegeben, und bisweilen war einem anonymen Tipp sogar eine Titelgeschichte gefolgt. Bei der Anabel jedoch gab es niemanden für die Anonymen. Im Gegenteil: Die meisten Leserinnen bedankten sich für die unterhaltsame Mischung aus sorgfältig recherchierten Reportagen, inspirierenden Dossiers und tragbaren Modetrends. Sie waren Teil der Anabel-Familie, verteilten Komplimente und denunzierten nicht.

Kurz überlegte Miriam, ob es sich überhaupt lohne, den Brief zu öffnen. Dann riss sie entschlossen den Umschlag auf, zog den Bogen heraus und faltete ihn auseinander. »Fragen Sie Dorothea nach Marguerite!«, stand auf dem Papier, die Schrift etwas weicher als auf dem Umschlag, das Ausrufungszeichen wie eine Ermahnung. Und dann doch noch so etwas wie ein Absender: »Elisabeth«, las Miriam, das E großzügig geschwungen, das T und H am Ende fast wie ein Liebespaar umschlungen.

Dorothea Sartorius also. Miriam legte den Bogen vor sich auf den Tisch und lehnte sich zurück. Sie war schon seit mehr als einem halben Jahr mit der Preisverleihung beschäftigt. Als die Chefredakteurin mit der Idee zu ihr gekommen war, hatte sie sofort ja gesagt, obwohl das Projekt eher organisatorischen Charakter hatte. Es ging Miriam um die Sache und um ein Dankeschön an die Frau, die auch ihr geholfen hatte. Doch davon wusste Dorothea Sartorius nichts. Mit der Sartorius-Stiftung, die sie vor fast zwanzig Jahren gegründet hatte, half sie jedes Jahr mehreren Hundert Menschen, nach einem Trauerfall wieder ins Leben zurückzufinden. Darüber hinaus spendete sie für Museen und Mittagstische, Flüchtlingsinitiativen und Frauenhäuser. Ihre Schatulle war reich gefüllt, und ihr soziales und kulturelles Engagement hatte ihr diverse Auszeichnungen und Beinamen eingetragen. »Die Lady mit dem Löwenherzen«, so hatte etwa der Globus die Zweiundsiebzigjährige einmal in einem Artikel bezeichnet. Sie war Ehrenbürgerin der Stadt, wie es auch ihr Mann gewesen war.

Dorothea Sartorius als Schirmherrin für den Preis zu...


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Autor

Katrin Burseg, geboren 1971 in Hamburg, studierte Kunstgeschichte und Literatur in Kiel und Rom, bevor sie als Journalistin arbeitete. Sie hat mehrere historische Romane veröffentlicht. Für ihren Roman "Liebe ist ein Haus mit vielen Zimmern" wurde sie 2016 mit dem DELIA-Literaturpreis ausgezeichnet. Hamburg ist ihr Sehnsuchtsort, sie lebt mit ihrer Familie im Herzen der Stadt.