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Weckels Angst

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
103 Seiten
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am16.06.20171. Auflage
»Was weißt Du von Dir? - Ich nichts. Ich denk nur immer, mich gibts gar nicht. « Mit psychologischem Gespür verdichtet Ossowski ihre praktischen Erfahrungen als Sozialarbeiterin zu berührenden Stories. Ihre Geschichten handeln vom Schicksal jugendlicher Straftäter, von Heimkindern und Drogenabhängigen, sie spielen in den Parks, Heimen, Gefängnissen und Kneipen einer deutschen Großstadt. Die Geschichten um Fietscher, den Fleischerlehrling, oder den Idioten Schiebel, schauen ins Innerste dieser verlorenen Jugendlichen. Sie sind Ausschnitte aus der Wirklichkeit, knapp und bewegend erzählt.

Leonie Ossowski, geboren 1925 in Niederschlesien, war Autorin zahlreicher Erfolgsromane und Drehbücher.  In all ihren Romanen machte sie auf soziale und gesellschaftliche Themen in Vergangenheit und Gegenwart aufmerksam. Ausgezeichnet unter anderem mit dem Adolf-Grimme-Preis in Silber, dem Schillerpreis der Stadt Mannheim und mit der Hermann-Kesten-Medaille des PEN-Zentrums, hat sie sich in ihren Romanen als 'Dichterin der Menschlichkeit' einen Namen gemacht. Seit 1980 lebte Leonie Ossowski in Berlin, wo sie am 4. Februar 2019 verstarb.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR3,99

Produkt

Klappentext»Was weißt Du von Dir? - Ich nichts. Ich denk nur immer, mich gibts gar nicht. « Mit psychologischem Gespür verdichtet Ossowski ihre praktischen Erfahrungen als Sozialarbeiterin zu berührenden Stories. Ihre Geschichten handeln vom Schicksal jugendlicher Straftäter, von Heimkindern und Drogenabhängigen, sie spielen in den Parks, Heimen, Gefängnissen und Kneipen einer deutschen Großstadt. Die Geschichten um Fietscher, den Fleischerlehrling, oder den Idioten Schiebel, schauen ins Innerste dieser verlorenen Jugendlichen. Sie sind Ausschnitte aus der Wirklichkeit, knapp und bewegend erzählt.

Leonie Ossowski, geboren 1925 in Niederschlesien, war Autorin zahlreicher Erfolgsromane und Drehbücher.  In all ihren Romanen machte sie auf soziale und gesellschaftliche Themen in Vergangenheit und Gegenwart aufmerksam. Ausgezeichnet unter anderem mit dem Adolf-Grimme-Preis in Silber, dem Schillerpreis der Stadt Mannheim und mit der Hermann-Kesten-Medaille des PEN-Zentrums, hat sie sich in ihren Romanen als 'Dichterin der Menschlichkeit' einen Namen gemacht. Seit 1980 lebte Leonie Ossowski in Berlin, wo sie am 4. Februar 2019 verstarb.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492972611
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum16.06.2017
Auflage1. Auflage
Seiten103 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1426 Kbytes
Artikel-Nr.2398936
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Das Gespräch

Der Hobel ist eine Kneipe. Im Hobel sitzen eine Menge Typen, die in anderen Kneipen nicht sitzen. Warum sie gerade im Hobel sitzen, das wissen sie nicht.

Vor der Kneipe steht Herr Fuchs.

Als einer der Typen vom Klo kommt, sieht er Herrn Fuchs vor dem Hobel stehen.

He, Hamburger, sagt der Typ, der Fuchs steht vorm Hobel. Der Hamburger - der Hamburger heißt, weil er mal in Hamburg war - verzieht das Gesicht und lacht.

Vor dem Hobel scheint Herrn Fuchs die Sonne ins Kreuz. Er schwitzt und knöpft sich die Jacke auf. Er kann sich nicht entschließen, in den Hobel zu gehen, obwohl er weiß, daß seine Unschlüssigkeit keinen guten Eindruck macht.

Die Typen im Hobel kennen alle Herrn Fuchs und reden jetzt über ihn.

Wenn s der Hamburger will, sagt einer, mach ich den Fuchs so kaputt, daß der nie wieder in den Hobel kommt.

Aber der Hamburger will das nicht, und die anderen haben im Augenblick mit Herrn Fuchs nichts zu schaffen.

Der geht von allein kaputt, sagt der Hamburger und sieht auf die Tür, durch die jetzt Herr Fuchs den Hobel betritt.

Guten Tag!

Guten Tag!

Alle Typen sehen Herrn Fuchs an, aber nicht lange. Nur der Hamburger zeigt Ausdauer. Alles klar, Herr Fuchs? fragte er.

Herr Fuchs nickt und will sich an den Tisch setzen.

Besetzt, sagt ein Typ. Herr Fuchs bleibt stehen.

Da kann man nichts machen.

Nein!

Herr Fuchs sieht die Typen der Reihe nach an. Der Hamburger hat die Füße weit ausgestreckt. Auf seiner linken Hand ist eine Spinne mit Netz tätowiert.

Ich würde Sie gerne sprechen, sagt Herr Fuchs.

Na denn los, sagt der Hamburger.

Herr Fuchs schüttelt freundlich den Kopf. Nicht hier, sagt er, ich möchte allein mit Ihnen reden.

Über mich? fragt der Hamburger.

Nein, sagt Herr Fuchs, über mich.

Die Typen sehen Herrn Fuchs zum zweiten Mal an und einer, der Herrn Fuchs unter dem Namen Zopper bekannt ist, klatscht sich auf die Oberschenkel.

Der Fuchs will mit dem Hamburger nicht etwa über den Hamburger reden, sondern über sich selbst - das ist stark!

Maiermann grinst beifällig und rülpst. Vielleicht, sagt er, interessiert sich Herr Fuchs für die Fliege auf dem Hamburger sein Schwanz!

Reden Sie keinen Unsinn, Herr Maiermann, mit so etwas bringen Sie mich nicht in Verlegenheit.

Der Hamburger trinkt sein Bier aus und fragt den Hobelwirt, ob er mit Herrn Fuchs für ein kurzes Gespräch nach hinten gehen dürfe. Der Wirt hat nichts dagegen.

Der Hamburger nickt Herrn Fuchs zu. Von mir aus, sagt er mürrisch, können Sie Ihren Gesang bringen, aber kurz, wenn ich bitten darf, ich hab noch was vor!

Herrn Fuchs fällt der Anfang schwer. Er steht in der Mitte des Raums, während der Hamburger an Gegenständen auf den Regalen herumfummelt. Flaschen, Zeitungen, Bierdeckel und künstliche Blumen.

Auf die Dauer kann ich so nicht mit Ihnen arbeiten, sagt Herr Fuchs. Der Hamburger zeigt kein Interesse. Er liest Plattentitel, drückt ein paar Tasten an einem Tonbandgerät und will allem Anschein nach Musik machen.

Herr Fuchs nimmt einen neuen Anlauf.

Wie stellen Sie sich denn die Sache zwischen uns vor?

Der Hamburger zeigt sich erstaunt. Ich denke, sagt er, und beginnt gewissenhaft eine Batavia zu drehen, Sie wollen über sich sprechen!

Das ist sozusagen dasselbe, antwortet Herr Fuchs. Inzwischen ist mehr Sicherheit in seiner Stimme zu hören. Er steht auch nicht mehr mitten im Raum, sondern nimmt zwischen den hochgestellten Stühlen Platz. Sie sind mir doch scheißegal, grinst der Hamburger, ich habe Sie mir nicht ausgesucht, oder?

Ich Sie mir auch nicht, kontert Herr Fuchs.

Die Antwort ärgert den Hamburger. Immerhin, sagt er, ohne so Typen, wie ich einer bin, können Sie Ihren Job nicht machen.

Und ohne so Typen wie mich - Herr Fuchs drückt sich in die Stuhlbeine zurück, kramt in seiner Hosentasche und wiederholt - ohne so Typen wie mich wandern Sie in den Knast zurück, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

Der Hamburger vergißt seine Zigarette. Er starrt Herrn Fuchs ins Gesicht und kommt auf ihn zu. Obwohl der Hamburger sehr gewalttätig aussieht, zeigt Herr Fuchs keine Angst.

Willst du mich vielleicht erpressen? zischt der Hamburger.

Herr Fuchs schüttelt den Kopf. Er will den Hamburger wirklich nicht erpressen.

Aber der glaubt ihm nicht, packt ihn kurz an der Jacke, läßt allerdings gleich wieder los und brüllt: Von mir aus mach ich Endstrafe, die zwei Jahre reiß ich auch noch runter!

Draußen in der Hobelwirtschaft sehen sich Zopper, Maiermann und Littel an. Alle drei haben gehört, was der Hamburger in der Hinterstube gebrüllt hat.

Klingt nicht gut, was der Hamburger da sagt, meint Littel.

Zopper winkt ab, nickt rüber zu dem Typ, der dem Hamburger angeboten hatte, Herrn Fuchs kaputt zu machen, und sagt, daß noch nicht aller Tage abend sei.

Littel beruhigen Zoppers Worte nicht. Im Gegenteil, er hält Zopper für eine Maulhure und glaubt nach wie vor, daß das Gespräch da draußen kein gutes Ende nehmen wird.

Inzwischen ist der Hamburger still geworden. Keiner in der Wirtschaft kann mehr hören, was er und Herr Fuchs jetzt sagen.

Obwohl er den Zeitungsartikel, den Herr Fuchs ihm zuschiebt, wörtlich kennt, liest ihn der Hamburger gründlich durch.

Na und? sagte er schließlich.

Der Mann ist tot, antwortet Herr Fuchs.

Das steht nicht hier!

Gestern ist er im Krankenhaus an seinen Verletzungen gestorben.

Herr Fuchs macht eine Pause. Er weiß ziemlich genau, was der Hamburger jetzt wissen will. Aber dem Hamburger fehlt der Mut für die Frage. Ihm wird heiß und er spürt, wie Herr Fuchs das Hervortreten der Schweißperlen beobachtet. An den Schläfen, der Stirn und unter der Nase.

Ich war s nicht, wenn Sie das meinen, sagt der Hamburger endlich.

Doch, sagt Herr Fuchs und ist ganz cool dabei, Sie waren das, und ein paar von Ihren Freunden da draußen haben mitgemacht.

Hat er â¦? Der Hamburger schafft die Frage wiederum nicht, bleibt mitten drin stecken und läßt den Mund offen.

Nein, sagt Herr Fuchs immer noch ganz cool und starrt auf den runden Mund vom Hamburger.

Er hat nichts mehr sagen können, er ist nämlich gar nicht mehr zu Bewußtsein gekommen.

Der Hamburger klappt seinen Mund zu und sieht wieder manierlich aus.

Was wollen Sie dann noch von mir?

Eigentlich nicht viel, sagt Herr Fuchs und beginnt den Hamburger zu duzen, ich will nur wissen, warum du das gemacht hast, verstehst du?

Nein, sagt der Hamburger und versteht es wirklich nicht.

Ich meine - Herr Fuchs läuft auf und ab -, daß es doch jetzt um dich geht. Der Mann, der ist ja tot, dem kann keiner mehr helfen, den kann nichts wieder lebendig machen.

Wenn Sie meinen, daß ich es war, sagt der Hamburger förmlich, haben Sie sich geirrt. Außerdem habe ich keine Zeit und Sie keine Beweise.

Ich gebe zu, ich habe keine.

Herr Fuchs sieht hilflos aus. Fast ist der Hamburger geneigt, abermals zu lachen.

Ist noch was? fragt er.

Herr Fuchs nickt. Sicher ist da noch etwas: Ich wollte Ihnen nämlich sagen, daß ich meinen Job aufgebe.

Was? - Der Hamburger bläst langsam Luft durch seine Backen, und an was für ein Arschloch komm ich dann?

Herr Fuchs hebt stumm die Schultern. Er weiß es nicht.

Kommt gar nicht in Frage, sagt der Hamburger, Sie können doch Ihren Job nicht einfach aufgeben!

Warum nicht, sagt Herr Fuchs, zumal Sie ja selbst der Ansicht sind, daß es zwischen Ihnen und mir nichts Gemeinsames gibt, ich aber meinen Job nicht ohne Typen wie Sie ausüben kann.

Und was soll ich machen, wenn ich an so einen Scheißkerl komme, der mir keine Luft läßt und mir alles vorschreibt?

Das weiß ich nicht, sagt Herr Fuchs, das ist dann auch nicht mehr mein Bier.

Der Hamburger dreht sich eine neue Zigarette. Die tätowierte Spinne auf seiner Hand zittert.

Bin ich denn überhaupt für Sie wer? War ich denn für den wer, der jetzt angeblich krepiert sein soll?

Was Sie für die anderen waren oder nicht, kann ich nicht beurteilen, sagt Herr Fuchs, aber ich weiß, was Sie für mich sind.

Was?

Na eben der Hamburger!

Das ist nicht viel für Sie, oder?

Eigentlich gar nichts.

Eine Stunde später saßen Herr Fuchs und der Hamburger immer noch in der Hinterstube des Hobelwirts. Als Littel es...
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Autor

Leonie Ossowski, geboren 1925 in Niederschlesien, war Autorin zahlreicher Erfolgsromane und Drehbücher. In all ihren Romanen machte sie auf soziale und gesellschaftliche Themen in Vergangenheit und Gegenwart aufmerksam.Ausgezeichnet unter anderem mit dem Adolf-Grimme-Preis in Silber, dem Schillerpreis der Stadt Mannheim und mit der Hermann-Kesten-Medaille des PEN-Zentrums, hat sie sich in ihren Romanen als »Dichterin der Menschlichkeit« einen Namen gemacht. Seit 1980 lebte Leonie Ossowski in Berlin, wo sie am 4. Februar 2019 verstarb.