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Mord im Kollektiv

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
212 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am30.06.20171. Auflage
Mord war das Letzte, was man erwarten konnte, wenn auch die Stimmung geladen war im Kollektiv. Pam Nilsen, die Heldin dieses Krimis aus der amerikanischen Alternativszene, entdeckt den Mörder - und sich selbst. An die Mitglieder des alternativen Druckkollektivs Best Printing wird der Vorschlag herangetragen, sich mit dem Satzkollektiv B. Violet zusammenzutun, in dem ausschließlich Frauen arbeiten. Niemand ist begeistert, aber ökonomisch spricht einiges dafür. Man will sich die Sache durch den Kopf gehen lassen. Am nächsten Morgen finden die Setzerinnen ihre Arbeitsräume verwüstet vor. Am Abend ist einer der Drucker tot ... (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Barbara Wilson stammt aus Kalifornien. In Seattle hat sie eine Druckerei aufgebaut, aus der der feministische Verlag The Seal Press hervorging. Sie hat zahlreiche Kurzgeschichten und Romane veröffentlicht und arbeitet auch als Übersetzerin aus dem Norwegischen.
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Produkt

KlappentextMord war das Letzte, was man erwarten konnte, wenn auch die Stimmung geladen war im Kollektiv. Pam Nilsen, die Heldin dieses Krimis aus der amerikanischen Alternativszene, entdeckt den Mörder - und sich selbst. An die Mitglieder des alternativen Druckkollektivs Best Printing wird der Vorschlag herangetragen, sich mit dem Satzkollektiv B. Violet zusammenzutun, in dem ausschließlich Frauen arbeiten. Niemand ist begeistert, aber ökonomisch spricht einiges dafür. Man will sich die Sache durch den Kopf gehen lassen. Am nächsten Morgen finden die Setzerinnen ihre Arbeitsräume verwüstet vor. Am Abend ist einer der Drucker tot ... (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Barbara Wilson stammt aus Kalifornien. In Seattle hat sie eine Druckerei aufgebaut, aus der der feministische Verlag The Seal Press hervorging. Sie hat zahlreiche Kurzgeschichten und Romane veröffentlicht und arbeitet auch als Übersetzerin aus dem Norwegischen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105617953
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum30.06.2017
Auflage1. Auflage
Seiten212 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2403532
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

Es war Anfang Juni, und es regnete in Strömen. Während unser Kollektiv gemütlich drinnen in der Druckerei die wöchentliche Arbeitsbesprechung abhielt, schlug draußen ein steifer Nordwestwind gegen die Backsteinfassaden am Pioneer Square und vertrieb die Penner aus den Hinterhöfen und von den Türschwellen weg in die Obdachlosenasyle und die Häuser der Heilsarmee. Durch die Fenster zur Straße sah ich zu, wie schmutzige Sturzbäche in Richtung Gully strömten und leere grüne Weinflaschen dabei vor sich hertrieben. Seit Tagen sagten die Wetterfrösche im Fernsehen Sonne und einen Anstieg der Temperaturen voraus, aber niemand glaubte mehr daran. Es würde wieder einmal ein typischer, verregneter Seattle-Sommer werden.

»Fakt ist ...«, sagte irgendwer.

Langeweile war es nicht: Ich konnte mich einfach nicht richtig auf das Treffen konzentrieren. Und dabei war ich diese Woche Diskussionsleiterin, meine volle Aufmerksamkeit war verlangt, ich sollte verhindern, daß Leute zu lange redeten oder aufhörten, ohne ihren Standpunkt erläutert zu haben, ich sollte unnötige Konflikte vermeiden und Lösungsmöglichkeiten vorschlagen. Normalerweise konnte ich das auch gut: Leute verstehen, auch wenn sie ins Schwimmen kommen oder stottern. Ich hätte eine gute Gesprächstherapeutin abgegeben, wie meine Zwillingsschwester Penny zu behaupten pflegte.

»Es ist einfach fantastisch! Aus dem größten Schwachsinn hörst du noch was Sinnvolles raus! Ich verstehe immer nur Bahnhof.«

Meine Schwester und ihr Sinn für Humor.

Vielleicht lag es am Wetter, vielleicht setzte das normale Abschlaffen ein, das alle Gruppen von Zeit zu Zeit haben: Ich war es einfach satt, immer wieder das gleiche Gemeckere zu hören. Und zu müde, etwas dagegen zu unternehmen. Anstatt die Redner sanft, aber bestimmt zu unterbrechen und ihre Beschwerden in konstruktive Kritik zu wandeln, ertappte ich mich immer wieder dabei, daß ich meinem Kollektiv einfach nur beim Reden zusah.

Da war gerade unser Reprofachmann Jeremy, 25 Jahre alt, dabei, sich über die schlechte Qualität der neuen Papierplatten auszulassen, die wir eben erst angeschafft hatten. Er war schmal und mager, hübsch auf eine etwas blutleere Art, mit blonden Locken, Ohrringen und einem zerrissenen T-Shirt, das den Blick auf seine knochige, unbehaarte Brust freigab. Zur Feier des Tages hatte er seinen Walkman aus dem Ohr entfernt, was ihn aber leider nicht zu einem besseren Redner machte.

»Wißt ihr ... ich finde ... es ist einfach ..., also diese Papierteile ..., die bringen´s einfach nicht.«

Nicht, daß er nicht von Zeit zu Zeit etwas Relevantes zu sagen gehabt hätte; seine Gedanken waren nur so gut in Füllwörter und vorweggenommene Dementi verpackt, daß sie den Erstickungstod starben, ehe sie ihm über die Lippen gekommen waren.

June, die ihn gerade unterbrach, ähnelte ihm ein wenig - wenn man ein Rennrad mit einem Kinderfahrrad vergleichen kann.

»Im Druck sind sie prima ... was meinst du eigentlich? ... die Farbe kommt gut ... ich habe keine Probleme mit den Dingern.«

June war Schwarze, 23 Jahre alt, Witwe und Mutter von zwei Kindern. Ihr zäher kleiner Körper und der enganliegende Afro verliehen ihr eine Aura unbeirrbarer Effektivität. Die gefährlichen Sportarten, die sie mit Vorliebe betrieb, paßten gut zu ihr: Bergsteigen, Fallschirmspringen, Wildwasserkanu. Nebenbei züchtete sie Rosen, schrieb Gedichte und hatte jedem von uns schon einmal geholfen, sein Auto zu reparieren. Bei uns war sie für die Druckmaschine zuständig, und sie kannte sie wie ihre eigene Westentasche.

»Die Platten bleiben gut am Platz.«

»Ja, aber ...« beharrte Jeremy auf seiner Kritik:

»Ich finde ... June, hör mal ...«

Ich konnte einen Seufzer nicht unterdrücken.

Vor vier Jahren, als Penny und ich noch zur Uni gingen, waren unsere Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Sie hatten uns Best Printing hinterlassen, eine vollausgerüstete Druckerei mit einem langen Mietvertrag für die Räume, in denen sie untergebracht war, und einem guten Namen in der Gegend. Penny hatte gerade mit einer Doktorarbeit in Biochemie begonnen, und ich stand kurz vor der Vollendung meiner Magisterarbeit über den Bergarbeiterstreik von 1919; uns wurde geraten, die Druckerei zu verkaufen und mit dem Geld unsere Studien zu Ende zu bringen. Statt dessen beschlossen wir, den Betrieb einer Gruppe politischer Aktivisten zu übergeben, die ihn als Zentrum für die Herstellung von Flugblättern, Büchern und Plakaten nutzen sollten.

Wir hatten eigentlich gar nichts damit zu tun haben wollen. Und in manchen Momenten fragte ich mich, wie wir denn eigentlich doch in die Sache verwickelt worden waren, und ob wir unsere wissenschaftlichen Karrieren vielleicht für nichts und wieder nichts in den Sand gesetzt hatten. Jetzt zum Beispiel war es wieder soweit, und ich warf einen Blick auf Penny, die ungeduldig auf ihrem Stuhl hin und her rutschte und den Satzbrocken lauschte, die wegen der neuen Druckplatten zwischen June und Jeremy hin und her flogen. Sie fing meinen Blick auf und blies ihre Wangen auf wie Schweinchen Dick: Ein uralter Trick, der mich immer wieder zum Grinsen brachte.

Nach dem Zeugnis unserer Eltern und dem alter Fotos hatten Penny und ich zu Beginn unseres gemeinsamen Lebens wohl wirklich wie eineiige Zwillinge ausgesehen. Aber irgendetwas war im Laufe der Jahre passiert, und jetzt, wo wir beide 29 Jahre alt waren, wirkten wir kaum noch wie Schwestern - geschweige denn wie Frauen, die ihren Ursprung in ein und derselben Eizelle hatten.

Pennys kurzes braunes Haar war punkig geschnitten und stand in die Luft, während ich meines nostalgisch zu einem langen Zopf gebunden trug. Sie trug eine riesige Brille, deren lila Gestell die obere Hälfte ihres Gesichtes viel witziger und gleichzeitig smarter wirken ließ als mich hinter meiner ehrbaren Nickelbrille. Vielleicht hatte das auch Auswirkungen auf die unteren Gesichtshälften: Jedenfalls ließ meine zierliche Brille meinen Mund breiter erscheinen, meine Nase länger und mein Kinn markanter, während Pennys Brille nicht mehr viel Platz ließ für den Rest mit dem spitzen kleinen Kinn und dem nach oben geschwungenen zierlichen Mund.

Sie konnte herrlich witzig sein, meine Schwester, aber auch sehr bestimmt. Wenn es darum ging, eine Schuldfrage zu klären, nahm sie kein Blatt vor den Mund, und eine Menge Leute hatten deswegen angeblich Angst vor ihr. In der Druckerei war Penny für die allgemeine Verwaltung zuständig, für die Buchführung und die Kasse - unser Hausgeizkragen, wie manche sie nannten.

»Die Diskussion ist überflüssig«, warf sie gerade ein. »Wir haben noch zwei Kartons von den neuen Platten, die müssen wir erst mal aufbrauchen. Was Wochen dauern wird.«

»Ja, können wir nicht endlich das Thema wechseln?« wandte sich auch Ray an mich. »Wir müssen noch entscheiden, wie wir das mit dem Flugblatt für die Nicaragua-Gruppe machen. Kriegen sie es nun umsonst oder nicht?«

»Sie kriegen Rabatt«, meinte Penny. »Wir können nicht immerfort umsonst arbeiten, ganz egal, wie verdienstvoll die einzelnen Gruppen sind.«

»Aber die haben doch gerade erst angefangen zu arbeiten, sie haben noch keine müde Mark!«

Der Streit ging wieder mal los.

Ich schaltete ab. Diese Diskussion hatten wir im letzten Jahr bestimmt 52mal geführt, und ich wußte genau, wie sie enden würde: Wenn die Gruppe das Geld für Papier auftreiben konnte, würden wir die Druckkosten spenden. Das taten wir meistens, und deswegen sah unsere finanzielle Situation auch so wenig rosig aus. Penny murrte darüber.

»Niemand geht ins alternative Restaurant und sagt: Tag, ich finde, die USA sollten sich aus Lateinamerika zurückziehen, kann ich bitte einen Teller Suppe geschenkt bekommen? «

Für Ray jedoch war jeder Hilferuf einer neuen Gruppe eine zutiefst persönliche Angelegenheit, ein Forum für seine eigenen politischen Positionen.

»Die USA drohen, in Nicaragua einzumarschieren! Interessiert dich das nicht?« belehrte er gerade Penny. »Und die neue Gruppe ist noch dazu ein wirklicher Fortschritt, das sind keine liberalen Intellektuellen, die sind richtig gut und radikal.«

»Wir sind kein Wohlfahrtsunternehmen«, beharrte Penny.

»Jedenfalls noch nicht.«

Ich hielt mich da raus. Ray und ich waren drei Jahre lang zusammen gewesen. Als wir unsere Beziehung vor zehn Monaten beendeten, bat uns das Kollektiv, uns während der wöchentlichen Besprechungen bitte nicht zu streiten. Also sah ich ihn nur an.

Ray war drahtig und schmal, der kupferhäutige Sohn einer Mexikanerin und eines Japaners, beide Ärzte beim Roten Kreuz. Er hatte eine schöne, einschmeichelnde Stimme, dunkelbraune, leicht schrägstehende Augen und einen dichten schwarzen Bart. Er sah ohne Frage sehr gut aus, und Zenaida, seine augenblickliche Freundin, fand das offensichtlich auch. Sie saß dicht neben ihm und lauschte seinen Worten für meinen Geschmack mit gar zu großer Aufmerksamkeit.

»Ich finde, Ray hat recht«, sagte sie mit fester Stimme und einem liebevollen Blick auf ihn. »Wir müssen die Revolution unterstützen, das heißt auch, wir müssen mit unserem eigenen Papier drucken, wir müssen alles geben, was wir haben. Ich werden Ray beim Druck helfen.«

Zenaida - wir nannten sie Zee - war eine Filipina, schmal und zerbrechlich wie eine Porzellanfigur, mit gutgeschnittenen, schweren schwarzen Haaren und immer auffallend gut gekleidet. Sie stammte aus einer Anwaltsfamilie, deren Mitglieder zum größten...
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Autor

Barbara Wilson stammt aus Kalifornien. In Seattle hat sie eine Druckerei aufgebaut, aus der der feministische Verlag The Seal Press hervorging. Sie hat zahlreiche Kurzgeschichten und Romane veröffentlicht und arbeitet auch als Übersetzerin aus dem Norwegischen.