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Hochzeitsglocken

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
282 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am02.07.20142019
Margareta Sommerfeld ist genervt: Sie hat sich von ihrer Mutter zu einer Kaffeefahrt überreden lassen. Nun sitzt sie in dem mit euphorisierten Rentnern gefüllten Bus und senkt den Altersdurchschnitt. Aber sie ist nicht allein: Der Schönling Simon von Brehden passt auch nicht so recht in die lustige Reisegesellschaft. Margareta ist sichtlich angetan von ihm, doch bevor sie sich näherkommen können, entdeckt sie seinen Leichnam im Heizungskeller seiner Villa ...

Margit Kruse, geboren 1957, ist ein echtes Kind des Ruhrgebiets. Seit 2004 ist die Gelsenkirchenerin als freiberufliche Autorin tätig. Neben zahlreichen Beiträgen in Anthologien hat sie bislang fünf Bücher veröffentlicht, darunter den Roman Im Schatten des Turmes - Eine Jugend im Ruhrgebiet, der für den Literaturpreis Ruhr 2009 nominiert war. Hochzeitsglocken ist ihr dritter Kriminalroman im Gmeiner-Verlag.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextMargareta Sommerfeld ist genervt: Sie hat sich von ihrer Mutter zu einer Kaffeefahrt überreden lassen. Nun sitzt sie in dem mit euphorisierten Rentnern gefüllten Bus und senkt den Altersdurchschnitt. Aber sie ist nicht allein: Der Schönling Simon von Brehden passt auch nicht so recht in die lustige Reisegesellschaft. Margareta ist sichtlich angetan von ihm, doch bevor sie sich näherkommen können, entdeckt sie seinen Leichnam im Heizungskeller seiner Villa ...

Margit Kruse, geboren 1957, ist ein echtes Kind des Ruhrgebiets. Seit 2004 ist die Gelsenkirchenerin als freiberufliche Autorin tätig. Neben zahlreichen Beiträgen in Anthologien hat sie bislang fünf Bücher veröffentlicht, darunter den Roman Im Schatten des Turmes - Eine Jugend im Ruhrgebiet, der für den Literaturpreis Ruhr 2009 nominiert war. Hochzeitsglocken ist ihr dritter Kriminalroman im Gmeiner-Verlag.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839244906
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum02.07.2014
Auflage2019
Reihen-Nr.3
Seiten282 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2430351
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Kapitel 1

Margareta zog ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. Dabei schien die Sonne an diesem herrlichen Spätsommertag Ende August. Gegen halb sechs war sie aufgestanden, duschen, Haare waschen, das volle Programm. Um sieben Uhr klingelte Waltraud bereits gnadenlos an ihrer Wohnungstür, mehrmals hintereinander, hartnäckig wie immer.

Sie blickte zur Seite. Nun schlief Waltraud. Ihre Mutter schlief, während der mit ausgelassenen Menschen prall gefüllte Reisebus der Firma Kraft-Reisen Bad Sassendorf entgegensteuerte. Nichts bekam sie mit. Nichts von den hohlen Dialogen der Mitreisenden. Nichts von den quiekenden alten Frauen, die über die Witze des Ruhrpott-Busfahrers lachten, bis ihre Slipeinlagen durchnässt waren. Ihr Atem ging gleichmäßig, sie schlief tatsächlich tief und fest. Margareta dachte darüber nach, wie es wäre, wenn sie nicht mehr atmen würde und einfach nicht mehr da wäre. Bei diesem Gedanken überkam sie ein gewisses Unwohlsein. Obwohl sie oft nervte, beschloss Margareta gnädig, dass sie ruhig noch ein paar Jahre weiterleben konnte.

Sie fragte sich, wieso sie eigentlich hier in diesem Bus mit Menschen im Altersdurchschnitt von mindestens 70 Jahren saß, um einen überfüllten Kurort anzusteuern. Und das alles für einen einzigen Tag.

Nichts Böses ahnend, hatte sie sich vor einer Woche nachmittags auf ihrer Couch gelümmelt, als Waltraud hereingeschneit kam: »Hör mal, Gretchen, was hältst du von einem schönen Tagesausflug? Nach Bad Sassendorf, nächsten Donnerstag? Ich lade dich ein.«

»Ich weiß nicht«, hatte Margareta nicht gerade begeistert geantwortet. »Wer von deinen Freundinnen aus dem Ostpreußenverein kann denn dieses Mal nicht?«

Waltraud ignorierte die Frage und packte stattdessen viele gute Gründe aus ihrer ollen Überzeugungstasche: die Chance für Margareta, den Mann fürs Leben zu finden, mal richtig abzuschalten, wo sie doch so viel Stress in ihrem Job hatte, die gute Luft der Salinen im Kurpark und schlussendlich das leckere Essen, welches im Fahrpreis enthalten wäre.

Ein flüchtiger Blick durch den Bus sagte ihr, dass Mr. Right hier zwischen den alten Knackern ganz sicher nicht zu finden war. Abschalten und schön essen konnte sie auch zu Hause, also war der einzige Grund die salzhaltige Luft der Salinen des Kurparks.

Erst kurz vor Dortmund - Waltraud schlief immer noch tief und fest - entnahm Margareta dem Gegacker ausgelassener Frauen jenseits der Wechseljahre, welches geballt aus einer bestimmten Eckes des Busses zu ihr herüberschallte, dass sich ein jüngerer Mann an Bord befinden musste. Jedes Mal, wenn wieder eine laute Gackersalve zu ihr nach vorn schwappte, gingen dieser die Worte eines eindeutig jüngeren Mannes voraus. Eine angenehme Baritonstimme, stellte sie fest. Dieser Kerl musste die alten Weiber vollsülzen, dass der Schleim sich überall im Bus ausbreitete. Sie schloss die Augen und stellte sich vor, wie er wohl aussehen mochte. Wer über so eine tolle Stimme verfügte, hatte mit Sicherheit mindestens eine körperliche Missbildung. Eine Hasenscharte vielleicht oder ein Glasauge. Sicherlich war er dick, hatte fettige Haare oder einen Riesenleib.

Als ihre Mutter auch noch zu schnarchen begann, stieß Margareta sie heftig in die Seite, woraufhin Waltraud nach Luft schnappend erwachte. »Was ist los, Gretchen? Sind wir endlich da?«

»Nein, aber dein Geschnarche nervt, alles dreht sich schon nach dir um.«

Es folgte die Belehrung, dass sie noch nie im Leben geschnarcht hätte und Margareta sich getäuscht haben müsse. Die beiden Mitreisenden auf den Sitzen vor ihnen, beide der Waschläppchengeneration angehörend, wie unschwer an ihrem Duft zu erkennen, fischten sich warme Würstchen aus einer Thermoskanne und aßen dazu schmatzend Kartoffelsalat aus einem Schraubglas. Noch immer vernahm Margareta die vornehm klingenden Monologe des Herrn einige Reihen hinter ihr, die von zahlreichen »Ohs« und »Ahs« der ältlichen Damen abgesegnet wurden.

Endlich ließ sie die Neugier nicht mehr los und zwang sie, nach hinten zu schauen, um sich von seinen Missbildungen zu überzeugen. Sie richtete sich aus ihrem Sitz auf, um über den silbergrauen Dauerwellenkopf hinter ihr hinweg zu schauen. So geriet das Objekt der Begierde in voller Pracht ins Blickfeld.

Kein äußerlicher Makel zu erkennen. Ein Traumtyp.

Seine schwarzen Haare hatten einen perfekten Schnitt und seine Zähne waren weiß und ebenmäßig wie eine Perlenkette. Die gebräunte Haut war makellos und die schwarzen Schatten um seinen Mund zeugten von starkem Bartwuchs. Er hatte gepflegte Hände, mit denen er wild gestikulierte, trug am linken Handgelenk eine goldene Rolex und am rechten ein schweres Armband. In seinem noblen Anzug stach er aus der Masse der hellen Regenjacken - Art Horst Schimanski - hervor. Das dezent bunte Hemd und die farblich abgestimmte Krawatte passten perfekt dazu. Völlig overdressed für einen Ausflug, dennoch hübsch anzusehen. Der Duft seines After Shaves brach sich Bahn durch Schweiß-, Fichtennadel- und Franzbranntweingerüche. Ihre Blicke trafen sich und Margareta starrte gebannt in seine eichhörnchenbraunen Augen. Sofort wurde ihr heiß und sie setzte sich wieder auf ihren Platz. Ihr Puls raste.

»Was ist das für ein Mann, Gretchen? Was will der hier im Bus?« Waltraud sah ihre Tochter fragend an.

»Ja, was soll der schon hier wollen? Das gleiche wie wir. Sich einen schönen Tag machen.«

»Aber der ist viel zu jung!«

»Ach, wieso bin ich dann nicht zu jung für diesen Ausflug? Der ist immerhin in meinem Alter.«

»So ein toller Mann fährt doch nicht mit alten Leuten in einen Kurort.«

»Das habe ich jetzt mittlerweile begriffen. Ich sehe also scheiße aus und kann ruhig mit alten Leuten durch die Gegend fahren.«

»So habe ich es nicht gemeint. Der sieht aber wirklich aus wie ein Dressman. Irgendwie kommt der mir bekannt vor.«

»Mir auch Mutter, mir auch. Das ist nämlich Harald Kleinschnittger.«

»Du meinst den dicken Harald aus deiner Klasse, der so eine Niete beim Sport war?«

»Genau der. Ich müsste mich schon schwer täuschen, wenn er es nicht wäre.«

»Gretchen, das kann ich kaum glauben. Wenn er es tatsächlich ist, hat er sich aber zu seinem Vorteil verändert.«

»Ja, kann man so sagen. Er sieht echt attraktiv aus.«

Margaretas Erinnerungen entführten sie in das Jahr 1986. Abschlussjahrgang der Lessing-Realschule. Sie sah Harald Kleinschnittger vor sich. Ein großer Kerl, aber nichtssagend. Im Handarbeitsunterricht hatte er hinter ihr gesessen und herrliche Straminbilder gestickt. Während seine Klassenkameraden schon mit Mädchen auf dem Schulhof geknutscht hatten, stand er in seiner kurzen Lederhose mit einem karierten Hemd in den Ecken herum und kam sich vor, als sei er was Besseres. Beim Sport war er die Lachnummer. Nichts bekam er auf die Kette. Er war lahm und behäbig. Seine Mitschüler heimsten hingegen bei den Sportfesten eine Urkunde nach der anderen ein. Sie lachten über ihn und meinten, dass die einzige Urkunde, die er je bekäme, die Sterbeurkunde sein würde. Bei der Schulentlassungsfeier erschien er zum ersten Mal in einer Jeans und hatte ab dem Tag prompt zwei Freunde. Udo Mehlhase und Andreas Magenburg, zwei verkappte Spätzünder sowie leidenschaftliche Pfadfinder.

»Sag mal, was ist eigentlich aus den Kleinschnittgers geworden?«, wandte sich Margareta an ihre Mutter.

»Ach je, die Kleinschnittgers. Die dachten auch, die wären wer weiß was. Die sind aus der Heinrichstraße weggezogen. Aber das ist schon mindestens 20 Jahre her. Sie haben sich damals ein Reihenhaus in der Gysenbergstraße gekauft. Der Vater ist vor ungefähr einem Jahr an Krebs verstorben. Ob seine Mutter noch dort wohnt, weiß ich gar nicht. Harald hatte noch eine Schwester …«

Es folgte die gesamte Entstehungsgeschichte der Kleinschnittgerdynastie, welche langweiliger nicht sein konnte.

»Meinst du, der wohnt noch dort? Vielleicht mit Mutti zusammen in einem Haus? Aber so wie der aussieht, hat er sicherlich ein Modepüppchen an seiner Seite.«

Als der Bus endlich auf dem großen Parkplatz schräg gegenüber dem Thermalbad in Bad Sassendorf hielt und die ungefähr fünfzig Frauen und drei Männer, fast alle im fortgeschrittenen Alter, hastig ihre Klamotten zusammenrafften und sich ächzend aus dem Bus pressten, ordnete Mister Kleinschnittger zuerst einmal sein Jackett und strich sich über sein Haar, als könnte eines davon aus der Reihe getanzt sein. Er verließ als Letzter den Bus und schaute sich erstaunt um, als sähe er zum ersten Mal einen Kurort. Kleinschnittger entdeckte die Salinen im Kurpark und steuerte auf sie zu. Gerade als er an Margareta vorbei wollte, nicht ohne sie charmant anzulächeln, ergriff sie die Gelegenheit und sprach ihn an.

»Ich glaube, wir kennen uns. Bist du nicht Harald Kleinschnittger? Lessing-Realschule? Erinnerst du dich an mich?« Welch billige Anmache, schoss es ihr durch den Kopf. Hatte sie es so nötig?

Seine Fans, die alten Damen, waren stehen geblieben, mitten auf der Straße, die zum Kurpark führte, und sperrten Ohren und Augen auf. Warnend sahen sie Margareta an. Wollte etwa jemand ihrem Schatz etwas Böses?

»Sie müssen sich täuschen, junge Frau«, ließ er vornehm aus seinen wohlgeformten Lippen fallen, »mein Name ist Brehden. Simon von Brehden.«

Margareta fiel fast ihr Kaugummi aus dem Mund. Er konnte ihr viel erzählen, dieser Möchtegernadelige, doch sie war sich sicher, dass er kein...

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Autor

Margit Kruse, geboren 1957, ist ein echtes Kind des Ruhrgebiets. Seit 2004 ist die Gelsenkirchenerin als freiberufliche Autorin tätig. Neben zahlreichen Beiträgen in Anthologien hat sie bislang fünf Bücher veröffentlicht, darunter den Roman Im Schatten des Turmes - Eine Jugend im Ruhrgebiet, der für den Literaturpreis Ruhr 2009 nominiert war. Hochzeitsglocken ist ihr dritter Kriminalroman im Gmeiner-Verlag.