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Die Stadt der Engel

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
416 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am18.08.20171. Auflage
Der große Traum von einem besseren Leben Drei Frauen träumen in Hollywood den Traum von Geld, Glück und Ruhm. Aber das Leben spielt nicht so einfach mit. Jungfilmstar Chassi leidet unter Depressionen und ihrer glanzvollen Mutter. Ihre Psychologin Eleanor bringt für die junge Frau erstaunlich mütterliche Gefühle auf, mehr als für die eigene Tochter. Und die Kellnerin Ionie hüpft durch die Betten, um eine Schauspielkarriere zu machen. Der Zufall verwebt ihre turbulenten Schicksale, und plötzlich stehen sich Chassi und Ionie als Konkurrentinnen gegenüber.

Elaine Kagan, geboren in St. Louis, Missouri, spielte in mehreren Filmen mit (unter anderem in Martin Scorseses «Goodfellas») und arbeitete für den Regisseur John Cassavetes.
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Produkt

KlappentextDer große Traum von einem besseren Leben Drei Frauen träumen in Hollywood den Traum von Geld, Glück und Ruhm. Aber das Leben spielt nicht so einfach mit. Jungfilmstar Chassi leidet unter Depressionen und ihrer glanzvollen Mutter. Ihre Psychologin Eleanor bringt für die junge Frau erstaunlich mütterliche Gefühle auf, mehr als für die eigene Tochter. Und die Kellnerin Ionie hüpft durch die Betten, um eine Schauspielkarriere zu machen. Der Zufall verwebt ihre turbulenten Schicksale, und plötzlich stehen sich Chassi und Ionie als Konkurrentinnen gegenüber.

Elaine Kagan, geboren in St. Louis, Missouri, spielte in mehreren Filmen mit (unter anderem in Martin Scorseses «Goodfellas») und arbeitete für den Regisseur John Cassavetes.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783688104949
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum18.08.2017
Auflage1. Auflage
Seiten416 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2432484
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2

«Sie machen sich Sorgen um dich», sagte Saul Jennings zu seiner Tochter.

«Sie machen sich Sorgen um ihren Film, Daddy», widersprach Chassi.

Er nahm das schwere Kristallglas mit Scotch von der Bar, prostete ihr wortlos zu, ein leichtes Kopfnicken. «Darüber machen sie sich auch Sorgen, sie wären dumm, wenn sie es nicht täten.» Er nippte an seinem Drink. «Schließlich heißt es Showgeschäft, Liebes, weißt du noch?»

«Ich weiß.»

Er ging über den schweren Perserteppich und setzte sich in seinen Sessel, den größeren von zwei wunderschönen alten karamellfarbenen Lederohrensesseln, die zum Kamin hin ausgerichtet waren. Der kleinere war der von Chassis Mutter gewesen; Chassi saß auf dem Sofa gegenüber den Sesseln. Saul fuhr mit der Hand über die Beschlagnägel an der Armlehne, nahm noch einen Schluck Scotch und schaute seine Tochter an.

«Was hältst du von der Ärztin?»

«Der Seelenklempnerin? Ich weiß nicht.»

«Wieso weißt du nicht?»

«Sie sagt nichts.»

«Aha?»

«Sie sagt schon was; sie fragt, aber sie antwortet nicht.»

Saul gab einen undefinierbaren Laut von sich.

Chassi stellte sich ein rotes Samtband vor, das von einer Armlehne zur anderen über den Sessel ihrer Mutter gespannt war, damit kein anderer sich darauf setzen konnte. So war es im ganzen Haus, ein wahres Sally-Brash-Museum, es fehlte nur noch ein Schild. Ein imaginäres Samtband quer über den Ohrensessel und in Bögen weitergespannt: über die Flaschen und Tiegel, die immer noch bunt durcheinander auf ihrem Toilettentisch standen, in einer Schlaufe durch die großen chinesischen Messinggriffe an den Türen ihres begehbaren Kleiderschranks, rund um die goldenen Wasserhähne ihrer tiefen, auf Tierklauen stehenden Badewanne, durch die Ärmel ihres pinkfarbenen, mit einem Monogramm versehenen Bademantels, der innen an der Tür des Umkleidehäuschens am Pool hing. Als würde ihre Mutter hereinstürmen und, ein Klappern von Stöckelschuhen auf dem Parkett, die Treppe hochrasen, hinter sich eine flüchtige Wolke aus Gardenienduft und lautem Gelächter.

«Was?», fragte Chassi ihren Vater. Am Tor zu ihrer Auffahrt könnten sie einen Kiosk einrichten, wo die Leute ihre Eintrittskarten kaufen könnten, aber wo würden sie ihre Autos parken?

«Ich vermute, die Ärztin redet nicht, weil sie möchte, dass du redest.»

«Das weiß ich, Dad, aber es macht mich trotzdem nervös.»

«Klar, kann ich mir vorstellen.»

Chassi versuchte, sich ihren Vater auf der Couch gegenüber von Dr. Costello vorzustellen; sie unterdrückte ein Lachen.

«Wie sieht sie aus?»

«Keine Ahnung, du meinst, wenn du ihr eine Rolle geben müsstest?»

Saul Jennings´ leises Lächeln hinter Kristall und Bernstein: «Ja, genau.»

«Anne Bancroft mit sämtlichen Ecken und Kanten und ihrem Feuer, aber etwas mehr Fleisch auf den Knochen, vor etwa fünf oder zehn Jahren, aber mit ergrauendem Haar.»

Saul nickte. «Anne Bancroft fand ich immer gut, ein klasse Mädchen.» Er ließ das Glas sinken. «Hast du ihr von dem Weinen erzählt?»

«Noch nicht.»

«Ich dachte, deswegen wärst du hingegangen.»

«Ich dachte, ich müsste mich nach ihr richten.» Sie hielt seinem Blick stand.

«Hast Recht», sagte Saul, trank sein Glas aus und ließ die Eiswürfel klirren. «Ich bin sicher, dir geht es gut. Ein bisschen Schlaf, ein bisschen Spaß; wie wär´s, wenn du mit mir zu Abend essen würdest? Ich treffe mich im Dan Tana mit den Fiskins und den Bernheims.»

«Heute Abend nicht, Dad, ich glaube nicht.» Sie stand auf, ging durchs Zimmer. «Sag ihnen einen Gruß von mir.»

Saul streckte die Hand aus. «Und worüber stellt sie dir Fragen, Chassi?»

Sie hielt inne und sah ihn an. «Rom.»

 

Er dachte, es sei Heulerei, das hatte sie ihm erzählt, wie sie es auch allen anderen weisgemacht hatte. Ein Heulkrampf, weiter nichts. Hatte sie nicht das Recht, erschöpft zu sein, nachdem sie zwei volle Monate lang Nacht für Nacht vor der Kamera gestanden hatte? Chassi drehte das heiße Wasser in der Dusche auf. Eigentlich sollte sie ausziehen, sich eine eigene Wohnung suchen, es war allerhöchste Zeit. Es gab keinen Grund, in einem Museum für ihre Mutter zu leben, in einem Remake von Boulevard der Dämmerung, in dem ihr Vater eine schlechte Imitation der in Filmerinnerungen schwelgenden Gloria Swanson bot. Nicht dass irgendjemand es sehen könnte, sie lud ja nie jemanden ein; wen sollte sie auch fragen? Sie hatte einfach noch nicht herausgefunden, wie sie es ihm beibringen sollte, wollte nicht zusehen, wie er so tat, als mache es ihm nichts aus, wenn sie ginge. Sie hatte hier mit ihm gelebt, seit sie aus Rom zurückgekommen waren, seit dem Tag nach der Beerdigung ihrer Mutter, seit die beiden Filmfachblätter auf der ersten Seite die Schlagzeile gebracht hatten: FLUTWELLE SUCHT PACIFIC HEIM. In einer emotionsgeladenen Rede, die die Branche erschütterte, kündigte Saul Jennings heute an, er werde nach zweiundzwanzig Jahren als Vorstand und Generaldirektor der Pacific International Pictures zurücktreten. Er trat zurück und seine Anwälte handelten für ihn einen Vertrag als unabhängiger Produzent aus; er bezog eine schicke Büroetage in einem Century-City-Hochhaus und setzte nie wieder einen Fuß auf das Filmgelände. In den vierzehn Jahren seit dem Tod ihrer Mutter hatte Chassi immer gewusst, wo ihr Vater war - in seinem Büro, beim Essen mit Freunden oder in seinem Ohrensessel.

Chassi fuhr mit der Seife über ihre Brüste. Niemand lebte mit fünfundzwanzig noch bei seinem Vater. Sie ließ das heiße Wasser auf ihren Rücken prasseln. Aber ein normales Leben hatte sie sowieso nie gehabt. Und was machen deine Mutter und dein Vater? Ach, meine Mommy ist ein Filmstar und mein Daddy leitet das große Studio, in dem sie arbeitet. Chassi nahm das Shampoo. Das Studio. «Daddy kommt zu spät ins Studio, Kleines», und ihre Füße baumelten von oben herab, während ihr Vater sie in die Luft hielt und küsste, bevor er sie in der Auffahrt absetzte und ins Auto stieg. Seit ihrer Geburt war sie im Studio zu Hause gewesen, hatte dort ihren ersten Geburtstag gefeiert, eine knallbunte Angelegenheit mit Clowns und echten Ponys auf dem hinteren Gelände, an die sie sich natürlich nicht mehr erinnerte, hatte dort ihren ersten Job bekommen, als sie vier war, ein Auftritt in Howard Halls letztem Musical auf Bühne 16, und ihren ersten Mann gehabt, eine unbesonnene, atemberaubende Nummer im Stehen mit Marjorie Grissoms Fahrer Garris, im Dunkeln an die Tür von Marjorie Grissoms Garderobe gepresst. Der Leiter der Plakatmalerwerkstatt in der Ausstattungsabteilung hatte ihr beigebracht, wie sie mit Pinsel und Stock den jeweiligen Hintergrund für ihre wissenschaftliche Arbeit beschriften konnte, der Chefkostümbildner hatte dafür gesorgt, dass der Musterzeichner den Näherinnen für jedes Kostüm, das sie je zu Halloween trug, genaue Anweisungen gab, und der Leiter des Fuhrparks zeigte ihr nicht nur, wie man einen Gang einlegte, ohne dass der Motor stotterte, sondern führte sie auch in die erlesene Kunst des Schwanzlutschens ein. Chassi Jennings wuchs im Studio auf, sie liebte das Studio und das Studio liebte sie. Ihr wurde langsam schwindelig, sie hielt den Kopf unters Wasser, um das Shampoo auszuspülen; bevor sie umfiel, sollte sie lieber die Dusche verlassen.

 

«Die sind schon eine Stunde im Verzug», erklärte die Brünette auf dem Stuhl, der Ionie am nächsten stand.

Ionie stellte ihre Sporttasche, ihre Handtasche und ihre Wasserflasche auf dem Boden ab. «Eine Stunde? Ich habe mir schier die Beine ausgerissen, um rechtzeitig hier zu sein.»

«Die sind noch nicht mal da», sagte eine Blondine, die auf dem Fußboden saß. Sie verdrehte die Augen. «Die sind immer noch beim Mittagessen.»

Zu siebt warteten sie in einer Reihe im Flur vor dem Produktionsbüro, sieben Frauen; drei etwa in Ionies Alter, Ende zwanzig, und vier älter, vielleicht vierzig, fünfundvierzig. Ionie ließ sich zu Boden sinken. Eine Textzeile für sieben Frauen. Daraus bestand die ganze Rolle, aus dem einen Satz: «Was machen Sie da, Dr. Mills?» Die Figur hieß Frau Nummer zwei. Ionies Finger hatten Schweißflecken auf dem dünnen Papier hinterlassen, so oft hatte sie den Satz gelesen. Es war Faxpapier aus Als Gerät auf der Arbeit. Sie selbst hatte kein Fax, kein Handy, keinen Piepser. Sie hatte keine Netzwerke, trank keine Martinis, kam nicht in die Marmont Bar hinein. Was tat sie überhaupt in Hollywood? Wieder sprach sie sich den Satz vor, lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und nahm einen kräftigen Schluck Wasser.

«Ein Satz?», hatte Al gefragt. «Ist das alles?»

Ionie betrachtete das verschmierte Blatt Papier. «Glaub schon.»

«Wegen einem Satz musst du zum Vorsprechen?»

«Ja.»

«Du lieber Himmel! Man sollte doch meinen, dass sie dir die Rolle einfach geben.»

«Machen sie aber nicht, Al.»

«Sollte man aber meinen. Ist doch sowieso egal.»

Über ihre Schulter hinweg las er: « Was machen Sie da, Dr. Mills? Wer ist Dr. Mills?»

Ionie sah ihn an. «Keine Ahnung.»

«Ist er so was wie eine Hauptfigur?»

Sie war kurz davor, ihm eine zu verpassen, ihn genau zwischen die Augen zu boxen.

«Keine Ahnung, Al.»

«Was macht er denn, der gute alte Dr. Mills?»

«Keine Ahnung.»

«Wie, keine Ahnung?»

«Ich weiß es nicht», stöhnte sie.

«Den Rest von dem Ding hast du gar nicht?»

«Nein, Al.»

«Woher sollst du wissen, wie du Was machen Sie da, Dr. Mills? sagen sollst, wenn du gar nicht weißt, was Dr. Mills tatsächlich...
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