Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Der flüchtige Schimmer des Mondes

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am15.12.2017Auflage
Scharfsinnig nimmt hier die »grand old lady« Edith Wharton die amerikanische High-Society in Europa aufs Korn. Susy und Nick Lansing, beide ebenso unternehmungslustig wie brillant auf dem gesellschaftlichen Parkett, haben leider ein unpraktisches Manko: Sie sind ohne einen Cent. Weil sie trotzdem das Leben im Luxus lieben, verlegen sie sich ungeniert aufs Schmarotzen. Die beiden spüren immer mehr, dass sie unfrei sind, abhängig von ihren reichen Freunden. Eines Tages kommt es zum Eklat.

Edith Wharton (1862-1937) entstammte der New Yorker Patrizierschicht. Als Kind verbrachte sie längere Zeit in Frankreich, Deutschland und Italien, so dass sie, wie sie später meinte, Europa 'unausrottbar im Blut' hatte. Sie genoss eine sorgfältige Erziehung, ihre frühen literarischen Neigungen wurden jedoch kaum gefördert; schriftstellerische Ambitionen ziemten sich für Töchter aus ihren Kreisen nicht. Edith Wharton übersiedelte nach einer schwierigen Ehe 1906 nach Paris. Sie widmete sich nun ganz ihrer dichterischen Aufgabe, schrieb Romane, Erzählungen, Reiseberichte, kulturhistorische Essays. Ihre Vielseitigkeit und ihr Erzähltalent wurden mehrfach geehrt: 1921 erhielt sie den Pulitzerpreis, 1923 verlieh ihr die Yale University als erster Frau die Ehrendoktorwürde; es folgten die Goldene Medaille des National Institute of Arts and Letters und die Aufnahme in die American Academy of Arts and Letters. Edith Wharton gehört zu den bedeutendsten Schriftstellerinnen Amerikas.
mehr

Produkt

KlappentextScharfsinnig nimmt hier die »grand old lady« Edith Wharton die amerikanische High-Society in Europa aufs Korn. Susy und Nick Lansing, beide ebenso unternehmungslustig wie brillant auf dem gesellschaftlichen Parkett, haben leider ein unpraktisches Manko: Sie sind ohne einen Cent. Weil sie trotzdem das Leben im Luxus lieben, verlegen sie sich ungeniert aufs Schmarotzen. Die beiden spüren immer mehr, dass sie unfrei sind, abhängig von ihren reichen Freunden. Eines Tages kommt es zum Eklat.

Edith Wharton (1862-1937) entstammte der New Yorker Patrizierschicht. Als Kind verbrachte sie längere Zeit in Frankreich, Deutschland und Italien, so dass sie, wie sie später meinte, Europa 'unausrottbar im Blut' hatte. Sie genoss eine sorgfältige Erziehung, ihre frühen literarischen Neigungen wurden jedoch kaum gefördert; schriftstellerische Ambitionen ziemten sich für Töchter aus ihren Kreisen nicht. Edith Wharton übersiedelte nach einer schwierigen Ehe 1906 nach Paris. Sie widmete sich nun ganz ihrer dichterischen Aufgabe, schrieb Romane, Erzählungen, Reiseberichte, kulturhistorische Essays. Ihre Vielseitigkeit und ihr Erzähltalent wurden mehrfach geehrt: 1921 erhielt sie den Pulitzerpreis, 1923 verlieh ihr die Yale University als erster Frau die Ehrendoktorwürde; es folgten die Goldene Medaille des National Institute of Arts and Letters und die Aufnahme in die American Academy of Arts and Letters. Edith Wharton gehört zu den bedeutendsten Schriftstellerinnen Amerikas.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492979696
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum15.12.2017
AuflageAuflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse2566 Kbytes
Artikel-Nr.2498514
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Er ging für sie beide auf, ihr Honigmond, über einem See, der als malerischer Hintergrund romantischer Anwandlungen solche Berühmtheit genoß, daß sie einigermaßen stolz auf ihren Mut waren, ihn trotzdem zum Schauplatz ihrer Romanze gewählt zu haben.

»Man muß schon völlig humorlos sein - oder geradezu übermütig, um sich auf so ein Wagnis einzulassen«, meinte Susy Lansing, als sie beide, lässig auf die unvermeidliche Marmorbalustrade gelehnt, das Gestirn beobachteten, das sie beschützte und jetzt seinen Zauberteppich über das Wasser zu ihren Füßen breitete.

»Ja - oder man hat das Angebot von Strefford, in seiner Villa zu wohnen«, ergänzte ihr Mann und spähte durch die Zweige zu einem langgezogenen fahlen Fleck, dem der Mondschein allmählich die Umrisse einer weißen Hausfront verlieh.

»Ach, komm schon - wir konnten schließlich unter fünf Angeboten wählen. Zumindest wenn man die Wohnung in Chicago dazurechnet.«

»Du hast recht, mein Liebling.« Er legte seine Hand auf ihre, und diese Berührung weckte von neuem das Gefühl verwunderten Frohlockens, das jedesmal in ihr aufstieg, wenn sie sich das Abenteuer bewußtmachte, auf das sie sich eingelassen hatten. Auf die ihr eigene Art fügte sie mit einem verhaltenen Lachen hinzu: »Oder laß die Wohnung weg - wir wollen ja nicht prahlen -, und denk nur an die anderen Einladungen: das Haus von Violet Melrose in Versailles, die Villa deiner Tante in Monte Carlo - und ein Hochmoor!«

Absichtlich erwähnte sie das Moor nur beiläufig, aber doch mit genügend Nachdruck, damit er ihr ja nicht vorwerfen könnte, es zu unterschlagen. Allerdings schien er nicht die Absicht zu haben. Er bemerkte lediglich: »Armer Fred«, und sie begnügte sich mit einem unbekümmerten: »Nun ja ...«

Seine Hand ruhte weiter auf ihrer; lange standen sie schweigend, von der Schönheit der Nacht sanft umhüllt. Sie fühlte nur noch den warmen Strom von seiner Hand zu ihrer Hand, während der Mondschein über ihnen ein zauberisches Band von einem Ufer zum anderen zog.

Endlich sagte Nick Lansing: »Versailles im Mai, das wäre unmöglich gewesen: innerhalb von vierundzwanzig Stunden hätte uns die gesamte Pariser Clique die Tür eingerannt. Und Monte Carlo kam nicht in Frage, weil alle dachten, daß wir genau dorthin fahren würden. Es war also - mal ganz im Ernst - keine allzu große geistige Leistung, sich für Como zu entscheiden.«

Sofort wehrte sich seine Frau gegen dieses Herunterspielen ihrer Fähigkeiten. »Immerhin bedurfte es ziemlicher Überredungskunst, bis du eingesehen hast, daß wir den Spott über Como ertragen können.«

»Nun ja, mir wäre etwas nicht so Erlesenes lieber gewesen; zumindest habe ich das gedacht, bis wir hier angekommen sind. Jetzt ist mir klar, dieser Ort ist eine idiotische Wahl, es sei denn, man ist vollkommen glücklich. Und dann ist er - so gut wie jeder andere.«

Sie nickte unbeschwert. »Außerdem hat Streffy sich wirklich alle Mühe gegeben. Schon allein die Zigarren - von wem er die wohl hat, was meinst du?« Nachdenklich fügte sie hinzu: »Sie werden dir fehlen, wenn wir hier wegmüssen.«

»Oh, ich bitte dich, laß uns heute abend nicht von Abreise sprechen. Was interessieren uns Raum und Zeit? - Riechst du das Zeug da drüben, davon würde die Flasche eine Guinee kosten. Was ist das? Kamelien?«

»Mhm ... Glaube schon. Oder Gardenien ... Oh, die Glühwürmchen! Schau ... Da, wo der Mond sich im Wasser spiegelt. Äpfel aus Silber in einem Netz aus Gold ...« Sie lehnten sich so eng wie möglich aneinander und blickten gebannt auf das Glitzern der gekräuselten Wellen.

»In einem solchen Augenblick könnte ich sogar eine Nachtigall ertragen«, sagte Lansing.

Ein leises Glucksen kam aus den Magnolien hinter ihnen, dem ein langgezogenes Wispern aus dem Lorbeergestrüpp über ihren Köpfen antwortete.

»Schon ein bißchen spät im Jahr für sie: sie hören auf, und wir fangen gerade erst an.«

Susy lachte. »Ich hoffe nur, wir sagen einander genauso liebevoll auf Wiedersehen, wenn es soweit ist.«

Fast hätte ihr Mann geantwortet: »Sie verabschieden sich nicht voneinander, sie machen sich nur daran, für Nachwuchs zu sorgen.« Da in seiner Zukunftsplanung derlei jedoch nicht vorgesehen war - und in der von Susy ebensowenig -, lachte auch er und drückte sie fester an sich.

Die Frühlingsnacht zog sie immer tiefer in ihren Bann. Allmählich war das Wellengekräusel sanfter geworden und in seidige Glätte übergegangen, und hoch über den Bergen wechselte die Farbe des Mondes an dem mit verblassenden Sternen gesprenkelten Himmel von Gold zu Weiß. Jenseits des Sees verloschen die Lichter einer kleinen Stadt, eins nach dem anderen, und das ferne Ufer verlor sich in zerfließender Schwärze. Mit der leichten Brise, die an- und abschwoll, stieg der Duft von Blumen und Gras aus dem Garten auf; ein großer weißer Nachtfalter wurde über das Wasser getrieben, als wäre er ein Blütenblatt einer Magnolie. Die Nachtigallen waren verstummt, und das Plätschern des Brunnens hinter dem Haus war plötzlich aufdringlich.

Mit verträumter Stimme sagte Susy: »Ich habe darüber nachgedacht und meine, wir müßten es mindestens noch ein Jahr lang schaffen.«

Ihr Mann nahm ihre Bemerkung ohne jede Überraschung oder Mißbilligung auf; seine Antwort zeigte, daß er sie nicht nur verstand, sondern insgeheim das gleiche gedacht hatte.

»Du meinst, auch ohne die Perlen deiner Großmutter?« fragte er.

»Ja, auch ohne die Perlen.«

Er zögerte, dann fuhr er zärtlich flüsternd fort: »Sag mir nur, wie wir das anstellen sollen.«

»Na schön, setzen wir uns erst einmal hin. Nein, mir sind die Kissen am liebsten.«

Er streckte sich in einem Korbliegestuhl aus, sie kuschelte sich auf ein paar herumliegende Bootskissen und lehnte ihren Kopf an seine Knie. Um sie herum nichts als Frieden und Schönheit und Dauer, und ihr Glück war so vollkommen, daß es fast eine Erleichterung war, sich an den stürmischen Hintergrund aus Rechnungen und geliehenem Geld zu erinnern, vor dem sie es in seiner ganzen Zerbrechlichkeit errichtet hatten. »Leute mit einem Bankguthaben können gar nicht so glücklich sein«, meinte Susy grüblerisch.

Leute mit Bankguthaben waren seit jeher ein Schreckgespenst für Susy Branch, und für Susy Lansing sollten sie es weiterhin sein - nur noch gefährlicher. Sie verabscheute sie, verabscheute sie doppelt, als die natürlichen Feinde der Menschheit und als Leute, denen man ständig zu Gefallen sein mußte. Den größten Teil ihres Lebens hatte sie in ihrer Gesellschaft zugebracht, sie wußte fast alles über sie und beurteilte sie mit der verächtlichen Klarsichtigkeit, die eine fast zwanzig Jahre dauernde Abhängigkeit ihr verliehen hatte. Aber jetzt milderte nicht nur die friedfertig stimmende Liebe ihre Feindseligkeit, sondern auch die Tatsache, daß sie von ebendiesen Leuten mehr - und wieviel mehr! - bekommen hatte, als sie und Nick in ihren tollkühnsten Plänen je zu hoffen gewagt hatten.

»Schließlich verdanken wir ihnen all das hier«, sagte sie nachdenklich.

Ihr Mann, ganz in die träumerische Schönheit des Augenblicks versunken, hatte seine Frage nicht wiederholt, aber sie dachte weiter darüber nach. Ein Jahr - ja, sie war sich jetzt sicher, mit ein wenig Geschick müßten sie es ein ganzes Jahr lang schaffen. »Es«, das war ihre Ehe, ihr Zusammensein, weit weg von Leuten, die ihnen nicht lagen, in einer Kameradschaft, für die sie beide von Anfang an dankbar waren; aber zumindest sie hatte sich nicht träumen lassen, wieviel ihr diese Harmonie bedeuten würde.

Bei einer ihrer ersten Begegnungen - einem jener Abendessen, zu dem die Gillows eine bunt zusammengewürfelte Gesellschaft eingeladen hatten, die sie für »literarisch« hielten - war ihr der junge Mann, der zufällig neben ihr saß und von dem es hieß, er habe etwas »geschrieben«, als die Art von Luxus erschienen, den eine reiche Erbin Susy Branch sich aus reinem Übermut gegönnt hätte. Der verarmten Susy Branch machte es Spaß, sich auszumalen, was diese erfundene Doppelgängerin mit ihren Millionen machen würde, und das war es auch, was sie an ihren reichen Freunden am meisten störte - daß sie ihre Millionen so ohne jegliche Phantasie verschleuderten.

»Mir wäre so ein Ehemann lieber als eine Motorjacht«, dachte sie am Ende ihres Gesprächs mit dem jungen Mann, der etwas geschrieben hatte. Ihr war auf der Stelle klar gewesen, daß nichts, was seine Feder je hervorgebracht hatte oder noch hervorbringen würde, ihn in die Lage versetzen könnte, seiner Ehefrau etwas Aufwendigeres als ein Ruderboot zu bieten.

»Seiner Ehefrau! Als ob er je eine haben würde. Er gehörte ja auch nicht zu den Typen, die wegen einer Jacht heiraten.« Trotz ihrer Vergangenheit hatte Susy sich genügend innere Unabhängigkeit bewahrt, um verborgene Anzeichen davon bei anderen zu entdecken, und auch die Neigung, sie spontan genau jenen Vertretern des anderen Geschlechts zuzuschreiben, die sie zufällig interessierten. Für Leute, die sich mit dem brüsteten, was sie nur hätten hinzunehmen brauchen, empfand sie instinktiv Verachtung. Sie hatte selbst vor, irgendwann zu heiraten, denn schließlich wollte sie nicht ewig auf reiche Leute angewiesen sein; aber sie würde warten, bis sie jemanden fand, der ein Maximum an Reichtum mit zumindest einem Minimum an Umgänglichkeit verband.

Auf Anhieb hatte sie erkannt, daß der Fall des jungen Lansing genau das Gegenteil war: Er war bettelarm - aber so...
mehr

Autor

Edith Wharton (1862-1937) entstammte der New Yorker Patrizierschicht. Aus einer reichen, angesehenen Familie stammend, verbrachte sie ihr Leben in der Gesellschaft von Künstlern und Schriftstellern, darunter Henry James, Aldous Huxley und André Gide. Ab 1906 lebte sie in Frankreich. Als Meisterin der realistisch-gesellschaftskritischen amerikanischen Literatur erlebt sie heute weltweit ein Comeback.