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Mudbound - Die Tränen von Mississippi

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
384 Seiten
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am02.11.2017Auflage
Mississippi, 1946: Laura McAllan ist ihrem Ehemann zuliebe aufs Land gezogen, der als Farmer einer Baumwollplantage Fuß fassen will. Doch ihr ist die Umgebung fremd, und auf Mudbound gibt es weder fließendes Wasser noch Strom. Unterstützung erhalten die McAllans durch die Jacksons, ihre afroamerikanischen Pächter. Die aufgeweckte Florence Jackson hilft Laura, wo sie nur kann. Aber auch wenn der Alltag sie an ihre Grenzen treibt und sie für gewöhnlich nicht auf den Mund gefallen ist, würde sie es nicht wagen, ihre Stimme zu erheben und Missstände anzumahnen. In diese angespannte Situation geraten zwei junge Kriegsheimkehrer: Florences Sohn Ronsel und Lauras Schwager Jamie. Deren Freundschaft wird zu einer Herausforderung für beide Familien, und so lassen Missgunst und Ausgrenzung die Stimmung bald kippen ...

Hillary Jordan wuchs in Texas und Oklahoma auf. Sie studierte Anglistik, Politikwissenschaften und Kreatives Schreiben. Bevor sie anfing, Romane zu veröffentlichen, arbeitete sie viele Jahre als Werbetexterin. Ihr Debütroman »Mudbound - Die Tränen von Mississippi« wurde mehrfach ausgezeichnet und von der Presse hochgelobt. Sie lebt heute in Tivoli, New York.
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Produkt

KlappentextMississippi, 1946: Laura McAllan ist ihrem Ehemann zuliebe aufs Land gezogen, der als Farmer einer Baumwollplantage Fuß fassen will. Doch ihr ist die Umgebung fremd, und auf Mudbound gibt es weder fließendes Wasser noch Strom. Unterstützung erhalten die McAllans durch die Jacksons, ihre afroamerikanischen Pächter. Die aufgeweckte Florence Jackson hilft Laura, wo sie nur kann. Aber auch wenn der Alltag sie an ihre Grenzen treibt und sie für gewöhnlich nicht auf den Mund gefallen ist, würde sie es nicht wagen, ihre Stimme zu erheben und Missstände anzumahnen. In diese angespannte Situation geraten zwei junge Kriegsheimkehrer: Florences Sohn Ronsel und Lauras Schwager Jamie. Deren Freundschaft wird zu einer Herausforderung für beide Familien, und so lassen Missgunst und Ausgrenzung die Stimmung bald kippen ...

Hillary Jordan wuchs in Texas und Oklahoma auf. Sie studierte Anglistik, Politikwissenschaften und Kreatives Schreiben. Bevor sie anfing, Romane zu veröffentlichen, arbeitete sie viele Jahre als Werbetexterin. Ihr Debütroman »Mudbound - Die Tränen von Mississippi« wurde mehrfach ausgezeichnet und von der Presse hochgelobt. Sie lebt heute in Tivoli, New York.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492990677
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum02.11.2017
AuflageAuflage
Seiten384 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1167 Kbytes
Artikel-Nr.2499222
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
JAMIE

Henry und ich gruben ein gut zwei Meter tiefes Loch. Wäre es flacher gewesen, wäre die Leiche wahrscheinlich durch die nächste starke Überschwemmung nach oben gespült worden: Hallo, Leute! Da bin ich wieder. Diese Vorstellung ließ uns weitergraben, obwohl die Blasen an unseren Handflächen aufplatzten, neu entstanden und sich wieder öffneten. Jede Schaufel voll war eine Qual - der alte Mann wischte uns zum letzten Mal eins aus. Trotzdem machten mich die Schmerzen froh. Sie vertrieben Gedanken und Erinnerungen.

Als das Loch so tief war, dass unsere Schaufeln nicht mehr bis zum Grund reichten, kletterte ich hinunter und grub weiter, während Henry hin und her lief und den Himmel betrachtete. Nach dem vielen Regen war die Erde so aufgeweicht, dass es war, als bohre man sich in rohes Fleisch. Ich fluchte, weil ich sie mit den Händen von der Schaufel abkratzen musste, und das kostete Zeit. Zum ersten Mal seit drei Tagen hatte der Regen eine Pause eingelegt. Das war vielleicht für die nächste Zeit unsere letzte Chance, die Leiche unter die Erde zu bringen.

»Beeilung«, sagte Henry.

Ich schaute nach oben. Der Himmel hatte zwar die Farbe von Asche, doch aus dem Norden näherte sich bereits eine gewaltige schwarze Wolkenmasse. Und zwar schnell.

»Wir schaffen es nicht«, erwiderte ich.

»Und ob«, entgegnete er.

Das war typisch Henry: stets absolut überzeugt davon, dass sein Wille auch in Erfüllung gehen würde. Wir würden die Leiche begraben, bevor das Unwetter losbrach. Es würde rechtzeitig trocken werden, damit wir die Baumwolle neu aussäen konnten. Das nächste Jahr würde besser werden. Sein kleiner Bruder würde ihn nie verraten.

Ich grub schneller und verzog bei jedem Spatenstich das Gesicht. Mir war klar, dass ich jederzeit aufhören konnte. Dann würde Henry übernehmen, ohne sich zu beklagen, obwohl er fast fünfzig Jahre auf dem Buckel hatte und ich erst neunundzwanzig. Doch aus Stolz oder Sturheit, vielleicht auch aus beidem, grub ich weiter. Als er »Okay, ich bin dran« sagte, brannten meine Muskeln wie Feuer, und ich keuchte wie ein falsch betankter Motor. Er zog mich aus dem Loch heraus, und ich biss die Zähne zusammen, um nicht vor Schmerz zu schreien. Wegen der vielen Tritte und Schläge tat mir noch immer jeder Knochen im Leibe weh, aber davon ahnte Henry nichts.

Henry durfte niemals davon erfahren.

Ich kniete am Rand des Lochs und sah ihm beim Graben zu. Sein Gesicht und seine Hände waren so mit Schlamm verkrustet, dass ein Außenstehender ihn für einen Schwarzen hätte halten können. Zweifellos war ich genauso schmutzig, doch mich hätten meine roten Haare verraten. Die Haare meines Vaters wie fein gesponnenes Kupfer, sodass es Frauen in den Fingern juckte, es zu berühren. Ich hatte meine Haare schon immer gehasst. Genauso gut hätte ich einen lodernden Scheiterhaufen auf dem Kopf herumtragen können, der der Welt zurief, dass mein Vater ein Teil von mir war. Bei jedem Blick in den Spiegel schrie er es mir entgegen.

In etwa eins zwanzig Tiefe stieß Henrys Schaufel auf etwas Hartes.

»Was ist das?«, fragte ich.

»Wahrscheinlich ein Gesteinsbrocken.«

Aber es war kein Stein, sondern Knochen, ein menschlicher Schädel. Am Hinterkopf klaffte ein großes Loch. »Verdammt«, sagte Henry und hielt ihn ins Licht.

»Was machen wir jetzt?«

»Keinen blassen Schimmer.«

Wir blickten beide nach Norden. Das Schwarz rückte näher und verschlang den Himmel.

»Wir können nicht von vorne anfangen«, stellte ich fest. »Es könnte Tage dauern, bis es wieder aufhört zu regnen.«

»Mir gefällt das nicht«, widersprach Henry. »Es ist nicht richtig.«

Er grub trotzdem weiter, mit den Händen, und reichte die Knochen, auf die er stieß, zu mir hinauf: Rippen, Arme, Becken. Als er bei den Unterschenkeln angelangt war, klapperte Metall. Er streckte mir einen Wadenknochen entgegen, und ich bemerkte das grob geschmiedete, verrostete Fußeisen, das ihn umschloss. Eine zerrissene Kette baumelte daran.

»Gütiger Himmel«, stöhnte Henry. »Das ist das Grab eines Sklaven.«

»Woher willst du das wissen?«

Er griff nach dem zerschmetterten Schädel. »Siehst du? Ihm wurde in den Kopf geschossen. Wahrscheinlich wollte er fliehen.« Henry schüttelte den Kopf. »Damit wäre die Sache erledigt.«

»Was ist erledigt?«

»Wir können unseren Vater nicht in ein Niggergrab stecken«, antwortete Henry. »Das wäre für ihn die schlimmste Strafe. Und jetzt hilf mir raus.« Er streckte mir eine schlammige Hand entgegen.

»Es könnte auch ein geflohener Häftling sein«, wandte ich ein. »Ein Weißer.« Das war zwar durchaus möglich, doch ich hätte jede Wette abgeschlossen, dass es nicht zutraf. Henry zögerte. »Wie weit ist es bis zur Strafanstalt? Neun oder zehn Kilometer?«, fügte ich hinzu.

»Eher fünfzehn«, entgegnete er, ließ jedoch die Hand sinken.

»Komm«, sagte ich und hielt ihm nun meine Hand hin. »Leg eine Pause ein. Ich grabe ein bisschen weiter.« Als er sie umfasste, musste ich mir ein Lächeln verkneifen. Henry hatte recht: Unser Vater hätte getobt.

 

Während Henry wieder mit Graben beschäftigt war, sah ich Laura auf uns zukommen. Einen Eimer in jeder Hand, watete sie durch die überfluteten Felder. Ich kramte ein Taschentuch aus der Hosentasche und wischte mir damit einen Teil des Schlamms vom Gesicht. Eitelkeit war auch etwas, das ich von meinem Vater geerbt hatte.

»Da ist Laura«, meldete ich.

»Zieh mich hoch«, sagte Henry.

Ich packte ihn an den Händen und zerrte ihn, ächzend vor Anstrengung, über den Rand des Grabes. Schwer atmend stemmte er sich auf die Knie. Als er den Kopf senkte, fiel sein Hut herunter und gab eine große rosafarbene kahle Stelle frei. Der Anblick versetzte mir einen unerwarteten Stich. Er wird alt, dachte ich. Ich werde ihn nicht für immer um mich haben.

Er hob den Kopf und hielt Ausschau nach Laura. Als er sie sah, malten sich so intime Gefühle in seinen Augen, dass es mir peinlich war, Zeuge geworden zu sein: Sehnsucht, Hoffnung und ein Anflug von Sorge. »Ich mache besser weiter«, meinte ich, wandte mich ab und griff nach der Schaufel. Halb sprang, halb rutschte ich in das Loch hinab. Inzwischen war es ziemlich tief, sodass ich nicht mehr über den Rand spähen konnte. Besser so.

»Wie geht es voran?«, fragte Laura. Wie immer durchströmte mich ihre Stimme wie kaltes, klares Wasser. Es war eine Stimme, die eigentlich einer übersinnlichen Gestalt hätte gehören sollen. Einer Sirene oder einem Engel, nicht einer Farmersfrau mittleren Alters aus Mississippi.

»Wir sind fast fertig«, erwiderte Henry. »Noch ein halber Meter oder so, dann haben wir es.«

»Ich habe euch Essen und Wasser mitgebracht«, sagte sie.

»Wasser!« Henry lachte spöttisch auf. »Genau das brauchen wir jetzt. Noch mehr Wasser.« Ich hörte, wie die Schöpfkelle an den Eimer stieß und wie Henry schluckte. Im nächsten Moment ragte Lauras Kopf über den Rand des Lochs. Sie reichte mir die Schöpfkelle.

»Hier. Trink etwas.«

Ich stürzte das Wasser hinunter, obwohl mir ein Whiskey lieber gewesen wäre. Vor drei Tagen, kurz bevor die Brücke überflutet wurde und wir von der Stadt abgeschnitten waren, war mir der Alkohol ausgegangen. Meiner Schätzung nach war der Flusspegel inzwischen so weit gesunken, dass ich es ans andere Ufer hätte schaffen können - wenn ich nicht in diesem verdammten Loch festgesteckt hätte.

Ich bedankte mich und gab ihr die Schöpfkelle zurück. Allerdings schaute Laura nicht mich an, sondern starrte auf die andere Seite des Grabes, wo wir die Knochen abgelegt hatten.

»Mein Gott, sind die von einem Menschen?«, fragte sie.

»Wir konnten nichts tun«, erklärte Henry. »Wir hatten schon fast anderthalb Meter geschafft, als wir sie gefunden haben.«

Ich bemerkte, dass ihre Lippen zuckten, als ihr die Fußeisen und Ketten auffielen. Sie schlug die Hand vor den Mund und wandte sich an Henry. »Vergiss nicht, sie wegzuräumen, damit die Kinder sie nicht sehen«, sagte sie.

 

Als sich der Rand des Grabes fast einen halben Meter über meinem Kopf befand, hörte ich auf zu graben. »Komm und schau es dir an!«, rief ich. »Ich glaube, es ist tief genug.«

Henrys Gesicht erschien verkehrt herum über mir. Er nickte. »Ja. Das müsste reichen.« Ich gab ihm die Schaufel. Doch als er mich hochziehen wollte, klappte es nicht. Ich war zu tief unten, und unsere Hände und die Wände des Lochs waren zu glitschig.

»Ich hole die Leiter«, meinte er.

»Beeil dich.«

Ich wartete in dem Loch, um mich herum nichts als stinkender, schleimiger Schlamm. Über mir sah ich ein graues, sich verdunkelndes Rechteck. Den Kopf in den Nacken gelegt, stand ich da, wartete auf das Schmatzen von Henrys Stiefeln und fragte mich, warum er, verdammt noch mal, so lange brauchte. Falls ihm und Laura etwas zustoßen würde, dachte ich, wüsste niemand, dass ich hier bin. Ich krallte mich an den Rand des Grabes und versuchte, allein hinauszuklettern, aber meine Finger rutschten nur durch den Morast.

Dann spürte ich die ersten Regentropfen. »Henry!«, schrie ich.

Noch nieselte es nur, doch bald würde der Himmel seine Schleusen öffnen. Das Loch würde sich mit Wasser füllen. Ich würde spüren, wie es mir an...
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Hillary Jordan wuchs in Texas und Oklahoma auf. Sie studierte Anglistik, Politikwissenschaften und Kreatives Schreiben. Bevor sie anfing, Romane zu veröffentlichen, arbeitete sie viele Jahre als Werbetexterin. Ihr Debütroman "Mudbound - Die Tränen von Mississippi" wurde mehrfach ausgezeichnet und von der Presse hochgelobt. Sie lebt heute in Tivoli, New York.