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Unsere wunderbar kurze Zukunft

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
624 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am25.07.20181. Auflage
Der neue Roman vom Autor des internationalen Überraschungserfolgs »Ich hasse dieses Internet« New York City, 1986: Als die wohlhabende Kunststudentin Adeline in einem besetzten Haus im East Village auf Baby trifft, der mit nicht mehr als ein paar Dollar in der großen Stadt gestrandet ist, nimmt sie ihn bei sich auf. Sie zeigt ihm die Bars, die Drinks, die Kunst, das Leben. Nächtelang ziehen die beiden durch die Clubs von Downtown Manhattan, gehen feiern, getragen von der energetischen Lebenswut der Stadt. Ein euphorischer Roman über eine Freundschaft, die alles übersteht, selbst das Erwachsenwerden - weise, schnell, heiter.

Jarett Kobek hat an der NYU in New York City studiert und in der kalifornischen Techie-Szene gearbeitet. Mit seinen Texten wurde er für den Pushcart Prize nominiert. Sein Roman ?Ich hasse dieses Internet? wurde zu einem internationalen Überraschungserfolg und erscheint in sieben Sprachen. Jarett Kobek lebt in Los Angeles.
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Produkt

KlappentextDer neue Roman vom Autor des internationalen Überraschungserfolgs »Ich hasse dieses Internet« New York City, 1986: Als die wohlhabende Kunststudentin Adeline in einem besetzten Haus im East Village auf Baby trifft, der mit nicht mehr als ein paar Dollar in der großen Stadt gestrandet ist, nimmt sie ihn bei sich auf. Sie zeigt ihm die Bars, die Drinks, die Kunst, das Leben. Nächtelang ziehen die beiden durch die Clubs von Downtown Manhattan, gehen feiern, getragen von der energetischen Lebenswut der Stadt. Ein euphorischer Roman über eine Freundschaft, die alles übersteht, selbst das Erwachsenwerden - weise, schnell, heiter.

Jarett Kobek hat an der NYU in New York City studiert und in der kalifornischen Techie-Szene gearbeitet. Mit seinen Texten wurde er für den Pushcart Prize nominiert. Sein Roman ?Ich hasse dieses Internet? wurde zu einem internationalen Überraschungserfolg und erscheint in sieben Sprachen. Jarett Kobek lebt in Los Angeles.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104903910
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum25.07.2018
Auflage1. Auflage
Seiten624 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1431 Kbytes
Artikel-Nr.2504937
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Oktober 1986

Baby lernt das eine oder andere über das Leben in New York


Am nächsten Morgen zog Adeline das Rollo hoch, und ich sah auf das Mays und die anderen Läden am südlichen Rand des Parks. Die Zeckendorf Towers wuchsen in die Höhe.

Übrigens bekam ich wirklich einen neuen Haarschnitt. Adeline schwang höchstpersönlich die Schere. Jahrelang hatte ich mich unter einem Topfschnitt versteckt und den anständigen Jungen aus der Pampa gegeben. Adeline schnippelte die blonde Matte ab und beförderte meinen Knochenbau und überhaupt meine Kopfform zutage.

Für meine Kleidung pilgerten wir durch das Haus und nahmen die Almosen der Modestudenten an. Diese Spenden brachten mich durch die ersten Tage, bis Adeline am folgenden Montag mit mehreren großen Tüten in die Wohnung rauschte und behauptete, sie sei bei der Heilsarmee in der Fourth Avenue gewesen. Ich sah die zu sauberen Hemden und Hosen durch und bemerkte stumm, dass jemand vergessen hatte, die Preisschilder von Macy´s und Saks zu entfernen.

Vor sechs Tagen war ich noch ein langbeiniger Hinterwäldler gewesen, ein Landei, frisch von der Farm. Jetzt sah ich mich im Spiegel mit neuen Klamotten und einem knackigen Haarschnitt. Ich war umwerfend sexy. Und ganz eindeutig schwul. Das sah ich schon an meinen Lippen und dem Haaransatz, an den straffen Gesichtsmuskeln. Gott, wieso hatte ich gedacht, ich könnte mich verstecken? Ich war der totale Homo.

Wir sprachen nicht mehr über den Jungen, den Adeline aus einem besetzten Haus in Alphabet City gerettet hatte, den Kleinen, der zur persona non grata verblasst war, es fiel kein weiteres Wort über ihn, wie bei einem geistig zurückgebliebenen Cousin, den man in viktorianischen Zeiten in einer Anstalt auf dem Lande versteckt hatte.

Wochen verstrichen. Ich lief durch New York, und seine fieberhafte Energie drang mir bis in die Knochen. Der Gehweg vibrierte, Milliarden von Schritten hallten nach, von Jahrhunderten, in denen die Menschen die Straßen entlanggegangen waren, die Stadt pulsierte durch den unregelmäßigen Herzschlag von Millionen Autos und Lieferwagen, durch ihre laut rufenden Fußgänger, die Verkäufer und Betrüger. Der Lärm und Tumult infizierten mein Blut, veränderten meinen Gang. Das Schwerfällige war verschwunden, jetzt bewegte ich mich geschmeidig und schnell wie ein Schatten.

Ich ging immer mit, wenn Adeline mich fragte. Ich sagte nie nein. Vernissagen, Kinos, manchmal Museen. Ich erinnere mich noch an einen Film, den wir zusammen gesehen haben, Peggy Sue hat geheiratet im Quad Cinema, ein schmalziger Fantasyfilm von Francis Ford Coppola über eine Frau, die das fünfundzwanzigjährige Klassentreffen ihrer Highschool besucht.

Wie es dann immer so ist, wird Peggy Sue zur Königin der Veranstaltung gewählt. Bei ihrer Krönung bekommt sie einen Panikanfall, wird ohnmächtig und gleitet in die Dunkelheit ab. Als Peggy Sue wieder zu Bewusstsein kommt, findet sie sich in ihrer eigenen Vergangenheit wieder, gefangen in der Highschool und dazu verdammt, die Miseren ihrer Jugend noch einmal zu durchleben.

Am Anfang des Films ist Peggy Sue mit einiger Verspätung erwachsen geworden und beschließt, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und sich von ihrem untreuen Mann scheiden zu lassen. Bis zum Abspann hat sie sich den Demütigungen der Teenagerzeit unterworfen, weil der Scharfsinn einer erwachsenen Frau nicht vor den bescheuerten Fehlern der Jugend schützt. Peggy Sue fällt in ihre alte mädchenhafte Rolle zurück, wacht in der Gegenwart auf und hält ihrem Mann weiter die Stange. Adeline fand die Auflösung fürchterlich, sie meinte, sie sei antifeministisch, aber für mich war die Grundidee der eigentliche Horror, diese Vorstellung, das Universum könnte einem das Leben einfach so wegnehmen und einen in die Vergangenheit zurückzwingen.

Außerdem sahen wir uns Der Pate im Film Forum an der Ecke Watts Street und Sixth Ave. an, eine langschweifige Lederphantasie von dem gleichen Regisseur. Die Handlung ist ziemlich schlicht. Marlon Brando, der Urtyp des Biker-Sahneteilchens, herrscht über die Corleones, eine Familie von Klemmbrüdern. Marlons böse Jungs unterstehen dem Ältesten, dem ultramaskulinen und haarigen James Caan, der es auf dem ganzen Familienanwesen wie ein brünstiger Bulle treibt. Al Pacino geht bei diesem Lifestyle einer ab, nachdem ihm ein angegrauter Polizeichef Respekt vor der Peitsche beibringt. Al dreht völlig ab und macht jede Schlampe fertig, die ihm vor die Nase kommt. Der Film ist um Längen besser als Peggy Sue hat geheiratet.

Adeline kannte jeden und wurde zu zahllosen Partys eingeladen. Im East Village, im West Village, in Greenwich Village, Alphabet City, SoHo, der Upper East Side, Battery Park, sogar in den Randgebieten von New York. Wir besuchten alle.

Die einzigen Partys, die mir nicht gefielen, waren die von Leuten an der Parsons. Adeline konnte sich nicht zurückhalten. Sobald sie einen schwulen Kommilitonen traf, steckte sie uns zusammen.

- Aber, Baby, ihr beide habt so viele Gemeinsamkeiten. Überleg nur, worüber ihr reden könnt!

Ja, haben wir, dachte ich dann, aber ich konnte nicht, nicht so richtig, wenigstens damals nicht. Außerdem - bei einer Party? Wer will denn mit jemandem schlafen, den er bei einer Party kennengelernt hat?

Die Frage konnte ich mir sparen, Adeline lieferte die Antwort auch so. Unsere Partybesuche begründete Adeline unweigerlich mit ihrem Wunsch nach geeigneten Bettgenossen. In Wahrheit flirtete und tanzte sie stundenlang, schlief aber kaum mal mit jemandem. Was mich über den Unterschied zwischen der Vorstellung, die man von sich selbst hat, und dem, wie man wirklich ist, nachdenken ließ, über die große Kluft zwischen den Zielen der Menschen und den tiefen Macken in ihrer Persönlichkeit, die sich nicht glatthobeln lassen.

Wenige Glückliche nahmen alle Hürden und bekamen die Chance, sich in die Mysterien von Adelines Körperöffnungen zu versenken. Ich landete dann auf dem Sofa im Gemeinschaftszimmer.

Als Überlebensstrategie freundete ich mich mit Sally und Jane an. Jedenfalls versuchte ich es. Jane wurde nie mit mir warm, auch wenn sie meine vergeblichen Versuche zu schätzen wusste, mit ihr die Wohnung auf Vordermann zu bringen. Sally und ich verstanden uns trotz der Sprachbarriere gut, und sie gab mir oft etwas zu essen. Keine von beiden beschwerte sich bei der Wohnheimverwaltung.

Der ausdauerndste von Adelines jungen Männern behauptete, er käme aus Santiago, und sprach mit einem dicken Akzent, aber einmal lief ich mit ihm durch den Park zu einem Deli, um Limo zu kaufen. An der Kasse arbeitete ein junger Mexikaner. Er versuchte, sich mit dem Typen aus Santiago zu unterhalten. En Español. Und es kam nichts, nicht mal eine Antwort, der Typ aus Santiago bekam nur einen glasigen Blick, er erkannte die Sprache nicht.

Auf dem Rückweg plapperte Adelines Lustknabe in einem fort über Baseball, über die Mets, die er seit der World Series liebte, über Bill Buckner, das himmlische Geschenk von Tío Dios. Ich überlegte, Adeline etwas zu sagen, aber wozu der Ärger? In ein paar Wochen würde er sowieso verschwunden sein.

Ich selbst war zu spießig, zu rückschrittlich für echte Promiskuität. Ich nahm an, das würde noch kommen, irgendwie, wahrscheinlich, aber ich hatte meinen Wunsch nach anderen Männern und ihren Körpern gerade erst zugegeben. Vor meinem geistigen Auge ragten Jahrzehnte erigierter Schwänze auf. Noch genoss ich einfache Freuden. Ich war Adelines linkischer Freund, der stille Typ, der neben ihr stand, während sie vor ihren Kommilitonen Jeff Koons verriss. Es genügte mir, ihre prächtigen Körper zu betrachten, ihren banalen Gesprächen zuzuhören, all das Wunderbare zu genießen.

 

Ich labte mich an der Menschheit, an den einzelnen Menschen.

Etwa an dem Mann im zehnten Stock. Allein mit diesem herrlichen Wesen können wir New York City im Jahre des Herrn 1986 beschreiben.

Seine Erscheinung? Stattlich, nicht dick. Groß, graumelierter Kinnbart. War oft mit einem albernen Fedora zu sehen. Gelegentlich erspähte ich ihn, meist im Fahrstuhl, aber ich maß ihm nie übermäßige Bedeutung bei. Er wirkte wie einer der vielen Erwachsenen, die sich mit dem unglückseligen Umstand herumschlugen, dass vier Etagen ihres Apartmenthauses von einer Invasion zugedröhnter, liederlicher Collegestudenten belegt waren.

Und dann zeigte Adeline eines Tages auf ihn, als er unter dem Säulenvorbau hervorkam. Sie flüsterte:

- Siehst du den Mann da? Das ist Thomas M. Disch. Seine Bücher wirst du nicht kennen. Soweit ich es verstanden habe, schreibt er Science-Fiction. Was ziemlich schauderhaftes Zeug ist, meinst du nicht auch? Roboter und Raumschiffe.

Science-Fiction.

Zu den vielen Fehlern meines Vaters hatte seine lebenslange Hingabe zu diesem Genre gehört. Stapelweise vergammelnde Taschenbücher in der Scheune, vergilbte Bände, die ich lesen sollte. Ich weigerte mich. Das höchste der Gefühle war für mich Der Herr der Ringe. Was ihm, ehrlich gesagt, das Herz brach, weil der alte Mann ein Hardliner war und die Genres strikt trennte.

In einem Jahr ließ er seine Familie sitzen und fuhr zur MiniCon, einer Science-Fiction-Convention in Minneapolis. Ein Autor namens Spider Robinson war dort Ehrengast. Mein Vater liebte Robinsons Bücher, die, soweit ich wusste, alle in einem lasterhaften Saloon irgendwo im Weltall spielten. Als der alte Mann wieder zu Hause war, erzählte er bis zum Erbrechen, was er erlebt hatte. Von den Autoren, die er getroffen hatte, den Büchern, die sie signiert hatten, den...
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Autor

Jarett Kobek hat an der NYU in New York City studiert und in der kalifornischen Techie-Szene gearbeitet. Mit seinen Texten wurde er für den Pushcart Prize nominiert. Sein Roman >Ich hasse dieses InternetDas kurze wundersame Leben des Oscar Wao