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Die Frau unseres Lebens

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
304 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am21.03.20181. Auflage
Wie stark darf man in das Leben eines anderen Menschen eingreifen? In ihrem internationalen Bestseller erzählt Carla Guelfenbein einfühlsam von einer Dreiecksbeziehung, die sich zwischen tiefer Freundschaft, Liebe und Verrat bewegt. Ein überraschender Anruf, eine Einladung nach Chile - das Land, das der rastlose Kriegsreporter Theo bisher zu meiden gewusst hat: zu viele mühsam verdrängte Erinnerungen an eine Freundschaft, an eine Frau. Kurz entschlossen tritt Theo die Reise an, ohne damit zu rechnen, dass er an Antonios Seite die Frau finden wird, die er nie hat vergessen können: Clara. Nur vorsichtig tasten sich die drei an ihre gemeinsame Vergangenheit heran und an den Sommer 1986, als ihre Freundschaft jäh zerbrach. Sie hatten sich an der Universität von Essex kennengelernt: Theo, aus guter englischer Familie stammend, und der charismatische Exilchilene Antonio. Dessen unangepasster Blick und kämpferische Reden eröffnen Theo eine neue Welt, und zwischen den beiden Männern entwickelt sich eine intensive Freundschaft, in der kaum Platz für andere Menschen bleibt. Antonio, der vermeintlich Starke, ist besessen von dem Gedanken, in sein Heimatland zurückzukehren und dort wie sein vom Militär getöteter Bruder gegen die Diktatur zu kämpfen. Gerade er aber trägt schwer an der Liebesbeziehung zwischen seiner engsten Freundin, der Tänzerin Clara, und Theo. In einer rauschhaften Nacht begeht Antonio nicht nur Verrat an Theos Freundschaft, er stellt ihn auch vor die schwierigste Entscheidung seines Lebens.

Carla Guelfenbein, geboren 1959 in Santiago de Chile, gehört zu den erfolgreichsten Autorinnen ihres Landes. Als Reaktion auf das Regime Pinochets verließ sie als junge Frau Chile und studierte in England Biologie und Design. Heute lebt sie als Schriftstellerin und Drehbuchautorin wieder in ihrer Heimat. Ihre Romane wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt; auf Deutsch sind bereits erschienen »Die Frau unseres Lebens«, »Der Rest ist Schweigen« und» Nackt schwimmen«. Für ihren letzten Roman, »Stumme Herzen«, erhielt Carla Guelfenbein den renommierten Premio Alfaguara.
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Produkt

KlappentextWie stark darf man in das Leben eines anderen Menschen eingreifen? In ihrem internationalen Bestseller erzählt Carla Guelfenbein einfühlsam von einer Dreiecksbeziehung, die sich zwischen tiefer Freundschaft, Liebe und Verrat bewegt. Ein überraschender Anruf, eine Einladung nach Chile - das Land, das der rastlose Kriegsreporter Theo bisher zu meiden gewusst hat: zu viele mühsam verdrängte Erinnerungen an eine Freundschaft, an eine Frau. Kurz entschlossen tritt Theo die Reise an, ohne damit zu rechnen, dass er an Antonios Seite die Frau finden wird, die er nie hat vergessen können: Clara. Nur vorsichtig tasten sich die drei an ihre gemeinsame Vergangenheit heran und an den Sommer 1986, als ihre Freundschaft jäh zerbrach. Sie hatten sich an der Universität von Essex kennengelernt: Theo, aus guter englischer Familie stammend, und der charismatische Exilchilene Antonio. Dessen unangepasster Blick und kämpferische Reden eröffnen Theo eine neue Welt, und zwischen den beiden Männern entwickelt sich eine intensive Freundschaft, in der kaum Platz für andere Menschen bleibt. Antonio, der vermeintlich Starke, ist besessen von dem Gedanken, in sein Heimatland zurückzukehren und dort wie sein vom Militär getöteter Bruder gegen die Diktatur zu kämpfen. Gerade er aber trägt schwer an der Liebesbeziehung zwischen seiner engsten Freundin, der Tänzerin Clara, und Theo. In einer rauschhaften Nacht begeht Antonio nicht nur Verrat an Theos Freundschaft, er stellt ihn auch vor die schwierigste Entscheidung seines Lebens.

Carla Guelfenbein, geboren 1959 in Santiago de Chile, gehört zu den erfolgreichsten Autorinnen ihres Landes. Als Reaktion auf das Regime Pinochets verließ sie als junge Frau Chile und studierte in England Biologie und Design. Heute lebt sie als Schriftstellerin und Drehbuchautorin wieder in ihrer Heimat. Ihre Romane wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt; auf Deutsch sind bereits erschienen »Die Frau unseres Lebens«, »Der Rest ist Schweigen« und» Nackt schwimmen«. Für ihren letzten Roman, »Stumme Herzen«, erhielt Carla Guelfenbein den renommierten Premio Alfaguara.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104903408
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum21.03.2018
Auflage1. Auflage
Seiten304 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1485 Kbytes
Artikel-Nr.2504990
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

3

Ich bin sicher, dass jeder Moment alle zukünftigen in sich birgt, nur dass wir sie noch nicht entziffern können. Erst im Rückblick tritt zutage, wie die Dinge sich im Verborgenen fügen, und dann sagen wir uns, dass alles auf die Art geschehen ist, wie es geschehen musste. Ein aufmerksameres Auge, das in der Lage wäre, das Unsichtbare zu durchschauen, hätte die Zeichen wahrgenommen. Doch abgesehen von dem kryptischen Gespräch mit Antonio deutete nichts darauf hin, was Tage später geschehen sollte.

Kaum hatte Antonio mich im Zimmer allein gelassen, rief ich Sophie an, um ihr frohe Weihnachten zu wünschen. Begeistert erzählte sie, dass es bei Russells Fest ein Feuerwerk und Musiker gebe und dass der Weg zum Fluss dann mit bunten Sternen beleuchtet sei. Sie fragte mich, ob mein Geschenk noch heute komme oder ob sie bis morgen warten müsse. Bei all der Hektik meiner Reise nach Chile und der Unruhe, in die sie mich versetzte, hatte ich vergessen, es ihr mit einem Paketdienst zu schicken. Das passierte mir nicht zum ersten Mal. Ihre Stimme wurde schärfer. Ich sah sie vor mir, wie sie im Stolz ihrer acht Jahre die Nase reckte. Sie sagte, sie müsse jetzt noch etwas fertig machen, ich solle sie später anrufen. Sophies Stimme und ihre verdeckten Vorwürfe, wie sie für Erwachsene so typisch sind, verstörten mich. Es war nicht leicht, aus der Ferne Vater zu sein. Jede Nachlässigkeit, jedes Wort, im Alltag ohne größere Bedeutung und jederzeit umkehrbar, bekamen ein Gewicht, das ich nur schwer wieder ausgleichen konnte.

Antonio, Marcos und Pilar erwarteten mich auf der Terrasse. Clara war zum See hinunter schwimmen gegangen.

»Hier, von Clara«, sagte Antonio und reichte mir einen Pisco Sour, »hat sie extra für dich gemacht.«

Von weitem sah ich Clara ins Wasser steigen. Ich musste an ihre wohlgeformten Tänzerinnenbeine denken, ihren Bauch mit den festen Muskeln an den Seiten und ihre wunderbaren Brüste. Nichts davon konnte ich auf die Entfernung erkennen, aber es kam mir in den Sinn wie Tausende Male zuvor in all diesen Jahren.

Die untergehende Sonne entflammte die Landschaft und enthüllte jedes Detail: die rötlichen, gewundenen Stämme der Myrtenbäume, das satte Grün der Boldosträucher, das Filigran der Südbuchen, deren Namen Antonio aufzählte, als nähme er sie mit dem Bezeichnen in Besitz. Dann sahen wir Clara den Hang heraufkommen, und so, wie er es mit den Bäumen getan hatte, nannte Antonio ihren Namen: »Clara.« Er nahm sein Glas am unteren Ende, hielt es sich vors Auge und folgte ihr durch das trübe Glas.

»Alles in Ordnung?«, fragte sie in die Runde, als sie zu uns auf die Terrasse kam. Und dann, zu mir gewandt: »Entschuldige, dass ich einfach gegangen bin, Theo, ich dachte, ihr wollt bestimmt einen Augenblick allein sein.«

Ich merkte, dass sie es war, die erst einmal allein sein musste. Vielleicht war die ganze Situation für sie genauso schwierig wie für mich. Mir gegenüber war sie jedenfalls im Vorteil. Sie hatte von meinem Besuch gewusst, während ich es immer noch nicht schaffte, ihren unerwarteten Anblick zu verdauen.

Clara und Pilar gingen in die Küche. Ich trank meinen Pisco Sour und folgte ihnen. Ich dachte, ich könnte ihnen helfen, aber beide winkten ab. Durchs Fenster sah ich die weiten, grünenden Wiesen.

»Habt ihr das Häuschen schon lange?«

»Etwa fünf Jahre«, antwortete Clara. »Marcos und Pilar haben uns zum ersten Mal hierher gebracht.«

Pilar erzählte mir die Geschichte der Gegend. Voller Genugtuung versicherte sie, Marcos und sie seien die ersten Fremden gewesen, die sich hier niedergelassen hätten.

»Wir machen mal einen Ausflug zu ihrem Haus, du wirst staunen«, sagte Clara, während sie weiter hantierte.

Dann drehte sie sich um und schaute mich lange an, als wollte sie nach einer Erinnerung haschen.

»Du hast dich verändert, Theo«, sagte sie lächelnd.

Letzten Endes lief alles darauf hinaus, herauszufinden, was heil geblieben und was mit der Zeit kaputtgegangen war, als könnten wir unser eigenes Leben erst im Vergleich mit dem gelebten Leben der anderen beurteilen. Ich hätte ihr gern gesagt, dass sie sich nicht sehr verändert hatte, aber das hätte bedeutet, dass meine Gefühle sich auch nicht geändert hätten. Ich machte eine resignierte Miene, die lustig sein wollte, und verließ die Küche.

Ich setzte mich zu Antonio und Marcos. Sie blickten ins Dunkel der Landschaft. Aus dem Kamin drang die Hitze der brennenden Scheite. Antonio füllte mein Glas nach. Er erzählte von seinen Plänen, die Stadt zu verlassen und hierher zu ziehen, wo er weiter seine Kolumnen für verschiedene Zeitungen schreiben wollte. Als ich wissen wollte, welche Art Kolumnen er schrieb, lachten beide. Offenbar beschäftigte er sich hauptsächlich damit, gegen Gott und die Welt vom Leder zu ziehen. Dann versuchte ich in Erfahrung zu bringen, was aus seinen Idealen geworden war, aber er wich meiner Frage aus und sprach von den Klassikern, die, wie es schien, von einem Hobby aus Studententagen zu einer echten Leidenschaft geworden waren.

»Cicero unterteilt die Menschen in solche, die nach Ruhm streben, die kaufen oder verkaufen, und solche, die das Geschehen und die Art, wie es geschieht, betrachten. Offenbar gehöre ich mittlerweile zu Letzteren«, sagte er mit einem ironischen Lächeln. »Was meinst du, Marcos?«

Marcos machte eine vage Handbewegung, die durchaus Zustimmung bedeuten konnte, und stand auf, um das Feuer zu schüren. Antonio zündete sich eine Zigarette an. Der Mond beschien die im See versinkenden Hänge.

»Und dein Vater?«, fragte ich, wohl wissend, dass seine Erwähnung eine für uns beide unbequeme Erinnerung heraufbeschwören musste.

»Er ist vor über zehn Jahren an Krebs gestorben, Bauchspeicheldrüse«, sagte er, ohne mich anzuschauen.

Seine Bitterkeit war nicht zu überhören. Mit dieser knappen Erklärung hatte er alles gesagt.

Es waren zu viele Dinge, die sich nicht ansprechen ließen, zu viele Momente, an die keiner von uns dreien sich erinnern wollte, und doch waren sie da, nach all den Jahren, lauerten in den Falten unseres Gedächtnisses, unseres Bewusstseins, darauf wartend, hervorzubrechen.

»Erzähl mir von deiner Tochter, von Sophie. Wer ist ihre Mutter?«, fragte er und lenkte so unser Gespräch in harmlosere Gefilde. Er sprach die Wörter »Tochter« und »Sophie« sehr sanft aus. Er beugte sich vor, schaute mich an und wartete, dass ich etwas sagte.

Während der langen Stunden im Flugzeug hatte ich mir die eindringlichsten Momente meines Lebens als Kriegsreporter noch einmal vergegenwärtigt. Antonio hatte mir den Anstoß gegeben, seinetwegen und wegen Clara hatte ich die nötige Courage, die Wut und den Idealismus aufgebracht, all die Zeit in irgendwelchen Schützengräben zu hocken. Und jetzt, wo Antonio vor mir saß, verspürte ich das kindische Bedürfnis, mich vor ihm als tapferer Mann zu beweisen, als ein Mensch, der bereit ist, sein Leben für eine Handvoll Überzeugungen hinzugeben. Aber nichts davon schien in seinem Kokon Platz zu haben. Einstweilen hatte ich keine andere Wahl, als ihm von Rebecca zu erzählen und wie es dazu kam, dass sie die Mutter meiner einzigen Tochter war. Ich hätte schweigen können, aber egal, welches Türchen Antonio wählte, am Ende gelangten wir unweigerlich in diesen Raum, der seit fünfzehn Jahren verschlossen war. Undenkbar, dass er mich an diesen abgelegenen Ort gerufen hatte, um mit mir ein paar Cocktails zu trinken und von Dingen zu sprechen, die ihn letztlich nichts angingen.

Clara kam aus der Küche und ging in ein Zimmer neben meinem. Antonio fing meinen Blick auf und lächelte.

Am liebsten hätte ich Rebecca als eine dieser Frauen stilisiert, die das Schicksal von Männern, ganzer Länder prägen, hätte verheimlicht, dass es sich um eine US-Amerikanerin handelte, deren auffälligstes Merkmal ein Körper war, mit dem sie jeden um den Verstand brachte.

»Ich habe Rebecca in Mexiko kennengelernt. Ich war dort, um über die Wahlen zu berichten. Sie sang in der Bar des Hotels, wo die meisten Reporter wohnten. Drei Wochen waren wir zusammen. Tagsüber ging ich meiner Arbeit nach, und abends saß ich in der Bar und hörte ihr zu. Die ersten Tage waren berauschend, aber dann verlor sie ihren geheimnisvollen Reiz. Rebecca war eine dieser Frauen, die allzu freimütig reden und alles auf ein paar billig parfümierte Sätze reduzieren.« Antonio und Marcos stimmten lächelnd zu, mit dieser Kumpelhaftigkeit der Männer, wenn sie von Frauen sprechen. Ich fühlte mich unangenehm berührt. »Nach den Wahlen flog ich zurück nach London«, fuhr ich fort. »Rebecca brachte mich zum Flughafen. Als wir uns verabschiedeten, sagte sie mir, sie sei schwanger. Neun Monate später wurde Sophie geboren.«

»Lebst du mit deiner Tochter zusammen?«, fragte Antonio.

»Nein, nicht.«

Das war der wunde Punkt. Ich lebte nicht mit Sophie zusammen. Überhaupt waren wir nie länger als zwei Wochen am Stück zusammen gewesen. Rechtfertigungen hatte ich zur Genüge, meine unbeständige Arbeit oder wie sehr Sophie an ihrer Mutter hing. Aber es bereitete mir immer wieder Gewissensbisse, und ich war nicht bereit, sie mit Antonio zu teilen.

Zum Glück erschienen Clara und Pilar im Wohnzimmer. Clara trug eine bequeme Hose und Sandalen. Ein changierendes Tuch bedeckte ihre Brust und ließ ihren flachen, gebräunten Bauch frei. Das Haar hatte sie hochgesteckt.

»Du siehst phantastisch aus«, sagte Antonio und sah mich fest an.

Offenbar sollte ich jetzt etwas sagen, aber ich schwieg. Antonios Blicke machten mich langsam rasend. Brauchte er mich und meine Sehnsucht nach Clara, um selbst in Schwung zu kommen? Oder...
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Autor

Carla Guelfenbein, geboren 1959 in Santiago de Chile, gehört zu den erfolgreichsten Autorinnen ihres Landes. Als Reaktion auf das Regime Pinochets verließ sie als junge Frau Chile und studierte in England Biologie und Design. Heute lebt sie als Schriftstellerin und Drehbuchautorin wieder in ihrer Heimat. Ihre Romane wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt; auf Deutsch sind bereits erschienen »Die Frau unseres Lebens«, »Der Rest ist Schweigen« und» Nackt schwimmen«. Für ihren letzten Roman, »Stumme Herzen«, erhielt Carla Guelfenbein den renommierten Premio Alfaguara.Thomas Brovot übersetzt aus dem Spanischen und Französischen (u. a. Juan Goytisolo, Federico García Lorca, Mario Vargas Llosa, Severo Sarduy, Jean-Baptiste Andrea) und lebt in Berlin. Seine Arbeit wurde ausgezeichnet mit dem Übersetzerpreis der Spanischen Botschaft, dem Helmut-M.-Braem-Übersetzerpreis und dem Paul-Celan-Preis.