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Bumerang

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
608 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am22.08.20181. Auflage
Seine Stories sind clever, unerwartet, einfallsreich, sie sind anarchisch, absurd und bewegend, erzählt mit wilden Ideen und großer menschlicher Tiefe. Etgar Keret, der unvergleichliche Meister der kurzen Form, kann auf wenigen Seiten sagen, wofür andere Romane brauchen. Bei ihm gewinnt am Ende immer das Leben. Mit »Bumerang« erscheinen Kerets beste und meistgefeierte Geschichten aus den frühen Jahren - erstmals versammelt in einem kompakten Band.

Etgar Keret wurde 1967 in Ramat Gan, Israel, geboren und ist einer der bedeutendsten zeitgenössischen Schriftsteller Israels. Er schreibt Kurzgeschichten, Graphic Novels und Drehbücher. Bei S. Fischer erschienen die beiden Storybände »Die sieben guten Jahre« sowie »Plötzlich klopft es an der Tür«. Keret lebt mit seiner Frau und seinem Sohn in Tel Aviv.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextSeine Stories sind clever, unerwartet, einfallsreich, sie sind anarchisch, absurd und bewegend, erzählt mit wilden Ideen und großer menschlicher Tiefe. Etgar Keret, der unvergleichliche Meister der kurzen Form, kann auf wenigen Seiten sagen, wofür andere Romane brauchen. Bei ihm gewinnt am Ende immer das Leben. Mit »Bumerang« erscheinen Kerets beste und meistgefeierte Geschichten aus den frühen Jahren - erstmals versammelt in einem kompakten Band.

Etgar Keret wurde 1967 in Ramat Gan, Israel, geboren und ist einer der bedeutendsten zeitgenössischen Schriftsteller Israels. Er schreibt Kurzgeschichten, Graphic Novels und Drehbücher. Bei S. Fischer erschienen die beiden Storybände »Die sieben guten Jahre« sowie »Plötzlich klopft es an der Tür«. Keret lebt mit seiner Frau und seinem Sohn in Tel Aviv.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104905532
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum22.08.2018
Auflage1. Auflage
Seiten608 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1223 Kbytes
Artikel-Nr.2505498
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Dein Mann

Als Re´ut sagte, dass sie Schluss machen wollte, war ich voll geschockt. Das Taxi hielt gerade vor ihrem Haus, und sie stieg auf der Bürgersteigseite aus und sagte, sie wollte nicht, dass ich mit raufkam, und sie wollte auch nicht wirklich darüber reden und am besten eigentlich nie wieder etwas von mir hören, nicht einmal zu Neujahr oder Glückwünsche zum Geburtstag, und danach knallte sie die Tür des Taxis dermaßen brutal zu, dass ihr der Fahrer einen Fluch nachwarf. Ich blieb völlig paralysiert auf dem Rücksitz. Wenn wir wenigstens vorher gestritten hätten oder so was, dann wäre ich vielleicht eher darauf gefasst gewesen, aber der Abend war echt gelungen. Stimmt schon, der Film war nicht so besonders, aber abgesehen davon war alles wirklich ganz friedlich gewesen. Und dann auf einmal dieser Monolog, das Türknallen und peng! Unser ganzes letztes gemeinsames halbes Jahr im Eimer. »Also was machen wir?«, fragte der Fahrer und linste in den Rückspiegel. »Soll ich dich nach Hause bringen? Hast du so was überhaupt? Zu deinen Eltern? Zu Freunden? In einen Massagesalon auf der Allenbystraße? Du bist der Boss, du bist der King.« Ich wusste nicht, was ich mit mir anfangen sollte, ich wusste nur, dass es nicht fair war. Nach der Trennung von Hila hatte ich mir geschworen, ich würde keine mehr nah genug an mich ranlassen, dass sie mich so verletzen könnte, aber dann war Re´ut aufgetaucht, und alles war dermaßen optimal, ich hatte das einfach nicht verdient. »Recht hast du«, knurrte der Fahrer. Er schaltete den Motor aus und verstellte die Sitzlehne nach hinten, »warum sollen wir fahren, wo es doch so nett hier ist. Mir persönlich ist das scheißegal, der Zähler läuft.« Und exakt da gaben sie im Funk diese Adresse durch: »Wagen für Hebräische Kompanie 9, wer ist in der Nähe?« Diese Adresse, die hatte ich schon einmal gehört, und sie war mir voll im Gedächtnis geblieben, als ob sie jemand mit einem Nagel da eingestanzt hätte.

Auch als ich mich von Hila getrennt hatte, war es so, im Taxi beziehungsweise, genauer, in dem Taxi, das sie zum Flughafen brachte. Sie sagte, das ist das Ende, und ich habe tatsächlich nichts mehr von ihr gehört. Auch damals blieb ich so zurück, allein, festgenagelt auf dem Rücksitz. Der Fahrer damals redete in einer Tour, endlos viel, und ich bekam kein Wort mit. Aber diese ätzende Adresse im Funk, ausgerechnet an die erinnere ich mich ganz hervorragend - »Hebräische Kompanie 9, wer übernimmt?« Und jetzt auch, kann sein, dass es Zufall war, aber ich sagte trotzdem zum Fahrer, dass er losfahren sollte, ich musste einfach wissen, was dort war. Genau als wir ankamen, sah ich ein anderes Taxi davonfahren, und drinnen, auf dem Rücksitz, die Silhouette eines kleinen Kopfes, wie der von einem Kind oder Säugling. Ich bezahlte den Fahrer und stieg aus.

Es war ein privates Haus. Ich machte das Tor auf, ging den Pfad entlang, der auf die Tür zuführte, und drückte auf die Klingel. Es war ziemlich bescheuert, ich weiß nicht, was ich gemacht hätte, wenn mir jemand aufgemacht hätte, was ich gesagt hätte. Ich hatte dort nichts verloren, und ganz sicher nicht zu einer solchen Zeit in der Nacht. Aber ich war dermaßen wütend, dass es mir scheißegal war. Ich drückte noch mal auf die Klingel, ausgiebig, danach klopfte ich vehement an die Tür, wie in der Armee, wenn wir Durchsuchungen von Haus zu Haus machten, aber es machte keiner auf. In meinem Kopf begannen sich die Gedanken an Re´ut und Hila mit anderen Trennungen zu verwirren, und das Ganze wurde zu einer Art Klumpen. Und dieses Haus, wo sie nicht aufmachten, an dem regte mich echt was auf. Ich fing an, es zu umrunden, suchte nach einem Fenster, durch das man hineinspähen könnte. Dieses Teil hatte aber keine Fenster, nur so eine Hintertür aus Glas. Ich versuchte durchzuschauen - alles drinnen war finster. Ich blieb beharrlich, aber meine Augen wollten sich nicht anpassen. Es schien so, als ob, je mehr ich es versuchte, da drinnen alles bloß noch dunkler wurde. Das trieb mich zum Wahnsinn, komplett zum Wahnsinn. Plötzlich sah ich mich selber wie von außen, wie ich mich bückte, einen Stein aufhob, ihn ins Sweatshirt einwickelte und die Scheibe einschlug.

Ich griff mit der Hand nach innen, passte auf, damit ich mich nicht an den Glaskanten schnitt, und machte die Tür auf. Drinnen tastete ich nach dem Lichtschalter, doch als ich ihn gefunden hatte, ging nur ein mickriges gelbes Licht an. Eine einzige Glühbirne für den ganzen großen Raum. Exakt das war dieser Ort - ein riesiger Raum ohne irgendwelche Möbel, total leer, außer einer Wand, die völlig mit Bildern von Frauen bedeckt war. Ein Teil der Fotos war gerahmt, ein Teil einfach mit einem Stück Tesa an die Wand geklebt, und ich kannte sie alle: Da war Roni, meine Freundin beim Militär, und Daniela, mit der ich ging, als ich noch in der Oberstufe war, Stefanie, eine Freiwillige in unserem Kibbuz, und Hila. Sie waren alle da, und in der linken Ecke der Wand, in einem zarten Goldrahmen, hing ein Bild von Re´ut, lächelnd. Ich machte das Licht aus und kauerte mich, am ganzen Leibe zitternd, in einer Ecke des Raumes zusammen. Ich wusste nicht, wer der Mann war, der hier lebte, warum er mir das antat, wie er es bloß immer schaffte, alles zu ruinieren. Aber plötzlich fügte sich alles zusammen, diese ganzen Trennungen, dieses Verlassen, das aus dem Nichts auftauchte - Daniela, Hila, Re´ut. Das war nie eine Sache zwischen uns gewesen, es war immer nur er.

Ich weiß nicht, wie lang es dauerte, bis er ankam. Zuerst hörte ich, wie das Taxi davonfuhr, und danach das Schlüsselgeräusch an der Vordertür, dann ging das Licht wieder an, und da stand er vor mir und lächelte, der miese Wichser, schaute mich einfach an und lächelte. Er war kleinwüchsig, hatte die Größe von einem Kind, mit riesigen Augen ohne Wimpern, und in der Hand hielt er eine bunte Plastikmappe. Als ich aus meiner Ecke hochkam, kicherte er bloß wie so ein Perversling, den man gerade auf frischer Tat ertappt hatte, und fragte, wie ich hierhergelangt sei. »Auch sie hat dich verlassen, was?«, sagte er, als ich schon ganz nah bei ihm war, »nicht so tragisch, es kommt immer eine andere.« Und ich, ich knallte ihm statt einer Antwort den Stein auf den Kopf, und als er umfiel, hörte ich gar nicht mehr auf. Ich wollte keine andere, ich wollte Re´ut, wollte, dass ihm das Lachen verging. Und die ganze Zeit, wo ich mit dem Stein auf ihn eindrosch, heulte dieser Typ bloß: »Was machst du, was machst du, was machst du denn, ich bin dein Mann, dein Mann«, bis er dann aufhörte. Danach kotzte ich. Und als ich mit Kotzen fertig war, empfand ich eine riesige Erleichterung, wie bei den Manövern in der Armee, wenn dich jemand unter der Bahre ablöst, und plötzlich fühlst du dich so leicht, dass du dich nicht mal dran erinnerst, wie man sich überhaupt so fühlen kann. Leicht, wie ein Kind. Und der ganze Hass, die Schuld und die Angst, dass sie mich vielleicht erwischen würden, alles wurde einfach von dieser Leichtigkeit verschluckt.

Hinter dem Haus, nicht weit weg, war so eine Art Gebüsch, und dort warf ich ihn rein. Den Stein und das Sweatshirt, die voller Blut waren, verbuddelte ich im Hof. In den Wochen danach suchte ich die ganze Zeit in den Zeitungen nach ihm, auch in den Nachrichten und den Vermisstenanzeigen, aber nirgendwo stand was. Re´ut reagierte nicht auf meine Nachrichten auf ihrer Konserve, und einer aus der Arbeit erzählte mir, dass er sie auf der Straße mit irgendeinem großen Blonden gesehen hätte, was mir einen herben Stich versetzte, aber ich wusste, da war nichts zu machen, das war schon Vergangenheit. Kurz danach fing ich an, mit Mia auszugehen. Von Anfang an war das Ganze mit ihr unheimlich vernünftig, so dermaßen okay. Und anders als sonst meistens bei Mädchen, war ich vom ersten Augenblick an echt offen zu ihr, ohne Verteidigungsmechanismen. In der Nacht träumte ich hin und wieder von diesem Zwerg, wie ich seine Leiche ins Gebüsch geschmissen hatte, und wenn ich aufwachte, dann hatte ich in der ersten Sekunde total Angst, aber eine Sekunde darauf sagte ich mir, dass es keinen Grund dazu gab, denn er war nicht mehr da, und danach umarmte ich Mia und schlief weiter.

Mia und ich trennten uns im Taxi. Sie sagte, ich sei voll zu und würde aber auch schon dermaßen überhaupt nichts überreißen, dass sie manchmal am allerschlimmsten auf der ganzen Welt leiden könnte, und ich sei trotzdem sicher, dass sie gut drauf ist, bloß weil ich in dem Moment gut drauf war. Sie sagte, dass wir schon seit längerer Zeit Probleme hätten, aber dass sie mir gar nie auffielen. Und danach fing sie zu weinen an. Ich versuchte, sie zu umarmen, aber sie rückte von mir ab und sagte, wenn mir irgendwas an ihr liegen würde, dann würde ich sie gehen lassen. Ich wusste nicht, ob ich ihr hinterherrennen und hartnäckig bleiben sollte. Im Taxifunk gaben sie eine Adresse durch: »Kampf 4«. Ich sagte zum Fahrer, er solle mich dorthin bringen. Als wir ankamen, stand da schon ein anderes Taxi, in das ein Junge und ein Mädchen, ungefähr in meinem Alter, vielleicht ein kleines bisschen jünger, einstiegen. Ihr Fahrer sagte etwas, und sie lachten. Ich ließ mich zur Hebräischen Kompanie 9 weiterfahren. Ich suchte seine Leiche im Gebüsch, aber sie war nicht da. Das Einzige, was ich finden konnte, war eine rostige Stange. Ich hob sie auf und beschloss, zum Haus zu gehen.

Das Haus schaute genau wie damals aus, stockfinster, mit der zerbrochenen Glasscheibe an der Hintertür. Ich steckte die Hand hinein, suchte die Klinke, wobei ich aufpasste, dass ich mich nicht schnitt. Den Lichtschalter fand ich...
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Autor

Etgar Keret wurde 1967 in Ramat Gan, Israel, geboren und ist einer der bedeutendsten zeitgenössischen Schriftsteller Israels. Er schreibt Kurzgeschichten, Graphic Novels und Drehbücher. Bei S. Fischer erschienen die beiden Storybände »Die sieben guten Jahre« sowie »Plötzlich klopft es an der Tür«. Keret lebt mit seiner Frau und seinem Sohn in Tel Aviv.Barbara Linner, geboren 1955 in München, Studium der Judaistik, Orientalistik und südosteuropäischer Geschichte, ist die Übersetzerin von u.a. Yiftach Ashkenazy, Assaf Gavron, Jehoschua Kenaz, Judith Katzir, Ron Leshem und Joshua Sobol.