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Du kommst auch drin vor

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
412 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am17.11.20171. Auflage
Als Hanns Dieter Hüsch einem Freund erzählte, daß er dabei sei, sein Leben aufzuschreiben beziehungsweise seine sogenannte Biografie begonnen habe, sagte dieser: »Da komm ich doch sicher auch drin vor?« »Aber natürlich«, sagte Hüsch, »aber klar, du kommst auch drin vor.« Und so fand er den Titel für seine Erinnerungen. Es sind Gedankengänge eines fahrenden Poeten, die Erinnerungen eines Kleinkunst-Tramps. »Wir sterben an Erinnerung, habe ich einmal kühn behauptet« - so Hanns Dieter Hüsch -, »ich gehe und fahre durch die Welt, ich komme und gehe wieder.« Und er, der vielbeschäftigte Kabarett-Nomade, der stets unterwegs war, viel fuhr und viel ging, hatte eine besondere, anfänglich leidgeprüfte Beziehung zu seinen Füßen. »Ich verdanke mein Leben meinen Füßen. Damit das klar ist. Sie standen bei meiner Geburt 180 Grad exakt nach hinten und in der Achse 90 Grad nach innen, so daß, wenn ich gleich hätte tanzen wollen, um zu zeigen, daß ich ein neuer Eulenspiegel, nicht aus Magdeburg oder aus dem Flandernland, aber vom Niederrhein bin, ich auf den Enkelknochen hätte hin und her springen müssen. Das hätte gewiß recht komisch ausgesehen, und so überschreibe ich mein erstes Lebenskapitel auch mit: Orthopädie und Entertainment. Unterhaltung als Überlebensmittel, als Waffe gegen den Schmerz. Und so bin ich eigentlich mein ganzes Leben hin und her gesprungen, mal mit der Fackel in der Hand, mal mit der Narrenkappe auf dem Gehirn.«

Hanns Dieter Hüsch wurde am 6. Mai 1925 in Moers geboren. Nach kurzem Studium, erst der Medizin, dann der Theaterwissenschaft und Literaturgeschichte, wurde er 1947 Kabarettist, anfänglich mit Soloprogrammen, von 1956 bis 1962 im Ensemble »Arche Nova«, danach hauptsächlich wieder Soloprogramme. Verleihung des Deutschen Kleinkunstpreises, der Ehrenbürgerwürde der Johannes-Gutenberg-Universität, Mainz, und der Gutenberg-Plakette der Stadt Mainz. Hanns Dieter Hüsch starb am 6. Dezember 2005 in Werfen.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR19,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextAls Hanns Dieter Hüsch einem Freund erzählte, daß er dabei sei, sein Leben aufzuschreiben beziehungsweise seine sogenannte Biografie begonnen habe, sagte dieser: »Da komm ich doch sicher auch drin vor?« »Aber natürlich«, sagte Hüsch, »aber klar, du kommst auch drin vor.« Und so fand er den Titel für seine Erinnerungen. Es sind Gedankengänge eines fahrenden Poeten, die Erinnerungen eines Kleinkunst-Tramps. »Wir sterben an Erinnerung, habe ich einmal kühn behauptet« - so Hanns Dieter Hüsch -, »ich gehe und fahre durch die Welt, ich komme und gehe wieder.« Und er, der vielbeschäftigte Kabarett-Nomade, der stets unterwegs war, viel fuhr und viel ging, hatte eine besondere, anfänglich leidgeprüfte Beziehung zu seinen Füßen. »Ich verdanke mein Leben meinen Füßen. Damit das klar ist. Sie standen bei meiner Geburt 180 Grad exakt nach hinten und in der Achse 90 Grad nach innen, so daß, wenn ich gleich hätte tanzen wollen, um zu zeigen, daß ich ein neuer Eulenspiegel, nicht aus Magdeburg oder aus dem Flandernland, aber vom Niederrhein bin, ich auf den Enkelknochen hätte hin und her springen müssen. Das hätte gewiß recht komisch ausgesehen, und so überschreibe ich mein erstes Lebenskapitel auch mit: Orthopädie und Entertainment. Unterhaltung als Überlebensmittel, als Waffe gegen den Schmerz. Und so bin ich eigentlich mein ganzes Leben hin und her gesprungen, mal mit der Fackel in der Hand, mal mit der Narrenkappe auf dem Gehirn.«

Hanns Dieter Hüsch wurde am 6. Mai 1925 in Moers geboren. Nach kurzem Studium, erst der Medizin, dann der Theaterwissenschaft und Literaturgeschichte, wurde er 1947 Kabarettist, anfänglich mit Soloprogrammen, von 1956 bis 1962 im Ensemble »Arche Nova«, danach hauptsächlich wieder Soloprogramme. Verleihung des Deutschen Kleinkunstpreises, der Ehrenbürgerwürde der Johannes-Gutenberg-Universität, Mainz, und der Gutenberg-Plakette der Stadt Mainz. Hanns Dieter Hüsch starb am 6. Dezember 2005 in Werfen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783688106936
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum17.11.2017
Auflage1. Auflage
Seiten412 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse889 Kbytes
Artikel-Nr.2512858
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Hagenbuch-Geschichte
Hagenbuch und die Schriftsteller




Hagenbuch

Hat jetzt zugegeben

Daß er in seinen jungen Jahren

Weit vor der Zeit in Bless-Hohenstein

Allerdings erst

Nach langem Bitten und Betteln

Und inständigem Zureden eines Freundes

Nämlich des flämischen Wortspielers

Jacob Butenbleiber

Im Hochsommer

An einem Schriftstellertreffen

Im holländischen Utrecht

Teilgenommen habe



Soweit er sich noch erinnere

Habe man ihn damals

In einem ganz weißen Hotel

Untergebracht

In einem Hotel

In dem alles

Aber auch wirklich alles

Von oben bis unten ganz weiß

Gewesen sei



Auch die Schriftsteller

Und Schriftstellerinnen

Die alle in diesem ganz weißen Hotel

Gewohnt

Wären alle ganz weiß gewesen

Alle hätten ganz weiße Hosen und Jacken

Röcke und Blusen

Und ganz weiße Turnschuhe getragen

Und jeden Tag ganz weißen Blumenkohl gegessen

Und wenn man nicht ganz genau hingesehen

Habe man in diesem Hotel

Kaum noch etwas unterscheiden können

Und plötzlich einen Schriftsteller

Für einen Blumenkohl

Oder einen Blumenkohl für eine Schriftstellerin Gehalten

So weiß wäre alles gewesen

Wie eine weiße Weste in einer weißen Welt

Habe Hagenbuch

Soweit er sich noch erinnere

Damals immer wieder gedacht



Andererseits

Habe ihn Hagenbuch

Dieses ganz weiße Hotel in Utrecht

An eine Zeit erinnert

In der er acht Jahre alt gewesen

Und in der ihm sein Vater versprochen habe

Ihm Hagenbuch

Ein Haus zu zeigen

Das von oben bis unten ganz aus Glas sei

Ganz aus Glas habe sein Vater immer wieder gesagt

Ein Haus das von oben bis unten

Ganz aus Glas sei



Sein Vater habe damals oft

Zur Regierung nach Düsseldorf gemußt

Um dort einige Entschuldigungen vorzutragen

Und einmal habe er ihm

Dem achtjährigen Hagenbuch versprochen

In die Hand versprochen

Daß es in Düsseldorf in der Regierung

Ein Haus ganz aus Glas gebe

In dem er

Hagenbuch

Auf ihn seinen Vater

Wenn er bei der Regierung wäre

Gefälligst warten solle

Es habe sich aber später herausgestellt

Daß sein Vater nur die Pförtnerloge gemeint

Die bis zur Hälfte von unten aus Holz

Und dann erst in der oberen Hälfte

Viele kleine viereckige Fensterchen aus Glas

Gehabt habe



Dennoch sei es für ihn

Den achtjährigen Hagenbuch

Ein großer Tag gewesen

Denn als sein Vater seine Entschuldigungen

In der Regierung hinter sich gebracht

Habe er ihn

Den achtjährigen Hagenbuch

An die Hand genommen

Und sei mit ihm

In ein feines Restaurant gegangen



Dort hätten sie beide

Ziemlich weltscheu und menschenfremd

Inmitten von vielen feinen Leuten gesessen

Und versucht ein feines Essen zu sich zu nehmen



Als Nachtisch habe es für jeden

Einen großen Pfirsich gegeben

Aber sie hätten beide ihre Pfirsiche nicht gegessen

Sondern jeder habe seinen Pfirsich

Verstohlen in die Jackentasche gesteckt

Und erst auf der Heimfahrt in der Straßenbahn

Hätten sie beide in ihren Pfirsich gebissen

Dann aber nicht gewußt

Wohin mit dem Pfirsichkern



Schließlich hätten sie beide

Auf ein Zeichen seines Vaters unisono

Ihre Pfirsichkerne heimlich auf den

Boden fallen lassen

Und jeder habe dann seinen Pfirsichkern

Mit den Füßen in eine Lücke

Des Holzrostes hineingedrückt

Und dann hätten sie beide zum

Fenster hinausgeguckt

Als wären sie gerade in New York

Gewesen



Insofern habe das Hotel in Utrecht

Das von oben bis unten ganz weiß

Gewesen sei

Doch seine große Bedeutung gehabt

Es habe ihn an das Haus erinnert

Das sein Vater ihm damals versprochen

Und das dann doch nicht ganz aus Glas

Gewesen sei

Ferner an das feine Restaurant

An den Pfirsichkern

Und an seinen Vater



Der Schriftstellerkongreß in Utrecht

Habe unter dem Leitwort gestanden

Jeder schreibe vor seiner eigenen Tür

Nur wenn jeder vor seiner eigenen Tür schriebe

Wäre noch Hoffnung da

Da aber die meisten Schriftsteller

Und Schriftstellerinnen kaum noch

Vor ihrer eigenen Tür schrieben

Sondern meist nur noch vor anderen Türen

Darum sehe es in der heutigen Welt so aus



Schreibe nun jeder vor seiner eigenen Tür

Habe der Präsident der Schriftsteller

Der holländische Schriftsteller Jan van Nymwegen

In seiner Einleitungsrede

Mehrmals mahnend gesagt

Präzision

Und wenns sein muß

Vivisektion

Dabei habe er immer mit einem Bleistift

Auf das Rednerpult geschlagen

Präzision

Und wenns sein muß

Vivisektion



Überhaupt wären damals im Hochsommer

In Utrecht nur Schriftsteller gewesen

Selbst der Portier des ganz weißen Hotels

Wäre Schriftsteller gewesen

Es habe überall

Wo man auch hingetreten

Von Schriftstellern gewimmelt

Auch die Kellnerinnen in den Cafés

Wären Schriftstellerinnen gewesen

Jeder habe sichtbar ein kleines Ausweiskärtchen

Getragen

Mit der Aufschrift

Hier schreibt für Sie Karl Friedrich Klöpfer

Oder

Hier liest für Sie Angelika Waldmann

Oder

Hier diskutiert mit Ihnen Hansheinrich Wohlfahrt

Oder

Hier unterschreibt für Sie Götz Darmstadt

Das geschriebene Wort

Habe damals im Hochsommer

Einer zum anderen gesagt

Das geschriebene Wort lebt



Am dritten Tag

Als schon alle Schriftsteller und Schriftstellerinnen

Aus ihren Werken gelesen

Und der 1. Preis an die israelische Lyrikerin

Myriam Braunschweiger

Und der 2. Preis an die amerikanische Erzählerin

Caroline Springfield

Gegangen war

Habe der Präsident

Nach nochmaligem Zureden

Von Jacob Butenbleiber

Hagenbuch erlaubt

Natürlich außer Konkurrenz

Auch etwas vorzulesen

Unter der Bedingung

Daß er das

Was er vorlese

Eigenhändig geschrieben habe



Und inmitten von allen

Weißgekleideten Schriftstellern und

Schriftstellerinnen

Habe er

Hagenbuch

In seinem schmuddeligen verwahrlosten

Eingelaufenen verwaschenen dunklen

Anzug dagestanden

Und in seinen Jackentaschen

Nach verschiedenen Zetteln gesucht

Sekunde Herr Präsident

Habe er gesagt

Sekunde

Und weiter gesucht

Und dabei dem Präsidenten erklärt

Warum er

Hagenbuch

Vorne an seinem linken Schuh

Ein großes Loch habe

Das wäre wegen seiner Hammerzehen

Denn seine Zeigezehe und seine Daumenzehe

Oder auch die sogenannte große Zehe

Hätten bei seiner Geburt

Nicht wie bei den meisten Schriftstellern

Und Schriftstellerinnen

Schön nebeneinandergelegen

Sondern die Zeigezehe habe schon halbwegs

Über der Daumenzehe gelegen

Und so etwas nenne man ja bekanntlich

Unter Medizinern

Hammerzehen



Sein

Hagenbuchs erster Roman

Spiele im ehemaligen Usbekistan

Habe eine Länge von circa 32 Sekunden

Und heiße

Die Welt die plötzlich nicht mehr da war



Als der usbekische Schriftsteller

Eines Morgens erwachte

Und wie immer zuerst einmal

Zum Fenster hinausschaute

Sah er

Daß die Welt nicht mehr da war



Da rief er seine Frau

Annemarie

Rief er

Sieh doch mal

Die Welt ist nicht mehr da



Du hast recht

Sagte seine Frau

Tatsächlich

Die Welt ist nicht mehr da



Ja und

Sagte der Schriftsteller

Worüber soll ich nun schreiben

Und wovon sollen wir nun leben



Nun

Sagte seine Frau

Vielleicht schreibst du mal was

Über mich und dich

Circa 32 Sekunden



Hier habe

Hagenbuch

Lange belustigt zu Boden geguckt

Und der Präsident habe gefragt

Ist das alles



Und Hagenbuch habe geantwortet

Wie Sie gesagt haben Herr Präsident

Jeder schreibe vor seiner eigenen Tür



Unglaublich

Habe der Präsident gesagt

Unglaublich



Unglaublich aber wahr

Habe Hagenbuch gesagt



Er arbeite zur Zeit

An einem Roman

Der nur eine Länge von circa fünf

Sekunden haben solle

Und den er posthum

Dem irischen Schriftsteller Samuel Beckett

Widmen möchte

Erlöser bitte kommen bitte kommen Ende

Circa fünf Sekunden

Denn dichten

Heiße ja verdichten Herr Präsident

Verdichten



Sein zweiter vollendeter Roman

Habe dagegen wieder ein Länge von circa

18 Sekunden

Und spiele

Im ehemaligen Frankreich

Als der französische Schriftsteller

Eines Abends

Lange genug sein weißes Blatt Papier

Angestarrt hatte

Legte er die Feder aus der Hand

Und sagte

Kein Wort mehr

Bestieg ein Schiff und fuhr nach Afrika

Um dort einer banalen Tätigkeit

Nachzugehen



In diesem Augenblick

Wäre die Hautfarbe

Aller anwesenden weißgekleideten Schriftsteller

Und Schriftstellerinnen

Von einem zarten Seegrün

Über ein...


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Autor

Hanns Dieter Hüsch wurde am 6. Mai 1925 in Moers geboren. Nach kurzem Studium, erst der Medizin, dann der Theaterwissenschaft und Literaturgeschichte, wurde er 1947 Kabarettist, anfänglich mit Soloprogrammen, von 1956 bis 1962 im Ensemble »Arche Nova«, danach hauptsächlich wieder Soloprogramme. Verleihung des Deutschen Kleinkunstpreises, der Ehrenbürgerwürde der Johannes-Gutenberg-Universität, Mainz, und der Gutenberg-Plakette der Stadt Mainz. Hanns Dieter Hüsch starb am 6. Dezember 2005 in Werfen.