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Der Gutshof im Alten Land

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
416 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am20.08.2018
Frühling 1919: Edzard von Voss, der Patriarch eines herrschaftlichen Gutshofs im Alten Land, liegt im Sterben. Seine Söhne sind im Krieg vermisst und wahrscheinlich gefallen, der Erbe wäre nun sein raffgieriger Neffe Roland, den Edzards Tochter Finja aus Familienraison heiraten soll. Unerwartet steht jedoch ein Kamerad des jüngsten Sohnes Lennart vor der Tür, der diesem ähnlich sieht. Edzards Frau beschließt, den angenehmen Fremden als ihren Sohn auszugeben. Der Schwindel gelingt, Finja ist frei - sehr zum Ärger von Roland. Doch dann taucht plötzlich eine junge Frau auf, die behauptet, Lennart sei der Vater ihres kleinen Kindes ...

Micaela Jary stammt aus Hamburg und wuchs im Tessin auf. Sie arbeitete lange als Journalistin, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Nach einem langjährigen Aufenthalt in Paris lebt sie heute mit Mann und Hund in Berlin und München. Zum Schreiben begibt sie sich aber auch in ein kleines Landhaus nahe Rostock.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,00
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EUR1,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR2,99

Produkt

KlappentextFrühling 1919: Edzard von Voss, der Patriarch eines herrschaftlichen Gutshofs im Alten Land, liegt im Sterben. Seine Söhne sind im Krieg vermisst und wahrscheinlich gefallen, der Erbe wäre nun sein raffgieriger Neffe Roland, den Edzards Tochter Finja aus Familienraison heiraten soll. Unerwartet steht jedoch ein Kamerad des jüngsten Sohnes Lennart vor der Tür, der diesem ähnlich sieht. Edzards Frau beschließt, den angenehmen Fremden als ihren Sohn auszugeben. Der Schwindel gelingt, Finja ist frei - sehr zum Ärger von Roland. Doch dann taucht plötzlich eine junge Frau auf, die behauptet, Lennart sei der Vater ihres kleinen Kindes ...

Micaela Jary stammt aus Hamburg und wuchs im Tessin auf. Sie arbeitete lange als Journalistin, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Nach einem langjährigen Aufenthalt in Paris lebt sie heute mit Mann und Hund in Berlin und München. Zum Schreiben begibt sie sich aber auch in ein kleines Landhaus nahe Rostock.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641203702
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum20.08.2018
Seiten416 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3411 Kbytes
Artikel-Nr.2514777
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Fort Oglethorpe, Georgia, USA

13

Ein warmer Wind strich über die Straße und wirbelte Staub und Schmutz auf, bog die in der Hitze verdorrten Halme eines Unkrauts am Wegesrand. Er trieb Sandkörner in Gerrits Augen, schien beim Einatmen seine Lunge zu verkleben und kroch unter die Kleidung, um auf seiner Haut zu kratzen. Die vergangenen drei Jahre hatte er mehr mit dem Wetter gekämpft als mit den Unannehmlichkeiten der Internierung. Doch als er jetzt auf eine Mitfahrgelegenheit wartete, die ihn zum nächstgelegenen Bahnhof nach Chattanooga auf der anderen Seite des Tennessee River bringen sollte, empfand er die Brise und ihre Begleiterscheinungen seltsamerweise als angenehm. Sie waren ein Beweis dafür, dass er die Haft bei relativ guter Gesundheit überstanden hatte, dass er stark und mutig war - und dass er lebte.

Die Sommer in den Südstaaten waren lang und heiß. Da sich auf dem Gelände des Camps kein einziger Baum befand, gab es auch keinen Schatten. Anfangs war es Gerrit von Voss würdelos erschienen, aber nach einer Weile war er wie die meisten seiner Mitgefangenen unter die auf Pfählen erbauten Baracken gekrochen, um den einzig möglichen Schutz vor der sengenden Sonne zu finden. Er lernte es als Wohltat zu schätzen, obgleich als kurze, denn natürlich war die Zeit, über die er frei verfügen konnte, begrenzt. Dennoch genoss er mehr Vorteile als die meisten anderen Gefangenen.

Er wusste nicht genau, welcher glückliche Umstand ihn in die Abteilung A des Lagers gebracht hatte. Vielleicht half ihm eine Verwechslung, möglicherweise war auch das Adelsprädikat für die Unterbringung verantwortlich. Einen anderen Grund konnte es nicht für das Privileg geben, seine Kameraden in Block A verfügten ansonsten in der Regel über eine deutlich höhere Reputation als er: Der Dirigent des Philharmonischen Orchesters in Boston, Karl Muck, war ebenso darunter wie eine Reihe renommierter Wissenschaftler aus dem Deutschen und dem Habsburgerreich, die an amerikanischen Universitäten gelehrt hatten, darüber hinaus die Leiter von Unternehmensniederlassungen aus der Heimat. Fünfundzwanzig Mann teilten sich eine Baracke. Man musste sich selbst verpflegen, was gar nicht so schlecht war, denn zu den Insassen gehörten auch Chefköche des Norddeutschen Lloyd und der Hamburg-Amerika-Linie; auf Letzterer hatte Gerrit damals seine Überfahrt gebucht. Er arbeitete in der Tischlerei und in der Schmiede und schickte täglich ein Dankgebet in den Himmel, weil er nicht auf den nahen Feldern eingesetzt wurde, um Baumwolle zu pflücken. Diese und andere schwere Arbeiten oblagen den Bewohnern von Lager B. Die Männer dort wurden häufiger krank, litten an Darminfektionen, Nierenstörungen, Rheumatismus oder bekamen Malaria, als hätten sie zu den Schutztruppen in den afrikanischen Kolonien gehört. Gerrit erkundigte sich und erfuhr, dass Fort Oglethorpe auf dem Breitengrad von Marokko lag. Zumindest hatte er nun eine Erklärung für das Wetter.

Bereits ein Jahr vor seiner Verhaftung war er von der Polizei verhört worden. Er arbeitete damals als Reporter für die Freie Presse im New Yorker Stadtteil Brooklyn, einer der noch verbliebenen deutschsprachigen Zeitungen im Land, viele der Blätter waren aufgrund der von Anfang an kritischen Haltung der USA gegenüber den Mittelmächten bereits in den ersten beiden Kriegsjahren eingestellt worden. Für Gerrit war die Tätigkeit für die Freie Presse ein Glücksgriff, er hatte hier gleich nach seiner Einreise einen ersten Job als Bürobote gefunden und war rasch zum Reporter aufgestiegen. Seine gute Erziehung, seine Bildung, das Studium am Kolonialinstitut in Hamburg und seine daraus resultierenden hervorragenden Englischkenntnisse waren gewiss ebenso hilfreich wie sein Talent, mit anderen Menschen umzugehen. Er war gut aussehend, intelligent, vornehm, freundlich und ehrgeizig - eine brillante Mischung, um Türen zu öffnen oder Gesprächspartner zu gewinnen, ganz gleich, ob es sich um einen einfachen Arbeiter an den Hafendocks handelte oder um einen Mitarbeiter der Kaiserlichen Gesandtschaft in Washington wie etwa Franz von Rintelen, den undurchsichtigen Assistenten des Militärattachés Franz von Papen, der gerade zu Besuch in Manhattan weilte.

Durch das an sich harmlose Interview mit Franz von Rintelen wurde mit einer Verzögerung von mehreren Monaten nicht nur der Chefredakteur der auflagenstarken New Yorker Staatszeitung auf den jungen Journalisten aufmerksam, sondern auch das Bureau of Investigation. Obwohl Rintelen im Sommer 1916 bereits wegen Spionage in Großbritannien in Haft saß, galt er als Drahtzieher eines Anschlags auf ein Munitionslager an den Docks von New York. Die Explosion der Waffen, die eigentlich zum Transport nach England bestimmt waren, war so heftig, dass sogar die über einen Kilometer entfernte Freiheitsstatue erheblich beschädigt wurde. Auch Gerrit war nachts gegen zwei Uhr fast aus dem Bett seines Zimmers in Brooklyn gefallen. Als er einen Artikel über die Detonation am Pier auf Black Tom Island schrieb, zog er Schlussfolgerungen, die ihm später als »Täterwissen« ausgelegt wurden. Da man ihm aber keine über das Berufliche hinausgehende Verbindung nachweisen und er glaubhaft versichern konnte, dass er nicht einmal wusste, wie man die sogenannten Bleistiftbomben herstellte, die bei dem Anschlag zum Einsatz gekommen waren, ließ man ihn gehen. Als die Vereinigten Staaten neun Monate später in den Krieg eintraten, war Gerrit nicht sonderlich überrascht, dass er unverzüglich verhaftet und interniert wurde. Umso mehr erstaunte ihn, dass seinen Entlassungspapieren nun kein Beschluss zur Ausweisung beilag.

In der Ferne machte er ein Automobil aus. Es verschwamm im flimmernden Sonnenlicht vor seinen Augen. Für einen Moment fürchtete er, es handele sich um eine Fata Morgana. Zu sehr wünschte er sich, aus dieser gottverlassenen Gegend endlich verschwinden zu dürfen. Doch das angebliche Trugbild erwies sich als heranbrausende Realität. Der Wagen fuhr ausgesprochen schnell, Sand spritzte unter den Reifen auf.

Gerrit trat weiter in die Fahrbahn hinein. Er versuchte, sich durch Winken bemerkbar zu machen. Doch entweder war der Fahrer blind, oder er ignorierte Gerrit mit voller Absicht. Das Auto blieb in der Spur, als gäbe es kein Hindernis. Es hielt direkt auf ihn zu.

Um nicht überfahren zu werden, sprang er in letzter Minute zurück - und konnte nur mit Mühe verhindern, dass er hinfiel.

Bremsen quietschten, der Motor heulte auf, blubberte und verstummte.

Aus dem Inneren des Wagens erklang eine wütende Frauenstimme. »Fuck!«, protestierte sie wenig damenhaft.

Er wischte sich Sand aus den Augen und starrte verblüfft zu der Fahrerin. Sie trug eine helle Lederkappe und eine Sonnenbrille, dennoch konnte Gerrit ein junges weißes Gesicht erkennen. Die vollen herzförmigen Lippen, über die im leichten Singsang des Südstaatenslangs nun in steter Wiederholung Schimpfwörter kamen, mussten zu einer hübschen Person gehören. Ihr Fahrstil ließ zudem darauf schließen, dass sie eine gewisse Begeisterung für Geschwindigkeit besaß. Eine ziemlich ungewöhnliche junge Frau also, die wohl nicht darauf aus war, ihn umzubringen. Dennoch trat er nicht näher.

»Hey, Sie da!«, rief sie ihm durch das offene Seitenfenster zu. »Wenn Sie schon mitten auf der Straße herumstehen und dafür sorgen, dass mein Motor abstirbt, können Sie ihn wenigstens wieder anwerfen. Die Kurbel befindet sich in einer Befestigung an der Stoßstange.«

»Ohne die Vollbremsung würde der Motor noch laufen«, knurrte Gerrit. Er bewegte sich nicht von seinem Platz am Straßenrand, es schien ihm irgendwie sicherer, die Person aus einiger Distanz zu betrachten.

»Was sind Sie denn für ein Kerl, der sich weigert, einer Dame zu helfen?«, schnappte sie. Ohne seine Antwort abzuwarten, stieß sie die Wagentür auf und stieg aus.

Sie war sehr groß und schlank und - trug eine Hose. Ihr Habitus erinnerte Gerrit an seine kleine Schwester, auch die Art, mit der sie auf seine mangelnde Ritterlichkeit hinwies, passte zu Finja, wie er sie in Erinnerung hatte. Das Südstaatenmädchen marschierte zum Anlasser, bückte sich und erledigte tatkräftig die notwendigen Handgriffe. So stellte er sich Finja als erwachsene Frau vor. Unwillkürlich glitt ein Lächeln über seine Züge. Ungeachtet seiner Vorbehalte ließ er den Seesack mit seinen Habseligkeiten in den Staub fallen und trat neben die Autofahrerin.

»Tut mir leid, ich bin den richtigen Umgang mit einer echten Lady wohl nicht mehr gewohnt.«

Sie hob den Kopf, schien ihn durch die Sonnenbrille eingehend zu betrachten. »Waren Sie in dem Camp dort?« Sie deutete in Richtung des Lagers.

»Ja. War ich«, erwiderte er knapp.

»Sind Sie Deutscher?« Sie nahm die Gläser von ihrer Stupsnase und sah ihn aus großen blaugrünen Augen so aufmerksam an, als strichen ihre Blicke über sein Gesicht. Er fühlte die Berührung fast körperlich.

»Ist das ein Problem für Sie?«

Sie schwieg eine Weile, musterte ihn unverhohlen. Schließlich schüttelte sie den Kopf, setzte die Sonnenbrille wieder an Ort und Stelle und richtete sich auf. Neben dem hochgewachsenen Gerrit wirkte sie nicht mehr ganz so groß, aber doch beachtlich. Sie rieb ihre Hände aneinander, als könnte sie so den Straßenstaub und mögliche Ölspuren abwischen. »Wenn Sie mir helfen, meinen Wagen wieder anzulassen, ist mir Ihre Herkunft egal. Ich hoffe, Sie sind nicht getürmt.«

»Nein.« Gerrit schmunzelte. »Nein. Keine Sorge. Ich bin nicht auf der Flucht. Ich bin nur auf dem Weg zum Bahnhof in Chattanooga.«

»Okay. Ich...

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Micaela Jary stammt aus Hamburg und wuchs im Tessin auf. Sie arbeitete lange als Journalistin, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Nach einem langjährigen Aufenthalt in Paris lebt sie heute mit Mann und Hund in Berlin und München. Zum Schreiben begibt sie sich aber auch in ein kleines Landhaus nahe Rostock.