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Main Street

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
1008 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am23.04.2018
Ein Schlüsselroman zum Verständnis der modernen USA, ihrer tiefen Ambivalenz und inneren Zerrissenheit
Carol Kennicott, eine junge Frau aus Neuengland, hat es in ein Provinznest verschlagen, deren Einwohner, so merkt sie rasch, völlig anders ticken als sie. Um keinen Preis wollen sie von Vorurteilen abrücken und mit neuen Ideen beglückt werden. Im Gegenteil: Wer an ihren tief verwurzelten Überzeugungen rüttelt, kann sein blaues Wunder erleben. So entspinnt sich ein Kampf zwischen zwei konträren Weltbildern - urbane Liberalität vs. rustikales Hinterwäldlertum. Dass Letzteres nicht so einfach zu überwinden ist, sondern böse zurückschlägt, wenn es sich bedroht fühlt, lässt sich an der USA der Gegenwart ebenso studieren wie an diesem turbulenten, unterhaltsamen Klassiker.

Sinclair Lewis (1885-1951), geboren in einer Kleinstadt in Minnesota, studierte in Yale und arbeitete als Journalist und Lektor in New York, San Francisco und Washington. Seit dem Erfolg seines Romans «Main Street» konnte er von der Schriftstellerei leben. 1926 erregte er großes Aufsehen mit seiner Ablehnung des Pulitzerpreises, der ihm für seinen Roman «Arrowsmith» zuerkannt worden war; 1930 erhielt er als erster US-Amerikaner den Literaturnobelpreis.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR28,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR19,99

Produkt

KlappentextEin Schlüsselroman zum Verständnis der modernen USA, ihrer tiefen Ambivalenz und inneren Zerrissenheit
Carol Kennicott, eine junge Frau aus Neuengland, hat es in ein Provinznest verschlagen, deren Einwohner, so merkt sie rasch, völlig anders ticken als sie. Um keinen Preis wollen sie von Vorurteilen abrücken und mit neuen Ideen beglückt werden. Im Gegenteil: Wer an ihren tief verwurzelten Überzeugungen rüttelt, kann sein blaues Wunder erleben. So entspinnt sich ein Kampf zwischen zwei konträren Weltbildern - urbane Liberalität vs. rustikales Hinterwäldlertum. Dass Letzteres nicht so einfach zu überwinden ist, sondern böse zurückschlägt, wenn es sich bedroht fühlt, lässt sich an der USA der Gegenwart ebenso studieren wie an diesem turbulenten, unterhaltsamen Klassiker.

Sinclair Lewis (1885-1951), geboren in einer Kleinstadt in Minnesota, studierte in Yale und arbeitete als Journalist und Lektor in New York, San Francisco und Washington. Seit dem Erfolg seines Romans «Main Street» konnte er von der Schriftstellerei leben. 1926 erregte er großes Aufsehen mit seiner Ablehnung des Pulitzerpreises, der ihm für seinen Roman «Arrowsmith» zuerkannt worden war; 1930 erhielt er als erster US-Amerikaner den Literaturnobelpreis.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641223564
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum23.04.2018
Reihen-Nr.6
Seiten1008 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1506 Kbytes
Artikel-Nr.2514907
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Kapitel 1

IâAuf einem Hügel am Mississippi, wo noch vor zwei Generationen die Chippewa ihr Lager aufgeschlagen hatten, stand, scharf abgehoben gegen den kornblumenblauen Nordhimmel, eine junge Frau. Statt der Indianer sah sie jetzt allerdings Kornmühlen und die sonnenblinkenden Fenster der Wolkenkratzer von Minneapolis und St. Paul. Folglich dachte sie auch nicht an Squaws oder Portagen6 oder an Yankee-Pelzhändler, selbst wenn deren Schatten noch überall gegenwärtig waren. Ihre Gedanken kreisten um Walnusskaramell und die Dramen von Brieux,7 um die Frage, warum Absätze sich abnutzen, und darum, wie der Chemieprofessor die neue Frisur angestarrt hatte, die ihre Ohren verbarg.

Ein leichter Wind, der tausend Meilen Weizenland überquert hatte, bauschte ihren Taftrock so graziös, so lebhaft und anrührend schön, dass sich einem zufälligen Beobachter unten an der Straße sehnsüchtig das Herz zusammenzog ange­sichts dieses Bildes spontaner Freiheit. Sie ­reckte die Arme und lehnte sich gegen den Wind, ihr Rock flog auf und nieder, übermütig flatterte eine Locke. Ein Mädchen auf einer Hügelkuppe - leichtgläubig, formbar, jung; es schlürft die Luft so begierig, wie es zu gern auch das Leben schlürfen würde. Die ewige Tragikomödie erwartungsvoller Jugend.

Das Mädchen ist Carol Milford, die sich für ein Stündchen aus dem Blodgett College8 fortgestoh­len hat.

Die Pionierzeit, in der Mädels Sonnenhüte tru­gen und man Bären auf einer Waldlichtung mit dem Beil erschlug, liegt inzwischen ferner als Camelot9; und ein rebellisches junges Mädchen verkörpert heute den Geist jenes konfusen Imperiums, das man den amerikanischen Mittelwesten nennt.

IIâDas Blodgett College am Rande von Minneapolis ist ein Bollwerk intakter Religion, das die erst vor Kurzem aufgekommenen Ketzerlehren eines Voltaire, Darwin oder Robert Ingersoll10 unermüdlich bekämpft. Fromme Familien aus Minnesota, Iowa, Wisconsin und den beiden Dakotas schicken ihre Kinder dorthin, und Blodgett beschützt sie vor der Verderbtheit der staatlichen Universitäten. Doch hinter seinen Mauern birgt es nette Mädchen, junge Männer, die singen können, und zumindest eine Dozentin, der Milton und Carlyle wirklich am Herzen liegen. Mithin waren die vier Jahre, die Carol in Blodgett verbrachte, nicht ganz vertan. Da das College klein war und die Zahl der Rivalen gering, konnte sie mit ihrer nicht ungefährlichen Vielseitigkeit recht gut experimentieren. Sie spielte Tennis, gab Rechaud-Partys11, belegte einen Graduiertenkurs in Theaterwissenschaft, turtelte mit Verehrern und trat einem halben Dutzend Klubs bei, die sich den schönen Künsten widmeten oder sich krampfhaft an etwas heranpirschten, was sich Allgemeinbildung nannte.

Zwei, drei Mädchen in ihrem Jahrgang waren hübscher als sie, keine jedoch war eifriger. Sie tat sich beim Büffeln im Seminar genauso hervor wie auf Bällen, auch wenn von den dreihundert Blodgett-Studenten sehr viele genauer rezitierten und Dutzende den Boston12 geschmeidiger tanzten als sie. Jede Faser ihres Körpers war quicklebendig - von den schmalen Handgelenken über den quittenblütenzarten Teint und die kindlich unbefangenen Augen bis hin zum schwarzen Haar.

Die anderen Mädchen im Schlafsaal staunten, wenn sie Carol im hauchdünnen Negligé erblickten oder pitschnass aus der Dusche flitzen sahen, über ihre unglaubliche Zierlichkeit. In solchen Momenten kam sie ihnen nur halb so kräftig vor, als sie sie sonst geschätzt hätten; ein zartes Kind, das in Güte und Verständnis eingehüllt gehörte. «Vergeistigt», flüsterten die Mädchen einander zu und «übersinnlich».

Indes war sie nervlich so radioaktiv und vertraute so blindlings auf ein recht verschwommenes Idyll aus eitel Freude und Sonnenschein, dass sie mehr Elan entwickelte als all die grobschlächtigen jungen Frauen, die mit prallen Schenkeln in dick gerippten Wollstrümpfen unter züchtigen blauen Sergepumphosen beim Training für Blodgetts Damenbasketballteam durch die Turnhalle donnerten.

Carols dunkle Augen blieben aufmerksam, selbst wenn sie müde war. Noch wusste sie nichts von der ungeheuren Befähigung der Welt zu beiläufiger Grausamkeit und stolzem Stumpfsinn, aber selbst wenn sie diese erschreckenden Kräfte je kennenlernen sollte, würden ihre Augen niemals verdrießlich, niedergeschlagen oder triefend-verliebt dreinblicken.

Ungeachtet ihrer Begeisterungsfähigkeit, der Zuneigung und der Strohfeuer, die sie entfachte, hatten Carols Bekannte ihr gegenüber Hemmungen. Ob sie nun inbrünstig Kirchenlieder sang oder böse Streiche ausheckte, immer wirkte sie vornehm zurückhaltend und skeptisch. Mag sein, dass sie leichtgläubig war, die geborene Schwärme­rin, und doch prüfte und hinterfragte sie immerzu alles und jedes. Was immer auch aus ihr werden mochte, sie würde jedenfalls nie auf der Stelle treten.

Bisweilen verfing sie sich in ihrer Vielseitigkeit. Sie hoffte abwechselnd auf die Entdeckung einer ungewöhnlichen Stimme, ihrer Begabung als Pianistin, Schriftstellerin oder Schauspielerin oder der ihres Organisationstalents. Jedes Mal wurde sie enttäuscht, engagierte sich aber immer wieder von Neuem mit Begeisterung - für den studentischen Freiwilligendienst13, der Missionare rekrutierte, fürs Kulissenmalen im Theaterklub, bei der Anzeigenakquise für die Collegezeitschrift.

An jenem Sonntagnachmittag, als sie in der Ka­pelle spielte, war sie in Höchstform. Aus der Dämmerung nahm ihre Geige das Orgelmotiv auf, und das Kerzenlicht enthüllte sie im gerade geschnittenen Goldkleid, den Arm über dem Bogen angewinkelt, mit ernstem Mund. Alle anwesenden Männer verliebten sich auf der Stelle in die Religion und in Carol.

Im letzten Studienjahr suchte sie bei all ihren Experimenten und Teilerfolgen angespannt nach einer Beziehung zum späteren Beruf. Tagtäglich drehten sich die Gespräche der Studentinnen auf der Bibliothekstreppe oder im Flur des Hauptgebäudes nur um das eine Thema: «Wie soll es nach dem College weitergehen?» Sogar die Mädchen, die wussten, dass sie heiraten würden, taten so, als liebäugelten sie mit wichtigen Posten im Geschäftsleben; umgekehrt munkelten auch die, die genau wussten, dass sie einen Beruf ergreifen mussten, etwas von sagenhaften Verehrern. Was Carol anging, so war sie Waise; ihre einzige nahe Verwandte war eine biedere Schwester, die einen Optiker in St. Paul geheiratet hatte. Das von ihrem Vater ererbte Geld hatte sie zum größten Teil schon verbraucht. Sie war nicht verliebt - das heißt nicht oft und niemals lange. Sie würde sich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen.

Aber wie sie das anstellen und wie sie die Welt erobern sollte - fast ausschließlich der Welt zuliebe -, das war ihr noch völlig schleierhaft. Von den Mädchen, die nicht verlobt waren, wollten die meisten Lehrerin werden. Sie schieden sich in zwei Gruppen: einmal die frivolen jungen Dinger, die offen zugaben, dass sie «dem grässlichen Klassenzimmer und den Schmuddelkindern» den Rücken kehren wollten, sowie sich eine Gelegenheit zum Heiraten bot, und dann die beflissenen, altjüngferlichen Geschöpfe, nicht selten mit wulstiger Stirn und Glotzaugen, die Gott beim gemeinsamen Seminargebet anflehten, er möge «ihren Fuß auf einen besonders sinnvollen und nützlichen Pfad lenken». Carol zog es weder zur einen noch zur anderen Gruppe. Erstere erschien ihr unaufrichtig (in dieser Zeit eins ihrer erklärten Lieblingswörter), und die gewissenhaften Jungfrauen konnten, fand sie, mit ihrem Vertrauen auf den Wert der Syntaxanalyse bei Cäsar ebenso viel Schaden anrichten wie Gutes tun.

In unterschiedlichen Zeiten fasste Carol während des Abschlussjahrs definitiven Entscheidungen, dass sie Jura studieren, Drehbücher schreiben, Krankenschwester werden und einen bislang unbekannten Helden heiraten würde.

Und dann wurde Soziologie ihr Lieblingsfach.

Der Soziologieprofessor war neu und als verheirateter Mann tabu, aber er kam aus Boston, hatte im New Yorker University Settlement14 mit Dichtern und Sozialisten, Juden und karitativ engagierten Millionären verkehrt, und sein Hals war wunderschön stark und weiß. Er führte sein kicherndes Seminar durch die Gefängnisse, Wohltätigkeitsbüros und Arbeitsämter von Minneapolis und St. Paul. Carol, die hinter den anderen hertrottete, war empört über die ungenierte Neugier der anderen, die die Armen anstarrten wie Tiere im Zoo. Dagegen fühlte sie sich als die große Befreierin. Sie legte die Hand an den Mund, kniff sich mit Zeigefinger und Daumen in die Unterlippe, dass es ordentlich wehtat, zog ein finsteres Gesicht und genoss es, abseitszustehen.

Ein Kommilitone namens Stewart Snyder, ein ruhiger, aber gescheiter junger Mann im grauen Flanellhemd, mit schäbiger schwarzer Fliege und der lila-grünen Jahrgangsmütze, schimpfte in einem fort, während er mit ihr hinter den anderen durch die Jauchepfützen auf den Schlachthöfen von South St. Paul stakste: «Diese Collegetrottel öden mich an. So was von hochnäsig! Die hätten selber mal auf ´ner Farm arbeiten sollen, so wie ich. Ein gestandener Arbeiter steckt die doch alle in die Tasche.»

«Ach, ich hab eine Schwäche fürs einfache Volk», schwärmte Carol.

«Du darfst dabei nur nicht vergessen, dass die Arbeiter sich nicht zum einfachen Volk rechnen.»

«Da hast du recht! Entschuldige!» Carols Brauen hoben...

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Autor

Sinclair Lewis (1885-1951), geboren in einer Kleinstadt in Minnesota, studierte in Yale und arbeitete als Journalist und Lektor in New York, San Francisco und Washington. Seit dem Erfolg seines Romans «Main Street» konnte er von der Schriftstellerei leben. 1926 erregte er großes Aufsehen mit seiner Ablehnung des Pulitzerpreises, der ihm für seinen Roman «Arrowsmith» zuerkannt worden war; 1930 erhielt er als erster US-Amerikaner den Literaturnobelpreis.