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Ein notwendiges Übel

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
496 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am09.07.2018
Kalkutta, 1920: Ein Jahr nach seiner Ankunft in Britisch-Indien wird der ehemalige Scotland-Yard-Ermittler Sam Wyndham mit einer heiklen Mission betraut. Der Thronfolger von Sambalpur wurde ermordet. Die Kolonialregierung hat ein hohes Interesse an der Ergreifung des Täters, verfügt in dem unabhängigen Fürstenstaat jedoch über keinerlei polizeiliche Befugnisse. Sam und sein indischer Sergeant Surrender-not Banerjee reisen als verdeckte Ermittler ins Reich des Maharadschas, das für seinen unsagbaren Reichtum, die prunkvollen Tempel, und die jährliche Großwildjagd bekannt ist ...

Abir Mukherjee ist Brite mir indischen Wurzeln: Seine Eltern wanderten in den Sechzigerjahren nach England aus. Sein Debütroman Ein angesehener Mann schaffte auf Anhieb den Sprung auf die britischen Bestsellerlisten. Mukherjee lebt mit seiner Familie in London.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR9,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextKalkutta, 1920: Ein Jahr nach seiner Ankunft in Britisch-Indien wird der ehemalige Scotland-Yard-Ermittler Sam Wyndham mit einer heiklen Mission betraut. Der Thronfolger von Sambalpur wurde ermordet. Die Kolonialregierung hat ein hohes Interesse an der Ergreifung des Täters, verfügt in dem unabhängigen Fürstenstaat jedoch über keinerlei polizeiliche Befugnisse. Sam und sein indischer Sergeant Surrender-not Banerjee reisen als verdeckte Ermittler ins Reich des Maharadschas, das für seinen unsagbaren Reichtum, die prunkvollen Tempel, und die jährliche Großwildjagd bekannt ist ...

Abir Mukherjee ist Brite mir indischen Wurzeln: Seine Eltern wanderten in den Sechzigerjahren nach England aus. Sein Debütroman Ein angesehener Mann schaffte auf Anhieb den Sprung auf die britischen Bestsellerlisten. Mukherjee lebt mit seiner Familie in London.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641220099
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum09.07.2018
Seiten496 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1780 Kbytes
Artikel-Nr.2514991
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1

Freitag, 18. Juni 1920

Einen Mann mit einem Diamanten im Bart sieht man nicht alle Tage. Aber ich schätze, wenn einem Prinzen an Ohren, Fingern und Kleidung der Platz ausgeht, dann ist der Kinnbart nicht die schlechteste Alternative.

Um Punkt zwölf hatten sich die schweren Mahagonitüren des Government House geöffnet, und sie alle kamen herausgeschwebt. Eine Menagerie von Maharadschas, Nizams, Nawabs und anderen Würdenträgern. Jeder der zwanzig gehüllt in Seide, behangen mit Gold, wertvollen Edelsteinen und genügend Perlen, um ein ganzes Schwadron verwitweter Gräfinnen vor Scham im Erdboden versinken zu lassen. Einer oder zwei von ihnen behaupteten, von der Sonne oder dem Mond abzustammen, andere begnügten sich mit einer der etwa hundert Hindu-Gottheiten. Der Einfachheit halber packten wir sie alle in eine Schublade und nannten sie schlicht die Fürsten.

Diese zwanzig hier kamen aus den Fürstenstaaten, die Kalkutta am nächsten lagen. Über Indien verteilt gab es mehr als fünfhundert. Gemeinsam herrschten sie über zwei Fünftel des Landes. Zumindest redeten sie selbst sich das ein, und wir bestärkten sie nur zu gerne in diesem Glauben, vorausgesetzt, sie sangen alle brav »Rule, Britannia« und schworen dem King Emperor ihre Treue.

Wie die Götter wandelten sie in einer streng nach Rang geordneten Prozession mit dem Vizekönig an der Spitze in die glühende Hitze hinaus, wo sie sofort den Schatten von einem Dutzend seidener Sonnenschirme ansteuerten. Seitlich davon, hinter einer undurchdringlichen roten Reihe Turban tragender Soldaten der vizeköniglichen Leibwache drängelten sich Fürstenberater, Verwaltungsbeamte und Hofschranzen aller Art. Und hinter denen standen Surrender-not und ich.

Unvermittelt krachten vom gegenüberliegenden Rasen die Salutschüsse der Kanonen, und ein Schwarm Krähen stieg kreischend aus den Palmen auf. Ich zählte die Donnerschläge. Insgesamt einunddreißig, eine Ehre, die allein dem Vizekönig vorbehalten war - kein einheimischer Fürst verdiente mehr als einundzwanzig. Damit wurde unmissverständlich klargestellt, dass dieser eine britische Verwaltungsbeamte hierzulande noch über jedem Inder stand, selbst über denen, die von der Sonne abstammten.

Wie die Kanonenschüsse war auch die Versammlung, an der die Fürsten gerade teilgenommen hatten, reines Theater. Die richtige Arbeit würde später von ihren Ministern und den Vertretern des Indian Civil Service erledigt. Für die Regierung Britisch-Indiens zählte vor allem, dass die Fürsten hier, auf diesem Rasen, für ein Gruppenfoto zusammenkamen.

Lord Chelmsford, der Vizekönig, schlurfte in vollem Festtagsornat vorneweg. Wirklich wohlzufühlen schien er sich nie in dieser Prunkuniform, die ihn aussehen ließ wie einen Portier vor dem Claridge´s. Für einen Mann, der in seinem Auftreten gewöhnlich eher an einen unterernährten Totengräber erinnerte, hatte er sich zwar ganz passabel herausgeputzt, aber neben den Fürsten wirkte er dennoch farblos wie eine Taube inmitten einer Wiese voll Rad schlagender Pfauen.

»Welcher ist unsrer?«

»Der da drüben«, erwiderte Surrender-not und nickte in Richtung eines großen Mannes mit fein geschnittenen Zügen, der einen pinkfarbenen Seidenturban trug. Der Prinz, den wir sprechen wollten, hatte an dritter Stelle die Treppe betreten und stand an erster Stelle in der Thronfolge eines Fürstenstaats, der im hintersten Orissa verborgen lag, also irgendwo südwestlich von Bengalen. Seine Durchlaucht Prinz Adhir Singh Sai von Sambalpur hatte um unsere Anwesenheit gebeten - oder vielmehr um die Anwesenheit von Surrender-not. Die beiden waren als Schüler gemeinsam auf das Harrows in London gegangen. Ich selbst war nur hier, weil ich die Anweisung dazu erhalten hatte. Der Befehl kam direkt von Lord Taggart, dem Commissioner der Polizei, der behauptete, dies geschehe auf ausdrücklichen, höchstpersönlichen Wunsch des Vizekönigs.

»Diese Gespräche sind von enormer Bedeutung für die Regierung Britisch-Indiens«, hatte er betont. »Und ihr Erfolg hängt entscheidend von der Einwilligung Sambalpurs ab.«

Dass Sambalpur für irgendwas von entscheidender Bedeutung sein konnte, fiel schwer zu glauben. Auf der Landkarte war es jedenfalls unter dem fetten R von ORISSA kaum auszumachen. Dafür brauchte man schon eine Lupe und ein gewisses Maß an Geduld, und besonders an Letzterem schien es mir derzeit zu mangeln. Der Flecken war jedenfalls winzig, nicht größer als die Isle of Wight und ähnlich mager bevölkert. Und trotzdem stand ich jetzt hier und sollte dem Geplauder zwischen diesem Prinz und Surrender-not lauschen, bloß weil die indische Regierung dies für eine Angelegenheit von staatstragender Bedeutung hielt.

Die Fürsten und Prinzen gruppierten sich für das offizielle Foto dem Protokoll gemäß um den Vizekönig. Die wichtigsten sollten auf vergoldeten Stühlen Platz nehmen, die weniger wichtigen dahinter auf einer Bank stehen. Prinz Adhir saß zur Rechten des Vizekönigs. Während die Stühle ein letztes Mal zurechtgerückt wurden, machten die Fürsten steif und verlegen Small Talk. Ein paar versuchten sich zu verdrücken, wurden aber von genervt aussehenden Beamten rasch wieder eingefangen und auf ihre Positionen dirigiert. Schließlich bat der Fotograf um Aufmerksamkeit. Pflichtbewusst stellten die Fürsten ihre Gespräche ein und drehten sich der Kamera zu. Das Blitzlichtpulver explodierte, die Szene war für die Ewigkeit festgehalten, und endlich konnten alle ihrer Wege ziehen.

Ein Zeichen des Wiedererkennens huschte über das Gesicht von Prinz Adhir, als er Surrender-not entdeckte. Er befreite sich aus der Unterhaltung mit einem wohlbeleibten Maharadscha, über dessen Schultern ein Tigerfell lag und der mit dem Gesamtbestand eines mittelgroßen Banktresors behangen war, und kam zu uns herüber. Für einen Inder war er außergewöhnlich groß und hellhäutig, und er bewegte sich mit der Haltung eines Kavallerieoffiziers oder Polospielers. Im Vergleich zu den Fürsten um ihn herum war er eher schlicht gekleidet. Seine hellblaue Seidenkurta besaß diamantenbesetzte Knöpfe und wurde an der Taille von einer goldenen Schärpe gehalten. Dazu trug er weiße Seidenhosen und auf Hochglanz polierte schwarze Oxford-Brogues. Seinen Turban zierte eine Brosche, auf der Smaragde prangten, und ein Saphir von der Größe eines Gänseeis.

Den Angaben Lord Taggarts zufolge war der Vater des Prinzen, der Maharadscha, der fünftreichste Inder. Und wie jeder wusste, war der reichste Mann Indiens gleichzeitig auch der reichste Mensch der Welt.

Der Prinz näherte sich mit einem strahlenden Lächeln. »Bunty Banerjee!«, rief er und breitete die Arme aus. »Wie lange ist das her?«

Bunty - mit diesem Namen hatte ich noch nie jemanden Surrender-not anreden hören, und immerhin lebte ich mit ihm seit einem Jahr unter einem Dach. Dass er diesen Spitznamen bislang geheim gehalten hatte, konnte ich ihm allerdings nicht verdenken. Wäre bei mir in der Schule jemand auf die Idee gekommen, Bunty würde am besten zu mir passen, hätte ich diese Tatsache wohl auch nicht an die große Glocke gehängt. Natürlich lautete sein richtiger Name ebenso wenig Surrender-not. Den hatte ihm ein Kollege bei seinem Eintritt in die Imperial Police Force verpasst. Seine Eltern hatten ihm den Namen Surendranath gegeben, was so viel hieß wie König der Götter. Und obwohl ich mir bei der korrekten Aussprache in Bengali große Mühe gab, bekam ich es nie ganz richtig hin.

Schuld an diesem Unvermögen trug ich jedoch nicht, wie er mir versicherte. Die englische Sprache verfüge einfach nicht über die richtigen Konsonanten, erklärte er mir. So fehle zum Beispiel das weiche »d«. Seiner Meinung nach mangelte es der englischen Sprache überhaupt an so einigem.

»Es ist mir eine Ehre, Sie wiederzusehen, Eure Durchlaucht«, erwiderte Surrender-not mit einer leichten Verbeugung.

Der Prinz machte diese leicht gequälte Miene, wie sie die Aristokraten gerne aufsetzen, wenn sie so tun, als würden sie lieber wie Normalsterbliche behandelt. »Komm schon, Bunty, ich denke, auf Förmlichkeiten können wir verzichten. Und wen haben wir hier?« Bei dieser Frage streckte er mir eine reich beringte Hand entgegen.

»Darf ich dir Captain Wyndham vorstellen?«, sagte Banerjee. »Ehemals Scotland Yard.«

»Wyndham?«, wiederholte der Prinz. »Etwa der, der im vergangenen Jahr diesen Terroristen Sen erwischt hat? Der Vizekönig hält gewiss große Stücke auf Sie.«

Sen war ein indischer Revolutionär, den die Behörden vier Jahre lang ohne Erfolg gejagt hatten. Ich hatte ihn im Zusammenhang mit dem Mord an einem hohen britischen Verwaltungsbeamten festgenommen und wäre dafür fast zum Helden des britischen Empire erklärt worden. Die Wahrheit war erheblich komplizierter, aber ich hatte weder Zeit noch Lust, die Geschichte zu korrigieren. Und was noch wichtiger war, mir fehlte dazu die Befugnis durch den Vizekönig, der die ganze Angelegenheit unter die Verschlussvorschriften des Official Secrets Act von 1911 gestellt hatte. Also schüttelte ich nur lächelnd die Hand des Prinzen.

»Freut mich, Sie kennenzulernen, Eure Durchlaucht.«

»Ach, nennen Sie mich doch bitte Adi«, bemerkte er leutselig. »Das tun alle meine Freunde.« Er hielt einen Moment nachdenklich inne. »Eigentlich bin ich über Ihre Anwesenheit sogar hocherfreut. Es gibt da nämlich eine nicht ganz undelikate Geschichte, die ich mit Bunty besprechen möchte, und die Meinung eines Mannes von Ihrem Sachverstand könnte sich als...

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Abir Mukherjee ist Brite mir indischen Wurzeln: Seine Eltern wanderten in den Sechzigerjahren nach England aus. Sein Debütroman Ein angesehener Mann schaffte auf Anhieb den Sprung auf die britischen Bestsellerlisten. Mukherjee lebt mit seiner Familie in London.