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Das Meer löscht alle Spuren

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
416 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am24.04.20181. Auflage
Wie viel ist ein Leben wert? Auf der Flucht aus dem Iran wird der berühmte Dichter Manash Ishmail von seiner Frau getrennt. Während sich Aminas Spur in England verliert, landet er selbst in einem dänischen Auffanglager. Eine Vorzugsbehandlung erfährt der preisgekrönte Schriftsteller jedoch nicht. Zahlreiche Journalisten wollen ein Interview, doch Manash gewährt einzig Nora Sand ein Gespräch - im Gegenzug soll die London-Korrespondentin der größten dänischen Zeitung seine Frau ausfindig machen. Noras Suche führt sie tief in die Welt der illegalen Einwanderer und Behörden, zu skrupellosen Menschen, die aus der Not der Flüchtlinge Kapital schlagen wollen - und dabei über Leichen gehen.

Lone Theils war jahrelang London-Korrespondentin für die angesehene dänische Tageszeitung Politiken sowie fürs Fernsehen. Ihr Debütroman und Auftakt der Reihe um Nora Sand erscheint in 16 Ländern und wird für das Fernsehen verfilmt. Neben ihrer journalistischen Tätigkeit zwischen Dänemark und England teilt die Autorin mit ihrer Protagonistin auch die Leidenschaft fürs Kickboxen.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR9,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR4,99

Produkt

KlappentextWie viel ist ein Leben wert? Auf der Flucht aus dem Iran wird der berühmte Dichter Manash Ishmail von seiner Frau getrennt. Während sich Aminas Spur in England verliert, landet er selbst in einem dänischen Auffanglager. Eine Vorzugsbehandlung erfährt der preisgekrönte Schriftsteller jedoch nicht. Zahlreiche Journalisten wollen ein Interview, doch Manash gewährt einzig Nora Sand ein Gespräch - im Gegenzug soll die London-Korrespondentin der größten dänischen Zeitung seine Frau ausfindig machen. Noras Suche führt sie tief in die Welt der illegalen Einwanderer und Behörden, zu skrupellosen Menschen, die aus der Not der Flüchtlinge Kapital schlagen wollen - und dabei über Leichen gehen.

Lone Theils war jahrelang London-Korrespondentin für die angesehene dänische Tageszeitung Politiken sowie fürs Fernsehen. Ihr Debütroman und Auftakt der Reihe um Nora Sand erscheint in 16 Ländern und wird für das Fernsehen verfilmt. Neben ihrer journalistischen Tätigkeit zwischen Dänemark und England teilt die Autorin mit ihrer Protagonistin auch die Leidenschaft fürs Kickboxen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644402171
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum24.04.2018
Auflage1. Auflage
Seiten416 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2530703
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1. Kapitel

Es war eine ganz schöne Fummelarbeit, aber die Mühe lohnte sich immer. Nora stand über einen großen Korb mit Pfifferlingen gebeugt und suchte akribisch kleine, leckere, perfekt geformte Trompeten heraus.

Als sie mit ihrer Ausbeute zufrieden war, ging sie mit der braunen Papiertüte zum Gemüsehändler und machte sich auf einen gesalzenen Preis gefasst, als sie die Tüte auf die Waage legte.

Sie lächelte Andreas zu, der gerade die letzten Bissen eines dieser legendären Chorizosandwiches vom Borough Market verspeiste. Man konnte fast sagen, es war der perfekte Samstagvormittag. Selbst nach einem Monat war es ihr immer noch unbegreiflich, dass sie nichts weiter tun musste, als die Hand auszustrecken, um den Mann zu berühren, der bis vor kurzem noch verboten gewesen war. Verboten, weil er mit einer anderen zusammen war. Weil sie es sich selbst nicht gestattet hatte. Weil sie aneinander vorbeigelebt hatten, was sie vielleicht noch viele weitere Jahre getan hätten, wäre nicht eines Tages der Damm gebrochen.

Sie wollte gerade zu ihm gehen, da klingelte sein Handy. Er lächelte sie entschuldigend an, blinzelte und holte das Telefon aus der Jackentasche. Obwohl Nora bezahlte, entging ihr nicht die Veränderung in Andreas´ Gesicht. Er wurde sehr ernst, wandte sich ab und ging hinaus auf die Straße, wo er mit dem Rücken zu ihr stehen blieb. Seine Schultern sackten herunter, als hätte er einen Schlag abbekommen. Nora stellte sich schon auf schlechte Neuigkeiten ein, da fing auch ihr Telefon an zu klingeln.

Kaum hatte sie es aus der Handtasche geangelt, erkannte sie die Nummer von Krebs und überlegte kurz, ob sie ihn einfach wegdrücken sollte. Wenn ihr Chef am Wochenende anrief, konnte man davon ausgehen, dass man schneller einbestellt wurde, als man «Also, ich hatte eigentlich geplant, ...» sagen konnte. So sah die Arbeit als Auslandskorrespondentin beim Wochenblatt Globalt eben aus. Nora liebte ihren Job, liebte das internationale Magazin, das sich ihrer Meinung nach grundlegend von der sonstigen Presselandschaft Dänemarks abhob. Allerdings liebte sie ihren Chef nicht immer, denn Krebs zog die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit manchmal sehr willkürlich. Nora kannte eigentlich nur einen Menschen, der in dem Punkt schlimmer war als Krebs. Und das war sie selbst.

Er kam gleich zur Sache, ganz in gewohnter Krebsmanier: «Sand. Was weißt du über den iranischen Dichter Manash Ishmail?», fragte er und bemühte dabei nicht mal das Minimum der sonst üblichen einleitenden Höflichkeitsfloskeln.

Zuerst dachte Nora, es handele sich um eine rhetorische Frage, aber da Krebs ausnahmsweise einmal zu keinem seiner ellenlangen Vorträge ansetzte, um seine Frage selbst zu beantworten, fing sie an, in ihrem Gedächtnis zu graben.

«Hm. Einer der bekanntesten iranischen Dichter. Und einer der prominentesten Systemkritiker. Ist letzten Monat nach Dänemark gekommen. Die iranische Regierung hat seine Auslieferung wegen terroristischer Tätigkeit verlangt. Sie drohen damit, weder Dänemark noch der EU jemals wieder Öl zu liefern, wenn sie sich weigern, ihn seinem Vaterland zu übergeben, wo man ihm den Prozess machen will. Auch der Fetaexport hängt an einem seidenen Faden. Ishmail hat seinerseits Asyl in Dänemark beantragt, weil er politisch verfolgt wird und ihm bei einer Auslieferung an den Iran die Todesstrafe droht. Seine erste Gedichtsammlung Blaue Seele brachte ihm eine Nominierung für den Literaturnobelpreis ein», leierte Nora herunter, nachdem ihr die Artikel und Überschriften der vergangenen Wochen wieder eingefallen waren.

«Ich hab übrigens noch nie eins seiner Gedichte gelesen», fügte sie hinzu.

«Hast du ihn mal getroffen oder interviewt?»

«Nein», antwortete Nora verblüfft. «Das ist ja nicht gerade mein Spezialgebiet, um es mal vorsichtig auszudrücken.»

«Genau mein Gedanke», erwiderte Krebs. «Nichtsdestotrotz hat er nach dir gefragt.»

«Wer?»

«Ishmail. Er hat nach dir gefragt.»

«Wann?»

«Viola Ponte bemüht sich seit seiner Ankunft in Dänemark um ein Interview», erklärte Krebs und verwies damit auf die Kulturredakteurin der Globalt, «aber bislang hat er alle Anfragen abgelehnt und mit keinem Journalisten gesprochen.»

«Oh. Okay?», sagte Nora und versuchte vorherzusehen, welche Richtung dieses Gespräch wohl nehmen würde.

«Bis gestern Nachmittag», fuhr Krebs fort. «Da sagte er plötzlich zu. Allerdings unter einer Bedingung: dass du das Interview führst.»

Nora war ausnahmsweise sprachlos. Mit der einen Hand hielt sie die Tüte mit den Pfifferlingen und eine weitere mit Fisch, mit der anderen presste sie das Handy ans Ohr, während sie versuchte, Andreas in der Menschenmenge ausfindig zu machen. Aber sie konnte ihn nirgendwo entdecken.

«Bist du noch dran?», drang Krebs´ Stimme aus dem Hörer.

«Ja, bin ich. Ich weiß bloß nicht, was ich sagen soll ... Ich verstehe nicht ganz, warum er will, dass ich das mache», antwortete sie geistesabwesend, während sie weiter nach Andreas Ausschau hielt.

Dort. In der Nähe des Cafés an der Ecke leuchtete sein blonder Schopf auf, aber sein Gesicht konnte sie nicht sehen. Sie versuchte, sich wieder auf das Telefonat zu konzentrieren.

«Ich hatte gehofft», sagte Krebs pikiert, «du könntest vielleicht Aufschluss darüber geben, warum er ausgerechnet auf dir besteht. Hast du in der letzten Zeit irgendetwas über den Iran geschrieben? Über Lyrik? Über irgendetwas anderes, das für ihn relevant sein könnte?»

Nora schüttelte den Kopf, bis ihr bewusst wurde, dass Krebs das ja nicht sehen konnte. «Nein. Ich habe absolut keine Ahnung, wie er auf mich kommt.»

«Ich auch nicht, deshalb habe ich Emily darauf angesetzt, das Archiv zu durchforsten. Wenn sie nichts findet, gibt es auch nichts zu finden.» Emily war Globalts allwissende Archivarin, Bibliothekarin und unersetzliche Superresearcherin. «Aber Sand, du musst verdammt noch mal herkommen und uns dabei helfen herauszufinden, was er will. So viel bist du ihm schuldig. Von mir ganz zu schweigen. Ponte hat geradezu getobt. Sie hatte die Sache schon Victor zugedacht, der daraus eine lange, einfühlsame Geschichte machen sollte. Und dann beschließt Ishmail einfach, dass er nur mit dir reden will. Das war nicht gerade die harmonischste Redaktionskonferenz in der Geschichte unseres Blattes», sagte Krebs.

Nora seufzte. «Reicht Montag?»

Krebs biss an. «Aber keinen Tag später. Wir wollen schließlich nicht, dass uns die Story durch die Lappen geht. Aber vermutlich spricht er sowieso mit niemand anderem, wenn wir ihm ein Treffen mit dir garantieren», sagte er und ging zum Abschluss des Gesprächs über. «Nun, die Runde Golf spielt sich nicht von allein. Hab noch ein schönes Wochenende.»

Sofort rief Nora in der Redaktion an und bat Anette, ihr ein Flugticket nach Hause zu buchen. Und dann blieb ihr nichts anderes übrig, als Andreas zu suchen, um zu gestehen, dass das Wochenende, das sie in kuscheliger Zweisamkeit hatten verbringen wollen, erheblich kürzer ausfallen würde, weil sie schon am Sonntagnachmittag nach Dänemark fliegen musste. Nur so würde ihr ausreichend Zeit bleiben, sich auf das Interview am Montagmorgen vorzubereiten.

Ihr Blick wanderte zum Café hinüber. Andreas hatte einen der extrem beliebten Monmouth Espressi ergattert, für den die kaffeedurstigen Londoner sich gern in lange Schlangen reihten. Allerdings hielt er den kleinen Pappbecher wie in Trance vor sich in den Händen.

Ihr fiel wieder ein, dass sie nicht die Einzige war, die gerade schlechte Nachrichten bekommen hatte. Sie ging in der Hoffnung auf ihn zu, dass er irgendwann zu ihr rüberschauen würde, aber er hielt den Blick weiter auf das Markttreiben gerichtet. Dabei machte er jedoch einen seltsam entrückten Eindruck. Erst als sie ihn sanft am Arm berührte, blickte er sie an.

«Andreas? Was ist los?», fragte sie und sah ihm in die Augen.

Er schaute erst zu Boden, dann seitlich an ihr vorbei. Schließlich schien er einen Punkt irgendwo oberhalb ihrer linken Schulter zu fokussieren.

«Sie ist schwanger.»

«Brigitte? Brigitte ist schwanger?» Noras Stimme überschlug sich.

Andreas nickte betrübt.

«Wie das?», fragte Nora, während sie versuchte, zu begreifen, wie das hatte passieren können. Wie war sie in diese Situation geraten? Noch am Morgen schwelgte sie im Glück mit dem besten Mann von allen, die sie bisher kennengelernt hatte. Und nun - nur drei Stunden später - stand sie mit einer verdammten Fischtüte auf dem Borough Market, während Andreas´ Ex, die nicht mal in diesem Land wohnte, übers Handy ihr Leben in Stücke riss.

«Sie ist in der dreizehnten Woche, also wird sie es behalten. Sie hat so lange gewartet, es mir mitzuteilen, damit es zu spät ist, um abzutreiben. Und sie wünscht sich vollen Einsatz von mir, das hat sie ausdrücklich gesagt. Vollen Einsatz, das waren ihre Worte.» Andreas´ Ton war matt.

«Und was machst du jetzt?», fragte Nora.

Er zuckte mit den Schultern. «Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht.»

Stille senkte sich über sie. Plötzlich waren sie jeder für sich, zwei einsame Inseln der Unglückseligkeit.

«Nora, verdammt, ich habe einfach keine Ahnung. Ich muss nach Hause, um herauszufinden, was los ist. Ich bin echt ratlos.»

Nora hörte das wie aus großer Ferne, während die Tüte mit dem Fisch auf den Boden knallte. Kurz darauf folgte die braune Papiertüte mit den Pfifferlingen, die beim Aufprall aufriss. Die kleinen, goldenen Trompeten verteilten sich und wurden - eine nach...
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Lone Theils war jahrelang London-Korrespondentin für die angesehene dänische Tageszeitung Politiken sowie fürs Fernsehen. Ihr Debütroman und Auftakt der Reihe um Nora Sand erscheint in 16 Ländern und wird für das Fernsehen verfilmt. Neben ihrer journalistischen Tätigkeit zwischen Dänemark und England teilt die Autorin mit ihrer Protagonistin auch die Leidenschaft fürs Kickboxen.