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Wie ich mich auf einer Parkbank in einen bärtigen Mann mit sehr braunen Augen verliebte

Roman
dtv Deutscher Taschenbuch Verlagerschienen am01.07.2018
Eine der charmantesten, lustigsten und traurigsten Liebesgeschichten, die Sie je lesen werden! Die 29-jährige Schwedin Julia lebt mit ihrem Kater Optimus in Wien und gibt ambitionierten Wirtschaftsbossen und Langzeitarbeitslosen Englischunterricht. Sie fühlt sich so einsam, dass sie an Marktforschungsumfragen und kostenlosen Hörtests teilnimmt, nur um die Zeit totzuschlagen. Doch dann passiert das Märchen: Sie verliebt sich. Julias Verehrer entspricht nur ganz und gar nicht dem Ritter in der strahlenden Rüstung. Er lebt in einer Hecke im Stadtpark und benötigt dringend eine Dusche. Aber dafür hat er zwei sehr überzeugende Argumente - nämlich die größten braunen Augen der Welt!

Emmy Abrahamson wuchs u.a. in Moskau auf, sie studierte in London und Manchester und arbeitete als Schauspielerin in Amsterdam und Wien. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren Zwillingen in Südschweden.
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Produkt

KlappentextEine der charmantesten, lustigsten und traurigsten Liebesgeschichten, die Sie je lesen werden! Die 29-jährige Schwedin Julia lebt mit ihrem Kater Optimus in Wien und gibt ambitionierten Wirtschaftsbossen und Langzeitarbeitslosen Englischunterricht. Sie fühlt sich so einsam, dass sie an Marktforschungsumfragen und kostenlosen Hörtests teilnimmt, nur um die Zeit totzuschlagen. Doch dann passiert das Märchen: Sie verliebt sich. Julias Verehrer entspricht nur ganz und gar nicht dem Ritter in der strahlenden Rüstung. Er lebt in einer Hecke im Stadtpark und benötigt dringend eine Dusche. Aber dafür hat er zwei sehr überzeugende Argumente - nämlich die größten braunen Augen der Welt!

Emmy Abrahamson wuchs u.a. in Moskau auf, sie studierte in London und Manchester und arbeitete als Schauspielerin in Amsterdam und Wien. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren Zwillingen in Südschweden.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423433853
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum01.07.2018
Seiten240 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse831
Artikel-Nr.2530819
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
1

»I love cocking«, sagt die Frau gut gelaunt.

Ich sehe in meine Unterlagen, mache eine unleserlich kleine Notiz, lege den Kugelschreiber beiseite und räuspere mich.

»Was Sie sagen wollen â¦ Ich glaube â¦ beziehungsweise hoffe â¦ obwohl ich es Ihnen natürlich gönnen würde, wenn es für Sie so â¦ Also, was Sie wahrscheinlich sagen wollten, ist, dass Sie gerne kochen. Sie meinen cooking, nicht â¦ cocking.«

Das ist heute meine elfte Unterrichtsstunde, und ich bin so müde, dass ich schon ins Schwafeln komme. Außerdem muss ich die ganze Zeit auf mein mintgrünes Infokärtchen schauen, damit ich mich überhaupt erinnere, mit wem ich es zu tun habe. Petra, Petra, Petra. Bedenklich ist auch, dass ich die Frau schon mindestens dreimal unterrichtet und dennoch keinerlei Erinnerung an sie habe. Es ist, als hätten sich alle meine Schüler in ein einziges gesichtsloses Wesen verwandelt, das Tuesday und Thursday verwechselt und sich hartnäckig weigert, das Perfekt zu benutzen. Ein Wesen, das ein Thank you mit einem Please quittiert, obwohl ich ihm schon hundertmal erklärt habe, dass es You re welcome heißen muss. Ein Wesen, das glaubt, eine Sprache lerne sich von allein, wenn man sich nur lange genug mit einer Lehrkraft im selben Raum aufhält.

Mit einem schnellen Blick auf die Uhr sehe ich, dass es noch zwanzig Minuten bis zum Ende der Stunde sind. Zwanzig zähe Minuten.

»Und â¦ Petra, was kochen Sie am liebsten?«, frage ich.

Es war nie mein Plan oder gar Traum, Englischlehrerin in Österreich zu werden. Aber nach vier Monaten Arbeitslosigkeit war die Stellenausschreibung der Berlitz-Schule fast zu schön, um wahr zu sein. Die Ausbildung dauerte gerade mal zwei Wochen, und sobald man sie abgeschlossen hatte, durfte man unterrichten. Trotzdem schaute ich in der Anfangszeit immer wieder zur Tür, weil ich fest damit rechnete, dass irgendwann der Ausbilder mit dem Pferdeschwanz hereinstürzen und mir völlig aufgelöst erklären würde, er habe nur einen Scherz gemacht, selbstverständlich dürfe ich noch nicht unterrichten. Danach würde man mich aus dem Unterrichtsraum abführen und die Schüler in Sicherheit bringen. Es war die Zeit, in der ich mich spätabends noch hinsetzte und mich auf den nächsten Tag vorbereitete. Ich machte mir genaue Unterrichtspläne und bemühte mich, jede Stunde so abwechslungsreich und unterhaltsam wie möglich zu gestalten. Ich kopierte interessante Zeitungsartikel, notierte mir Fragen, dachte mir hübsche Rollenspiele aus und laminierte Fotos, mit denen ich geistreiche Diskussionen anstoßen wollte. Alles für meine Schüler.

Inzwischen haben sie Glück, wenn ich schon vor dem Betreten des Unterrichtsraums einen Blick auf ihr Infokärtchen werfe. Die trotzige Wende datiert auf den Tag, an dem mir plötzlich klar wurde, dass ich schon viel länger unterrichtete als die geplanten sechs Monate und - was noch schlimmer war - dass ich es gut machte. Dass ich sowohl die nötige Geduld besaß (wer hätte gedacht, dass sie eine der wichtigsten Tugenden einer guten Sprachlehrerin ist?) als auch eine Art natürlich Begabung, meine Schüler zum Reden zu bringen. Seit ich meine Stunden nicht mehr vorbereite, sind sie nicht nur für meine Schüler, sondern auch für mich zu einer Art Wundertüte geworden. Zurzeit sind sie so ziemlich das Spannendste in meinem Leben.

»Ach, alles Mögliche, Schnitzel, Würstchen â¦«, beantwortet Petra meine Frage.

»Bitte einen vollständigen Satz!«, fordere ich sie auf.

»Ich bereite gern Schnitzel und Würstchen zu«, sagt Petra brav.

Da die Berlitz-Methode im Wesentlichen darin besteht, die Fremdsprache qua Alltagskonversation zu vermitteln, müssen mir während einer Unterrichtsstunde immer nur genügend Banalitäten einfallen, über die ich mich mit meinen Schülern unterhalten kann. Drei Jahre als Englischlehrerin haben aus mir eine Expertin der zwanglosen Plauderei gemacht. Einmal habe ich einen Schüler eine Viertelstunde lang über den Einbau seines neuen Garagentors reden lassen, nur um herauszufinden, ob ich das aushalte.

»Und was ist Ihr Lieblingsgetränk, Petra?«, frage ich.

Petra denkt nach.

»Leitungswasser.«

»Bitte einen vollständigen Satz!«, wiederhole ich mit einem angestrengten Lächeln.

»Mein Lieblingsgetränk ist Leitungswasser«, sagt Petra.

Ich lächle Petra weiter an und sage nichts, weil mir beim besten Willen nichts einfällt, was ich zu jemandem sagen soll, der am liebsten Leitungswasser trinkt.

In der letzten Viertelstunde lösen wir Kreuzworträtsel mit Wörtern, die mit Essen zu tun haben. Als es läutet, seufze ich gespielt und ziehe die Mundwinkel nach unten, um zu zeigen, wie traurig ich bin, dass wir schon Schluss machen müssen. Wir geben uns die Hand, und Petra geht nach Hause, wahrscheinlich um ein festliches Mahl aus Schnitzel, Würstchen und einem Glas Leitungswasser zu sich zu nehmen.

 

In dem winzigen Lehrerzimmer herrscht eine qualvolle Enge, weil man in der fünfminütigen Pause um Himmels willen keinen Kontakt mit den Schülern haben möchte. An den Wänden hängen Berlitz-Poster mit Gesichtern aus allen Weltgegenden und Sätzen mit Ausrufezeichen. In drei Bücherregalen stehen und liegen Ausgaben des hauseigenen Magazins Passport und allem Anschein nach von niemandem je benutzte Französisch-, Russisch- und Spanisch-Lehrbücher. Die Englisch-Lehrbücher dagegen sind zerfleddert, und den meisten fehlt der Rücken entweder ganz, oder er ist mit Tesafilm angeklebt.

Mit einer Ausnahme ist keiner von uns ausgebildeter Lehrer. Mike ist ein arbeitsloser Schauspieler, Jason schließt gerade seine Doktorarbeit über Schönberg ab, Claire hat früher im Marketing gearbeitet, Randall ist Grafiker, Sarah Diplom-Ingenieurin, Rebecca Geigenbauerin, und Karen hat einen Abschluss in Medien- und Kommunikationswissenschaften. Ich selbst träume immer noch davon, Schriftstellerin zu werden. Der eine ausgebildete Lehrer ist Ken, der deshalb fast so inbrünstig gehasst wird wie Dagmar, die Leiterin unserer Berlitz-Schule in der Mariahilfer Straße.

Ken betritt das Lehrerzimmer.

»Oh Mann, ist das wieder ein Stress!«, sagt er gut gelaunt und versucht, sich mit einer aufgeschlagenen Grammatik zum Kopierer zu zwängen. Alle ignorieren ihn. Am Fenster stehen Mike und Claire dicht beieinander und versuchen, durch einen fingerbreiten Spalt zu rauchen.

»Ich hab gleich vier Stunden am Stück mit derselben Gruppe«, seufzt Claire und stopft ihr Feuerzeug in die Zigarettenschachtel. »Bis ich heute hier rauskomme, ist es acht.«

»Dauert ja nicht mehr lange, dann musst du so was nie wieder machen«, sagt Randall, denn Claire wird bald nach London zurückgehen, um zu studieren.

»Bei mir sind s heute zwölf Stunden«, sage ich, und ein anerkennendes Murmeln geht durch den Raum.

Es gibt nur drei Themen im Lehrerzimmer: wie viele Stunden am Tag wir unterrichten müssen, wie anstrengend unsere Schüler sind und wie sehr wir Dagmar hassen.

»Ich hatte gerade eine AMS-Gruppe«, kontert Mike.

Wir seufzen aus Sympathie. AMS steht für »Arbeitsmarktservice Österreich« und ist der Name der österreichischen Arbeitsvermittlung. Vor ein paar Jahren hat Berlitz einen lukrativen Vertrag mit dem Staat abgeschlossen, seither erhält jeder Arbeitslose, der einen entsprechenden Antrag stellt, bei uns Englischunterricht. Es gibt wenig, was deprimierender wäre, als eine AMS-Gruppe zu unterrichten.

Meine letzte Schülerin des Tages ist neu. Als ich den Raum betrete, ist sie bereits da und schaut aus einem der schmutzigen Fenster auf die Mariahilfer Straße. Zu meiner Erleichterung sehe ich auf dem Infokärtchen, dass man ihr ein Englisch der Stufe 5 bescheinigt, ihre Sprachkenntnisse also bereits ein »hohes Niveau« besitzen. Je höher das Niveau des Schülers, desto weniger Mühe muss ich mir geben.

»Hallo, ich heiße Julia«, sage ich und strecke die Hand aus.

Die dünne Frau reicht mir eine überraschend warme Hand. Nach einer Viertelstunde weiß ich, dass sie Vera heißt, ursprünglich aus Graz kommt und als PR-Beraterin für die FPÖ tätig ist. Sie ist alleinstehend und hat eine achtjährige Tochter. Leider beginnt Vera nach dieser Viertelstunde, mir ihrerseits Fragen zu stellen.

»Where do you come from?«

»From Sweden«, sage ich, ohne zu überlegen.

Als auf Veras Stirn eine Falte auftaucht, weiß ich, dass ich einen Fehler gemacht habe. Obwohl mein Englisch so akzent- wie fehlerfrei ist, will niemand hören, dass ich nicht aus einem englischsprachigen Land stamme. Dagmar hat mich deshalb diskret darum gebeten, den Schülern gegenüber nicht zu erwähnen, dass ich aus Schweden komme. Mir fällt ein, was Rebecca von ihrem Job in einem Grillrestaurant in Australien erzählt hat: Obwohl sie sich die Bestellungen auch so merken konnte, benutzte sie zum Schein einen Notizblock, weil sie merkte, dass die Gäste nervös wurden, wenn sie nichts aufschrieb. So ähnlich komme ich mir in etwa vor, wenn ich wegen meiner Herkunft lügen muss.

»Swindon in Northern England«, versuche ich, die Sache in Ordnung zu bringen.

Vera schaut mich immer noch mit der Falte auf der Stirn an.

»Liegt Swindon nicht in Südengland?«, fragt sie. »In der Nähe von Bristol? Ich hab dort mal einen Kurs besucht.«

Ich spüre meine Wangen und meinen Hals warm werden.

»Meins ist ein anderes Swindon«, sage ich schnell....
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