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Eine Insel zwischen Himmel und Meer

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
288 Seiten
Deutsch
dtv Verlagsgesellschafterschienen am09.02.20181. Auflage
Emotional, herzzereißend, liebevoll Crow hat ihr ganzes Leben auf einer winzigen Insel verbracht. Sie wurde, kaum ein paar Stunden alt, in einem lecken kleinen Boot an den Strand gespült. Osh, der einzige Bewohner der Insel, hat sie gerettet. Bei ihm ist Crow aufgewachsen. Nur eine hat ihm dabei geholfen, die couragierte und liebevolle Miss Maggie. Alle anderen Menschen halten sich von dem Mädchen fern. Immer schon wollte Crow wissen, woher sie stammt und warum man sie fortgeschickt hatte. Ist es möglich, dass sie gar nicht von so weit her kommt? Als eines Nachts ein unheimliches Feuer auf einer vermeintlich menschenleeren Insel aufscheint, steigen in Crow all die unausgesprochenen Fragen nach ihrer Herkunft auf. Stück für Stück fügt sie das Puzzle ihrer Vergangenheit zusammen und begreift, was Familie wirklich bedeutet.

Lauren Wolk ist Schriftstellerin, Dichterin und bildende Künstlerin. Sie studierte an der Brown University Literatur, arbeitete u. a. als Redakteurin, Feuilletonistin und Lehrerin und ist derzeit stellvertretende Leiterin des Cultural Center of Cape Cod. Dort lebt sie auch mit ihrer Familie. Ihre Romane wurden vielfach ausgezeichnet.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR11,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextEmotional, herzzereißend, liebevoll Crow hat ihr ganzes Leben auf einer winzigen Insel verbracht. Sie wurde, kaum ein paar Stunden alt, in einem lecken kleinen Boot an den Strand gespült. Osh, der einzige Bewohner der Insel, hat sie gerettet. Bei ihm ist Crow aufgewachsen. Nur eine hat ihm dabei geholfen, die couragierte und liebevolle Miss Maggie. Alle anderen Menschen halten sich von dem Mädchen fern. Immer schon wollte Crow wissen, woher sie stammt und warum man sie fortgeschickt hatte. Ist es möglich, dass sie gar nicht von so weit her kommt? Als eines Nachts ein unheimliches Feuer auf einer vermeintlich menschenleeren Insel aufscheint, steigen in Crow all die unausgesprochenen Fragen nach ihrer Herkunft auf. Stück für Stück fügt sie das Puzzle ihrer Vergangenheit zusammen und begreift, was Familie wirklich bedeutet.

Lauren Wolk ist Schriftstellerin, Dichterin und bildende Künstlerin. Sie studierte an der Brown University Literatur, arbeitete u. a. als Redakteurin, Feuilletonistin und Lehrerin und ist derzeit stellvertretende Leiterin des Cultural Center of Cape Cod. Dort lebt sie auch mit ihrer Familie. Ihre Romane wurden vielfach ausgezeichnet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423434249
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum09.02.2018
Auflage1. Auflage
Seiten288 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1539 Kbytes
IllustrationenFormat: EPUB
Artikel-Nr.2532195
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
1

Nie werde ich mit Sicherheit wissen, wann ich geboren bin. Nicht genau jedenfalls.

An dem Morgen, als Osh mich entdeckte, war ich erst wenige Stunden alt, doch Osh besaß keinen Kalender, und es interessierte ihn auch wenig, welcher Tag gerade war. Daher begingen wir meinen Geburtstag immer um Mittsommer herum, an irgendeinem Tag, der uns gerade passend erschien.

Genauso war es mit anderen wichtigen Meilensteinen in meinem Leben: Ereignissen, die alle nichts mit dem Kalender zu tun hatten.

Wie der Tag, an dem Maus auf einmal vor unserer Tür stand, klapperdürr, und beschloss, dass unsere Hütte jetzt auch ihre sei. Ganz ähnlich, wie es bei mir selbst gewesen war.

Oder das erste Mal, dass Osh mich an die Ruderpinne unseres Bootes ließ, während er sich vorn ins Boot setzte, den Rücken an den Mast gelehnt, und sich eine Weile die Sonne ins Gesicht scheinen ließ, während die Gischt ihn mit feinen Regenbogenschleiern überzog. Oder der Tag, als einmal bei Flut ein junger Weißseitendelfin bei uns strandete, ein Weibchen. Osh war gerade unterwegs und ich auf dem Rückweg von Cuttyhunk, als ich den Delfin entdeckte, der angstvolle, babyähnliche Schreie ausstieß und sich immer wieder aufbäumte. Mit den bloßen Händen schaufelte ich den nassen Sand beiseite, in dem das Tier feststeckte. Ich packte es bei den geschwungenen Schwanzflossen und zog es Zentimeter um Zentimeter weg, bis das Wasser wieder hoch genug war und wir beide uns plötzlich im Meer wiederfanden.

Als das Delfinweibchen an mir vorüberschwamm, sah es mir fest in die Augen, so als wollte es sich mein Gesicht einprägen, diesen Moment. Als wollte es mir sagen, auch ich solle mich stets an diesen Moment erinnern, was immer auch später geschehen mochte.

Kalender spielten für all das keine Rolle.

Trotzdem weiß ich, dass ich acht Jahre lang auf jener kleinen Insel gelebt hatte, bevor ich mehr als nur Neugier verspürte, was meinen Namen anging. Der Traum, aus dem ich mit neuen Fragen nach meinem Namen erwachte, war voller Sterne, blasender Wale, voll von der Poesie des Meeres. Als ich die Augen aufschlug, blieb ich noch kurz liegen und beobachtete Osh, der am Herd stand und in einem zerbeulten Topf Haferbrei kochte.

Dann setzte ich mich auf und rieb mir den Schlaf aus den Augen. »Wieso heiße ich eigentlich Crow?«, fragte ich Osh.

Wenn er Brei kochte und mit dem Löffel im Topf rührte, dann hörte es sich an, als würde ein Boot auf einen Strand gezogen. »Das habe ich dir doch schon gesagt«, antwortete Osh. »Als du hier angeschwemmt wurdest, hattest du dich schon völlig heiser geschrien. Du hast nur noch gekrächzt, aber das die ganze Zeit. Deshalb habe ich dich Crow genannt.«

Bis dahin hatte mir diese Antwort immer genügt. Doch sie erklärte nicht alles. Und inzwischen wollte ich die ganze Geschichte wissen.

»Auf Englisch?«, fragte ich.

Manchmal sprach Osh in einer Sprache, die ich nicht verstand. Dann klang seine Stimme wie Musik, vor allem wenn er betete, aber auch wenn er seine Bilder vom Meer und von den Inseln malte. Als ich Osh zum ersten Mal nach dieser anderen Sprache fragte, sagte er, sie gehöre zu dem Wenigen, das ihm geblieben sei von dem Leben, das er hatte, bevor er auf diese Insel kam. Bevor ich zu ihm kam.

Auch wenn er diese andere Sprache nicht oft benutzte, so verlieh sie doch seinem Englisch ein ganz besonderes Aroma, sodass es anders klang als das aller anderen Leute. Seinen Akzent nannte Miss Maggie das. Mir schien es eher so, als hätten alle anderen einen fremden Akzent.

»Nein, anfangs nicht auf Englisch«, antwortete Osh. »Aber hier sprechen die Leute nun mal Englisch. Und deshalb: Crow.«

Ich stand auf und reckte mich, um den Schlaf aus meinen Knochen zu vertreiben. In dem blassen Morgenlicht hatten meine Arme so gut wie keine Ähnlichkeit mit Flügeln.

Doch als ich dann auf einen Hocker kletterte und in unseren Spiegel schaute - der gerade groß genug war, um mir mein Gesicht zu zeigen -, sah ich das Vogelähnliche in der Krümmung meiner Nase. Das Geburtsmal auf meiner Wange, das die Form einer kleinen Feder hatte. Mein Haar, das dunkler war als das aller anderen, die ich kannte. Meine dunklen Augen. Meine Haut, die aussah wie die von Osh nach einem halben Jahr in der Sonne.

Ich blickte hinunter auf meine mageren Beine, meine knochigen Füße.

Es gab reichlich Gründe, mich Crow zu nennen, außer der Art, wie ich früher geweint hatte.

Osh selbst hatte drei Namen: Daniel - so nannte ihn Miss Maggie. Der Maler - so nannten ihn die Sommergäste. Osh - so nannte ich ihn, seit ich meine ersten Worte sprechen konnte.

Sein richtiger Name war kompliziert. Zu schwierig für ein Kind. Bei mir hatte es nur zu Osh gereicht. Und so nannte ich ihn seither.

»Ich wünschte, ich wüsste, wie mein richtiger Name war«, sagte ich.

Eine Weile schwieg Osh. »Wie meinst du das - dein richtiger Name?«, fragte er dann.

»Mein richtiger Name. Der, den mir meine Eltern gegeben haben.«

Wieder schwieg Osh eine Weile. Dann sagte er: »Du kamst als Neugeborenes hier an. Ob du je einen anderen Namen gehabt hast? Nicht, dass ich wüsste.« Er löffelte Haferbrei in eine Schale. »Und falls doch, weiß ich nicht, wie wir je erfahren sollten, wie er war.«

Ich holte uns zwei Löffel. »Wie er ist, meinst du wohl.«

Osh zuckte mit den Schultern, und dabei rollten seine schulterlangen Haare sich auf wie nächtliche Wellen. »War. Ist. Sein wird.« Er füllte eine zweite Schale mit Brei. »Was bedeutet das schon? Du bist jetzt hier, und du hast einen Namen.«

Platsch machte der Haferbrei, als er in der Schüssel landete, tock der Holzlöffel, der an ihrem Rand aufschlug, und beide Geräusche weckten die Frage in mir, wer diese Dinge benannt hatte. Sowie alles andere auf der Welt. Auch mich.

Ich spürte, wie meine Neugier stärker wurde, so als wäre sie ein Teil meiner Knochen und würde mit ihnen Schritt halten, während ich wuchs.

Aber es war mehr als das, mehr als bloße Neugier: Ich verspürte den brennenden Wunsch, endlich zu wissen, was ich bis dahin nicht wusste.

Ich wollte wissen, warum in manchen der Austern von Cuttyhunk Perlen waren, in anderen aber nicht. Ich wollte wissen, wieso der Mond aus so großer Entfernung das Meer bewegen konnte, wo er doch nicht einmal die Milch in Miss Maggies Tee umzurühren vermochte. Aber ich musste wissen, warum so viele Menschen auf Cuttyhunk sich von mir fernhielten, so als hätten sie Angst vor mir, obwohl ich kleiner war als sie alle.

Ich fragte mich, ob es etwas damit zu tun haben könnte, wo ich herkam, doch das ergab keinen Sinn. Welche Bedeutung konnte ein Woher haben für die Fragen, wer oder was ein Mensch war? Eine gewisse Bedeutung sicher.

Aber keine alles entscheidende.

Und ich wollte Antworten auf alle drei Fragen.

Osh hingegen nicht. Wann immer ich ihn nach Austernperlen oder Ebbe und Flut fragte, tat er sein Bestes, mir Antwort zu geben. Doch wenn es mir um Dinge jenseits unseres Lebens auf den Inseln ging, dann wurde Osh zu so etwas wie der Mond selbst und versuchte, mich zurückzuziehen wie der Mond das Meer bei Ebbe. So als liefe Meerwasser durch meine Adern statt Blut.

»Ich bin von weit, weit hergekommen«, sagte er einmal, als ich ihn nach seinem Leben vor mir fragte. »Weiter konnte ich nicht wegkommen von jenem Ort, an dem sich Menschen - darunter auch meine eigenen Brüder - kopfüber in schreckliche Kämpfe stürzten und niemand mehr einen Durchblick hatte in jenem Tollhaus. Und wofür? Worum ging es?« Osh schüttelte den Kopf. »Um nichts, was solche Kämpfe gelohnt hätte. Ich habe mich geweigert, dabei mitzumachen. Deshalb bin ich jetzt hier. Und hier bleibe ich.«

Während ich darauf wartete, dass Osh unseren Haferbrei auf den Tisch stellte, überlegte ich, welcher Name mir für mich gefallen könnte, doch etwas Besseres als Crow fiel mir nicht ein, und so hieß ich ja bereits.

Ich fand es auch schön, nach einem Vogel benannt zu sein, der schlauer war als die meisten. Sogar schlauer als manche Menschen. Ganz anders als die Möwen und Fischadler, die über den Inseln kreisten und immer wieder hinabtauchten. Ich fühlte eine gewisse Verwandtschaft mit diesen großen schwarzen Vögeln, die vom Festland herübertrieben wie verlorene Papierdrachen und sich im Wind mal hierhin, mal dorthin neigten, bis sie sich schließlich auf Miss Maggies Weißbuche niederließen. Sie schienen nicht auf die Inseln zu gehören, und manchmal fühlte ich mich genauso. Trotzdem, auch wir waren Inselbewohner, sollten die anderen doch denken, was sie wollten.

Manchmal gab Osh mir andere Tiernamen: Füchschen. Kätzchen. Muli, wenn ich stur war. Zaunkönig, wenn ich brav war. Weil ich so gern spätabends den Strand absuchte nach allem, was die Flut hereingebracht hatte, nannte er mich auch manchmal »Mooncusser«, was wörtlich so viel wie Mondflucher bedeutete und Menschen meinte, die nachts Schiffe anlockten, bis diese vor der Küste von Cuttyhunk zerschellten, sodass sie sie ausplündern konnten. Aber ich lockte keine Schiffe in ihr Verderben. Und ich war auch kein Dieb, der das Mondlicht scheute, während ich nach verlorenen Schätzen suchte. Ich hatte den Mond nie verflucht.

Aber normalerweise brauchten wir keine Namen. Wenn wir getrennt waren, dann waren wir so weit auseinander, dass Rufen zwecklos gewesen wäre. Wenn wir zusammen waren, redeten wir, wie man redet, wenn sonst niemand dabei ist. Namen spielten keine...
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Autor

Lauren Wolk ist Schriftstellerin, Dichterin und bildende Künstlerin. Sie studierte an der Brown University Literatur, arbeitete u. a. als Redakteurin, Feuilletonistin und Lehrerin und ist derzeit stellvertretende Leiterin des Cultural Center of Cape Cod. Dort lebt sie auch mit ihrer Familie. Ihre Romane wurden vielfach ausgezeichnet.