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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
144 Seiten
Deutsch
Carlsen Verlag GmbHerschienen am28.02.2018Auflage
Nur dieses eine Wochenende. Nur noch einmal in Opas altes Haus am Arsch der Welt, hier war alles immer gut. Nur das will Ben, der gerade achtzehn geworden ist und irgendwie festhängt - in der Schule, in der Familie, im Leben. Ein paar Tage raus aus allem. Zusammen mit Annika, der großen Schwester, die doch immer die Vernünftigere war. Einen Spaziergang, ein Osterfeuer und einen umgefallenen Tisch und die Folgen später sieht nicht mehr alles so aus wie vorher. Eine Geschichte übers Fremdsein und Sichnäherkommen von der vielfach ausgezeichneten (u.A. Jugendliteraturpreis) Autorin Tamara Bach

Tamara Bach, 1976 in Limburg an der Lahn geboren, studierte in Berlin Englisch und Deutsch für das Lehramt. Ihr erstes Buch, 'Marsmädchen', wurde als noch unveröffentlichtes Manuskript mit dem Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet und erhielt außerdem den Deutschen Jugendliteraturpreis. Weitere Bücher und Auszeichnungen folgten, u.a. der Katholische Kinder- und Jugendbuchpreis 2013 für 'Was vom Sommer übrig ist'. 2014 stand 'Marienbilder' auf der internationalen Auswahlliste White Ravens. Ihr Roman 'Vierzehn' wurde gleich in zwei Kategorien für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Ihre Kinder- und Jugendbücher erscheinen im Carlsen-Verlag. Heute lebt und schreibt Tamara Bach in Berlin. 2021 wurde sie für ihr 'beeindruckendes literarisches Werk' mit dem James Krüss Preis ausgezeichnet!
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Produkt

KlappentextNur dieses eine Wochenende. Nur noch einmal in Opas altes Haus am Arsch der Welt, hier war alles immer gut. Nur das will Ben, der gerade achtzehn geworden ist und irgendwie festhängt - in der Schule, in der Familie, im Leben. Ein paar Tage raus aus allem. Zusammen mit Annika, der großen Schwester, die doch immer die Vernünftigere war. Einen Spaziergang, ein Osterfeuer und einen umgefallenen Tisch und die Folgen später sieht nicht mehr alles so aus wie vorher. Eine Geschichte übers Fremdsein und Sichnäherkommen von der vielfach ausgezeichneten (u.A. Jugendliteraturpreis) Autorin Tamara Bach

Tamara Bach, 1976 in Limburg an der Lahn geboren, studierte in Berlin Englisch und Deutsch für das Lehramt. Ihr erstes Buch, 'Marsmädchen', wurde als noch unveröffentlichtes Manuskript mit dem Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet und erhielt außerdem den Deutschen Jugendliteraturpreis. Weitere Bücher und Auszeichnungen folgten, u.a. der Katholische Kinder- und Jugendbuchpreis 2013 für 'Was vom Sommer übrig ist'. 2014 stand 'Marienbilder' auf der internationalen Auswahlliste White Ravens. Ihr Roman 'Vierzehn' wurde gleich in zwei Kategorien für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Ihre Kinder- und Jugendbücher erscheinen im Carlsen-Verlag. Heute lebt und schreibt Tamara Bach in Berlin. 2021 wurde sie für ihr 'beeindruckendes literarisches Werk' mit dem James Krüss Preis ausgezeichnet!
Details
Weitere ISBN/GTIN9783646923025
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum28.02.2018
AuflageAuflage
Seiten144 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1840 Kbytes
Artikel-Nr.2532836
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Mittwoch

»Sei Pippi, sei nicht Annika«, sagt er. Er sagt es einmal am Nachmittag, als ich frage, ob ich dableiben muss. Weil ich lieber noch an was arbeiten möchte. Da hat er die Augen groß gemacht, mir eine Hand auf die Schulter gelegt und gesagt, dass er ja nur einmal achtzehn wird. Und ich als seine Schwester. Und dann eben den Spruch mit Pippi.

Er hat gesagt, dass er nüchtern bleibt, dass er eh mehr und mehr zum Straight Edger wird. Nur vegan schafft er noch nicht. »Noch«, hat er gesagt.

Dann hat er sich mit Edding ein X auf den Handrücken gemalt und das jedes Mal hochgehalten, wenn jemand mit ihm anstoßen wollte. Das und die Flasche Wasser.

Um fünf räumen die Eltern das Feld, mit Taschen in den Händen, das Auto gepackt, das vom Vater. Den Wagen der Mutter hat er schon den ganzen Tag benutzen dürfen.

»Endlich legal«, sagt er. Die Eltern runzeln die Stirn, dann legt Vater einen Arm um seine Frau, »Komm, wir sind hier nicht erwünscht«, und zu den Kindern, zu uns: »Nicht zu wild, ja?«

»We´re gonna party like it´s 1999!«, sagt er, der Sohn, mein Bruder, und dann: »Ach nee, warte, das wart ja ihr. Dann nicht.«

Vater und Mutter gucken zu mir, Augendialoge, du passt auf, ja? Und dass sie ja nicht zu Orgie / Naturkatastrophe / Rave / Super-GAU heimkehren wollen. Natürlich nicke ich. Alles gut, ihr könnt gehen. Vaters Hand geht abschließend in die Höhe und winkt nicht. Signalisiert nur: Wir sind raus.

Er hat also Mutters Wagen. Ein paarmal fährt er einkaufen, ein paar Kisten Bier, Wein trinkt ja eh keiner, Wein wird ja eh mitgebracht von denen, die daran denken, was mitzubringen, also von den Freundinnen seiner Freunde.

Er backt einen Kuchen, eine Backmischung, schaut die Butter an, sagt dann zu mir: »Mit Butter merkt man das gar nicht, dass das eine Backmischung ist«, zu sich: »Und auch das ist nicht vegan«, und seufzt. Ich warte nur. Ich soll hier sein und da sein, anwesend, mahnend, aufmerksam. Pass ja auf. Aber passiert ja nichts. Ich könnte auch nach oben gehen, noch was arbeiten, aber dann sagt er wieder: »Sei Pippi, sei nicht Annika.« Das sagt er heute die ganze Zeit. Und es wird nicht witziger.

Das Haus riecht jetzt nach Kuchen.

Er sagt, das hätte er mal gehört, dass das Makler machen, wenn sie potenzielle Käufer durch Wohnungen führen, dass sie Kekse oder Kuchen in der Wohnung backen und man sich dann gleich sehr zu Hause fühlt.

Ich schaue auf die Uhr.

Er sagt, ich soll doch ein Bier trinken, dass das Bier bestimmt inzwischen kalt ist. »Oder ein Radler?«

Ich guck zum Fenster raus, als er zum Kühlschrank geht. Es hat schon wieder geregnet. Wenigstens können die jetzt nicht im Garten feiern. Ich frag mich dann, ob es vielleicht doch besser wäre, im Garten zu feiern. Dort: kein Teppich, keine Fenster, nichts Zerbrechliches. Keine weißen Wände. Kein cremefarbenes Sofa.

Aber: die Nachbarn. Aber: der Lärm.

Er hält mir ein Bier hin.

Ich nehm es. Und ja, es ist kalt.

Eine Stunde später hab ich doch nur einen Schluck und noch einen getrunken, den widerwillig, und jetzt ist das Bier warm und schlapp.

Also er wieder: »Sei Pippi, sei nicht Annika.«

Die brauchen ja gar keine Sitterin. Ich könnte jetzt nach oben gehen, dort weiter an der Arbeit schreiben. Im Hauptteil fehlen noch zwei Kapitel, dann noch der Schluss, am Ende noch einmal die Einleitung überarbeiten.

»Na hopp, Annika.«

Er nimmt mir das erste Bier ab, hält mir ein weiteres hin. Ich schüttel den Kopf.

Er rollt mit den Augen, zieht mich auf die Terrasse, da rauchen sie sich ein. Es regnet nicht mehr, der Boden ist nass. Drüben rümpfen die Nachbarn die Nasen und erinnern sich an ihr Studium in Freiburg damals. Sagt ja keiner was.

Draußen seine Gang. Die Jungs. Die alle irgendwelche Namen haben, auf die sie nicht getauft wurden. So was wie »Würfel« oder »Bolle« oder »Neun«.

Drinnen auch seine Gang und deren gelangweilte Mädchen. »Meet the feebles« auf drei Trilliarden Zoll in MegaHD, so HD, da tun einem die Augen weh. »So scharf ist nicht mal die Welt«, sagt er.

Auf dem Tisch der Kuchen, Schokolade, er hat noch eine ganze Tafel extra reingerieben, Milchschokolade, »Ja, Kuhmilch«, hat er gesagt. Wir sind also draußen und es regnet nicht mehr und da sitzen seine Jungs, die halten mir das Tütchen hin, sagen, dass ich an der Reihe bin. Ich heb die Hände hoch.

»Wie jetzt?«, sagt einer.

»Nein, nicht kiffen.«

»Pippi«, sagt er.

Einer lacht, weil er den Witz erst jetzt versteht. Ach stimmt. Die komische Freundin von der. Tommy und Langweilika.

»Witzig«, sag ich. So witzig. Der andere lacht immer noch. Und der, der mir das Tütchen eben noch hingehalten hat, will schon weitergeben, da schau ich meinem Bruder in die Augen, der doch selbst angeblich so Straight Edge ist.

Greif es mir, ziehe, und ja, ernte beeindruckte Blicke vom Jungvolk.

Da schaut ihr, was? Dass ich mich fast verbeuge. Leise fängt es an zu regnen und einer zieht einen Stuhl ran. Sagt, ich soll Pippi sein. Und nicht Annika.

Also bin ich nicht Annika. Und ziehe noch einmal, dann gebe ich weiter. Trinke vom Bier.

Ich weiß, erst werde ich hungrig, dann müde. Ich schau mich um und denk an die Eltern, die sind woanders und machen sich vielleicht Sorgen. Das ist keine Orgie. Ich lehne mich zurück und greife zum Tütchen, das wieder an mir vorbeizieht.

Das ist keine Orgie.

Das ist kein Rave.

Das ist kein Super-GAU, kein Festival, kein Ausufern.

»Ihr seid nett«, sag ich.

Ich werde müde und will einschlafen, mein Zimmer, mein Kinderzimmer, ist aber ganz weit oben. Im Turm, will ich sagen, ich wohne im Turm. Ich bin Rapunzel. Da kommt Ben und schaut mich an. Sagt was von Pizza und dass er mich braucht für die Pizza. »Pippi muss Pizza holen«, sagt einer, der auch irgend so einen komischen Namen hat. Heißt der Backofen? Nein? Ich sage: »Du heißt doch Backofen, oder?«, und die anderen lachen sich scheckig und kringelig und ein Loch in den Bauch und sagen nicht, wie der wirklich heißt. Mein Bruder nimmt mich am Arm und fragt mich, ob alles okay ist. »Ja«, sage ich, aber dass ich auch was zu trinken brauche. Was mit Bläschen. In Gelb. Also Fanta, sage ich, und dann stehe ich da und denke, der braucht mich doch gar nicht, um Pizza zu holen, aber dann klingt Pizza so gut, mein Mund will Pizza. Mit perfektem Teig. Innen weich, außen knusprig, aber nicht verbrannt. Mit würziger Tomatensoße und gerade genug Käse, dass man die Soße noch durchsieht. Und der Käse goldblond gebacken. Und langfädig. »Seidenzarter Käse«, sage ich und sehe eine Flasche in meiner Hand und denke, ach, schau, Fanta, wie nett. Ich bekomme die Flasche auch auf, so stark bin ich, dann trinke ich und denke dann wieder an Pizza, frage ihn, ob er eine mit Pilzen bestellt hat, ob es hier Menschen gibt, die Pilze mögen. Er steht im Flur mit seiner Jacke, da steht er und sagt einer was ins Ohr, die kenn ich nicht, und ich sage: »Mögen deine Freunde Pilze?«

Das Mädchen nickt, dabei hat die mich gar nicht gehört, und hinter mir sagt einer: »Mein Pappmaul ist wichtiger als Deutschland.« Das klingt richtig und lustig. Ich möchte mir das aufschreiben. Ich will mir das merken.

Er steht da mit dem Mädchen, die zieht gerade ihre Jacke aus und guckt ihn an. Er hat mich nicht gehört. Also ruf ich, erst nur »PIZZA!«, und als er nicht reagiert: »BENNIFER, PIIIIIZZAAA!«

Er nickt dem Mädchen zu, nimmt dann den Schlüssel. Wie das aussieht, dass er den Schlüssel so im Vorbeigehen vom Schlüsselbrett nimmt, wie man im Vorbeigehen eine Jacke von der Garderobe pflückt.

Organisch hat das ausgesehen.

Ich mag das Wort.

Ich will Pizza.

In meiner Umarmung die Limoflasche, folge ich ihm auf den Fuß, sage es: »Ich folge dir auf den Fuß«, und frage mich dann, ob Akkusativ oder Dativ. Und laufe ihm auf den Hacken herum, das im Dativ.

Versuche ihm die Schuhe von den Füßen zu treten.

Er greift nach hinten und kriegt mich aber nicht zu fassen. Weil ich so schnell bin. Und wendig. Ich bin unfassbar, denke ich. Gänsemarsch auf Waschbeton. Waschbeton. Ein komisches Wort. Ich muss das nachschlagen, ob das erstens stimmt, zweitens, warum das so heißt. Aber dazu brauch ich mein Handy, hab es aber nicht. Ich hab auch kein Geld.

»Ich hab kein Geld und kein Handy«, sag ich.

»Macht ja nichts«, antwortet er.

»Waschbeton«, sag ich also, »merk dir das mal.«

Er nickt, sagt »Waschbeton«, das Auto blinzelt uns gelb zu, charmant, denk ich, steig ein, da die Sitzheizung, nasse Windschutz- und Heckscheiben. Denke, dass es doch bestimmt seit Stunden nicht mehr geregnet hat, aber die Trauerweide, ja, die hat geweint.

Und eben Sitzheizung. Da schlaf ich also ein.

Ich mache die Augen auf und sitze im Auto. Vor einem Haus. Das ist nicht die Pizzeria. Hier ist keine Straße, hier ist nur ein Haus, nur dieses Haus. Mir ist kalt, es ist Nacht und sehr dunkel. Ich weiß nicht, wo ich bin. Ich weiß nicht, wo er ist.

Über meinen Beinen eine Decke, ich kenne die Decke, es ist die vom Rücksitz.

Wo bin ich?

Ich steige aus, taste mich ab, keine Tasche, nichts in der Hose, in der Jacke ein Labello, ein, zwei alte Tempos. Kein Handy, kein Geld.

Das Haus: leuchtende Fenster.

Ich kenne das Haus.

Ich mache die Beifahrertür zu. Das Auto bleibt unabgeschlossen auf der Straße stehen. Hier klaut niemand. Gehe zur Vordertür...

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Autor

Tamara Bach, 1976 in Limburg an der Lahn geboren, studierte in Berlin Englisch und Deutsch für das Lehramt. Ihr erstes Buch, "Marsmädchen", wurde als noch unveröffentlichtes Manuskript mit dem Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet und erhielt außerdem den Deutschen Jugendliteraturpreis. Weitere Bücher und Auszeichnungen folgten, u.a. der Katholische Kinder- und Jugendbuchpreis 2013 für "Was vom Sommer übrig ist". 2014 stand "Marienbilder" auf der internationalen Auswahlliste White Ravens. Ihr Roman "Vierzehn" wurde gleich in zwei Kategorien für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Ihre Kinder- und Jugendbücher erscheinen im Carlsen-Verlag. Heute lebt und schreibt Tamara Bach in Berlin. 2021 wurde sie für ihr "beeindruckendes literarisches Werk" mit dem James Krüss Preis ausgezeichnet!