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Der Gutshof im Alten Land

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
70 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am01.05.2018
Die Vorgeschichte zu Micaela Jarys großer Familiensaga 'Der Gutshof im Alten Land'.
Frühling 1914: Die Familie von Voss herrscht seit Jahrhunderten über einen großen Gutshof im Alten Land. Als Lennart von Voss, der jüngste Sohn und Erbe, volljährig wird, wird ihm zu Ehren ein glanzvolles Fest ausgerichtet. Während der Feierlichkeiten kommt es jedoch zum Eklat, da Lennart seine Zeit lieber mit der jungen Fabrikarbeiterin Jenny verbringt. Derweil wird von Lennarts älterem Bruder Gerrit eine folgenschwere Entscheidung verlangt. Doch der Sturm, der die Familie von Voss zu zerreißen droht, ist nichts gegen den großen Sturm, der in ganz Europa aufzieht - denn der 1. Weltkrieg wirft seine Schatten voraus.

Micaela Jary stammt aus Hamburg und wuchs im Tessin auf. Sie arbeitete lange als Journalistin, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Nach einem langjährigen Aufenthalt in Paris lebt sie heute mit Mann und Hund in Berlin und München. Zum Schreiben begibt sie sich aber auch in ein kleines Landhaus nahe Rostock.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR1,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR2,99

Produkt

KlappentextDie Vorgeschichte zu Micaela Jarys großer Familiensaga 'Der Gutshof im Alten Land'.
Frühling 1914: Die Familie von Voss herrscht seit Jahrhunderten über einen großen Gutshof im Alten Land. Als Lennart von Voss, der jüngste Sohn und Erbe, volljährig wird, wird ihm zu Ehren ein glanzvolles Fest ausgerichtet. Während der Feierlichkeiten kommt es jedoch zum Eklat, da Lennart seine Zeit lieber mit der jungen Fabrikarbeiterin Jenny verbringt. Derweil wird von Lennarts älterem Bruder Gerrit eine folgenschwere Entscheidung verlangt. Doch der Sturm, der die Familie von Voss zu zerreißen droht, ist nichts gegen den großen Sturm, der in ganz Europa aufzieht - denn der 1. Weltkrieg wirft seine Schatten voraus.

Micaela Jary stammt aus Hamburg und wuchs im Tessin auf. Sie arbeitete lange als Journalistin, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Nach einem langjährigen Aufenthalt in Paris lebt sie heute mit Mann und Hund in Berlin und München. Zum Schreiben begibt sie sich aber auch in ein kleines Landhaus nahe Rostock.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641226718
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum01.05.2018
Seiten70 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3204 Kbytes
Artikel-Nr.2538143
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Altes Land, April 1914

3

»Sind Sie verletzt?«

Die Männerstimme klang freundlich, ein wenig besorgt, vor allem fürsorglich. Er roch nach Pferdeschweiß, aber auch nach Lavendel - und dieser Duft brachte Jenny zu den Träumen zurück, die sie vor ihrem Unfall gesponnen hatte. Wie herrlich hatten sich der Wind in ihrem Haar und die Gedanken an ein besseres Leben angefühlt! Doch von diesem Zauber war nichts geblieben, ebenso wenig von dem Abenteuer der rasanten Fahrradfahrt.

Nun lag sie buchstäblich im Dreck, und das blassrosa Gewand der Obstbäume über ihr erinnerte so gar nicht mehr an einen Brautschleier, sondern daran, dass ihr Haar aufgelöst, ihre Bluse vermutlich mit Flecken übersät war und sie Glück hatte, wenn sie keinen Riss in ihrem Rock fand. In dieser Aufmachung durfte sie weder zur Arbeit gehen noch ihrer Mutter unter die Augen kommen, und ein feiner Herr würde sich bestimmt nicht in ein junges Mädchen verlieben, das aussah wie ein Halbwüchsiger nach einem Boxkampf. Und diese Schmerzen in ihrer Schulter ... Zum Schock gesellte sich Selbstmitleid. Eine Träne rollte wie von selbst über Jennys Wange.

»Um Himmels willen, nicht weinen! Ich kann nicht ertragen, wenn eine hübsche Frau weint.«

Der Ausruf war reinste Verzweiflung, aber so aufgesetzt, dass Jenny plötzlich zornig wurde. Der Reiter hatte ihren Weg gekreuzt, er hätte besser aufpassen müssen! Oder nicht? War sie etwa schuld an dem Unfall? Egal. Sie brauchte sein Mitleid, nicht umgekehrt. Ihr Aussehen und ihre Kleidung waren hinüber, von dem Fahrrad ganz zu schweigen.

Sie blinzelte, sah ein schmales Gesicht über einem Halstuch aus burgunderroter Seide. Er kniete neben ihr, war ihr ganz nah. Was für ein attraktiver Mann! Sie erkannte ihn sofort, obwohl sie ihn bei seiner Ankunft im Schützenhaus nur flüchtig wahrgenommen hatte. Es handelte sich um Lennart von Voss, niemand Geringerer als der Sohn des Gutsbesitzers hatte sie über den Haufen geritten. Was dachte er sich nur? Dass ihm der Feldweg gehörte, den sie entlanggeradelt war? Na ja, womöglich gehörte das Land hier tatsächlich seiner Familie. Vielleicht sollte sie es als gegeben hinnehmen, dass er sich eben alles erlauben durfte - und sie so gut wie gar nichts. Doch Jenny gab nicht so leicht klein bei.

Als sie sich aufzurichten versuchte, stach ihr der Schmerz in die Schulter. Es tat so weh, dass sie unwillkürlich nach Luft schnappte. Daraufhin quollen die Tränen wie Sturzbäche aus ihren Augen.

»Großer Gott!«, rief Lennart von Voss aus. Diesmal klang er wirklich aufgewühlt. »Sie sind schwer verletzt, nicht wahr? Was soll ich denn jetzt tun?«

Jenny zog die Nase hoch. »Sie könnten mir aufhelfen«, schlug sie vor.

»Ja. Ja. Natürlich ...« Er rang um Fassung. Ansonsten tat er - nichts.

Sein Verhalten ärgerte Jenny. Waren vornehme Männer so wenig hilfsbereit? Oder war Lennart von Voss nur ein bisschen einfältig? Vielleicht ein Geburtsschaden ... Jenny konnte sich jedoch nicht erinnern, dergleichen von Tante Gertrud gehört zu haben. Jedenfalls schien er nicht hochnäsig zu sein, denn als er unvermittelt in Bewegung geriet, nestelte er in seiner Jackentasche und förderte ein blütenweißes Tuch zutage, mit dem er ihr - ohne zu fragen - im Gesicht herumwischte. Sanft zwar, aber völlig sinnlos. Sie schob seine Hand fort.

»Das ist nicht nötig.« Jenny fuhr sich mit dem Handrücken über die feuchten Lider.

»Schade«, murmelte er, steckte sein Taschentuch aber gehorsam wieder ein. »Sie sehen ein wenig derangiert aus.«

»Was?« Er benutzte eine Sprache, die sie nicht kannte.

»Flusig«, antwortete er auf Plattdeutsch. Die Erklärung kam ihm jedoch nicht überheblich über die Lippen. Er lachte fröhlich.

Spontan fiel sie in sein Lachen ein. Dabei war so gar nichts komisch daran, dass sie keine Fremdwörter beherrschte und darüber hinaus ziemlich zerzaust war. Außerdem plagten sie nach wie vor starke Schmerzen, und den Schaden an ihrem Rad hatte sie noch nicht einmal begutachtet. Dabei war es eigentlich gar nicht ihr Fahrrad, sondern das ihres Vaters, das sie sich heute ausnahmsweise für den Weg zur Arbeit hatte ausleihen dürfen. Alles nicht lustig. Ganz und gar nicht lustig, wenn sie an ihre Stelle und ihre Eltern dachte. Doch sie beschloss, für den Moment genau daran nicht zu denken, denn trotz der durchaus berechtigten Sorgen war Lennarts gute Laune ansteckend. Schließlich saßen sie einvernehmlich im Gras unter den Kirschbäumen und lachten und lachten, als gäbe es nichts Lustigeres als einen Unfall mit einem Fahrrad und einem Pferd. Nun musste sich Jenny Lachtränen aus den Augen wischen.

»Ich heiße übrigens Lennart«, stellte er sich vor.

»Jenny«, kicherte sie, um Atem ringend.

»Ich bin im gestreckten Galopp von zu Hause geflohen«, erzählte er. »Meine Mutter veranstaltet heute Abend einen Ball, und ich finde diesen ganzen Zirkus ausgesprochen lästig. Vor allem, wenn sie nach meiner Hilfe verlangt. Dieses Tamtam ist nichts für mich. Da bin ich lieber ab durch die Mitte.«

»Warum veranstaltet sie einen Ball, wenn heute Abend doch überall der Tanz in den Mai stattfindet?« Jenny wollte eigentlich nicht neugierig sein, aber es machte auf sie mächtig Eindruck, dass er sich seiner Mutter widersetzte. Seine Mutter war als energische Person bekannt. Tante Gertrud behauptete, dass Caroline von Voss immer ihren Willen bekam, ganz gleich, wo oder bei wem sie den durchsetzen musste. Offenbar klappte das bei Lennart nicht. Dazu gehörte großer Mut, fand Jenny. Sie wusste, wie schwer es sein konnte, den Eltern die Stirn zu bieten. Die Gegenwehr des jüngsten Voss-Sohnes war in Jennys Augen so bewundernswert, dass sie begann, ihm den Unfall zu verzeihen.

Lennart zögerte. Gedankenverloren streichelte er die Nüstern seines Pferdes, das ihn mit dem Kopf anstupste. »Heute ist mein Geburtstag. Ich werde einundzwanzig. Mir zu Ehren hat meine Mutter Gott und die Welt eingeladen. Aber im Großen und Ganzen sind es nur Leute, die mich nicht interessieren ...«

»Herzlichen Glückwunsch«, murmelte Jenny.

Er schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. »Wenn du kommen könntest, wäre das natürlich etwas anderes. Das wäre das i-Tüpfelchen auf meinem Geburtstagsfest.«

Sie wurde rot, ihre Ohren fühlten sich heiß an, und ihre Kopfhaut kribbelte. Dass er zum vertraulichen Du übergegangen war, störte sie nicht. Das gemeinsame Gelächter hatte eine Vertrautheit über alle gesellschaftlichen Schranken geschaffen. Die Verwirklichung ihrer Träume von einem besseren Leben schien mit einem Mal zum Greifen nah. Dennoch zierte sie sich: »Ich kann doch nicht ... das geht nicht ... ich weiß nicht ...«, stammelte sie, hoffnungslos überfordert von seiner unerwarteten Einladung. Ihr Herz schlug Purzelbäume und riet ihr, alles zu tun, um als Gast einen Ball auf der Domäne derer von Voss besuchen zu dürfen. Ihre Vernunft war anderer Ansicht, aber die spielte gerade keine Rolle.

»Ja. Ich weiß.« Lennart seufzte tief. »Das geht leider nicht.«

Gab er wirklich so schnell auf? Jenny war enttäuscht. Von einem jungen Mann, der seiner Mutter nicht folgte, hatte sie ein wenig mehr Überredungskunst erwartet. Ein forscheres Auftreten. Er hatte doch vorgeschlagen, dass sie zu dem Ball kommen sollte! Was könnte er sonst mit dem i-Tüpfelchen gemeint haben? Hatte Lennart von Voss gar nicht mit ihr gelacht, sondern sie vielmehr ausgelacht? Der Gedanke erinnerte Jenny unangenehm an einen Kübel mit kaltem Wasser.

»Apfelblüte langweilt sich«, sagte Lennart plötzlich.

»Was? Wer?«

Er sprang auf, nahm das Pferd am Halfter. »Meine Stute heißt Apfelblüte. Sie ist so weiß wie die Blüten an den Apfelbäumen, daher der Name.« Mit der freien Hand deutete er nach oben. »Da hast du den unmittelbaren Vergleich!«

»Kann schon sein«, sagte sie, ohne das eine oder das andere anzusehen. Das bezaubernde Dach hatte seinen Reiz verloren. Nichts erinnerte Jenny mehr an eine Hochzeit. Das waren einfach nur Pflanzen, die dem Lauf der Jahreszeiten folgten. Ernüchtert richtete auch sie sich auf, der Schmerz in ihrem Herzen war stärker als in ihren Gliedern.

»Was macht dich so traurig?«, erkundigte sich Lennart in schmeichlerischem Ton. »Wo tut es dir weh?«

Sie blickte trotzig auf ihre Schuhspitzen und duckte sich nicht schnell genug weg, um zu verhindern, dass er mit dem Zeigefinger auf ihre Nasenspitze tippte. Ärgerlich schüttelte sie den Kopf, als wollte sie ein lästiges Insekt abwehren. Genauso reagierte Apfelblüte vermutlich, wenn Fliegen um sie herumschwirrten.

Diese Reaktion schien Lennart zu überraschen. »Bist du mir böse?«

»Ja«, entfuhr es ihr. »Nein«, sagte sie danach. Sie wagte nicht, ihm in die Augen zu sehen. Wenn sie den Schalk wahrnehmen würde, den sie dort vermutete, wäre sie zutiefst verletzt.

»Na, für irgendetwas musst du dich schon entscheiden.«

Durch den Blick nach unten registrierte sie mit aller Deutlichkeit den langen Riss in ihrem Rock und die Grasflecken darauf. Sie erinnerte sich nicht, ob sie mit dem Fuß im Saum hängengeblieben war oder sich der Stoff in den Speichen verfangen hatte. Es war auch egal. So konnte sie jedenfalls nicht zur Arbeit erscheinen. Einen Fahrradunfall würde der Wirt des Schützenhauses ihr kaum durchgehen lassen. Wenn sie zuerst nach Hause fuhr und sich umzog, um anschließend noch einmal zurückzuradeln, würde sie sich erheblich verspäten - und das war genauso unentschuldbar. Mit wachsender Verzweiflung wog sie ab, ob sie lieber aufgelöst und...

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Micaela Jary stammt aus Hamburg und wuchs im Tessin auf. Sie arbeitete lange als Journalistin, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Nach einem langjährigen Aufenthalt in Paris lebt sie heute mit Mann und Hund in Berlin und München. Zum Schreiben begibt sie sich aber auch in ein kleines Landhaus nahe Rostock.