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Der Islam im europäischen Denken

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
264 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am29.12.20171. Auflage
Diese Essays des großen Orientalisten Albert Hourani, der mit seiner ?Geschichte der arabischen Völker? in Deutschland einen großen Erfolg feierte, dienen dem Verständnis zwischen Europa und den arabischen Ländern. Sie sind in der Zeit der Spannung zwischen dem Islam und dem Westen ein wichtiger Beitrag zur Aufklärung beider Seiten. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Albert Hourani, 1915 als Sohn libanesischer Eltern in Manchester geboren, studierte in Oxford. Er lehrte zunächst an der Amerikanischen Universität in Beirut und nach dem Zweiten Weltkrieg dann in Oxford am St Anthony's College. Er war Direktor des Middle East Center und nach 1979 Gastprofessor in Chicago und Harvard. Albert Hourani starb 1993.
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Produkt

KlappentextDiese Essays des großen Orientalisten Albert Hourani, der mit seiner ?Geschichte der arabischen Völker? in Deutschland einen großen Erfolg feierte, dienen dem Verständnis zwischen Europa und den arabischen Ländern. Sie sind in der Zeit der Spannung zwischen dem Islam und dem Westen ein wichtiger Beitrag zur Aufklärung beider Seiten. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Albert Hourani, 1915 als Sohn libanesischer Eltern in Manchester geboren, studierte in Oxford. Er lehrte zunächst an der Amerikanischen Universität in Beirut und nach dem Zweiten Weltkrieg dann in Oxford am St Anthony's College. Er war Direktor des Middle East Center und nach 1979 Gastprofessor in Chicago und Harvard. Albert Hourani starb 1993.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105619520
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum29.12.2017
Auflage1. Auflage
Seiten264 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2551101
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Einleitung

Die vorliegenden Essays verraten ein anhaltendes Interesse an der Entstehungsweise geistiger Traditionen: an einem Vorgang, der Ideen auf Ideen häuft, sie weitertradiert, verändert und entwickelt, wobei sie an Gewicht gewinnen. Meine jahrelange Tätigkeit als Lehrer für Geschichte des Nahen Ostens hat bei mir ein besonderes Interesse an zwei Arten dieses Prozesses geweckt. Das eine gilt der Herausbildung einer besonderen europäischen Sicht auf den Islam und seine Kultur, eine Sicht, die von einer sich vertiefenden Kenntnis des muslimischen Glaubens und seiner Geschichte herrührt sowie von sich verändernden Anschauungen über Religion und Geschichte in Europa. Das zweite betrifft die Entstehung einer wissenschaftlichen Überlieferung - gemeinhin als »Orientalismus« bekannt -, nämlich die Ausbildung von Methoden, Texte zu erfassen, zu bearbeiten und zu interpretieren, sowie deren Weitergabe von einer Generation zur nächsten über eine Kette - eine silsila, um den arabischen Begriff anzuwenden - von Lehrern und Studenten.

Diese beiden Vorgänge waren eng miteinander verknüpft: Gelehrte arbeiten nicht abstrakt, ihre Ansichten sind geprägt von der Kultur ihrer Zeit und vorangegangener Zeiten; sie machen es sich zur Aufgabe, zu deuten, was sie ihren Quellen entnehmen; die Auswahlkriterien, die Betonung und Ausführung schreiben sich von ihrem Leben her.

Im ersten und längsten Essay dieses Buches unternehme ich den Versuch, die Verbindung zwischen diesen beiden Prozessen deutlich zu machen, indem ich die Wurzeln europäischer Tradition in islamwissenschaftlichen Studien über Gott, Menschen, Geschichte und Gesellschaft, die zentral für das europäische Denken sind, freilege. Insbesondere versuche ich zu zeigen, wie sehr die Richtung der Islamwissenschaft, die im 19. Jahrhundert als eine eigene Disziplin hervortrat, von einigen zu jener Zeit geläufigen Ideen bestimmt wurde: von kulturgeschichtlichen Ideen, Ideen über Natur und Bildung der Religionen, über die Art und Weise, wie heilige Bücher zu lesen waren, und über die Beziehungen zwischen den Sprachen. Ich wollte die wichtigsten Abstammungslinien der Islamwissenschaft nachzeichnen, die im 17. Jahrhundert in Paris und Leiden ihren Ausgang nahm. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte die Islamwissenschaft ihre Organisationsform entwickelt - ihre eigenen Methoden der Lehre, der Veröffentlichung und ihre eigene Wissenschaftssprache - und sie hatte eine tragfähige und beständige Autorität, die bis auf den heutigen Tag besteht, erworben.

Besondere Aufmerksamkeit widmete ich Ignaz Goldziher, der, wie mir scheinen will, eine zentrale Stellung in dieser Geschichte einnimmt: Er war Erbe beider großer silsilas und zugleich ein von den beherrschenden Ideen seiner Zeit und auch von seiner eigenen, jüdischen Tradition geprägter Geist. Vor allem zwei Schriften Goldzihers schufen eine Art Orthodoxie, die ihren Einfluß bis heute geltend macht: jene über die Ursprünge und Entstehung des hadith (der Überlieferungen des Propheten) sowie jene über die Herausbildung der islamischen Theologie und des islamischen Rechts.

Ich selbst gehöre keiner dieser großen silsilas an. Ich kam auf anderen Wegen zur Geschichte des Nahen Ostens und lehrte an einer Universität, deren Bedeutung für die Geschichte der Islamwissenschaft eher marginal war, obwohl in Oxford Arabisch seit dem 17. Jahrhundert gelehrt wird. Ich schätze mich jedoch glücklich, Kollegen zu haben, die in der eigentlichen Tradition ausgebildet waren - unter diesen die bereits verstorbenen H.A.R. Gibb, Richard Walzer, Samuel Stern, Joseph Schacht und Robin Zaehner -, und ich war in Oxford zu einer Zeit, da Anstrengungen unternommen wurden, der »Orientalistik« mit finanzieller Hilfe von seiten der Regierung neuen Schwung zu verleihen. Die wichtigste Persönlichkeit bei diesem Prozeß war H.A.R. Gibb in seiner Zeit als Laudian Professor in Oxford. Über ihn habe ich an anderer Stelle ausführlicher geschrieben.[1]

Wie alle »Orientalisten« seiner Zeit sah sich Gibb gezwungen, in allzu vielen Bereichen zu lehren: in Sprache, Literatur und Geschichte. Er hielt sich in erster Linie für einen Historiker, und eines seiner Hauptanliegen in Oxford bestand darin, Historiker davon zu überzeugen, der Geschichte außereuropäischer Gebiete mehr Aufmerksamkeit zu widmen und ihr im Lehrplan den ihr, wie er meinte, gebührenden Platz einzuräumen. Einer der Gründe, weshalb er schließlich Oxford verließ, um nach Harvard zu gehen, war der (begründete) Glaube, daß historische Fakultäten der Idee der Weltgeschichte aufgeschlossener gegenüberstünden und daß gute, als Historiker ausgebildete Studenten dazu gebracht werden könnten, sich dem Studium der islamischen Welt zu widmen.

Als Historiker war Gibb darum bemüht, sowohl die Quellen heranzuziehen, um zu entdecken, was sich in der islamischen Geschichte ereignet hatte (wie etwa in seinen Studien über das Leben von Saladin), als auch eine Interpretation der Gesellschaften vorzunehmen, in denen der Islam die vorherrschende Religion war; eine seiner grundlegenden Arbeiten ist der Essay »An interpretation of Islamic history«[2].

Marshall Hodgson war ein amerikanischer Historiker, der, obwohl nicht Schüler von ihm, dennoch unter dem Einfluß von Gibbs Ideen stand. Hodgsons Buch The Venture of Islam: Conscience and History in a World Civilization[3] ist Gegenstand des zweiten Essays in diesem Band. Jedes einzelne Wort im Titel dieses Werks ist von Bedeutung, sorgfältig gewählt und bedenkenswert: venture (Wagnis), Islam, conscience (Bewußtsein), history (Geschichte) und world society (Weltgesellschaft). Ich schrieb diesen Essay als Rezension und begrüßte das Buch mit Begeisterung als einen äußerst wichtigen und originellen Versuch, Kategorien zu schaffen, mit deren Hilfe islamische Geschichte im Kontext der Geschichte der gesamten Ökumene, das heißt, der Welt der seßhaften Landwirtschaft, der Städte und der Hochkultur verstanden werden konnte. Ich halte es immer noch für ein bemerkenswertes und aufregendes Buch und möchte dabei noch ein weiteres hinzufügen, das eine umfassende Synthese bietet, nämlich das Buch eines Studenten von Gibb aus der Zeit in Harvard: Ira Lapidus´ History of Islamic Societies[4].

Hodgsons - und auch Lapidus´ - Buch liegt die Annahme zugrunde, daß es innerhalb der allgemeinen Geschichte der Ökumene so etwas wie eine »islamische Geschichte« gebe, das heißt, daß es in Gesellschaften, in denen der Islam die vorherrschende Religion war, gewisse gemeinsame Struktur- und Entwicklungsmerkmale gegeben habe. Gibb teilte diese Ansicht, dennoch ging keiner von ihnen davon aus, daß »Islam« der Schlüssel sei für alles, was in »islamischen« Gesellschaften geschah, noch, daß die Geschichte dieser Gesellschaften aus sich wiederholenden Zyklen ähnlicher Erscheinungen bestehe. Alle drei sind sich vollkommen darüber im klaren, daß die Geschichte jeder »islamischen« Gesellschaft einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort sich von der anderer unterscheidet. Mein eigenes Interesse als Historiker richtete sich hauptsächlich auf die Länder um das östliche Mittelmeer, im weitesten Sinne also um den Nahen oder Mittleren Osten, und dabei vor allem auf die letzten zwei Jahrhunderte. Mein Anliegen war, zu bestimmen, ob und bis zu welchem Grad die Tatsache, daß der Islam in Ägypten, Syrien oder der Türkei die dominierende Religion ist, dazu beitragen kann, seine Geschichte in der Moderne zu verstehen. Ich hatte Gelegenheit, diese Frage 1979 auf einer Konferenz an der University of California in Los Angeles zu diskutieren; der dritte Essay ist das Ergebnis davon. Darin stelle ich drei alternative (oder sich überschneidende) Erklärungsprinzipien zur Debatte und komme zu dem Schluß, daß der Begriff »islamische Geschichte« uns hilft, gewisse Aspekte der modernen nahöstlichen Geschichte zu erklären. Am Schluß des Essays weise ich darauf hin, daß ich die Vermutung hegte, dies wäre seit dem Ersten Weltkrieg nicht mehr länger der Fall. Genausowenig wie andere Beobachter sah ich voraus, daß die achtziger Jahre dereinst die Epoche des - etwas ungenau ausgedrückt - »Wiedererwachens des Islam« genannt werden sollte.

In diesem Essay - ebenso wie in den anderen - zeigt sich allerdings, daß ich um den Hintergrund wußte, auf dem dieses »Wiedererwachen des Islam« beruhte: auf dem sich verändernden Bewußtsein vom »anderen« dieser arabischsprechenden, vorwiegend muslimischen Welt, über die europäische Gelehrte und Historiker - unter ihnen ich selbst - geschrieben haben. Es gab eine Zeit, da konnte diese Welt wie ein zum Sezieren freigegebener Körper behandelt werden, aber Reisen, die Erfahrung imperialer Herrschaft und die Auflehnung dagegen sowie die Wiederbelebung des einheimischen überlieferten Gedankenguts und Schrifttums machten es unmöglich, weiterhin so über den »Orient« zu denken. Wissenschaft wird heute von der Zusammenarbeit derjenigen getragen, die in westlicher Tradition ausgebildet sind, und von denen, die über diese Ausbildung hinaus etwas von ihrer eigenen Tradition islamischen Denkens und Glaubens mitbringen. Niemand kann heute noch Bedeutendes über die Welt des Islam schreiben, ohne ein gewisses Gefühl einer lebendigen Beziehung zu jenen, über die er schreibt, mitzubringen.

Der vierte Essay beschäftigt sich mit zwei in mancher...
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Autor

Albert Hourani, 1915 als Sohn libanesischer Eltern in Manchester geboren, studierte in Oxford. Er lehrte zunächst an der Amerikanischen Universität in Beirut und nach dem Zweiten Weltkrieg dann in Oxford am St Anthony's College. Er war Direktor des Middle East Center und nach 1979 Gastprofessor in Chicago und Harvard. Albert Hourani starb 1993.