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Phantasie/Kultur/Politik

Protokoll eines Gesprächs. Mit einem Vorwort von Peter Prange
hockebooks: Edition Michael Endeerschienen am01.07.2014
Unsere Gesellschaft braucht mehr denn je positive Utopien. Anfang der 80er treffen sich Michael Ende, Hanne Tächl und Erhard Eppler im Tal der Seligen in den Albaner Bergen, nahe Rom. Zwei Tage lang diskutieren der Geschichtenerzähler, die Schauspielerin und der Politiker darüber, wie eine zeitgemäße Utopie aussehen könnte. Welchen Beitrag können und müssen Kultur und Politik für eine bessere Zukunft leisten? Durch den Austausch der Gesprächspartner, die aus ganz und gar verschiedenen Welten kommen, entstehen nach und nach neue Denkansätze für eine bessere und menschlichere Zukunft. Dabei spielt vor allem die Phantasie, die schöpferische Kraft des Menschen, eine überragende Rolle. Ein Debattenbuch, dessen Thesen bis heute Gültigkeit besitzen - denn die Kraft einer positiven Utopie, die die Menschen verbindet, ist in Zeiten globaler Krisen wichtiger denn je.

Michael Ende (1929-1995) ist einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Schriftsteller. Neben Kinder- und Jugendbüchern schrieb er poetische Bilderbuchtexte, Bücher für Erwachsene, Theaterstücke, Gedichte und Essays. Michael Endes Werke wurden in über 53 Sprachen übersetzt und erreichen heute eine Gesamtauflage von über 35 Millionen Exemplaren. Viele seiner Bücher wurden verfilmt und sind auch aus Funk und Fernsehen bekannt.
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Produkt

KlappentextUnsere Gesellschaft braucht mehr denn je positive Utopien. Anfang der 80er treffen sich Michael Ende, Hanne Tächl und Erhard Eppler im Tal der Seligen in den Albaner Bergen, nahe Rom. Zwei Tage lang diskutieren der Geschichtenerzähler, die Schauspielerin und der Politiker darüber, wie eine zeitgemäße Utopie aussehen könnte. Welchen Beitrag können und müssen Kultur und Politik für eine bessere Zukunft leisten? Durch den Austausch der Gesprächspartner, die aus ganz und gar verschiedenen Welten kommen, entstehen nach und nach neue Denkansätze für eine bessere und menschlichere Zukunft. Dabei spielt vor allem die Phantasie, die schöpferische Kraft des Menschen, eine überragende Rolle. Ein Debattenbuch, dessen Thesen bis heute Gültigkeit besitzen - denn die Kraft einer positiven Utopie, die die Menschen verbindet, ist in Zeiten globaler Krisen wichtiger denn je.

Michael Ende (1929-1995) ist einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Schriftsteller. Neben Kinder- und Jugendbüchern schrieb er poetische Bilderbuchtexte, Bücher für Erwachsene, Theaterstücke, Gedichte und Essays. Michael Endes Werke wurden in über 53 Sprachen übersetzt und erreichen heute eine Gesamtauflage von über 35 Millionen Exemplaren. Viele seiner Bücher wurden verfilmt und sind auch aus Funk und Fernsehen bekannt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783957510037
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum01.07.2014
Seiten160 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4853
Artikel-Nr.2581361
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Samstagvormittag

⦠der ganz anders verläuft, als man es am Abend zuvor geplant hat. An diesem Morgen sitzen Hanne Tächl, Ingeborg Hoffmann und Michael Ende an dem reich gedeckten Frühstückstisch. Erhard Eppler ist noch nicht erschienen, und man hat auch nicht die Absicht, das Gespräch ohne ihn fortzusetzen.

Während man aber gemeinsam am Frühstückstisch sitzt, entwickelt sich ein Gespräch zwischen Hanne Tächl und Ingeborg Hoffmann über das Theater. Beide haben viel Erfahrung im Theaterbereich, da sie beide Schauspielerinnen sind. Michael Ende wird hellhörig. Es geht ja schließlich um Theater, eines seiner Lieblingsthemen.

Erst später beschließt man, das Tonbandgerät einzuschalten und das Gespräch mitzuschneiden. Aus diesem Grund beginnen die Aufzeichnungen abrupt, mitten im Thema â¦

Hoffmann: ⦠niemand stellt mehr einen Anspruch, und im Grunde ist noch nie so unverbindlich Theater gespielt worden.

Ich möchte aber noch einmal auf das Heiltherapietheater zurückkommen: Solange die Menschen sterblich sind, ist Kunst unsterblich. Der Hintergrund aller Kunst, der Hintergrund aller Schönheit ist der Tod und die Vergänglichkeit. In Deutschland aber ist das alles kein Maßstab mehr, denn man hat ja den Tod aus dem gesellschaftlichen Leben ausgeklammert. Es gibt nur zwei Arten von Trost im Leben - Trost aber ist unentbehrlich, weil das menschliche Leben im Grund unerträglich ist. Es finden so viele Dinge statt, auf die der Mensch überhaupt keinen Einfluss hat und denen er sich fügen muss. Die eine Art von Trost also ist der elementare, kreatürliche, dass ich jemandem über den Kopf streiche, ihm aufmunternde Worte zuspreche und alles andere, was in diese Richtung geht. Die zweite Art von Trost aber besteht darin, die Dinge in der Kunst in einen ganz großen Zusammenhang zu stellen, in dem durch das Eigengewicht der auch kleinen menschlichen Angelegenheiten eine universale Ordnung hergestellt wird, die zugleich auch Schönheit ist.

Tächl: Ja, das ist auch eine Aufgabe der Kunst, das Unerträgliche, das nicht zu ändern ist, erträglicher zu machen; eine andere das, was zu ändern ist, als veränderbar darzustellen. Brecht fügt hinzu: »â¦ und die Lust an der Veränderung zu lehren.«

Aber das scheint mir nicht genug. Du sprachst, Ingeborg, von der Unverbindlichkeit, mit der heute Theater gespielt wird. Das stimmt vielfach. Und das ist ein Punkt, an dem das kontaktteater, bei dem ich mitarbeite, ansetzt und fragt: »Was vermag Theater in Bezug auf dies veränderbare Unerträgliche ?« Ist Theater nicht auch ein Mittel zur Verständigung, dessen sich Menschen, die nicht Theaterfachleute sind, bedienen können, wenn man es ihnen nutzbar an die Hand gibt? Also, Michael, deine bisherigen Andeutungen zum Theater, vor allem deine Vorstellungen von Kunst, lassen mich vermuten, dass du mit vielem nicht ganz einverstanden sein wirst. Aber bitte höre mal zu. Für mich ist das alles wichtig, und ich glaube daran â¦

Es geht mir dabei um die Frage, ob das Theater nicht Forum sein kann, auf dem Vertreter kontrahierender Meinungen szenisch, in Bildern, argumentieren.

Im politischen Bereich gibt es immer wieder unterschiedliche Interessen und Vorstellungen bei Fragen des Gemeinwohls, für die Bürger und Verantwortliche aus Politik und Verwaltung gemeinsam Lösungen finden müssen.

In der Regel verständigt man sich durch das gesprochene oder geschriebene Wort. Aber gerade die Auseinandersetzung zwischen Andersdenkenden krankt oft daran, dass man nicht richtig zuhört, dass man sich in die Position des anderen nicht genügend hineinversetzt. Da kann Theater hilfreich sein, indem es die verschiedenen Argumente anschaubar und sinnlich erlebbar macht. Und das hat sich das kontaktteater zum Ziel gesetzt. Es möchte Forum, es möchte öffentliche Auseinandersetzung mit szenischen Mitteln sein.

Aber ich sollte jetzt einmal schildern, wie der praktische Weg dazu aussieht und wie überhaupt ein solcher Prozess in Gang kommt. Das ist nämlich nicht immer einfach ⦠Häufig ist es so, dass Betroffene eines Konflikts - Bürgergruppen, Politiker, Verwaltungsleute - mit der Bitte um Bearbeitung ihres Themas an das kontaktteater herantreten.

Optimal wäre es dann, wenn sie selbst ein Stück, eine Szenenfolge entwerfen und auch selbst darstellen würden. Das Angebot besteht jedenfalls; das kontaktteater leistet dann höchstens noch fachliche Hilfestellung. Aber das Mindeste ist, dass im Gespräch die Meinung deutlich wird und Ideen zu ihrer Umsetzung entwickelt werden, die das kontaktteater verwirklicht. Das Ergebnis - Sketch, Szene oder Song - wird dann autorisiert.

Nun, ihr könnt euch vorstellen, dass man bei einem solchen Umsetzungsprozess seine Ansicht schon ganz anders reflektiert, als wenn man nur über das Thema redet. Bei diesem Prozess geschieht ein Stück Auseinandersetzung - auch dadurch, dass die Beteiligten akzeptieren müssen, dass am selben Abend, auf derselben Bühne auch der Kontrahent, die andere Meinung, der »Gegner«, zu Wort und Bild kommt. Das ist Spielregel, ist Bedingung beim kontaktteater.

Selbstverständlich gibt es dabei auch Schwierigkeiten. Das könnt ihr euch ja denken. Vielleicht sollte ich euch auch darüber etwas sagen ⦠Ein ablehnendes »Was - die machen da auch mit?« haben wir schon mal zu hören bekommen - aber an dieser Stelle machen wir keinen Kompromiss, auch wenn es manchmal schwerfällt, dem politischen Gegner »auf die Bühne zu verhelfen«. Es muss sich jeder darstellen können, dessen Meinung zum Thema relevant ist und der sich an die Spielregeln hält, denn wir wollen mit diesem Angebot der gleichberechtigten Beteiligten, der unterschiedlich Denkenden und Fühlenden versuchen, zum Abbau des Freund-Feind-Schemas beizutragen - phantasievoll und theatralisch. Das Erstaunliche ist nun, dass Politiker da schon mitgemacht haben und es noch tun. Wir sprechen sie an, mündlich oder schriftlich, vereinbaren die Termine, besprechen die Form, und so weiter. Also - die Bereitschaft ist durchaus da. Ich lese in euren Gesichtern schon die Frage ab, in welcher Form die Politiker da überhaupt mitmachen. Es ist auch schon vorgekommen, dass Politiker mal selbst eine Szene geschrieben haben, wenn auch nicht oft.

Meist artikulieren sich Vertreter der amtierenden Parteien in Rathaus und Landtag in Form eines szenischen Dialogs. Wir streben an, dass sich der Politiker oder Beamte auf der Bühne selbst vertritt, und das ist auch schon öfter gelungen. Dass das besondere Verbindlichkeit erzeugt, könnt ihr euch vielleicht vorstellen. Aber die Präsenz auf der Bühne hat - vor allem bei viel beschäftigten Personen - natürlich ihre Grenzen, und da haben wir uns Präsentationsformen einfallen lassen, mit denen wir eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens visuell ersetzen können: durch Puppen zum Beispiel, lebensgroße Nachbildungen aus Schaumgummi, mit denen sich ein Schauspieler auf der Bühne live unterhält. Die Stimme des Politikers kommt dann im Originalton vom Tonband. Übrigens - so eine Puppe gibt s unter anderem vom Oberbürgermeister der Stadt Stuttgart, Manfred Rommel, der schon öfter beim kontaktteater mitgemacht hat und dem wir es wohl zu einem Gutteil verdanken, dass wir einen städtischen Zuschuss bekommen und diese Theaterform in Stuttgart erproben können. Jedenfalls ist es wichtig bei der ganzen Sache, dass das Publikum weiß: Die Aussagen des Politikers sind authentisch oder autorisiert. Man kann nach dem Spiel diese Person auf ihre Meinung hin ansprechen, fragen, beim Wort nehmen. Und nach einer Aufführung ist Gelegenheit zum Gespräch oder zur Diskussion.

Natürlich muss da eine Menge theaterfremde Arbeit gemacht werden. Kontaktpflege, Korrespondenz, Organisation ⦠Aber das ist wohl beim Theater immer so â¦

Dieser Teil ist sogar ziemlich umfangreich und sprengt den Rahmen einer ehrenamtlichen Tätigkeit, denn an sich arbeitet das kontaktteater ehrenamtlich. Zurzeit macht eine hauptamtliche Kraft - ich selber - diesen Kontakt- und Organisationsteil, ohne den diese Theaterform gar nicht durchgeführt werden könnte.

Effektiver wäre es natürlich, wenn die hochsubventionierten Stadt- und Staatstheater eine Sparte kontaktteater einrichten und ca. zehn Prozent ihrer Kapazität dafür einsetzen würden. Ja, ich weiß, Michael, dass du dich gestern gegen die staatliche Subventionierung von Theater ausgesprochen hast. Aber ich meine, dass es hier um etwas anderes geht ⦠Hier wird Kunst eigentlich dienstbar gemacht.

Es mag verwundern oder nicht, aber der Widerstand bei »normalen Theaterleuten« gegen eine solche Konzeption ist groß. Bei einer Befragung von über hundert Intendanten bundesdeutscher Theater lautete die Antwort unisono: »Das ist nicht Aufgabe des Theaters, was Sie da zum Ziel haben«. Oder ausweichender: »Das ist in unserem Hause nicht durchführbar.«

Ich finde aber, dass Theater gerade in der Politik ein sehr wirksames Mittel sein kann, eben da, wo man gemeinhin meint, da hätte es nichts zu suchen. Durch Phantasie und Beteiligung am darstellenden Spiel können wesentliche Anregungen für Lösungen politischer und sozialer Fragen entstehen. Das ist noch viel zu wenig erforscht. Was mich bei der kontaktteater-Form fasziniert, das ist, dass der Beteiligte Handelnder und Betrachtender zugleich ist. Er gestaltet sein Anliegen, von dem er unmittelbar betroffen ist, macht damit schon einen Bewusstseinsprozess durch - und er schaut sich die Darstellungen der kontrahierenden...
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Autor

Michael Ende (1929-1995) ist einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Schriftsteller. Neben Kinder- und Jugendbüchern schrieb er poetische Bilderbuchtexte, Bücher für Erwachsene, Theaterstücke, Gedichte und Essays. Michael Endes Werke wurden in über 40 Sprachen übersetzt und erreichen heute eine Gesamtauflage von über 33 Millionen Exemplaren. Viele seiner Bücher wurden verfilmt und sind auch aus Funk und Fernsehen bekannt.