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Ein Buch von Tod und Liebe

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
176 Seiten
Deutsch
Hoffmann und Campe Verlagerschienen am14.03.2018
Zwischen dem brasilianischen Urwald und einem irischen Dorf, auf einer Südseeinsel, in Nairobi oder Berlin begegnen sich Männer und Frauen. Dicht und poetisch erzählt Hardy Krüger vom Anfang und Ende der Liebe und offenbart seine erzählerische Meisterschaft mit herbem Charme und geheimnisvoller Kraft. Diese Sonderausgabe zum 90. Geburtstag versammelt Hardy Krügers schönste Erzählungen.

Hardy Krüger, Jahrgang 1928, erlernte sein Handwerk auf deutschen Bühnen und startete schon früh eine internationale Schauspielerkarriere, wurde - mit bislang 16 Büchern - erfolgreicher Schriftsteller und schrieb mit der Reportagereihe Weltenbummler Fernsehgeschichte. Fast zwanzig Jahre lang lebte Krüger im afrikanischen Busch zu Füßen des Kilimandscharo, wo er während der Dreharbeiten zu dem Filmklassiker Hatari die Farm Momella kaufte. Er ist Offizier der französischen Ehrenlegion und Träger des Großkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR18,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR14,99

Produkt

KlappentextZwischen dem brasilianischen Urwald und einem irischen Dorf, auf einer Südseeinsel, in Nairobi oder Berlin begegnen sich Männer und Frauen. Dicht und poetisch erzählt Hardy Krüger vom Anfang und Ende der Liebe und offenbart seine erzählerische Meisterschaft mit herbem Charme und geheimnisvoller Kraft. Diese Sonderausgabe zum 90. Geburtstag versammelt Hardy Krügers schönste Erzählungen.

Hardy Krüger, Jahrgang 1928, erlernte sein Handwerk auf deutschen Bühnen und startete schon früh eine internationale Schauspielerkarriere, wurde - mit bislang 16 Büchern - erfolgreicher Schriftsteller und schrieb mit der Reportagereihe Weltenbummler Fernsehgeschichte. Fast zwanzig Jahre lang lebte Krüger im afrikanischen Busch zu Füßen des Kilimandscharo, wo er während der Dreharbeiten zu dem Filmklassiker Hatari die Farm Momella kaufte. Er ist Offizier der französischen Ehrenlegion und Träger des Großkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783455004229
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum14.03.2018
Seiten176 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2585019
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
CoverTitelseiteVorwortEin Frühlingstag wie kaum ein andererAbschiedHeute vor ein paar tausend JahrenAnnApril an meinem FensterOrwillÜber Hardy KrügerImpressummehr
Leseprobe

Ein Frühlingstag wie kaum ein anderer


Der Kampf dauerte drei Tage. Am vierten Morgen war es still. Die Bauern hoben ängstlich die Luken ihrer Kartoffelkeller und sahen, dass Wexdorf heil geblieben war. Weit hinten, am Ende des Sandweges zur Donau, brannte eine Scheune.

Das Mädchen rannte durch ihr Dorf und wusste nicht, warum es so schnell lief und wohin es wollte. Es rannte einfach nur. Sonst nichts. Drei Tage Angst. Eingesperrt sein in den Keller. Stille in den Nächten. Nur die Kühe auf den Weiden hatten gebrüllt. Niemand brachte den Mut zum Melken auf.

Der alte Mann vom Postamt stellte sich dem Mädchen in den Weg. »Hilf mir mit dem Laken. Die Amerikaner sollen sehen, dass wir uns ergeben.«

Die beiden stiegen die Stufen zum Kirchturm hoch und machten das Bettlaken an der Glocke fest.

»Sieh nur das Rapsfeld an«, sagte der Alte. »Dein Vater wird sich die Haare raufen.«

»Nein, er hat damit gerechnet.«

Der Alte sah das Mädchen aus zusammengekniffenen Augen fragend an.

»Die ganze Zeit da unten in dem Keller hat er davon gesprochen, wie wichtig sein Rapsfeld für unsere Truppen ist«, sagte sie. »Es liegt hoch über der Donau, und man kontrolliert von dort die Brücke.«

»Vor ein paar Tagen war das Feld noch gelb«, sagte der Postbote. »Jetzt ist es aufgewühlt, zerfetzt zerrissen. Hässlich wie Furunkel. Sieh nur die Toten.«

Auf dem Rapsfeld ihres Vaters lagen viele graue Punkte.

Panzer lärmten über die Brücke. Lastwagen brachten Soldaten in großer Zahl. Die Soldaten liefen durch das Dorf und stießen Türen auf und riefen aufgeregte Worte in einer Sprache, die das Mädchen nicht verstand. Ein paar Stunden später zogen Regenwolken auf und der Alte sagte: »Ich geh mal nachsehen auf dem Feld, bevor es zu pladdern anfängt.«

»Ich komme mit«, sagte das Mädchen.

»Auf keinen Fall.« Der Alte schüttelte den Kopf. »Soldaten sind zu allem fähig. Besonders bei den Frauen. Besonders, wenn sie gewonnen haben.«

Er stieg die steile Holztreppe nach unten und ging über den Kirchplatz. Er versuchte, dabei gelassen auszusehen. Wenn er an den Fremden in ihren kriegerischen Autos vorüberging, nahm er ehrfürchtig die Mütze ab. Die Soldaten lachten über den kleinen Mann. Sie gaben sich keine Mühe, seinen Gruß zu erwidern.

Das Mädchen kauerte in der dunkelsten Ecke des Turmes und sah zu der Glocke hoch. Erst letzten Sonntag hatte sie sich an das lange Seil gehängt, und die Burschen aus dem Dorf hatten ihre Hände unter ihrem Kleid hoch- und runterrutschen lassen, und wenn die schwere Glocke das Mädchen oben behalten wollte, hatten sie sich zu dritt an das Seil gehängt und sie zu sich heruntergeholt und bei allen Heiligen geschworen, der Priester würde nichts erfahren. Fahrzeuge mit Eisenketten drückten tiefe Spuren in Asphalt, der in einem engen Bogen das Dorf durchquerte. Auf einem Schild stand, weiß auf blau: Adolf-Hitler-Straße.

Die Fremden trugen runde braune Helme. Sie drängten den Bürgermeister aus seinem Haus. Er streckte seine Hände steil in die Luft. Die Frau des Bürgermeisters rannte schreiend hinter dem kriegerischen Auto her. »Er hat doch nichts getan!« Der Bürgermeister sah sich nicht um. Die Frau ließ sich zu Boden fallen und schlug mit flachen Händen auf den Asphalt. Als niemand ihr zu Hilfe kam, stand sie auf und ging nach Haus.

Das Mädchen fror. Es wollte nach unten gehen und sich eine Altardecke holen oder das Gewand des Priesters aus der Sakristei, aber dann hörte sie, dass die Kirchentür aufgestoßen wurde und dass Männerstimmen lachten, und dann spielte einer auf der Orgel. Die Männer sangen das Lied, das die Orgel spielte. Das Mädchen begann sich zu fürchten. Mitten in den Gesang hinein donnerten Befehle. Das Mädchen hörte, wie die Männer auf die Straße liefen. Das Geräusch des Laufens war recht leise. Nicht wie bei den deutschen Soldaten, deren Nagelstiefel stets schrecklich laut auf das Pflaster geknallt waren. Die Sieger trugen Gummisohlen. Als sie davongefahren waren, wurde es still im Dorf. Das Mädchen stieg nach unten und holte sich die Decke vom Altar. In ihrem Versteck wickelte sie sich in die Decke mit der goldenen Stickerei. Sobald ihr warm geworden war, schlief sie ein. Als sie aufwachte, sah sie die Lastwagen auf dem Rapsfeld ihres Vaters. Kleine Punkte wurden aus Löchern gehoben und auf die Pritschen geworfen. Als ihre Arbeit getan war, liefen die Männer in den braunen Uniformen, als wollten sie Vorsicht walten lassen, mit langsamen Bewegungen auf den Waldrand zu. Einer von den grauen Punkten, der vorher unbewegt in dem Gelb gelegen hatte, sprang auf und wollte davonlaufen. Er kam nicht weit, denn die Braunen hoben ihre Waffen. Als sie auf den Grauen schossen, dachte das Mädchen: »Es klingt wie das Meckern einer Ziege.« Sie sah den Grauen zur Erde fallen. Die Stimmen der Jagenden lachten über den zerrissenen gelben Acker hinweg. Ihr Lachen sprang am Waldrand hoch.

Die Laster fuhren davon, und der Postbote stand allein am Rand des Ackers.

Eine Bauersfrau trat ängstlich unter den lang gestreckten Balkon ihres Hauses. Die Eichenbalken waren sorgfältig geschnitzt. Über der Eingangstür stand die Jahreszahl in Gold gemalt: Anno Domini 1861.

»Kimm außi«, rief die Frau. »Die Amis san forrrt. Auch von den Unsrigen is koana mehr im Dorf zum sehen.«

Ihr Mann trat in die Tür und stemmte beide Hände an den Rahmen.

»Mir sollten dem Priester sogn, dass er d Glocken lait «, meinte er.

»Warrum?«, fragte die Bäuerin.

»Weil s Frieden is .«

»Na«, sagte seine Frau. »Erscht ma du mer worrt n.«

Der Postbote kam langsam über das Kopfsteinpflaster des Kirchplatzes und hielt einen Gegenstand über seinen Kopf, der wie ein kurzes Stück Ofenrohr aussah. »Komm herunter«, rief er dem Mädchen zu. »Noch einmal die Stiegen hoch, und die Amerikaner können mich auch auf ihre Pritsche werfen.«

Im Glockenturm hingen Spinnweben. Aber es waren keine ausgedörrten Fliegen in den Netzen. Selbst die Spinnen ließen sich nicht sehen.

»Es ist noch viel zu früh im Jahr für Mücken«, dachte das Mädchen. Dann sprang es geschickt die steilen Stufen des Turms nach unten.

Der Postmann wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. »Die Toten auf dem Feld sind Kinder«, sagte er, »fünfzehn oder sechzehn. So alt wie du. Es schreit zum Himmel.«

Er öffnete den Deckel des kurzen, runden Behälters. »Dies hier lag unter einem Busch am Weg zum Dorf zurück.«

»Was ist das?«, fragte das Mädchen.

»Eine Gasmaskenbüchse«, sagte der Alte. »Die Gasmaske ist nicht mehr darin. Nur ein paar Kekse, zwei Bleistifte und dieses Schreibheft hier.«

Das Heft war dunkelblau, mit karierten Seiten, abgegriffen und zusammengerollt.

»Er hat die Gasmaske fortgeworfen«, sagte der Postbote. »Die Büchse war sein Versteck für dieses Heft. Einmal, im Ersten Weltkrieg, habe ich einen Kameraden gehabt, der versteckte ganze Pfunde von Kaffeebohnen in dem Behälter für die Maske.«

Das Mädchen glättete das Schreibheft auf dem Rock über ihren Schenkeln und schlug die erste Seite auf.

»Der Soldat hat eine schöne Schrift«, sagte sie.

»Hat er seinen Namen auf das Heft geschrieben?«, fragte der Alte.

»Nein«, sagte das Mädchen.

»Was steht denn drin?«, fragte der Postmann.

»Ich glaube, es geht um eine Eisenbahn«, sagte das Mädchen. Sie setzte sich auf die drei Stufen vor dem Kirchportal.

»Ich habe meine Brille nicht dabei«, sagte der Postbote. »Lies das mal für mich.«

Das Mädchen fuhr sich mit der Zunge über ihre spröden Lippen. Dann holte sie tief Luft und las auf die gleiche Weise stockend vor, wie sie noch bis vor ein paar Tagen auf Anweisung des Lehrers in der Dorfschule gelesen hatte:

 

Es ist Mittwoch.

Ich glaube, dass es Mittwoch ist. Vor mir zwängt sich der eine Schienenstrang in gerader Linie zwischen hässlich-armen Vorstadthäusern durch. Die Linien aus Stahl glänzen obendrauf wie Silber. Sie sind von vielen Rädern blankgefahren. Zwei perfekte Parallelen. Solche Silberparallelen wollten mir in der Schule nie gelingen. Allerdings, wenn ich Millimeterpapier verfügbar hatte, dann schon. »Zwei gleichlaufende Linien sind nur dann Parallelen zu nennen, wenn sie auf der gesamten Strecke den gleichen Abstand zueinander aufweisen.« Diese hier, Herr Lehrer, sehen nur anfangs wie Parallelen aus. Irgendwo weiter hinten werden sie zerfetzt sein, verbogen, grotesk zum Himmel zeigend. Oder aber sie sind unversehrt und bilden jene Strecke, die, parallel verlaufend, mich noch heute Nacht von hier fortbewegen wird.

Der andere Schienenstrang biegt unversehrt nach Süden ab. Er ist rostig. Gras wächst zwischen den Gleisen. Hier ist schon lange kein Zug mehr durchgefahren. Ohne Frage steht gleich hinter der nächsten Biegung ein Prellbock, der alles aufhält, was da etwa fliehen will.

 

Ich liege auf der steilen Böschung eines Bahngeländes. Papier und Konservendosen wachsen aus braun verdorrtem Gras an Stellen, die sonst für Blumen sind und dort schon bald auch wieder sprießen werden. Das heißt, wenn nichts dazwischenkommt.

Eine verschleierte Sonne tastet meinen Rücken ab und macht mich ein wenig warm. Nur meine Hand, die den Bleistift hält, ist noch immer kalt.

Die Offiziere haben uns befohlen, einen Brief nach Haus zu schreiben. An die Eltern, und der letzte Zug, der Post mitnimmt, sagten sie, geht morgen früh. Ich frage mich, wie kann man auf Befehl hin Briefe schreiben? Und selbst wenn es gelingt, darf ja keiner schreiben, was er denkt. Also, genau mal rumgedreht...
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Autor

Hardy Krüger, Jahrgang 1928, erlernte sein Handwerk auf deutschen Bühnen und startete schon früh eine internationale Schauspielerkarriere, wurde ¿ mit bislang 16 Büchern ¿ erfolgreicher Schriftsteller und schrieb mit der Reportagereihe Weltenbummler Fernsehgeschichte. Fast zwanzig Jahre lang lebte Krüger im afrikanischen Busch zu Füßen des Kilimandscharo, wo er während der Dreharbeiten zu dem Filmklassiker Hatari die Farm Momella kaufte. Er ist Offizier der französischen Ehrenlegion und Träger des Großkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.