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Das Spielhaus

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
Deutsch
Bastei Lübbeerschienen am27.02.20181. Aufl. 2018
Das Haus sieht aus wie jedes andere, doch lass dich nicht täuschen! Hier kannst du mehr gewinnen als Gold oder Juwelen - im legendären Spielhaus. Und wenn du raffiniert genug bist, darfst du gegen die Besten der Besten antreten: die Spieler der Oberen Gemächer. Der Gewinn kann alles sein, was du dir je gewünscht hast: Macht über ganze Königreiche, ewige Jugend, immerwährendes Glück, Lebensjahre, um die Jahrhunderte zu überdauern. Doch je höher der Einsatz, desto tödlicher sind die Regeln ...mehr

Produkt

KlappentextDas Haus sieht aus wie jedes andere, doch lass dich nicht täuschen! Hier kannst du mehr gewinnen als Gold oder Juwelen - im legendären Spielhaus. Und wenn du raffiniert genug bist, darfst du gegen die Besten der Besten antreten: die Spieler der Oberen Gemächer. Der Gewinn kann alles sein, was du dir je gewünscht hast: Macht über ganze Königreiche, ewige Jugend, immerwährendes Glück, Lebensjahre, um die Jahrhunderte zu überdauern. Doch je höher der Einsatz, desto tödlicher sind die Regeln ...
Details
Weitere ISBN/GTIN9783732563432
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum27.02.2018
Auflage1. Aufl. 2018
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2702133
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Kapitel 6

Am nämlichen Tag, an dem die Not sie zwingt, einen Geldverleiher im Getto aufzusuchen, der ihre Mutter kannte und ihr zuflüstert, dass er, weil sie es ist, ihr den Betrag um einen günstigeren Zins als üblich lassen wird, treten die Schlichterinnen des Spielhauses an Thene heran.

An diesem Abend, wie an vielen anderen zuvor, ist der Mann, den wir Silver nennen, nicht anwesend, aber mit neuem Selbstvertrauen wandert sie allein durch den Saal. Sie tritt gegen viele an, verliert auch manchmal, aber weit häufiger verlässt sie den Tisch als Siegerin. Jacamo hat nach seiner Gewohnheit reichlich dem Trunk zugesprochen und schenkt ihr keine Beachtung, so nutzt sie die Gunst der Stunde und hortet, was sie gewinnt; ein Notpfennig für den nicht mehr fernen Tag, an dem er sich und den gesamten Hausstand in einem Fass Malvasia ertränkt.

Anfangs haben sich die anderen aus Mitleid auf ein Spiel mit ihr eingelassen. Und verloren. Danach war es Neugier auf die Gemahlin des Signore Orcelo, die sich um so viel besser auf das Spielen versteht als der Mann, der rechtmäßig ihr Herr und Meister sein sollte. Jetzt aber spielen sie aus dem einzig wahren Grund und auf die einzig wahre Art, denn der Geist des Spielhauses wirkt in ihnen und sie spielen um das Einzige, was zählt - den Sieg. Wir erleben, es gibt welche, die Thene schlagen können, in diesem Spiel, an jenem Tag. Zahlreicher jedoch sind die, die passen müssen und es dessen ungeachtet nicht lassen können, wieder und wieder Revanche zu fordern.

Dann erscheinen die Schlichterinnen.

»Komm mit mir«, sagt eine von ihnen. »Wir haben gesehen, wie du spielst.«

»Wohin gehen wir?«, fragt Thene.

»Du willst die Herrin des Spielhauses kennenlernen.«

Es ist eine Feststellung, keine Frage. Zu fragen ist auch nicht notwendig.

Thene folgt der einladenden Armbewegung zu der Tür von Silver. Wie vielleicht auch sie verhalten wir kurz den Schritt, um die in das Metall getriebenen Bilder zu betrachten. Dargestellt ist der Fall mächtiger Reiche. Das stolze Rom, überrannt von Barbaren aus dem Norden. Das prächtige Konstantinopel, dessen wehklagende Bevölkerung der Osmane von den Mauern stürzt. Die beiden anderen Städte kennt sie nicht, und als die Tür aufgeht, kommt ihr der Gedanke, dass andere Augen in den Motiven vielleicht nicht die Tragik eines Untergangs erkennen, sondern den triumphalen Wechsel der Macht, die Ablösung des Alten durch das Neue.

Die Tür fällt zu, und wir sind allein mit Thene in einem langen Korridor, schier endlos und verhangen mit Seidentüchern wie alte Spinngewebe. Gedämpfte Musik, der Duft von Bienenwachs und weicher Kerzenschein umschmeicheln unsere Sinne.

Einen Augenblick ist ihr bang zumute, aber ein Zurück gibt es nicht. Also geht sie weiter, immer weiter, bis eine zweiflüglige Holztür sich in ein neues Gemach öffnet, einen Saal leiser Stimmen, breiter Diwane und praller Weintrauben in kupfernen Schalen, der Alten, der Jungen, der Schönen und der Fremden. Im unteren Saal hatte sie geglaubt, Menschen aus aller Herren Länder gesehen zu haben, doch wenn sie sich hier umschaut, begegnen ihr Gestalten, die aussehen wie nicht vom Weibe geboren.

Wir könnten ihr verraten, jener dort ist der oberste Geschichtsschreiber am Hofe von Nanjing und diese Frau mit dem eng gebundenen Obi die Witwe eines in der Schlacht gefallenen Samurai. Er, der mit zornigem Blick die in Pelze gekleidete Reiterin aus der mongolischen Steppe misst, ist ein Häuptling der Maori, und ist dies alles, dieses bunte Völkergemisch, nicht ein Hinweis auf die Bestimmung des Hauses? Denn selbst Thene, die nichts von den Kamelhirten des hinteren Orients weiß und nichts von den Kanubauern der südlichen Hemisphäre, muss begreifen, dass diese Menschen in ihrer Welt Fremdlinge sind. Schon ihre Art, sich zu kleiden, ist in Venedig ohne Beispiel. Undenkbar, dass sie durch die Straßen gehen könnten, ohne dass sich die Kunde in Windeseile in der ganzen Stadt verbreitet, und davon abgesehen würde allein die Witterung ihnen zu schaffen machen. Sie, mit dem Kragen aus weißem Pelz, würde in der herbstlichen Schwüle vergehen, wohingegen er, der nur einen Schurz aus Leder um die Leibesmitte trägt - errötend wendet sie den Blick ab -, schutzlos Venedigs kalten Nächten ausgeliefert wäre.

Wie aber, muss Thene sich fragen, sind alle diese Menschen hierhergelangt? Türen in beträchtlicher Anzahl führen herein und hinaus, eine jede von anderer Art. Ist diejenige, durch welche sie eintrat, von klassisch-römischem Stil, so befinden sich gegenüber mit Papier bespannte Rahmen, die hin- und hergeschoben werden, während man ein Stück weiter ein massives Eisengatter sieht, das mit einer Winde zur Seite gezogen werden muss, damit jemand aus dem dunklen Schlund dahinter in das Gemach eintreten kann.

Das alles nimmt sie in sich auf, und Furcht greift nach ihrem Herzen, namenlos und umso größer, weil sie aus der Unkenntnis erwächst. Dann ist eine Schlichterin neben ihr und sagt: »Komm, komm mit mir.«

Sie gehorcht.

Eine kleine schwarze Pforte, winzig im Verhältnis zu den Ausmaßen des Saals, führt zu einer schmalen Treppe in das nächsthöhere Stockwerk.

Am Kopf der Treppe ein fensterloses Gelass.

Sitzpolster liegen auf dem Boden verstreut, und drei Männer warten dort bereits. Zwei von ihnen tragen Masken, den dritten erkennt sie wieder. Er ist ein Spieler aus dem Peristyl wie sie selbst, ihr in etwa ebenbürtig.

Vor ihnen allen saß mit untergeschlagenen Beinen auf einem großen Berg von Kissen eine von Kopf bis Fuß weiß verschleierte Frau, neben ihr stand ein silberner Becher. Wie bei den Schlichterinnen verbarg der Seidenflor das Gesicht, doch der Stoff ihres Gewands war voluminöser und länger geschnitten als die aller anderen, verhüllte es sie doch ganz und gar. Nur an den schmalen Händen, die aus den bauschig herabfallenden Ärmeln lugten, ließ sich ein feingliedriger Bau erahnen, und allein die Stimme verriet ihr Geschlecht, sobald sie zu sprechen anhob.

Lange herrschte Schweigen in dem Raum, bis endlich die verschleierte Frau aus einer Art von Versenkung zu erwachen schien und, indem sie den Kopf hob, folgendermaßen zu ihnen sprach:

»Ihr alle seid auserwählt.«

Sie lässt eine kleine Pause entstehen und scheint diesen Satz zu überdenken, der ihr so leicht über die Lippen kam. Wie oft hat sie die Worte schon gesagt, und wie viele Spieler haben zu ihren Füßen gesessen und sie vernommen? Zu oft, zu viele.

»In diesem Haus gibt es zwei den Fähigkeiten der Spieler entsprechende Ebenen. Die untere Ebene kennt ihr bereits, und für all jene, die damit zufrieden sind, gibt es dort Ruhm und Reichtum zu Genüge zu gewinnen. Doch euch möchte ich einladen, die zweite Stufe zu erklimmen. Hier geht es nicht allein um weltliche Güter. Ihr könnt um Diamanten spielen, falls deren Funkeln euch ergötzt, oder um Rubine oder Fleisch oder Gold oder Sklaven - alles Dinge, nach deren Besitz andere Menschen verlangt. Hier, in den oberen Gemächern, seid ihr jedoch aufgefordert, mehr zu wagen. Hier seid ihr angehalten, etwas von euch selbst einzusetzen.

Eure Redegewandtheit zum Beispiel. Die Liebe zu Farben. Eure Begabung für Mathematik. Eure Scharfsichtigkeit. Euer gutes Gehör. Lebensjahre - auch die könnt ihr einsetzen, wenn es euch beliebt, und jene, die leichtfertig mit ihrem Einsatz sind und das Spiel verlieren, werden vor der Zeit altern. Jene hingegen, die klug sind und gewinnen, können tausend Jahre auf Erden wandeln und werden von Spiel zu Spiel mehr, als sie waren. Da die Einsätze derart hoch sind, überlassen wir die Entscheidung über Gewinn oder Verlust auch nicht dem Glück oder vergeuden sie bei kindischen Geplänkeln um symbolische Figuren. Wenn ihr einen König schlagen wollt, werden wir diesen König benennen und ihr werdet an seinen Hof reisen und ihn bezwingen. Steht euch der Sinn danach, um den Besitz einer Fahne oder eines anderen Siegeszeichens zu wetteifern, wie unsere Knaben es tun, dann seid versichert, es wird die Fahne des mächtigsten Generals im Lande sein. Mit einem Heer, das nach Tausenden zählt, und mit Pulver und Kanonen werdet ihr gegen ihn zu Felde ziehen, um die Beute zu erringen. Wir spielen zum Vergnügen und zur Schulung unseres Verstandes, aber ich sage euch, wir spielen mit lebendigen Menschen und dem Elend und dem Schmerz wie alle anderen Mächtigen auf der Welt.

Ihr mögt einwenden, solches sei unmöglich oder Hexenwerk, aber mitnichten, es ist weder das eine noch das andere, und wärt ihr von derart beschränkter Denkungsart, dass ihr an der Wahrhaftigkeit meiner Worte zweifelt, so hätte man euch nicht hierhergeführt. Sehr viele Menschen haben Kunde von unserem Zirkel und von unserem Haus erhalten, und in dem Bemühen, sich Zutritt zu verschaffen, wurde eine Menge Blut vergossen und viel Vertrauen missbraucht. Erwählt zu werden ist eine Auszeichnung, aber wenn das, was ihr jetzt erfahren habt, euch Angst einflößt, dann geht hin in Frieden und alles bleibt wie es war. Seid euch aber bewusst, dass es keine zweite Einladung geben wird und dass euch verboten ist, mit einem anderen Menschen über das zu sprechen, was ihr gesehen und gehört habt. Von dieser Regel gibt es keine Ausnahme.«

Sie verstummt und wartet.

Niemand erhebt sich, niemand verlässt den Raum.

»Sehr gut«, sagt sie, »ich akzeptiere eure Entscheidung. Doch weil dies das Spielhaus ist, könnt ihr keinen Zugang zu den oberen Gemächern erlangen, ohne eine Bewährungsprobe bestanden zu haben. Ihr seid Kandidaten, die für geeignet befunden wurden, doch nur einer erhält einen Platz in unserem Kreis. Die übrigen werden diesen Ort verlassen und...

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