Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Die Pforte zum Himmelreich

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
270 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am23.02.20181. Auflage
Ein heiterer Roman um ein irisches Kloster, zwei unkonventionelle Nonnen, eine über hundert Jahre alte Dame und die Bewohner einer kleinen Stadt. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Una Troy (1910-1993) war eine irische Schriftstellerin.
mehr

Produkt

KlappentextEin heiterer Roman um ein irisches Kloster, zwei unkonventionelle Nonnen, eine über hundert Jahre alte Dame und die Bewohner einer kleinen Stadt. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Una Troy (1910-1993) war eine irische Schriftstellerin.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105620175
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum23.02.2018
Auflage1. Auflage
Seiten270 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse970 Kbytes
Artikel-Nr.2702227
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Erstes Kapitel

«Und was hat Ihnen dazu verholfen, ein so hohes Lebensalter zu erreichen?» fragte der junge Mr. Pepper liebenswürdig.

Mit aufgeschlagenem Notizbuch und gezücktem Bleistift warf er der uralten Mrs. Slaney, die von Kissen gestützt im Bett saß, einen ermutigenden Blick zu.

«Wa-as?» sagte Mrs. Slaney.

Über ihre Schultern war ein himmelblauer gehäkelter Schal gebreitet, auf ihrem schütteren Haar lag ein schneeweißes Spitzentuch - sie sah einfach schauderhaft aus. Ihre bleichen, zahnlosen Gaumen schimmerten unheimlich, ihre Knopfnase zuckte, und aus dem zerknitterten Gesicht starrten zwei kleine braune Augen Mr. Pepper mißtrauisch an.

«Wa-as?» fragte sie nochmals unfreundlich und strich sich mit zitternder Hand eine kokette weiße Haarsträhne aus der Stirn.

George Pepper starrte fasziniert auf das unheimliche weiße Löckchen und auf den fast kahlen rosa Schädel, der durch das zarte Spitzentuch schimmerte; von dort schweifte sein Blick auf den mit einem dicken Zuckerguß bedeckten Geburtstagskuchen, der auf einem Krankentisch über Mrs. Slaneys Magen thronte. Er versuchte sich auf den Kuchen zu konzentrieren, während Mrs. Slaney ihr beharrliches Schweigen nur gelegentlich mit einem verächtlichen Seufzer unterbrach. Schließlich warf er den beiden Nonnen vom Orden der Gnadenreichen Mutter, die am Kopfende des Bettes standen, einen hilfeflehenden Blick zu.

Seitdem sie ihn in das Schlafzimmer geleitet hatten, war kein Wort über ihre Lippen gekommen.

Schwester Peter war kräftig und untersetzt und hatte ein breites Gesicht. Die schweren Falten ihres schwarzen Gewandes verbargen die bewegungslose Gestalt und verliehen ihr das Aussehen einer ultramodernen Skulptur. Schwester Paul dagegen war groß und dünn, und da sie, fast unwahrnehmbar, hin- und herschwankte, zitterten die Falten ihres Habits wie die Blätter eines Baumes in der leichten Abendbrise. Aus ihrem langen bleichen Gesicht leuchteten gute alte Pferdeaugen. Durch ihr Schweigen gaben die Nonnen George zu verstehen, daß seinem Interview mit Sarah Slaney nichts im Wege stehe. Jetzt jedoch regte sich Schwester Peter und faltete die Hände über den wallenden Falten, an der Stelle, an der man ihre Taille vermutete. Sie sah ihren trotzigen Schützling durchdringend an, während sie langsam und deutlich sagte:

«Mr. Pepper möchte gern wissen, wie Sie es fertiggebracht haben, so lange zu leben, Sarah.»

Nach einer dreimonatigen Lehrzeit beim Argus in Ballykeen hatte es sich George Pepper zur Regel gemacht, keine allzu direkten Fragen zu stellen, und Schwester Peters Frage schien ihm zu unverblümt zu sein. Deshalb sagte er schnell:

«Bei diesem festlichen Anlaß möchte ich allen unsern Lesern mitteilen, auf welche Weise es Ihnen -»

«Ich bin nicht taub», unterbrach ihn Mrs. Slaney vorwurfsvoll, «ich hab´ Sie sofort richtig verstanden, aber jedes Jahr fragen mich diese Zeitungsleute dasselbe, und ich hab´ keine Lust, es immer wieder zu erklären. Sie sollten wirklich schon Bescheid wissen.»

«Ich bin ein Neuer», entschuldigte sich George Pepper.

«So sehn Sie auch aus», erwiderte Sarah herausfordernd, und dann verfiel sie wieder in ihr mürrisches Schweigen.

George Pepper ließ sich jedoch nicht so leicht abschrecken. Er war blond, schlank und dreiundzwanzig Jahre alt; allerdings wirkte er noch jünger, und er machte sich sein knabenhaft unschuldiges Aussehen zunutze, wann immer er es für angebracht hielt. Jetzt warf er den beiden Nonnen nochmals flehende Blicke zu. Schwester Paul griff daraufhin sofort in die Verhandlungen ein.

Mit leicht vorwurfsvollem Lächeln sagte sie zu Sarah: «Mr. Pepper ist nämlich ein sehr vielversprechender junger Journalist.» Dann wandte sie sich an George. «Wir hatten natürlich nicht Platz für hundertundvier Kerzen, deshalb verzierten wir den Rand des Geburtstagskuchens mit zehn großen - eine für jedes Jahrzehnt - und taten in die Mitte noch vier kleinere.»

«Äußerst geschmackvoll», lobte George.

«Aber nur von außen», meinte Sarah mit einem kritischen Blick auf den Kuchen, «schmecken wird er wohl nicht besonders gut, denn Borgia backt nicht mehr so wie früher - sie wird eben alt.»

«Schwester Borgia ist unsere Laienschwester», erklärte Schwester Peter und fügte nachdrücklich hinzu: «Eine ausgezeichnete Köchin.»

George Pepper nickte. Die kleine lebhafte Schwester Borgia hatte ihm die Haustür geöffnet. Sie war rund und rosig, und ihre Küche schien ihr selbst gut zu bekommen. Eines nur konnte er nicht verstehen - warum sie sich diesen für eine Nonne höchst ungeeigneten Namen zugelegt haben mochte.

«Wir sind hier nur zu dritt, Mr. Pepper - Schwester Paul, Schwester Borgia und ich.»

«Stimmt», bestätigte Mrs. Slaney seufzend, «und alle drei pflegen mich; außer uns ist niemand mehr im alten Armenhaus übriggeblieben.» George Peppers Hand glitt dankbar über den Stenogrammblock. «Ich entsinne mich noch der Zeiten, als wir eine Oberin hatten - einen richtigen Drachen - und einen Vorsteher - den reinsten Teufel - und Hunderte von Armenhäuslern. Schwere Zeiten waren das.» Sie machte eine Pause. «Schreiben Sie auch alles mit?»

«Ja, natürlich», erwiderte George glückstrahlend.

«Schwere Zeiten. Nichts wie Haferbrei und Magermilch, und man mußte noch dankbar sein, wenn es genug davon gab, um satt zu werden.»

Schwester Peter räusperte sich, und George hörte taktvoll auf zu schreiben.

«Wenn wir krank waren, haben sie uns wenigstens genug zu essen gegeben; wenn´s nach dem Vorsteher, dem alten Teufel, gegangen wäre, hätten wir gehungert, aber Peter und Paul haben für uns gesorgt. Sie waren gute Schwestern, das muß man ihnen lassen.» Georges Bleistift sauste wieder über das Papier. «Jetzt sind sie ja leider nicht mehr die Jüngsten, und Borgia auch nicht.» Mrs. Slaney sah Schwester Peter herausfordernd an. «Ein Springinsfeld sind Sie wirklich nicht mehr - mindestens siebzig müssen Sie sein!»

«Achtundsechzig», sagte Schwester Peter ungerührt.

«So sehn Sie auch aus, keinen Tag jünger», erwiderte Sarah. Sie fuhr mit einem verschlagenen Blick auf George fort: «Werd´ ich am Freitag auf der ersten Seite des Argus stehen, junger Mann?»

«Ja, bestimmt», versicherte George.

«Und meine Fotografie auch, ja? Ich werde nämlich immer fotografiert.» Mrs. Slaney zeigte auf das Wasserglas auf dem Nachttisch, aus dem zwei Reihen falscher Zähne grinsten. «Die setz´ ich mir zum Fotografieren ein.»

«Großartig! Aber vielleicht könnten Sie mir erst noch etwas aus Ihrem Leben erzählen. Sie sind für uns ein Verbindungsglied mit der Vergangenheit.»

«Das sagen sie alle.» Mrs. Slaney seufzte tief. «Schwere Zeiten waren das, schwere Zeiten.»

Auch George seufzte, denn er wurde sich darüber klar, daß sich bisher weder Mrs. Slaney noch er durch besondere Originalität ausgezeichnet hatten. Es war zweifellos nicht leicht, Hundertjährigen gegenüber eine neuartige Einstellung zu finden, da sie in den meisten Fällen nur deshalb bemerkenswert waren, weil sie das Alter von hundert Jahren erreicht hatten. Jedoch sollte es einem tüchtigen Journalisten gelingen, solche Schwierigkeiten zu überwinden. «Ein guter Journalist muß imstande sein, Alltägliches so geschickt zu servieren, daß es außergewöhnlich erscheint», hatte es in dem Korrespondenzkursus für Journalismus geheißen, den George Pepper genommen hatte. Obwohl er jetzt über das blaugoldene Diplom lächelte, das ihm am Schluß verliehen worden war, mußte er zugeben, daß es sich vielleicht doch gelohnt hatte, das Geld für den Kursus auszugeben.

«Wenn ich mich nicht irre, müßten Sie sich noch an die Zeit der großen Kartoffelknappheit erinnern, nicht wahr?»

«Muß ich wohl - aber fragen Sie lieber mal Peter und Paul.»

«Nun, ich glaube doch nicht ganz, schließlich sind Sie ja erst hundertundvier Jahre alt», meinte Schwester Paul.

«Hundertundvier», wiederholte Sarah enttäuscht.

«Ein ganz wundervolles Alter», erklärte George begeistert.

«Das schon», sagte Sarah sichtlich erheitert.

«Die älteste Frau in Irland - wunderbar!»

«In ganz Irland», echote Sarah strahlend.

George dachte an Girlie, die mit Ungeduld den ersten von ihm gezeichneten Artikel im Argus erwartete, und an den brieflichen Rat des garantiert berühmten Journalisten des Korrespondenzkursus´: «Es ist das Geheimnis des guten Interviewers, den zu Befragenden zum Reden zu bringen.» George fragte so liebenswürdig wie nur irgend möglich: «Würden Sie mir nun vielleicht ein paar Einzelheiten aus Ihrem langen und reichen Leben in Ihren eigenen Worten schildern?»

Mrs. Slaney kicherte.

«Kann ja nur meine eigenen Worte benutzen.»

George lachte herzlich, und Mrs. Slaney lehnte sich voller Stolz auf ihre witzige Antwort in die Kissen zurück.

«Na, dann wollen wir mal überlegen», sagte sie schließlich. «Ja, ja, harte Zeiten waren das.»

George ließ sich nicht beirren.

«Inwiefern waren die Zeiten so hart?» fragte er.

«Weil sie hart waren», erwiderte Mrs. Slaney verächtlich. «Alles war schwer, das weiß doch jeder. Heutzutage würden sich die Leute so was nicht mehr gefallen lassen.»

«Die Menschen haben sich geändert», gab George traurig zu.

«Schlapp sind sie, schlapp», sagte Mrs. Slaney.

«Da kann ich Ihnen nur recht geben.»

«Wir waren nicht schlapp»,...
mehr