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Nachtblende

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am23.02.20181. Auflage
?Nachtblende?, der Liebesroman eines jungen Engländers (mit Romy Schneider und Klaus Kinski erfolgreich verfilmt), wurde in Frankreich nicht nur zum Bestseller, sondern auch mit einem der begehrtesten Literaturpreise, dem Prix Renaudot, ausgezeichnet. Es gibt viele Arten von Liebesgeschichten. ?Nachtblende? ist sinnlich und dabei von einer Sachlichkeit, die Tränen in die Augen treibt. Die Liebe wird zum Objektiv, durch das Servais Mont, der Fotograf, und Nadine Chevalier, die Schauspielerin, einander und ihre Umgebung sehen lernen. Schauplätze und Personen: Eine große Nachrichtenagentur, das Bistro an der Ecke, ein kleines Theater, diverse Schlafzimmer, ein Fotolabor, Filmaufnahmen in spanischer Wüste, immer wieder Paris: viele verrückte, besoffene, geniale Personen, Schnorrer, Regisseure, Schriftsteller, Sekretärinnen, Kneipiers ... (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Christopher Frank, 1942 geboren, hatte einen englischen Vater und eine französische Mutter. Er kam mit 13 Jahren nach Frankreich, kürzte die Schule ab und ging zum Royal Court Theatre, London, zuerst als Beleuchter (»obwohl ich nichts davon verstand«), dann als Regieassistent. Später arbeitete er für eine Pariser Fotoagentur. Er starb 1993.
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Produkt

Klappentext?Nachtblende?, der Liebesroman eines jungen Engländers (mit Romy Schneider und Klaus Kinski erfolgreich verfilmt), wurde in Frankreich nicht nur zum Bestseller, sondern auch mit einem der begehrtesten Literaturpreise, dem Prix Renaudot, ausgezeichnet. Es gibt viele Arten von Liebesgeschichten. ?Nachtblende? ist sinnlich und dabei von einer Sachlichkeit, die Tränen in die Augen treibt. Die Liebe wird zum Objektiv, durch das Servais Mont, der Fotograf, und Nadine Chevalier, die Schauspielerin, einander und ihre Umgebung sehen lernen. Schauplätze und Personen: Eine große Nachrichtenagentur, das Bistro an der Ecke, ein kleines Theater, diverse Schlafzimmer, ein Fotolabor, Filmaufnahmen in spanischer Wüste, immer wieder Paris: viele verrückte, besoffene, geniale Personen, Schnorrer, Regisseure, Schriftsteller, Sekretärinnen, Kneipiers ... (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Christopher Frank, 1942 geboren, hatte einen englischen Vater und eine französische Mutter. Er kam mit 13 Jahren nach Frankreich, kürzte die Schule ab und ging zum Royal Court Theatre, London, zuerst als Beleuchter (»obwohl ich nichts davon verstand«), dann als Regieassistent. Später arbeitete er für eine Pariser Fotoagentur. Er starb 1993.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105620045
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum23.02.2018
Auflage1. Auflage
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2702229
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

Um fünf Uhr früh fotografierte Servais die Abgeordneten und Minister der Nationalversammlung, die blaß und müde von einer endlosen nächtlichen Debatte kamen. Er hatte die Nacht in einem Café an der Place Palais-Bourbon verbracht, wo er mit einem cholerischen Kollegen Siebzehn-und-Vier gespielt hatte. Der Kollege war ein schlechter Spieler, und Servais erleichterte ihn um gut siebenhundert Francs.

Seine Zunge fühlte sich an wie Löschpapier. Langsam fuhr er durch die ruhigen Straßen der Hauptstadt, das Seineufer entlang. Wenn eine Ampel auf Rot stand, holte er die Filme aus seinen Nikons und steckte sie einen nach dem anderen in seine Tasche. Das graue Licht des Morgens breitete sich über der Stadt aus. Am Boulevard Sebastopol roch es nach schalem Bier.

Servais stellte seinen Wagen auf einem Platz, auf dem Parken verboten war, ab, betrachtete im Rückspiegel die Bartstoppeln auf seinen Wangen und zwängte sich dann aus dem Auto. Auch heute, wie jeden Morgen, war die Alte da. Sie thronte mit untergeschlagenen Beinen auf einem Haufen von Fetzen und Abfällen wie eine altersschwache orientalische Gottheit. Sie war übertrieben geschminkt und sog, in eine blaue Wolke gehüllt, genießerisch an einem Zigarrenstummel. Servais grüßte sie höflich, und sie ließ sich dazu herab, ihm mit einem kaum merklichen, hoheitsvollen Kopfnicken zu danken.

Über ausgetretene, schmutzige Treppen stieg er zur Agentur Gaya-Becque hinauf. Die Putzfrauen verrichteten ihre Arbeit stumm und mürrisch, wie dies zu ihrem Beruf gehört. Servais ging durch Korridore, dann durch zwei Büroräume, durch das Expedit und betrat dann das Labor. Die Trockenpressen drehten sich im Leerlauf, und ihre silberglänzenden Trommeln spiegelten das grünliche Neonlicht wider. Ein magerer, langhaariger Laborant mit schlaftrunkenen Augen holte müde die Abzüge aus der Maschine. Traumverloren und gleichgültig stapelte er Bilder von einer Straßenschlacht in Irland aufeinander. Seufzend reichte er Servais die Hand.

Servais blätterte die auf dem Tisch liegenden Aufnahmen flüchtig durch und legte dann seine Filme auf das Pult vor den Trockenpressen. Auf einem Foto, das mit zwei Reißnägeln an der Wand befestigt war, lächelte grimmig eine nackte junge Frau mit üppigen weißen Brüsten, und ihre Haare flatterten im Wind eines Studioventilators. Servais fragte sich zum hundertsten Mal, warum gerade dieser Körper und gerade dieses Lächeln das Interesse des Laboranten erregt hatten; täglich legte er mindestens fünfzig gleichwertige Aufnahmen, die ihn vollkommen kalt ließen, in die summende Trockenpresse ein. Dem Foto hatten die Wärme und die Feuchtigkeit nicht gut getan, es war vergilbt.

Irgendwo fiel eine Tür zu. Servais verließ das Labor, ging in den Reportersaal, der in lauter winzige Kabinen unterteilt war, ein stiller und leerer Bienenstock. Die Putzfrauen waren schon fort. Servais zündete eine Zigarette an, legte seine Fotoausrüstung in ein Fach und ging die Treppe hinunter, zurück zu seinem Auto. Auf halbem Weg überlegte er es sich anders, machte kehrt und begab sich in das Espresso an der Ecke. Er bestellte einen Milchkaffee, holte sich ein großes Stück bretonischen Kuchen, der Spezialität des Hauses, und spielte mit vollem Mund eine miserable Partie auf dem elektrischen Billard. Auf der Straße wurde es lebendig, vor den Ampeln bildeten sich Autoschlangen, ein leichter Regen sprühte auf den Asphalt. Als es zu regnen aufhörte, waren die Straßen schmutziger als zuvor. Servais ging in die Agentur zurück, setzte sich in einen bequemen Sessel, legte die Füße auf einen Schreibtisch und schlief ein.

Zwei Stunden später weckte ihn William Nesbitts dünne Stimme; Nesbitt wollte wissen, ob Servais nicht zufällig die Seife gesehen hätte. Servais öffnete ein Auge, erblickte eine Sekretärin, die sich an ihrem Schreibtisch kämmte, zwei Fotografen, die Erinnerungen an Indochina austauschten, und das blasse, frühzeitig gealterte Gesicht des Engländers Nesbitt, der sich jeden Morgen in der Agentur wusch und rasierte, und der ständig auf der Suche nach Seife war. In der Agentur gab es keine Seife, und es hatte hier auch nie welche gegeben, aber Nesbitt war davon überzeugt, daß ein unredlicher Kollege sie jeden Tag stibitzte. Servais schüttelte den Kopf, und Nesbitt ertrug diesen Schlag mit Würde. Ein nicht sehr sauberes Handtuch hing über seiner Schulter; sein lachsfarbenes Hemd stand über dem mageren weißen Hals offen. Müde schleppte er sich in den Waschraum zu einer Morgentoilette, die ihm keine Freude bereitete.

Servais sah auf die Uhr, stellte fest, daß es schon neun war, und beschloß, nach Hause zu fahren und schlafen zu gehen. Er war noch nicht bei der Tür, als ihn Mertolle, der Chef der Reportagenabteilung, zurückrief.

»Du hast um elf Uhr eine Reportage.«

Servais Mont ging zurück und lehnte sich an den Schreibtisch, an dem der apathische Genießer Mertolle saß. Er war frisch rasiert, tadellos frisiert, sein rosiges Pferdegesicht duftete nach Parfum. Er beugte sich mit der Lupe über einen Druckbogen und erzeugte mit der Zunge merkwürdige Geräusche, die Ablehnung ausdrücken sollten.

»Sag mal, hast du geschlafen? Fast alle sind unterbelichtet.«

Servais nahm die Lupe, die Mertolle ihm reichte, und prüfte das Ergebnis seiner nächtlichen Tätigkeit. Er sah, daß man die Minister und Abgeordneten auf den dunklen Aufnahmen wirklich nicht erkennen konnte.

»Mein Blitzlicht will nicht mehr.«

Mertolle zuckte die Achseln, machte um ein etwas weniger dunkles Klischee einen dicken Bleistiftkreis und beugte sich wieder über das Blatt. Der graue, von Brillantine glänzende Kopf Mertolles, auf dem der Kamm deutliche Spuren hinterlassen hatte, faszinierte Servais zu sehr, daß er stehen blieb.

»Ich habe heute nacht nicht geschlafen; ist deine Reportage wirklich so wichtig?«

»Du kannst nachher schlafen. Es handelt sich um das Chevalier-Mädchen.«

»Kenn ich nicht.«

»Aber ja. Das Mädchen aus Morgen ist auch ein Tag. «

»Hab ich nicht gesehen.«

»Na also, dann siehst du sie jetzt.«

Servais nahm den Notizzettel, den ihm Mertolle hingelegt hatte, und steckte ihn ein. Dann begab er sich auf die Suche nach Nesbitt. Er fand ihn an seinem Schreibtisch; vor ihm, auf der Löschunterlage stand ein imposanter, gußeiserner Topf; er betrachtete ihn mit sichtlicher Bewunderung.

»Nicht schlecht, was?«

Servais schaute das Ding kritisch an.

»Hast du ihn gekauft?«

»Ja. Vierzig Francs, beinahe geschenkt.«

Einen Augenblick waren beide in die Betrachtung des Topfes vertieft. Dann gab sich Servais einen Ruck.

»Leihst du mir deinen Rasierapparat?«

Nesbitt öffnete eine tiefe Schublade und stellte den Topf mit einiger Mühe zwischen ein Paar Hausschuhe und eine Taschenbuchausgabe des »Antichrist«. In einer anderen Lade fand er den elektrischen Rasierapparat.

Servais ging in den Waschraum und versuchte, die Spuren der Müdigkeit zu beseitigen.

Gegen zehn Uhr trank er noch einen Kaffee in Gesellschaft einer mageren und mürrischen Prostituierten, die über das Wetter, ihren Friseur - einen Gauner - und einen sicheren Tip im dritten Rennen von Saint-Cloud plauderte.

Um halb elf verließ er die Agentur, eine Nikon um den Hals gehängt und zwei Tri-X-Filme in der Tasche. Er war müde, die grauen Straßen bedrückten ihn, und er hatte überhaupt keine Lust, eine gewisse Nadine Chevalier zu fotografieren.

 

Sie wohnte in einem modernen Haus in der Rue de Varenne. Ihr Name schien nicht auf den Hausbriefkästchen auf, aber Mertolle, der an alles dachte, hatte das Stockwerk auf den Zettel geschrieben. Die Tür ging auf, und ein Schwall von Licht ergoß sich in das düstere Stiegenhaus. Servais sah zuerst nur ihre Silhouette und sagte: »Mademoiselle Chevalier?«

»Ja.«

»Mein Name ist Servais Mont. Ich bin von der Agentur Gaya-Becque.«

»Ja, kommen Sie herein.«

Die Sonne war durch die Wolken gebrochen, in der Wohnung wurde es plötzlich hell; und da es keine Möbel in dieser Wohnung gab und alles weiß gestrichen war, hatte Servais das Gefühl, einen Kühlraum zu betreten. Das Mädchen lehnte an der Tür und betrachtete ihn mit dem Anflug eines Lächelns.

»Ich bin gerade erst angekommen, ich habe noch keine Zeit gehabt, Möbel zu kaufen.«

Er nickte. Sie war blond und zierlich, hatte graue Augen. Ihre Backenknochen traten hervor. Sie trug schwarze Hosen und ein Männerhemd und ging bloßfüßig über den beigen Spannteppich. Sie wirkte gleichgültig; nicht wie jemand, der seine Gefühle verbirgt, sondern wie jemand, der keine hat.

Servais musterte den leeren Raum und suchte verzweifelt nach einem Anhaltspunkt, einem Detail, einem Rahmen für seine Fotos. Unterdessen legte er die Kassette in den Apparat ein. Er hatte einen lichtempfindlichen Film mitgenommen, den er jetzt wegen des grellen Lichtes nicht brauchen konnte, und der auch keine wesentlichen Kontraste ergeben würde. Zu allem Übel hatte er nur ein 35-mm-Objektiv, so daß er weder Großaufnahmen noch - weil die Wohnung ja leer war - eine Totale machen konnte. Und das Mädchen wartete; geduldig lehnte sie am Fenster. Servais zog seinen Rock aus, zögerte einen Augenblick und legte ihn dann auf den Spannteppich.

»Soll ich mich umziehen?«

Servais hatte nicht daran gedacht, aber es gewährte ihm wenigstens einen Aufschub.

»Vielleicht, ja, das wäre besser.«

»Und was soll ich anziehen?«

»Vielleicht ein Kleid.«

Er hatte plötzlich das Verlangen, ihre Beine zu sehen; er vergaß darüber ganz, daß Hosen viel mehr Stellungen ermöglichen. Das Mädchen öffnete einen Wandschrank; die Kleider brachten...
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Autor

Christopher Frank, 1942 geboren, hatte einen englischen Vater und eine französische Mutter. Er kam mit 13 Jahren nach Frankreich, kürzte die Schule ab und ging zum Royal Court Theatre, London, zuerst als Beleuchter (»obwohl ich nichts davon verstand«), dann als Regieassistent. Später arbeitete er für eine Pariser Fotoagentur. Er starb 1993.