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Die Transformation des Islamismus in der Türkei seit 1983

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
111 Seiten
Deutsch
GRIN Verlagerschienen am25.06.20091. Auflage
Diplomarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Philosophie - Praktische (Ethik, Ästhetik, Kultur, Natur, Recht, ...), Note: 1,7, Philipps-Universität Marburg, Sprache: Deutsch, Abstract: Laizistisch und gleichzeitig ein Moslem zu sein, ist nicht möglich (Hem laik hem Müslüman olunmaz). Dieses Zitat stammt aus dem Munde des amtierenden türkischen Ministerpräsidenten, des Islamisten Recep Tayyip Erdogan. Zum Zeitpunkt dieser Äußerung aus dem Jahr 1993 war er Mitglied der Refah-Partei, die implizit ein islamisches System forderte. Bei den nationalen Wahlen im Jahr 1991 schaffte sie den Einzug ins Parlament nur als Teil eines Wahlbündnisses, war also nur mäßig erfolgreich. 'Turkey intimately wants democracy' Bei jenem zweiten Zitat aus dem Jahr 2005 war Erdogan bereits Vorsitzender der AKP, einer Nachfolgepartei der Refah. Diese Partei forderte jetzt Demokratisierung und setzte sich für den EU-Beitritt ein. Bei den jüngsten nationalen Wahlen im Jahr 2007 war sie sehr erfolgreich, denn sie erhielt 46,6 Prozent der Stimmen und damit die absolute Mehrheit im Parlament. Die vorliegende Arbeit fragt nach den Gründen solch einer Transformation des Islamismus in der Türkei. Die Korrelation der positiven Äußerung bezüglich der Demokratie im Jahre 2005 und dem Wahlerfolg der Partei legt die Idee nahe, dass hier ein Zusammenhang bestehen könnte. In der aktuellen wissenschaftlichen Literatur zum Thema liegen zunächst jedoch dreierlei divergierende Tendenzen zur Beantwortung dieser Fragestellung vor. Einige Autoren kommen zum Schluss, die untersuchten Parteien besäßen neben ihrem offiziellen Programm eine geheime politische Agenda. Ihr nach eigenen Angaben internalisierter Demokratiediskurs sei schlicht eine Lüge. Vielmehr versuchten sie durch ihr Vortäuschen die Institutionen des türkischen Staates zu infiltrieren und machtpolitisch relevante Posten mit ihren Mitgliedern zu besetzen, um schließlich in der Lage zu sein, ein islamistisches System zu etablieren. Hiermit wird den Islamisten in der Türkei vorgeworfen die so genannte Takiye zu betreiben. Dieses ist ein Prinzip des Islam, welches dem Muslim erlaubt, seinen Glauben zu verleugnen, wenn er anderenfalls einen Nachteil davon hätte.mehr
Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR47,95
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR36,99

Produkt

KlappentextDiplomarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Philosophie - Praktische (Ethik, Ästhetik, Kultur, Natur, Recht, ...), Note: 1,7, Philipps-Universität Marburg, Sprache: Deutsch, Abstract: Laizistisch und gleichzeitig ein Moslem zu sein, ist nicht möglich (Hem laik hem Müslüman olunmaz). Dieses Zitat stammt aus dem Munde des amtierenden türkischen Ministerpräsidenten, des Islamisten Recep Tayyip Erdogan. Zum Zeitpunkt dieser Äußerung aus dem Jahr 1993 war er Mitglied der Refah-Partei, die implizit ein islamisches System forderte. Bei den nationalen Wahlen im Jahr 1991 schaffte sie den Einzug ins Parlament nur als Teil eines Wahlbündnisses, war also nur mäßig erfolgreich. 'Turkey intimately wants democracy' Bei jenem zweiten Zitat aus dem Jahr 2005 war Erdogan bereits Vorsitzender der AKP, einer Nachfolgepartei der Refah. Diese Partei forderte jetzt Demokratisierung und setzte sich für den EU-Beitritt ein. Bei den jüngsten nationalen Wahlen im Jahr 2007 war sie sehr erfolgreich, denn sie erhielt 46,6 Prozent der Stimmen und damit die absolute Mehrheit im Parlament. Die vorliegende Arbeit fragt nach den Gründen solch einer Transformation des Islamismus in der Türkei. Die Korrelation der positiven Äußerung bezüglich der Demokratie im Jahre 2005 und dem Wahlerfolg der Partei legt die Idee nahe, dass hier ein Zusammenhang bestehen könnte. In der aktuellen wissenschaftlichen Literatur zum Thema liegen zunächst jedoch dreierlei divergierende Tendenzen zur Beantwortung dieser Fragestellung vor. Einige Autoren kommen zum Schluss, die untersuchten Parteien besäßen neben ihrem offiziellen Programm eine geheime politische Agenda. Ihr nach eigenen Angaben internalisierter Demokratiediskurs sei schlicht eine Lüge. Vielmehr versuchten sie durch ihr Vortäuschen die Institutionen des türkischen Staates zu infiltrieren und machtpolitisch relevante Posten mit ihren Mitgliedern zu besetzen, um schließlich in der Lage zu sein, ein islamistisches System zu etablieren. Hiermit wird den Islamisten in der Türkei vorgeworfen die so genannte Takiye zu betreiben. Dieses ist ein Prinzip des Islam, welches dem Muslim erlaubt, seinen Glauben zu verleugnen, wenn er anderenfalls einen Nachteil davon hätte.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783640357222
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
Erscheinungsjahr2009
Erscheinungsdatum25.06.2009
Auflage1. Auflage
Seiten111 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2714078
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1.                  Die Ökonomische Demokratietheorie Anthony Downs

 

Anthony Downs, geboren 1930, gilt mit der Veröffentlichung von An Economic Theory of Democracy im Jahre 1957 als Begründer der Ökonomischen Theorie der Demokratie . Seitdem ist die Demokratietheorie eine der wichtigsten Gebiete der ökonomischen Theorie der Politik. In der Politikwissenschaft ist hierbei im Allgemeinen die Rede von Rational Choice , Public Choice oder Neue politische Ökonomie . 

 

Auf der Rational Choice-Theorie fußen Modelle und Thesen, die auf Annahmen über menschliches Verhalten basieren, welche aus den Wirtschaftswissenschaften übernommen worden und hiervon logisch abgeleitet sind. Dieser Ansatz stammt von Joseph A. Schumpeter, der das Handeln politischer Akteure mit jenem wirtschaftlicher Akteure auf einem Markt vergleicht.[33]    

 

Downs sieht demnach die Menschen in einer Demokratie als rational handelnde Akteure, deren Verhalten primär eigennützige Absichten zugrunde liegen . Ein rationaler Mensch, ist jemand, der a) wenn er zwischen Alternativen wählen kann, stets imstande ist eine Wahl zu treffen, b) die Alternativen nach Stärke seiner Präferenz transitiv ordnet und c) angesichts gleicher Alternativen immer die selbe Entscheidung trifft.

 

Zu diesen Akteuren zählt er die Wähler und Interessengruppen sowie Parteien und Regierungen.[34] Deren Verhalten in einer Demokratie ist folglich mit der Rational Choice-Annahme zu erklären und unter bestimmten Bedingungen vorauszusagen.[35]

 

Downs geht also davon aus, dass ein Wähler als rationaler Mensch, stets jene Partei wählt, die ihm - nach seiner Einschätzung - den größten Nutzen bringt.  

 

Betreffend die Handlungen von Parteien glaubt Downs folglich, dass diese versuchen die Regierungsmacht zu erhalten, um Vorteile zu genießen, die ein politisches Amt mit sich bringt , nicht jedoch um eine Ideologie oder ein politisches Konzept zu verwirklichen.[36] Das politische Konzept einer Partei dient also lediglich als Mittel zur Verfolgung privater Ziele, die nur durch ihre politische Wahl zu erreichen sind. Die Partei wird demnach ihr Programm modifizieren, wenn sie davon ausgeht, dass sich die Bedürfnisse der Wähler geändert haben. Dies funktioniert nur, wenn sich die Partei über ihre Politik bewusst ist sowie auch über die Art, wie die Bevölkerung wählt. [37]

 

Letztendlich ist also das politische Verhalten von Parteien in der Demokratie allein aus der Tendenz zur Stimmenmaximierung zu erklären. [38]

 

Für die Analyse von ideologischer Transformation innerhalb einer Partei bedient sich Downs des wirtschaftswissenschaftlichen Modells der räumlichen Konkurrenz von Harold Hotteling aus dem Jahre 1929. Hier ordnen sich zwei Geschäfte in einem Raum derart an, dass sie in der Nähe der meisten Käufer liegen, um hierdurch einen maximalen Profit zu erreichen. Downs überträgt dies auf die Politikwissenschaft, indem er einen räumlichen Markt darstellt, in welchem auf einer linearen Skala von links nach rechts, von 0 bis 100, politische Präferenzen angeordnet sind. Das Modell basiert auf der Annahme, dass die Präferenzen aller Wähler nur einen Scheitelpunkt aufweisen und diese entlang der Skala gleichmäßig verteilt sind. Um die meisten Wählerstimmen zu erhalten, muss eine Partei demnach ideologisch in die Mitte der Gesellschaft rücken. Als Folge werden das Programm und die Rhetorik mit der Zeit immer moderater und vermeiden extreme Ansichten, um die Stimmen der größten und damit entscheidenden mittleren Wählerschicht zu erhalten.[39]

 

Aus der Perspektive des Wählers entsteht hierbei das Problem, dass dieser im Allgemeinen nicht über die Informationen verfügt, alle Positionen und Pläne von Parteien in ihrer Gänze vergleichen, bewerten sowie diese mit seiner Auffassung über die idealen Gesellschaft in Beziehung setzen zu können.[40]

 

Hierbei hilft die relative Vertrautheit mit den Ideologien[41] verschiedener Parteien, nach welchen der Wähler seine Entscheidung treffen kann, ohne das jeweilige konkrete Programm jeder Partei zu kennen. Parteien verwenden demnach Ideologie, nicht nur um die Gunst verschiedener Gruppen zu gewinnen, sondern auch um die Wahlentscheidung des Einzelnen zu beschleunigen.

 

Um diese Funktion von Ideologien zu wahren, sind die Parteien gezwungen den Anschein der Integrität und Verantwortlichkeit nicht aufs Spiel zu setzen, also ihre Ideologie nicht ständig beliebig zu wechseln. Hieraus resultiert, dass Parteien ideologisch relativ immobil sind. Der Wahlgewinn einer Partei ist schließlich also dann am ehesten zu erreichen, wenn sie neu gegründet wurde, also so flexibel war, sich vollständig den aktuellen Bedürfnissen der Wähler anzupassen.[42]

 

Im Hinblick auf die zu analysierenden Parteien ist hinzuzufügen, dass Downs plausible Annahme der ideologischen Immobilität sich im Wesentlichen auf das dokumentarisch festgelegte Programm, erheblich weniger jedoch auf rhetorische Darstellungen bezieht. Bei Reden, durch Wahlslogans und Interviews ist es dem politischen Akteur möglich sich auch beim Festhalten an der Ideologie und an ihrem Programm entsprechend ihrer Situation ein verändertes Image zu geben beziehungsweise passende Akzente zu setzen - wie auch die vorliegende Empirie zeigen wird.

 

Downs fasst zusammen: Wenn politische Ideologien wirklich Mittel zu dem Zweck sind, Wählerstimmen zu gewinnen, und wenn wir etwas über die Präferenzverteilung der Wähler wissen, dann können wir konkrete Aussagen darüber machen, wie sich parallel zu den Manövern, mit denen die Partei an die Macht zu kommen suchen, der Gehalt der Ideologie verändert wird. [43]

 

Neben Downs Werk gelten Social Choice and Individual Values von Kenneth Arrow von 1951 und Mancur Olsens The Logic of Collective Action aus dem Jahre 1965 zu den Mitbegründern diese Rational Choice-Ansatzes. Dieser hat sich seit den 1960er Jahren zu einer eigenständigen Richtung in der modernen Demokratietheorie entwickelt.[44]

 

1.1 Schlussfolgerungen der Theorie für den türkischen Islamismus

 

In vorliegender Arbeit wird der Islamismus, im Speziellen die erfolgreichen[45] islamistischen Parteien mit der Ökonomischen Demokratietheorie analysiert. Hierbei beschränkt sich die Untersuchung auf die Downs schen Annahmen betreffend die Parteien und Regierungen. Das bedeutet im Fall der Türkei, dass die islamistischen Parteien in erster Linie nach politischer Macht streben. Demgemäß müssten die Islamisten ihre Ideologie, Rhetorik und politisches Verhalten derart gestalten, wie sie einen höchstmöglichen machtpolitischen Gewinn erzielen können. Hieraus ergeben sich folgende Schlussfolgerungen.

 

Die Transformation des Islamismus war ein Anpassungsprozess an die Erwartungen der für ihren machtpolitischen Erfolg relevanten Akteure.

Die Transformation des Islamismus war ein Lernprozess der Jahre 1983 bis 2006, an dessen Ende die Fähigkeit steht, die politische Unterstützung einer größtmöglichen Anzahl jener Akteuren zu erhalten.

 

Nach Downs erlaubt die Rational Choice-Theorie Voraussagen über das Verhalten von Parteien zu treffen. Im Fall der türkischen Islamisten bedeutet dies Folgendes:  

 

Solange ein Großteil der türkischen Wahlbevölkerung laut Umfragen für einen Demokratischen Staat plädiert, werden die Islamisten ein solches System unterstützen.

Die Islamisten streben mindestens keinen islamischen Staat an, solange ihnen dies die Unterstützung einer großen Wählergruppe und des westlichen Auslands entziehen würde.  

Solange die Türkei einen Nutzen aus der Unterstützung des Westens zieht, werden die Islamisten EU-orientiert bleiben.

Die Islamisten werden die Annäherung an die EU unterbrechen, wenn es der politischen Stimmung eines entsprechend großen Teils der Wahlbevölkerung entspricht. 

 

1.2 Kritik an der Ökonomischen Demokratietheorie und die aktuelle Forschungslage

 

Wie oben dargelegt, bietet die Verwendung der Downs schen Theorie im Fall der Türkei also zahlreiche Vorteile, sie kommt jedoch ebenso wenig ohne sechs Kritikpunkte aus.

 

Erst Anfang der 1990er Jahre erfuhr der Rational Choice-Ansatz hörbare Kritik.[46] Zum einen bezieht sich die Downs sche Theorie auf die Parteientwicklung in den USA und damit auf ein Zweiparteiensystem, was die Übertragung sogar im Fall anderer westlicher Demokratien erschweren würde.[47] Die spätere Forschung zum Parteienverhalten untersucht entsprechend eingehend den Wettbewerb in einem nicht Zwei-, sondern Vielparteiensystem.[48]

 

Zweitens stellt die Darstellungen der Wählerpräferenzen von links nach rechts im Fall der Türkei ein Problem...

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