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Fangschuss

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
161 Seiten
Deutsch
Grafit Verlagerschienen am26.09.2011
Vijay Kumar ist dreißig Jahre alt, indischer Abstammung, frischgebackener Privatdetektiv - und schon desillusioniert: Seine erste Auftraggeberin ist eine anstrengende Frau, die ihre Katze vermisst. Indischer Whisky und eine gehörige Portion Selbstironie helfen ihm, aufkommende Zweifel an seiner Berufswahl zu verdrängen. Doch auch sein zweiter Auftrag ist weder lukrativ noch Glanz und Ruhm versprechend: Die junge Ness macht sich Sorgen um ihren Freund, den Drogendealer Philipp. Lustlos hört sich Vijay in der Szene um und merkt erst, als er über eine Leiche stolpert, dass er längst selbst in Gefahr schwebt. Eine Jagd beginnt durch das noble Zürcher Bankenviertel bis in die Einsamkeit einer Berghütte. Ein indischer Schweizer oder ein Schweizer Inder? Spannend und amüsant spielt Sunil Mann mit Klischees und wurde für sein Krimidebüt prompt mit dem Zürcher Krimipreis belohnt.

Sunil Mann wurde als Sohn indischer Einwanderer im Berner Oberland geboren. Nach der Matur schrieb er sich in Z?rich f?r Psychologie und Germanistik ein. Beide Studien brach er erfolgreich ab. Zurzeit ist er als Flugbegleiter t?tig, ein Job, der ihm gen?gend Zeit zum Schreiben l?sst. F?r seine Kurzgeschichten hat er bereits zahlreiche Preise gewonnen. F?r sein Romandeb?t 'Fangschuss' wurde er mit dem 'Z?rcher Krimipreis' ausgezeichnet.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextVijay Kumar ist dreißig Jahre alt, indischer Abstammung, frischgebackener Privatdetektiv - und schon desillusioniert: Seine erste Auftraggeberin ist eine anstrengende Frau, die ihre Katze vermisst. Indischer Whisky und eine gehörige Portion Selbstironie helfen ihm, aufkommende Zweifel an seiner Berufswahl zu verdrängen. Doch auch sein zweiter Auftrag ist weder lukrativ noch Glanz und Ruhm versprechend: Die junge Ness macht sich Sorgen um ihren Freund, den Drogendealer Philipp. Lustlos hört sich Vijay in der Szene um und merkt erst, als er über eine Leiche stolpert, dass er längst selbst in Gefahr schwebt. Eine Jagd beginnt durch das noble Zürcher Bankenviertel bis in die Einsamkeit einer Berghütte. Ein indischer Schweizer oder ein Schweizer Inder? Spannend und amüsant spielt Sunil Mann mit Klischees und wurde für sein Krimidebüt prompt mit dem Zürcher Krimipreis belohnt.

Sunil Mann wurde als Sohn indischer Einwanderer im Berner Oberland geboren. Nach der Matur schrieb er sich in Z?rich f?r Psychologie und Germanistik ein. Beide Studien brach er erfolgreich ab. Zurzeit ist er als Flugbegleiter t?tig, ein Job, der ihm gen?gend Zeit zum Schreiben l?sst. F?r seine Kurzgeschichten hat er bereits zahlreiche Preise gewonnen. F?r sein Romandeb?t 'Fangschuss' wurde er mit dem 'Z?rcher Krimipreis' ausgezeichnet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783894258047
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2011
Erscheinungsdatum26.09.2011
Seiten161 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse955 Kbytes
Artikel-Nr.2751257
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Dienstag

Das Telefon schrillte ohrenbetäubend. Schlaftrunken blickte ich auf den Wecker. Sieben Uhr zweiunddreißig. Damit konnte ich überhaupt nichts anfangen. Meine Zeitrechnung begann frühestens um zehn. Ich zog das Kissen über den Kopf und verfluchte den Rufton, den ich endlich geändert hatte. Das frühere Summen hätte mich kaum geweckt. Aber ich wollte ja unbedingt ein detektivgerecht läutendes Telefon. Selber schuld. Das Klingeln verstummte, und einen Moment lang herrschte wohltuende Stille. Schon schlummerte ich wieder ein, als das Schrillen erneut begann. Entnervt schlug ich die Decke zurück.

»Herr Kummer, endlich!« Babsis jammernde Stimme bohrte sich in mein Ohr. Sie klang stark erkältet.

»Marie Antoinette ist verschwunden!«

»Aber das weiß ich doch. Deswegen war ich ja gestern bei Ihnen.«

»Nein, Sie verstehen mich falsch. Sie ist weg!« Sie schluchzte.

Es dauerte einen Moment, bis ich begriff. Lüsternes Luder.

»Ich habe die ganze Nacht auf sie gewartet. Die ganze Nacht!«

»Auf mich?«

»Aber nein, auf die Katze natürlich!« Ein unterdrücktes Winseln drang aus dem Hörer.

»Frau Georget. Babsi, ich kann Ihnen versichern, Ihr Fall ist bei mir in den besten Händen.«

Verstohlen schielte ich zu Marie Antoinette hinüber, die immer noch schnarchend auf dem Sofa lag, die einbandagierte Pfote streckte sie dabei weit von sich. Unmöglich konnte ich sie heute schon zurückbringen. Zudem drängte die Suche nach Philipp. Ich musste Prioritäten setzen.

»Gott sei Dank! Haben Sie eine Spur?«

»Ich habe vage Hinweise, die ich verfolge. Ich werde Sie bald Näheres wissen lassen«, flunkerte ich.

»Ich singe die ganze Zeit Schutzmantras, damit Marie Antoinette nichts zustößt. Om navah shivaya, om, om, oooooooooohmmm⦫

Ich legte das Telefon auf die Tischplatte und ging in die Küche, um Kaffee aufzusetzen. Als ich zum Tisch zurückkehrte, plärrte der monotone Singsang immer noch aus der Muschel. Ich hielt das Handy ans Ohr. »Sind Sie fertig?«

»Das nützt, glauben Sie mir.«

»Das werden wir sehen, wenn ich diesen chinesischen Schnellimbiss besucht habe.«

Ein abgewürgter Laut war zu hören, und ich beendete den Anruf. Ich goss mir eine Tasse Kaffee ein und pfiff gut gelaunt vor mich hin. Plötzlich hörte ich vom Sofa her ein widerwilliges Miauen. Ich drehte mich um und blickte in Marie Antoinettes zerknittertes Katzengesicht. Sie wankte vom Sofa und blieb dann stehen, mit Schlagseite wie ein kenternder Kahn. Ich stellte ihr eine Schüssel mit Wasser hin, über die sie sich gierig schlabbernd hermachte, und pfiff absichtlich laut weiter. Sie verzog sich wieder aufs Sofa, wo sie versuchte, ihren Kopf zwischen den Pfoten zu verstecken. Ich grinste. Keine Frage: Diese Mieze hatte einen Kater.

 

Noch war es kühl und schattig, doch die ersten Sonnenstrahlen schleppten sich bereits über Zinnen und Dachterrassen, bevor sie sich über vier oder fünf Stockwerke in die Tiefe fallen ließen. Die Dienerstrasse war menschenleer wie nach einer nuklearen Katastrophe oder wie in einem dieser Zombiefilme, in denen irgendein bösartiges Virus die gesamte Population dahingerafft hat. Ich pfiff weiterhin laut vor mich hin, nur um sicher zu sein, dass die gespenstische Stille tatsächlich existierte und ich nicht irgendwann auf dem Weg durchs Treppenhaus hinunter taub geworden war.

Ich ging am etwas zurückversetzten und unscheinbaren Eingang zur Zukunft vorbei, einem der momentan angesagtesten Klubs der Stadt. Gleich daneben lag die dazugehörige Bar 3000, wo man auch tagsüber einkehren konnte. Nichts deutete auf die Schlangen hin, die sich am Wochenende vor den unerbittlichen Türstehern bildeten, auf die Großmäuler und Kleingeister, die sich auf der Tanzfläche verrenkten, auf Transen und Triebgesteuerte, die sich an der Bar drängten, auf die mit glücklich machenden Pillen vollgestopften Mädchen, die frühmorgens elendiglich zusammengekrümmt und heulend auf dem Gehsteig saßen, und die Jungs, die sich aufgrund derselben Pillen in Filmen im Breitbildformat wiederfanden, großes Heldenkino natürlich, immer.

Ich bog in die Langstrasse ein. Ein einsamer Camion überholte mich ruckelnd, auf der Gegenfahrbahn fuhr mit leisem Staubsaugerrauschen ein Bus vorüber. Ansonsten war Zürichs Rotlichtmeile menschenleer. Erst bei Sonnenuntergang würde sich das Quartier beleben, die Lichter einschalten und sich herausputzen, bis es glitzern und glänzen würde wie eine alternde Varietésängerin. Oder irgendeine meiner Nachbarinnen. Und es würde auch genauso gurren, lachen, werben, locken und verführen, schwitzen und kreischen. So war der Kreis 4, eine laute, charmante, oft ein wenig vulgäre Frau, der man immer wieder gern verfiel und sich dabei nicht einzugestehen wagte, dass man sich ein klein wenig in sie verliebt hatte.

Doch im Moment war das Quartier noch müde, es trug ausgebeulte Trainingshosen und Flipflops, war ungeschminkt, hatte dunkle Ringe unter den Augen und Lockenwickler im Haar und trank lauwarmen Kaffee in einem der zwielichtigen Lokale.

Ich ging die wenigen Treppenstufen hoch und betrat Kemals Kiosk. Als ich eintrat, rief er wie immer: »Salam alaikum!«, legte eine Packung Parisienne Blau auf den Tresen und lächelte mich leutselig an. »Schönes Wetter heute!«

Er strahlte. Ich nickte.

»Du bist Kurde, nicht?«

»Inder.«

»Ah!«

Ich nickte. Er strahlte.

»Wie auch immer. Wir sind Brüder, Kurden, Inder, dasselbe Blut. Nicht wie die Schweizer.«

Ich lächelte unverbindlich und hoffte, dass er bald fertig war. Jedes Mal das gleiche Prozedere, der Mann hatte ein Gehirn wie eine zerstampfte Falafel. Plötzlich wurde seine Miene ernst, argwöhnisch blickte er sich um, als könnte uns ein unsichtbarer Feind belauschen.

»Du Moslem?«, flüsterte er halblaut. Darauf war ich vorbereitet. Ich schlenkerte mit dem Kopf, diese typische indische Bewegung, bei der der Hals steif bleibt, während der Schädel seitwärts wackelt, als wäre er nicht richtig festgemacht. In Indien konnte das allerhand heißen, von »Ja« über »Nein« bis »No problem« oder »Wir werden sehen«. Hier meinte ich eindeutig »Leck mich am Arsch«. Kemal war zufrieden mit dieser Antwort, er nickte und lächelte und guckte mich glücklich an. »Allahu Akbar!«, jubelte er, und ich schlenkerte noch eine Runde mit dem Kopf. Dann legte ich einen Zehner auf den Tresen und hoffte auf baldiges Rückgeld. Doch Kemal war noch nicht fertig. Er lehnte sich nach vorn, stützte sich mit den Ellbogen auf und strich sich über den Schnurrbart, der schwarz und borstig war wie eine Schuhbürste. Er glotzte mich dabei verzückt an, als sei ich sein lange verschollener Cousin, der nach Jahren wieder aufgetaucht war. Ich lächelte und deutete auf das Geld. Wie in Trance ergriff er die Note und betätigte die altmodische Kasse, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen. Endlich hielt ich mein Wechselgeld in der Hand. Blieb nur noch die Verabschiedung. Kemal kam dazu hinter dem Tresen hervor und ergriff mit seiner einen Hand die meine, während er mir mit der anderen die Schulter drückte. Ich lächelte und nickte und schlenkerte, und gerade als ich befürchtete, er werde mich gleich umarmen und abküssen, ließ er mich unvermittelt los. Nur sein glühender Blick folgte mir, als ich auf die Straße hinaustaumelte. Von wegen man sollte möglichst die kleinen Ladenbetreiber unterstützen. Dieser Morgen hatte mich soeben wieder zu einem begeisterten Anhänger von Großverteilern gemacht.

 

Ich setzte mich auf eine Bank vor der Unterführung, welche die Stadtkreise 4 und 5 trennte. Oben ratterten unablässig Fernverkehrszüge und S-Bahnen durch, unten roch es nach Pisse und Bier, und in den Böschungen zu beiden Seiten des Tunnels lebten die wohl fettesten Ratten der Stadt. Am späteren Vormittag, sobald die Notschlafstelle schloss, würde zudem die Clique der wenig anonymen Alkoholiker eintrudeln, um die Bänke und Treppenstufen vor dem Eingang der Unterführung zu besetzen, sich mit Bier volllaufen zu lassen, sinnlos und lautstark zu streiten und zusammen mit ihren Hunden grundsätzlich einen gehörigen Radau zu veranstalten.

Ich zündete mir eine Zigarette an, lehnte den Kopf nach hinten und starrte in den blassblauen Septemberhimmel. Ich überlegte, wie ich vorgehen sollte, um etwas über Philipp herauszufinden. Es war meine erste Befragung seit Abschluss des Fernkurses, wenn man vom gestrigen Geplänkel mit Babsi absah, und entsprechend nervös war ich. Ich beschloss, cool zu gucken und mir nichts anmerken zu lassen. Ich erhob mich, nahm einen letzten Zug und drückte die Zigarette aus. Dann überquerte ich die Straße, ging an der ehemaligen Apotheke vorbei, in der jetzt eine Galerie untergebracht war, und blieb vor dem blauen Haus stehen, das angeblich demnächst abgerissen werden sollte, um einem weiteren schicken Neubau Platz zu machen.

Dilettantische Graffiti verzierten die gesamte Fassade. Der Schaukasten, der neben dem Eingang der St. Pauli Bar angebracht war und in dem vergilbte Fotos von halb nackten Frauen hingen, illustrierte, um was für eine Art Lokal es sich einst gehandelt hatte. Dieses hatten umtriebige Geschäftsleute jetzt, ohne große Veränderungen vorzunehmen - wenn man vom radikalen Rausschmiss der dort ihren Lebensunterhalt ertanzenden Damen absah â, zum hippen Klub umfunktioniert, und an...
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Autor

Sunil Mann wurde als Sohn indischer Einwanderer im Berner Oberland geboren. Nach der Matur schrieb er sich in Zürich für Psychologie und Germanistik ein. Beide Studien brach er erfolgreich ab. Zurzeit ist er als Flugbegleiter tätig, ein Job, der ihm genügend Zeit zum Schreiben lässt. Für seine Kurzgeschichten hat er bereits zahlreiche Preise gewonnen. Fangschuss ist sein Romandebüt.

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt