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Die Chronik der Unsterblichen - Glut und Asche

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
448 Seiten
Deutsch
LYX.digitalerschienen am08.12.20111. Aufl. 2011
Im London des Jahres 1666 wird ein unheimliches Schattenwesen für eine fürchterliche Mordserie verantwortlich gemacht. Als die beiden Unsterblichen Andrej Delãny und Abu Dun dem Feind auf die Spur kommen, verstricken sie sich selbst immer tiefer in den Netzen des Bösen. Da bricht ein Feuer aus, das ganz London zu verschlingen droht ...



Wolfgang Hohlbein wurde 1953 in Weimar geboren und gehört zu den wichtigsten deutschsprachigen Autoren. Der Durchbruch gelang ihm 1982 mit dem Jugendbuch Märchenmond, für das er den Phantastik-Preis der Stadt Wetzlar erhielt. Seither hat er über 150 Romane, Kinder- und Jugendbücher sowie Drehbücher verfasst.
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Produkt

KlappentextIm London des Jahres 1666 wird ein unheimliches Schattenwesen für eine fürchterliche Mordserie verantwortlich gemacht. Als die beiden Unsterblichen Andrej Delãny und Abu Dun dem Feind auf die Spur kommen, verstricken sie sich selbst immer tiefer in den Netzen des Bösen. Da bricht ein Feuer aus, das ganz London zu verschlingen droht ...



Wolfgang Hohlbein wurde 1953 in Weimar geboren und gehört zu den wichtigsten deutschsprachigen Autoren. Der Durchbruch gelang ihm 1982 mit dem Jugendbuch Märchenmond, für das er den Phantastik-Preis der Stadt Wetzlar erhielt. Seither hat er über 150 Romane, Kinder- und Jugendbücher sowie Drehbücher verfasst.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783802587689
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2011
Erscheinungsdatum08.12.2011
Auflage1. Aufl. 2011
Reihen-Nr.11
Seiten448 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2760693
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Kapitel 1

Die Ratte war so groß wie eine noch nicht ganz ausgewachsene Katze und sah selbst jetzt noch wild und gefährlich genug aus, um jedem klarzumachen, dass sie zu Lebzeiten kein solches Tier hatte fürchten müssen und wahrscheinlich auch keinen Hund, der deutlich kleiner als ein Bullenbeißer oder eine Deutsche Dogge gewesen wäre. Sogar jetzt, wo sie sich an einem Stock über einem Feuer drehte, schienen ihre winzigen Knopfaugen noch vor Wut zu funkeln und ihre in der Hitze verkrümmten Krallen nach etwas zu greifen, das sie packen und zerfetzen konnte. Sie bot einen nahezu Ehrfurcht gebietenden Anblick.

Vielleicht war ihr Anblick aber auch einfach nur widerlich.

Der saure Speichel, der sich immer schneller unter Andrejs Zunge sammelte, war jedenfalls nicht das sprichwörtliche Wasser, das ihm beim Anblick dieses Festmahls im Munde zusammengelaufen wäre - obwohl er hungrig war.

Aber nicht nach dieser Art von Nahrung.

Andrej schluckte die bittere Galle herunter - obwohl ihm sein Verstand sagte, dass es dumm war, denn er verspürte bereits jetzt ein leises Gefühl von Übelkeit und schlang die ebenso ungewohnte wie für das Wetter unpassende dünne Pelerine enger um die Schultern. Er fragte sich, was seinem Magen eigentlich mehr zusetzte: der Anblick der toten Ratte, deren Körperfett in zähen, geschmolzenen Fäden zwischen ihrem verkohlten Fell hervorquoll und in den Flammen des erbärmlichen Feuers verzischte, der Gestank ebenjenes Feuers, von dem er gar nicht wissen wollte, womit man es entzündet hatte und fütterte, oder die Vorstellung, dass dieser jämmerliche tote Nager gleich gegessen werden würde und für das knappe Dutzend ausgemergelter Kinder, das sich um das winzige Feuer versammelt hatte und ihn mit leuchtenden Augen anstarrte, tatsächlich so etwas wie ein Festmahl darstellte. Andrej musste seine besonderen Sinne nicht zu Hilfe nehmen, um zu erkennen, wie hungrig diese vor Schmutz starrenden Kinder waren. Vermutlich war die Ratte das Erste, was sie seit Tagen zu essen bekamen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Mahl sie umbringen würde, war nicht so gering, wie irgendeine dieser bedauernswerten Gestalten glauben mochte, doch Andrej war sicher, dass es ihnen herzlich egal war. Letzten Endes spielte es wahrscheinlich auch keine Rolle, dachte er bitter, ob das Fleisch dieser toten Ratte sie vergiftete, die Pest sie dahinraffte oder sie verhungerten.

Eine vage Trauer überkam ihn, während sein Blick über die Gesichter der ausgemergelten Kinder tastete (sie waren allesamt so schmutzig, abgerissen und zerlumpt, dass er nicht sagen konnte, wer von ihnen ein Junge und wer ein Mädchen war), und ihm klar wurde, dass kaum eines dieser Kinder das nächste Frühjahr erleben würde. Wenn verdorbenes Essen, Hunger oder irgendeine Krankheit sie nicht umbrachten, dann würden sie erfrieren, denn der bevorstehende Winter versprach bitterkalt zu werden. Die Stadt wurde zwar nicht gerade von einer Hungersnot heimgesucht, doch die schlechte Ernte des letzten Sommers und die zurückliegenden Kriegsjahre hatten die Herzen ihrer Bewohner im gleichen Maße härter werden lassen, wie das Knurren ihrer Mägen zunahm und sich ihre Vorratskammern leerten. Niemand verschenkte noch etwas in dieser Stadt - in diesem ganzen Land, wenn er es richtig bedachte -, und es gab erst recht niemanden, der einem bettelnden Kind etwas geschenkt hätte, von dem er genau wusste, dass es ihn nur deshalb anbettelte, weil es noch keine Gelegenheit gefunden hatte, ihm etwas zu stehlen oder ihn abzulenken, damit einer seiner Freunde ihn bestehlen konnte.

Andrej maßte sich nicht an, darüber zu urteilen. Auch er hatte schon gestohlen, weil er hungrig gewesen war. Auch in diese Stadt war er gekommen, um genau das zu tun.

Er allerdings würde kein Brot und Fleisch stehlen, und die, die er zu bestehlen gedachte, hatten es verdient - sowohl nach den Gesetzen der Menschen als auch nach denen des Schicksals. Vielleicht auch nur nach seinen eigenen. Welchen Unterschied machte das schon?

Die Ratte schien gar zu sein. Oder den Teilnehmern dieses Galadinners knurrten nur so sehr die Mägen, dass sie einfach nicht mehr länger warten konnten, denn einer der Jungen nahm den verkohlten Stock vom Feuer und zog ein Messer unter seinem zerlumpten Hemd hervor, das einmal eine gut dreißig Zentimeter lange Klinge gehabt haben musste, jetzt aber zur Hälfte abgebrochen war. Damit schob er die Ratte vom Spieß, und ein erwartungsvolles Murmeln und Erschauern ging durch die dicht gedrängte Menge seiner Zuschauer. Andrej zählte die Köpfe beiläufig - es waren elf - und versuchte die Portion abzuschätzen, die jeder von ihnen bekäme, wenn sie gerecht teilten. Kaum mehr als einen Bissen, dachte er, gerade genug, um sie ihren Hunger erst richtig spüren zu lassen. Nein, auch wenn er wusste, dass es dumm war, er konnte den Anblick nicht länger ertragen.

Er seufzte, versuchte ärgerlich, die Stimme seiner Vernunft zum Schweigen zu bringen, die ihm erklären wollte, dass er etwas - womöglich sehr - Dummes tat, und trat, sich übertrieben räuspernd, aus seinem Versteck in den Schatten des Torbogens heraus. Die rechte Hand senkte er in die Manteltasche.

Sein Räuspern wäre jedoch nicht nötig gewesen. Im gleichen Augenblick nämlich, in dem er auf den gepflasterten Innenhof hinaustrat, blickte der Junge mit dem Messer alarmiert auf und fuhr mit einer erstaunlich schnellen Bewegung zu ihm herum. Auch die anderen prallten entweder zurück und erstarrten dann, ergriffen die Flucht oder zogen auch - je nach Temperament - ihrerseits das, was sie für eine Waffe hielten: winzige Messer mit schartigen Klingen oder kurze Knüppel.

»Ihr müsst keine Angst haben«, sagte Andrej rasch, womit er das genaue Gegenteil erreichte. Jemanden, der auf der Flucht und verängstigt und halb verhungert ist, zu überraschen und ihm dann zu sagen, dass es keinen Grund gab, sich zu fürchten, war dazu angetan, ihn erst recht nervös zu machen. Die Furcht, die sich auf den vor Schmutz starrenden Gesichtern der Kinder abzeichnete, nahm noch zu, und bis auf den Jungen mit dem Messer ergriffen nun auch die übrigen die Flucht, auch wenn es nicht allzu viel gab, wohin sie flüchten konnten. Der Hof war an allen Seiten von drei Meter hohen, fensterlosen Backsteinmauern umgeben, und der einzige Weg hinaus führte durch den Torbogen, unter dem Andrej stand.

»Bitte!«, sagte er, wobei er sich Mühe gab, beruhigend und sanftmütig zu klingen. »Ich will nichts von euch.«

Das war nicht nur lahm, es zeigte auch keinerlei Wirkung. Sein Gegenüber - Andrej schätzte den Burschen auf höchstens neun Jahre, auch wenn sein Alter, ausgezehrt und schmutzig wie er war, schwer zu erkennen war - sah nur erschrockener aus. Doch er wich keinen Fußbreit zurück, sondern hob trotzig das abgebrochene Messer mit der einen und den verkohlten Spieß mit der noch qualmenden Ratte mit der anderen Hand, und in seinen Augen erschien ein Ausdruck von erstaunlichem Mut, auch wenn dieser nur aus Verzweiflung geboren sein konnte. Außerdem sagte Andrej die Haltung, in der er dastand, dass dieser Junge trotz seiner jungen Jahre das Kämpfen gelernt hatte.

»Wer bist du?«, fragte der Bursche. Er hatte eine helle, zittrige Kinderstimme, doch es war etwas darin, das Andrej einen tiefen Stich versetzte. Ein Klang, der sie zwanzig Jahre zu früh bitter und misstrauisch machte. »Was willst du von uns?«

»Jedenfalls nichts ...«, Andrej deutete mit der freien Hand auf die Ratte, »von dem da, keine Sorge.«

»Und was willst du dann?«

Statt zu antworten, zwang Andrej ein betont trauriges Lächeln auf sein Gesicht, nahm mit derselben Hand, mit der er auf die Ratte gedeutet hatte, den albernen Hut ab, der zu seiner nicht minder lächerlichen Verkleidung gehörte, die er angelegt hatte, um in dieser Stadt nicht allzu sehr aufzufallen, und zog endlich auch die andere Hand aus der Tasche. Die Blicke des Jungen folgten jeder seiner Bewegungen, als rechnete er jeden Augenblick damit, ihn eine Waffe ziehen zu sehen.

Stattdessen sah er auf seiner Handfläche eine Anzahl kleiner Münzen schimmern. Die Augen des Jungen wurden rund vor Staunen, aber weder rührte er sich, noch ließ er seine beiden improvisierten Waffen sinken, als Andrej sie ihm hinhielt.

»Nimm«, sagte Andrej auffordernd. »Nur keine Angst. Das ist für euch.«

Er wäre wohl eher erstaunt gewesen, hätte der Junge sich tatsächlich gerührt. Doch einige der anderen setzten sich in Bewegung. Der Großteil von ihnen blieb sicher in den Schatten, in die sie sich geflüchtet hatten, aber die beiden Jungen, die auch als Letzte geflohen waren, kamen nun, ebenso wie ihr Anführer (nach dem ersten Blick in seine Augen hatte Andrej gewusst, dass er es war), wieder näher, misstrauisch und aufmerksam und ihre jämmerlichen Waffen fest umklammernd.

»Ich verstehe«, seufzte Andrej. Behutsam ging er in die Hocke, legte die Münzen auf den Boden und richtete sich dann rasch wieder auf, um zwei Schritte zurückzuweichen. Einer der neu hinzugekommenen Jungen wollte sich nach den Geldstücken bücken, doch der Bursche mit dem Messer scheuchte ihn mit einer raschen Geste zurück. »Was soll das?«, fragte er. »Wer bist du, und was willst du von uns?«

»Wirklich nichts, wovor ihr Angst haben müsstet«, sagte Andrej wieder, schüttelte den Kopf und kam noch einen Schritt näher, gerade nahe genug, um jetzt vollends in...


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Autor

Wolfgang Hohlbein wurde 1953 in Weimar geboren und gehört zu den wichtigsten deutschsprachigen Autoren. Der Durchbruch gelang ihm 1982 mit dem Jugendbuch Märchenmond, für das er den Phantastik-Preis der Stadt Wetzlar erhielt. Seither hat er über 150 Romane, Kinder- und Jugendbücher sowie Drehbücher verfasst.
Die Chronik der Unsterblichen - Glut und Asche