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Familienpoker

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
Grafit Verlagerschienen am16.08.2013
»Finde mich!« Noemis Auftrag ist so absurd, dass Privatdetektiv Vijay Kumar ihn ablehnt. Stattdessen springt er im Cateringservice seiner Freundin Manju ein, als diese einen indisch aussehenden Kellner benötigt. Unverhofft trifft er auf der Party Noemi wieder. Erst jetzt versteht er das Problem des Mädchens: Es will unbedingt wissen, wer seine leiblichen Eltern sind. Was als einfacher Rechercheauftrag beginnt, entwickelt sich zu einer gefährlichen Jagd von Madrid bis ins Berner Oberland - immer auf der Suche nach einem mysteriösen Doktor Grüninger ...

Sunil Mann wurde als Sohn indischer Einwanderer im Berner Oberland geboren. Er ist als Flugbegleiter tätig, ein Job, der ihm genügend Zeit zum Schreiben lässt. Viele seiner Kurzgeschichten wurden ausgezeichnet. Mit seinem Romandebüt Fangschuss, dem ersten Krimi mit Vijay Kumar, gewann er den Zürcher Krimipreis. 2011 legte er mit Lichterfest und ein Jahr später mit Uferwechsel weitere humorvoll-spannende Fälle für den indischstämmigen Privatdetektiv nach.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR16,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

Klappentext»Finde mich!« Noemis Auftrag ist so absurd, dass Privatdetektiv Vijay Kumar ihn ablehnt. Stattdessen springt er im Cateringservice seiner Freundin Manju ein, als diese einen indisch aussehenden Kellner benötigt. Unverhofft trifft er auf der Party Noemi wieder. Erst jetzt versteht er das Problem des Mädchens: Es will unbedingt wissen, wer seine leiblichen Eltern sind. Was als einfacher Rechercheauftrag beginnt, entwickelt sich zu einer gefährlichen Jagd von Madrid bis ins Berner Oberland - immer auf der Suche nach einem mysteriösen Doktor Grüninger ...

Sunil Mann wurde als Sohn indischer Einwanderer im Berner Oberland geboren. Er ist als Flugbegleiter tätig, ein Job, der ihm genügend Zeit zum Schreiben lässt. Viele seiner Kurzgeschichten wurden ausgezeichnet. Mit seinem Romandebüt Fangschuss, dem ersten Krimi mit Vijay Kumar, gewann er den Zürcher Krimipreis. 2011 legte er mit Lichterfest und ein Jahr später mit Uferwechsel weitere humorvoll-spannende Fälle für den indischstämmigen Privatdetektiv nach.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783894259761
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum16.08.2013
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2086 Kbytes
Artikel-Nr.2884955
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Mittwoch

»Zählen Sie bitte einige Ihrer Stärken auf!«

»Trinkfest, sarkastisch, zeitweise findig.«

»Äh â¦ und Ihre Schwächen?«

»Amrut.«

»Wie bitte?«

»Mein indischer Lieblingswhisky.«

»Oh! Das kommt jetzt etwas â¦ überraschend. Wie würden Ihre Freunde Sie beschreiben?«

»Vermutlich wortreich. Und kaum zusammenhängend.«

»Herr Kumar â¦«

»Nennen Sie mich Vijay.«

»Herr Kumar, weshalb haben Sie sich gerade für eine Stelle in unserer Firma entschieden?«

»Das war Kismat, Schicksal.«

»Wie meinen Sie das?«

»Nun, nachdem ich meinen beruflichen Werdegang eingegeben hatte, spuckte die Suchmaschine der Internetstellenbörse als einziges Resultat den Namen Ihres Ladens aus.«

»Tatsächlich? Wie bedauerlich.«

»Für mich war das ein Zeichen. Unter uns gesagt: Die geforderten Vorkenntnisse und Fähigkeiten in allen anderen Anzeigen schienen mir doch ziemlich unrealistisch.«

»Weshalb?«

»Weil Leute, die so perfekt ausgebildet und gleichzeitig einsatzfreudig, flexibel, belastbar, kostenbewusst, kommunikativ, zielorientiert und motiviert sind und darüber hinaus auch noch über Durchsetzungsvermögen und Teamfähigkeit verfügen, gar nicht existieren. Und wenn doch, sind sie meiner Erfahrung nach Arschlöcher.«

»â¦«

»Schwierig im Umgang, wollte ich sagen.«

»Was haben Sie in den letzten fünf Jahren gemacht?«

»Ein Detektivbüro eröffnet und ein paar Fälle gelöst. Davor ein wenig studiert, gereist und im indischen Lebensmittelgeschäft meiner Mutter ausgeholfen.«

»In einer leitenden Position?«

»Sie kennen meine Mutter nicht.«

»Wo sehen Sie sich in Zukunft?«

»Wenn es nach ihr ginge: im Kreis einer kinderreichen Familie.«

»Wieso sollten wir Ihnen die Stelle geben?«

»Ich bin jung und brauche das Geld. Dringend.«

»Haben Sie noch Fragen zum Betrieb oder Ihren Aufgaben?«

»Wann wird der Entscheid denn gefällt? Ich könnte Sie im Verlauf des Nachmittags telefonisch â¦«

»Bitte nicht! Wir werden uns zu gegebener Zeit bei Ihnen melden.«

Als ich wenig später in die Dienerstrasse einbog, hatte ich das Gefühl, mein erstes Bewerbungsgespräch seit Jahren sei ganz passabel verlaufen.

Ich wünschte einzig, das spontane Besäufnis am Vorabend hätte mein Gehirn nicht zu klebrigem Schlick verwandelt. Wahrscheinlich hätte ich dann die impertinenten Fragen der Personalchefin nicht so sanftmütig pariert. Denn heutzutage waren Kampfroboter auf dem Arbeitsmarkt gefragt - so viel war mir immerhin klar geworden -, keine einfühlsamen Philanthropen.

Ich parkte meinen hellblauen Käfer am Straßenrand und steuerte auf die Eingangstür des schäbigen Wohnblocks zu, in dem sich mein Apartment befand. In genialer Doppelnutzung war in denselben Räumlichkeiten auch mein Detektivbüro untergebracht, was wohl manchen nicht so gesetzestreuen Staatsbürger zu steuertechnischen Spitzfindigkeiten verleitet hätte. Mich leider nicht, denn ich hatte schlicht keine Ahnung, wie so etwas zu bewerkstelligen gewesen wäre.

Meine Kernkompetenz lag ganz woanders, nämlich im Lösen kniffliger Fälle. Selbst wenn ich in letzter Zeit ernsthaft daran zweifelte.

»Dein Briefkasten quillt über!«, rief jemand hinter mir, als ich umständlich den Hausschlüssel aus meiner Hosentasche kramte.

»Und?«, blaffte ich zurück, ohne mich umzudrehen.

»Der wurde seit mindestens einer Woche nicht mehr geleert!«, tönte es vorwurfsvoll weiter.

»Willst du mich jetzt beim Ordnungsamt anzeigen? Was geht dich das überhaupt an?« Ich wandte mich um und starrte in das blasierte Gesicht eines pausbäckigen Mädels, das an die Wand gelehnt unter dem Vordach stand. Sie sah aus, als hätten ihre Eltern sie mit Mettwurst großgezogen.

Missmutig suchte ich den Briefkastenschlüssel am Bund und nahm die Post heraus. Tatsächlich handelte es sich dabei um einen ungewöhnlich dicken Stapel, was meinen Unwillen, mich damit zu befassen, nur noch verstärkte.

»Zufrieden?«, knurrte ich, doch die junge Frau zuckte gleichgültig die Achseln. Ich bedachte sie mit einem giftigen Blick und schloss die Eingangstür auf.

Ich hatte gerade den ersten Treppenabsatz erreicht, als ich hinter mir schlurfende Schritte vernahm. In der flackernden Flurbeleuchtung wirkte ihr Gesicht noch blasser als draußen. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte ich, Unsicherheit darin zu erkennen, doch im nächsten Moment schob das Mädchen trotzig die Unterlippe vor.

»Was willst du?«

»Zu dir.« Leise keuchend, aber mit entschlossener Miene stapfte sie die Stufen hoch.

Auch das noch!, dachte ich gereizt und ging wortlos weiter. Ich betrat meine Wohnung und ließ die Tür offen stehen. Mit der Selbstverständlichkeit einer zugelaufenen Katze folgte mir die Kleine.

Ich warf die Post auf den Schreibtisch, der zusammen mit dem abgewetzten Sofa und den beiden Sesseln die Basisinfrastruktur meines Büros bildete.

Mit kritischem Blick musterte das Mädchen die Einrichtung und rümpfte unmissverständlich die Nase, bevor sie sich in den Besuchersessel fallen ließ. Von wo aus sie Kaugummi kauend jede meiner Bewegungen mit einer Mischung aus Verachtung und Neugier verfolgte, als wäre ich ein sonderbares kleines Tierchen im Zoo.

Ich kümmerte mich nicht um sie und verschwand im Schlafzimmer, um die Krawatte abzulegen und den alten Anzug von H&M sorgfältig im Schlafzimmerschrank aufzuhängen. Das knitterige Hemd behielt ich an, schlüpfte in Jeans und kehrte zu meinem ungebetenen Gast zurück.

Das Mädchen war höchstens sechzehn. Ihr zu einem Bob geschnittenes, schwarzes Haar glänzte wie Klavierlack, derweil das eigentlich hübsche Gesicht leichenblass gepudert war. Zusammen mit den schwarz getuschten Wimpern und den brombeerfarbenen Lippen sah das aus, als wäre sie erst kürzlich einem Sarg entstiegen.

Zu anthrazitfarbenen Leggins trug sie schwere geschnürte Motorradstiefel und unter einem offenen schwarzen Jeansjäckchen eine Designerbluse, deren olivgrüner Stoff sich über Bauch und Brust spannte.

Obwohl die Sonne hell in mein Büro schien, lag ein düsterer Schatten auf ihrem Antlitz und hinter ihrer überheblichen Haltung verbarg sich etwas Dunkles, Schwermut oder Trauer vielleicht.

»Was führt dich zu mir?« Ich breitete auffordernd die Arme aus.

Abschätzend taxierte sie mich und sagte schließlich in bestimmendem Ton: »Finde mich!«

»Wie bitte?«

»Du sollst mich finden!«

Ich starrte sie an, während ich in Gedanken alle Erklärungsmöglichkeiten für diese hirnrissige Forderung durchging: Entweder war die junge Frau schizophren oder schwachsinnig, was mir angesichts ihres Vampirlooks am einleuchtendsten erschien. Vielleicht war sie aber auch von Freunden bezahlt worden, um mich zu verarschen. Der Racheakt einer Exfreundin. Der Berufsverband machte eine Qualitätskontrolle. Oder es handelte sich um einen Streich mit der versteckten Kamera, worüber später Millionen auf YouTube lachen würden.

Auf jeden Fall musste ich auf der Hut sein.

»Sorry, jetzt hab ich wohl die Pointe verpasst«, sagte ich vorsichtig.

»Das war ja auch kein Witz!«, erwiderte sie gehässig. »Ich will nur, dass du mich findest.«

»Gibt es denn eine Vermisstenmeldung?«

»Die gebe ich gerade auf.«

»Ist das ein Spiel?«

»Sehe ich aus wie ein Kind?«

»Ich glaube, du verarschst mich.«

»Und du nimmst mich nicht ernst.«

Ein durchaus diskussionswürdiges Argument. Ihr Anliegen war - milde ausgedrückt - absurd.

»Sag mir, was du wirklich willst.«

Sie verdrehte die Augen. »Welchen Teil von Finde mich verstehst du nicht?« Offensichtlich ödeten mein mangelndes Verständnis und ich sie gerade voll krass an.

»Ich komm einfach nicht drauf, welche wichtige Information mir abgeht, aber in meiner Realität sitzt du gerade vor mir. Auf meinem Sessel. Ich sehe dich, ich höre dich, wenn ich wollte, würde ich dich sogar riechen und spüren. Was also soll der Scheiß?«

»Aber ich bin nicht ich!«

Ich strich mir mit der Hand übers Gesicht und versuchte, die Beherrschung nicht zu verlieren. »Sondern?«

»Jemand anders!«

»Wer denn?«

»Du bist der Schnüffler! Find es raus!«

»Was stimmt bloß nicht mit dir?«

»Dasselbe könnte ich dich fragen!«

Voller Abscheu kreuzten sich unsere Blicke, als unvermittelt ihr Handy zu klingeln begann. Ruckartig erhob sie sich und nahm den Anruf entgegen, während sie wie selbstverständlich durch mein Arbeitszimmer schlenderte und abwesend Dinge betatschte oder verrückte.

»Ja, voll! Megadoof!«, rief sie, verzog angeekelt das Gesicht, als sie ein seit geraumer Zeit herumstehendes Proseccoglas erblickte, und blieb am Fenster stehen. Unvermittelt stieß sie ein quietschendes Kichern aus, kaute an einem Fingernagel und legte den Kopf schief. Das betont erwachsene Getue von eben war wie weggewischt.

Ich nahm mir vor, später empört über ihr respektloses Verhalten mir gegenüber nachzudenken. Momentan gab es Wichtigeres: Soeben hatte ich nämlich die Whiskyflasche entdeckt, die immer noch auf meinem Schreibtisch stand, wo ich sie gestern Nacht zusammen mit einem benutzten Glas zurückgelassen hatte. Ich zog die Flasche zu mir hin, fischte mit dem Zeigefinger ein paar verendete Fruchtfliegen aus der Pfütze, die auf dem Grund des Tumblers schwappte, und schuf den Viechern ein Massengrab an der Tischkante, bevor ich mir eine tröstliche Ration Amrut...
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Sunil Mann wurde als Sohn indischer Einwanderer im Berner Oberland geboren. Er ist als Flugbegleiter tätig, ein Job, der ihm genügend Zeit zum Schreiben lässt. Viele seiner Kurzgeschichten wurden ausgezeichnet. Mit seinem Romandebüt Fangschuss, dem ersten Krimi mit Vijay Kumar, gewann er den Zürcher Krimipreis. 2011 legte er mit Lichterfest und ein Jahr später mit Uferwechsel weitere humorvoll-spannende Fälle für den indischstämmigen Privatdetektiv nach.www.sunilmann.ch

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt