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Hamam Balkania

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
472 Seiten
Deutsch
Dittrich Verlagerschienen am19.07.2013
Auf zwei Zeitebenen entwickelt sich die Handlung dieses Romans, der mit unterschiedlichen Erzähl- und Stilformen spielt: im Osmanischen Reich des 16. Jahrhunderts und in der Gegenwart. Beide sind miteinander verwoben; lebende Personen, darunter Orhan Pamuk, Alberto Manguel, Allen Ginsberg und Bajac selbst, treffen auf historische Figuren wie den Großwesir des Osmanischen Reiches Mehmed Pascha Sokullu, Süleyman den Großen und dessen Schwiegersohn Großwesir Rüstem Pascha. Die Biografien der historischen Protagonisten erhalten fiktive Wendungen; Genre und Stil wechseln zwischen klassisch und modern, subjektiv und objektiv. Eines der Hauptthemen ist der Identitätskonflikt eines Menschen, den verschiedene Religionen und soziale Umfelder geprägt haben. Mehmed Pascha Sokullu, der Protagonist auf der historischen Erzählebene, wird als junger Mann aus einem orthodoxen serbischen Kloster nach Konstantinopel verschleppt und steigt dort bis zu den höchsten Rängen im Osmanischen Reich auf. Er ist türkischer Großwesir und ehemaliger Mönch, Serbe und Osmane, Muslim und Christ zugleich.

Vladislav Bajac wurde 1954 in Belgrad geboren. Nach einem Studium der Literatur arbeitete er zunächst als Journalist und Übersetzer. Seinen ersten Roman 'Ein Buch über den Bambus' veröffentlichte er 1989. Bis dato hat er zehn Bücher veröffentlicht, Lyrik, Kurzgeschichten und fünf weitere Romane, darunter 'Hamam Balkania' (2008), für den er den Internationalen Literaturpreis Balkanika erhielt. Bajac lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Belgrad und ist Direktor des von ihm gegründeten Verlags Geopoetika, zu dessen Autoren Nobelpreisträger Orhan Pamuk, Don DeLillo, Julian Barnes, Haruki Murakami und Christoph Ransmayer gehören.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR18,80
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextAuf zwei Zeitebenen entwickelt sich die Handlung dieses Romans, der mit unterschiedlichen Erzähl- und Stilformen spielt: im Osmanischen Reich des 16. Jahrhunderts und in der Gegenwart. Beide sind miteinander verwoben; lebende Personen, darunter Orhan Pamuk, Alberto Manguel, Allen Ginsberg und Bajac selbst, treffen auf historische Figuren wie den Großwesir des Osmanischen Reiches Mehmed Pascha Sokullu, Süleyman den Großen und dessen Schwiegersohn Großwesir Rüstem Pascha. Die Biografien der historischen Protagonisten erhalten fiktive Wendungen; Genre und Stil wechseln zwischen klassisch und modern, subjektiv und objektiv. Eines der Hauptthemen ist der Identitätskonflikt eines Menschen, den verschiedene Religionen und soziale Umfelder geprägt haben. Mehmed Pascha Sokullu, der Protagonist auf der historischen Erzählebene, wird als junger Mann aus einem orthodoxen serbischen Kloster nach Konstantinopel verschleppt und steigt dort bis zu den höchsten Rängen im Osmanischen Reich auf. Er ist türkischer Großwesir und ehemaliger Mönch, Serbe und Osmane, Muslim und Christ zugleich.

Vladislav Bajac wurde 1954 in Belgrad geboren. Nach einem Studium der Literatur arbeitete er zunächst als Journalist und Übersetzer. Seinen ersten Roman 'Ein Buch über den Bambus' veröffentlichte er 1989. Bis dato hat er zehn Bücher veröffentlicht, Lyrik, Kurzgeschichten und fünf weitere Romane, darunter 'Hamam Balkania' (2008), für den er den Internationalen Literaturpreis Balkanika erhielt. Bajac lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Belgrad und ist Direktor des von ihm gegründeten Verlags Geopoetika, zu dessen Autoren Nobelpreisträger Orhan Pamuk, Don DeLillo, Julian Barnes, Haruki Murakami und Christoph Ransmayer gehören.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783943941388
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum19.07.2013
Reihen-Nr.9
Seiten472 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1575 Kbytes
Artikel-Nr.2884973
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

VOR BEGINN

Visegrad hat wie jeder andere Ort sein reales Leben. Aber wie kaum ein Ort hat die Stadt auch ein imaginäres. Meine Erfahrung mit der Metaphysik Visegrads begann im April 1977, auf den Zufahrtswegen zur Stadt, bevor ich zum ersten Mal die Brücke über die Drina erblickte, die sicher dazu beigetragen hatte, dass die Stadt für ewig in die Geschichte einging. In mein kleines Heft für Haikus, das ich noch habe, notierte ich damals zu einem Gedicht, das ich durch die Scheiben des Busses entdeckte, den geopoetischen Kommentar »auf dem Schotter von Visegrad«:

Ein Stein zwischen ihnen

Zwei Kiefern zog

im Wald einen Scheitel.

Zarko Äigoja, mein Gastgeber und Freund aus der Studienzeit, ging davon aus, dass die Brücke von Mehmed Pascha Sokolli (präzise türkisch Sokollu) aus dem Jahr 1571 - Ivo Andrics Brücke - Gewinn und Genuss genug für diesen Anlass war, und so zeigte er mir gar nicht erst weitere Sehenswürdigkeiten seines Geburtsstädtchens. Er hatte keinerlei Vorstellung davon, wie egoistisch ich war, und eigentlich auch unglücklich darüber, dass ich diese prächtige Brücke mit anderen teilen musste. Aber wie konnte ich annehmen, dass die Einführung in die Geheimnisse der Umgebung von Visegrad erst durch künftige Erfahrung verdient werden musste, auf Grundlage derer man in der Lage sein konnte, das zu genießen, was geboten wird? Wieder ging es um eine geheime Bruderschaft. Volle sechsundzwanzig Jahre musste ich auf den Eintritt in jene Bruderschaft warten! Es hat sich ausgezahlt. Das Warten hatte mich eigentlich Andric gelehrt - bei der erneuten Lektüre seines Meisterwerks während des Studiums der Literaturwissenschaft war ich noch nicht imstande, die Lektüre mit dem Leben zu verbinden: So überging ich leichtfertig seine Angaben zum Baubeginn der Brücke - zu ihrem Wesen -, zum »Heranschaffen von Steinen aus den Steinbrüchen, die in den Bergen bei Banja, eine Stunde Fußweg von dem Städtchen entfernt, angelegt wurden«. Sogar zwei der zumindest in literarischer Hinsicht wichtigsten Brücken in ganz Bosnien - die über die Drina und die über die Zepa - wurden aus ein und demselben weißen Gestein aus meinem Haiku: mit Liebe und Geld der (türkisierten oder islamisierten) Serben Mehmed Pascha Sokolovic und Jusuf Ibrahim errichtet, aber unsterblich wurden sie durch die knappen und weisen Worten von Ivo Andric, des Mannes, der seinem Helden das Lebensmotto zuschrieb: Im Schweigen ist Sicherheit.

Als ich mich bei meinem Freund darüber beklagte, dass mir beim Schreiben ein wenig die Puste ausging, sagte er mir, ich solle mir keine Sorgen machen. Er habe eine sichere Medizin gegen diese Krankheit. Gerade käme auch der türkische Schriftsteller Orhan Pamuk zu ihm, mit derselben Diagnose, so dass wir uns beide gemeinsam mit seinem Rezept therapieren lassen könnten.

Das einzige, was ich über Banja wusste, über Sokolovics Bad, über das Visegrader Bad, wie es von allen genannt wurde, war - abgesehen davon, dass hier Sintervorkommen sind, mit denen die Visegrader Brücke gebaut wurde -, dass dieser Ort in fünf Kilometer Entfernung von der Stadt eine Heilquelle ist. Hier hatte Mehmed Pascha Sokolovic 1575 in hohem Alter einen Hamam mit einer Kuppel errichtet, weil er seinen heimatlichen Gefilden (noch) etwas schenken wollte. In einer Broschüre aus dem Jahr 1934 las ich, dass dieses radioaktive Wasser (mehr als vierhundert Meter über dem Meeresspiegel) Rheumatismus, Neuralgien und Frauenkrankheiten heilt. Man sagt, dass das Wasser des Bades außerordentlich gut für kinderlose Frauen sei. »Wenn eine kinderlose Frau sorgfältig Bäder nimmt und dann in Bälde ein Kind zur Welt bringt, schüttelt das ganze abergläubische Dorf den Kopf und sagt: Bei Gott, hätte sie nicht ein Bad genommen und wäre nicht vom Zauber benommen, dann wär auch kein Kind zur Welt gekommen ⦫

So machte auch ich mich durch dichten Wald auf den Weg zum Hamam, den ich nach der seltenen und zauberhaft aussehenden Pflanze, die nur hier wächst, Elfenhaar nannte. Das Treffen mit meinem alten Bekannten Orhan Pamuk, dem berühmtesten türkischen Schriftsteller, der aus Istanbul stammt, machte mich froh. Ich war ein bisschen darüber verwundert, dass auch er an einer Schreibflaute litt, war er doch für ergiebiges Schreiben bekannt. Falls es doch vorkam, dass er in einer Phase seines Schriftstellerlebens kaum ein Buch veröffentlichte, so erwies sich das, was folgte, als ein ausgesprochen kräftiges Baby.

Ich persönlich brachte seltener Kinder zur Welt, und meist hatten sie mittleres Gewicht. So war mein Rhythmus. Im letzten Jahr aber empfing ich nicht ein einziges und ich machte mir ernsthaft Sorgen. Deshalb begebe ich mich zu dem Stein, der Wasser geboren hatte: Eine derartige Fruchtbarkeit bringt mir den Glauben zurück. Der Stein, auf den ich klettere, wurde mehr als vier Jahrhunderte geschliffen! Ein Stein in den Farben des Grases und des Mooses! Das Wasser heiß, aber nicht kochend, ganz himmlisch warm. Und ein Körper, der sich in einen Geist verwandelt! Lebendig, aber tot! Pamuk und unser Gastgeber versuchen, sich durch den Wasserdampf zu unterhalten, aber die Worte lösen sich in den Glasfenstern der Kuppel auf und verlieren jeglichen Sinn. Wir werden Helden (Affen) aus dem Film mit dem Sufi-Titel Baraka des Regisseurs Ron Fricke: Auf der Stelle schwimmen wir an der Oberfläche, die sich in Nebel verwandelt und in einen anderen Aggregatzustand übergeht, wobei sie jeglichen Intellektualismus mit sich nimmt. Die Lider fallen zu, aber die Augen finden keinen Schlaf. Wenn es gefährlich wird, schiebe ich mich durch das kraftvolle Wasser, unter den dicken Strahl, der aus dem Gebirge in dieses kleine Becken schießt, nun über meinen Rücken. Ich werde ausgepeitscht wie nie zuvor. Und ich bin glücklich, von Kopf bis Fuß! Hier begegnen sich Kabbala, Zen, Sufismus, orthodoxe Askese, katholisches Ausradieren der Angst vor der Sünde, artistischer Islam und Dschanna ⦠So wie der Farn kann das Elfenhaar nirgendwo sonst als an diesem Ort wachsen, weil nur hier das Wasser aus einer Tiefe von hundertachtzig Metern und aus der noch wichtigeren historischen Tiefe von achtunddreißigtausend Jahren entspringt. Das Alter genügt, um nicht an den Gründen ihrer Existenz und der Hinwendung zur Welt zu zweifeln.

Daher auch meine Beziehung zur Vergangenheit. Das Uralte, das ich hier einatme, ist ganz authentisch und man kann dem nicht widerstehen. Der Geist verliert zuerst die Orientierung, und dann die Vorstellung von Zeit, und danach verliert auch der Körper die Orientierung, und dann ebenso die Vorstellung von Zeit. Dieses eigenartige Nirwana verwandelt mich in ein großes Fragezeichen: Hatte sich der kinderlosen Frauen in diesem Hamam nicht zufällig irgendein Mann angenommen, der für seinen gesunden Samen bekannt war? War dieses Bad nicht ein männlicher Harem für die untröstlichen kinderlosen Frauen? Was für ein Genuss dieses verschwiegene Bad erst für die Begs, Paschas, Wesire und Sultane, ganz egal, ob Gastgeber oder Gäste, gewesen sein musste! Egal, welches Geschlecht dieses aktive Wasser und seine Badenden bediente - gesagt wird, und in einem verlorenen gegangenen Text steht es geschrieben, dass ein Liebesakt unter diesem Wasserstrahl aus dem Gebirge (mit einer Temperatur von 34 Grad) wie das Genießen der Schönheiten in den paradiesischen Gärten von Walhalla und Dschanna ist.

Dieser Hamam könnte ein idealer Platz für eine Karawanserei sein. Wieviel Geld würden die Reisenden hier lassen! Doch die Natur (und auch das Schicksal) wollte ihn vor den zu belebten Straßen verbergen, und so wurde er in einer Höhe angelegt, die der müde Reisende nicht mal in Gedanken zu überwinden versucht. Eben deshalb wurden die Steine des Hamam von Jahrzehnten und Jahrhunderten geschliffen, und nicht von Menschenhand. Allerdings muss zugegeben werden, dass sich jene Hand einmischte, wo und wann immer sie konnte: Daher kann man Zitate in alten Schriften finden (erkennbar an der Sprache, doch ohne Notwendigkeit, unbedingt ihre Quelle und die Entstehungszeit anzuführen), die sich mit der Gegenwart decken: »Gleich neben dem Bad wurde ein Gebäude errichtet, in dem ein bekannter Pächter eine Restauration und Zimmer zum Übernachten unterhält. Vor diesem Gebäude gibt es eine recht große Veranda, von der aus sich herrliche Naturpanoramen eröffnen.«

Ich weiß nicht, wie bekannt der gegenwärtige Pächter, privater Businessman oder nicht, ist, doch entledigte er sich weder der »Restauration« noch der »Veranda«. Denn wahr ist, das Badevergnügen im winzigen paradiesischen Bassin wäre nicht vollkommen, wenn man nicht danach über eine Art Halbbrücke noch die Restaurantveranda aufsuchen könnte. Eigentlich ist sie ein großer unverglaster Hängeerker über der tiefen Gebirgsschlucht, der den Badegästen mit seiner wunderschönen Aussicht auch die Gedanken weitet und sie, nachdem ihre Gedanken abgeprallt von den bosnischen Bergen und Schluchten erneut ihre Schultern streifen, nicht mehr den...
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Autor

Vladislav Bajac wurde 1954 in Belgrad geboren. Nach einem Studium der Literatur arbeitete er zunächst als Journalist und Übersetzer. Seinen ersten Roman "Ein Buch über den Bambus" veröffentlichte er 1989. Bis dato hat er zehn Bücher veröffentlicht, Lyrik, Kurzgeschichten und fünf weitere Romane, darunter "Hamam Balkania" (2008), für den er den Internationalen Literaturpreis Balkanika erhielt. Bajac lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Belgrad und ist Direktor des von ihm gegründeten Verlags Geopoetika, zu dessen Autoren Nobelpreisträger Orhan Pamuk, Don DeLillo, Julian Barnes, Haruki Murakami und Christoph Ransmayer gehören.