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Zärtliche Klagen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
272 Seiten
Deutsch
Verlagsbuchhandlung Liebeskinderschienen am20.02.2017
Tief verletzt durch die Untreue ihres Mannes, flieht Ruriko aus Tokio und zieht sich in ein einsam gelegenes Landhaus zurück. Sie arbeitet als Kalligrafin und will dort Ruhe finden, um die Transkription der Lebenserinnerungen einer englischen Dame abzuschließen. Bald schon lernt sie ihre neuen Nachbarn kennen. Nitta war früher ein bekannter Pianist und widmet sich nun dem Bau von Cembalos. Dabei geht ihm eine junge Frau namens Kaoru zur Hand, die er als seine Assistentin vorstellt. Von ihr erfährt Ruriko, dass Nitta nicht mehr vermag, in der Gegenwart anderer Klavier zu spielen. Es ist, als wäre sein Herz zu Stein geworden und die Musik zur bloßen Erinnerung ... Ruriko und Nitta fühlen sich zueinander hingezogen, und doch spürt die Kalligrafin, dass zwischen ihm und seiner Assistentin unsichtbare Bande bestehen, die stärker sind als das, was Nitta für sie empfindet.

Yoko Ogawa gilt als eine der wichtigsten japanischen Autorinnen ihrer Generation. Für ihr umfangreiches Werk wurde sie mit vielen Literaturpreisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Akutagawa-Preis und dem Tanizaki-Jun'ichir?-Preis. Für ihren Roman 'Das Geheimnis der Eulerschen Formel' erhielt sie den begehrten Yomiuri-Preis. Bei Liebeskind erschienen zuletzt die Romane 'Das Ende des Bengalischen Tigers', 'Schwimmen mit Elefanten' und 'Der Herr der kleinen Vögel'. Yoko Ogawa lebt mit ihrer Familie in der Präfektur Hyogo.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR20,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextTief verletzt durch die Untreue ihres Mannes, flieht Ruriko aus Tokio und zieht sich in ein einsam gelegenes Landhaus zurück. Sie arbeitet als Kalligrafin und will dort Ruhe finden, um die Transkription der Lebenserinnerungen einer englischen Dame abzuschließen. Bald schon lernt sie ihre neuen Nachbarn kennen. Nitta war früher ein bekannter Pianist und widmet sich nun dem Bau von Cembalos. Dabei geht ihm eine junge Frau namens Kaoru zur Hand, die er als seine Assistentin vorstellt. Von ihr erfährt Ruriko, dass Nitta nicht mehr vermag, in der Gegenwart anderer Klavier zu spielen. Es ist, als wäre sein Herz zu Stein geworden und die Musik zur bloßen Erinnerung ... Ruriko und Nitta fühlen sich zueinander hingezogen, und doch spürt die Kalligrafin, dass zwischen ihm und seiner Assistentin unsichtbare Bande bestehen, die stärker sind als das, was Nitta für sie empfindet.

Yoko Ogawa gilt als eine der wichtigsten japanischen Autorinnen ihrer Generation. Für ihr umfangreiches Werk wurde sie mit vielen Literaturpreisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Akutagawa-Preis und dem Tanizaki-Jun'ichir?-Preis. Für ihren Roman 'Das Geheimnis der Eulerschen Formel' erhielt sie den begehrten Yomiuri-Preis. Bei Liebeskind erschienen zuletzt die Romane 'Das Ende des Bengalischen Tigers', 'Schwimmen mit Elefanten' und 'Der Herr der kleinen Vögel'. Yoko Ogawa lebt mit ihrer Familie in der Präfektur Hyogo.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783954380763
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum20.02.2017
Seiten272 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1615 Kbytes
Artikel-Nr.3010099
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
1

Es war bereits dunkel, als wir beim Landhaus eintrafen.

»Soll ich Sie zur Tür begleiten? Sie haben so viel Gepäck«, bot sich der Taxifahrer freundlicherweise an und war schon im Begriff, die Taschenlampe aus dem Handschuhfach zu holen.

»Nein, das ist nicht nötig. Ich kenne den Weg.«

Die Handtasche unter die Achselhöhle geklemmt, griff ich beide Reisetaschen und kletterte mühsam aus dem Wagen.

»Nun gut, dann werde ich zumindest wenden, damit die Scheinwerfer Ihnen den Weg leuchten.«

Am Himmel schien der Vollmond und der Bordstein zeichnete sich im Licht der Pension »Grashüpfer« ab, sodass ich nicht völlig im Dunkeln stand. Trotzdem drehte der Fahrer hastig am Lenkrad, um die hellen Scheinwerfer auf die Bäume zu richten.

»Vielen Dank.«

Sobald ich von der Straße auf den Waldpfad abbog, wurde es noch stiller um mich herum. Nur meine Schritte auf dem Weg waren deutlich vernehmbar. Kein Lufthauch ging und die Zweige der Lärchen verschmolzen lautlos mit der Finsternis.

Unterwegs wandte ich mich noch einmal um, doch das Taxi war bereits von den Bäumen verdeckt. Allein das diffuse Licht der Scheinwerfer wies mir den Weg.

Ich hatte zwar behauptet, die Gegend zu kennen, doch tatsächlich war ich seit acht Jahren nicht mehr in dieser Gegend gewesen. Damals hatte ich hier mit meinem Mann einen kurzen Sommerurlaub verbracht. Im Jahr davor waren wir im tiefsten Winter angereist, um den Jahreswechsel zu feiern. Später war die Familie meiner Schwester dazugestoßen, und mein Mann hatte unserem kleinen Neffen das Skifahren beigebracht. Es muss kurz nach unserer Hochzeit gewesen sein, als mein Vater uns zum letzten Mal hier besuchte. Er hatte Lungenkrebs im fortgeschrittenen Stadium und war völlig ausgezehrt. Dennoch schaffte er den Weg von der Landstraße zum Haus allein.

In meiner Kindheit pflegten wir hier unsere Sommerferien zu verbringen. Zusammen mit meiner Schwester habe ich Insekten gesammelt und im Fluss gebadet; die Nachmittage verbrachten wir auf der Terrasse, wo wir die »Gesammelten Werke der Kinderliteratur aus aller Welt« lasen oder von unserer Mutter das Sticken lernten.

Natürlich war mein Vater damals noch jung und strotzte vor Kraft. Er kletterte auf jeden noch so hohen Baum, um in der Krone Nistkästen für Vögel anzubringen, oder stürzte sich in die rauschenden Wildwasser-Kaskaden.

Noch heute habe ich seinen nassen Oberkörper vor Augen, die Wasserperlen, die im Sonnenlicht auf seiner Haut schimmern. Es gab nicht das geringste Anzeichen für einen wuchernden Tumor und erbärmliches Siechtum. Die Welt mochte sich weiterdrehen, aber die Tage auf dem Land würden alle Ewigkeit überdauern, davon war ich überzeugt. Seine Brust strahlte eine Zuversicht aus, die mich in Sicherheit wiegte.

Die beiden Taschen waren übervoll, aus dem klaffenden Reißverschluss der einen lugte sogar ein Stoffzipfel hervor. Es war das Cocktailkleid, das ich mir anlässlich der Praxiseröffnung meines Mannes gekauft hatte.

Wieso hatte ich es mitgenommen? So etwas Dummes! Was hatte ein Kleid aus Seide bei einer Flucht in die Berge verloren? Ich musste über mich selbst lachen, über meinen merkwürdigen Einfall. Während ich noch darüber den Kopf schüttelte, verließ mich plötzlich der Mut, ich fühlte mich hilflos. Die Tragegriffe schnitten mir schmerzhaft ins Fleisch. Das Gepäck wog derart schwer, dass ich kaum vorankam. Um mich herum gab es nur den finsteren Wald.

Schließlich stieg der Pfad sanft an und machte einen Bogen nach rechts. Am äußeren Rand der Kurve kam das Haus in Sicht, es sah aus wie eh und je - mit dem Ziegelschornstein und der hellblau getünchten Terrasse.

Was für ein Glück, dachte ich erleichtert.

Seitdem ich Tokio verlassen hatte, war ich von der grundlosen Angst befallen gewesen, dass es das Haus nicht mehr geben könnte. Ich fragte mich, ob nicht nur das Gebäude, sondern die gesamte Landschaft aus meiner Erinnerung in eine unerreichbare Ferne gerückt sei.

Vermutlich versuchte ich mit derart diffusen, abstrusen Gedanken lediglich die ganz banalen Sorgen, die einen Ausreißer plagen mögen, zu verdrängen: beispielsweise, wer sich um die am kommenden Sonntag fällige Reinigung der Rinnsteine kümmern würde. Und wie ich ohne Auto Einkäufe erledigen konnte, oder, schlimmer, was ich tun sollte, wenn mir das Geld ausging?

Aber die Landschaft war nicht verschwunden. Sie erwartete mich wie ein treuer Hüter meiner Erinnerung.

Ich drehte den Schlüssel im Schloss und stieß die Tür auf. Nachdem ich mein Gepäck in der Diele abgestellt hatte, knipste ich die Beleuchtung am Portal mehrfach an und aus, um dem Fahrer ein Signal zu geben. Ob er es wahrgenommen hatte? Jedenfalls hörte ich kurz darauf ein Hupen und sah, wie sich das Licht jenseits der Bäume entfernte.

»Was mag das für ein Stück sein?«, murmelte ich beim Verquirlen der Eier, die ich in einer Schüssel aufgeschlagen hatte.

»Hm ...«

Mein Mann blätterte in der Zeitung.

Ich habe dich doch gar nicht gefragt, sondern nur mit mir selbst geredet. Diesmal sprach ich es nicht aus und murmelte es im Stillen. Ich stellte die Pfanne aufs Feuer und rührte die Eier erneut gründlich durch.

»Jedenfalls klingt es nicht nach einer bloßen Fingerübung.«

Es war Sonntag, spät am Morgen, die Sonne stand schon hoch am Himmel. Seit dem Aufwachen hörten wir ununterbrochen das Spiel einer Geige. Der zehnjährige Junge von nebenan übte Violine. Vor zwei Wochen war seine Mutter zu uns gekommen, um sich vorsorglich für die Störung zu entschuldigen, da ihr Sohn wegen eines bevorstehenden Wettbewerbs möglichst bis abends zehn Uhr üben sollte.

Tagtäglich spielte er unablässig nur dieses eine Stück. Mit der Zeit kannte ich die Melodie auswendig und wusste sogar, an welcher Stelle er immer wieder patzte. Genau um zehn beendete er, sich an die Verabredung haltend, seine Übungen.

»Das Stück hat doch bestimmt einen Titel.«

Ich gab Champignons, zerdrückte Tomaten und Käse in die Schüssel. Mit dem Ei vermengte sich alles zu einer zähen Masse.

»Woher willst du das so genau wissen?«, brummte mein Mann, ohne den Blick von seiner Zeitung zu wenden.

»Jede Komposition hat einen Titel. Suite Nr. 1 oder Konzert Nr. 2, das klingt doch vornehm.«

Das erhitzte Öl zischte, als ich die Ei-Masse in die Pfanne goss, und das Brutzeln übertönte teilweise meine Stimme. Daraufhin schwiegen wir beide. Obwohl ich mich an dieses Schweigen gewöhnt hatte, erschien es mir wie ein kleiner Trost, als die Violine ihr Spiel fortsetzte.

Für einen Jungen von zehn Jahren fand ich das Stück in Moll ziemlich melancholisch.

Die Melodie begann in einer gedankenversunkenen Stimmung und wandelte sich zunehmend. An seinem Höhepunkt bäumte sie sich zu einer mäandernden Woge auf, ohne dass die einzelnen Töne zerstreut umherflirrten, sondern sich einfach nur auf dem Trommelfell schwebend überlagerten. Aber vielleicht hatte dieser Eindruck weniger mit der Natur des Stückes zu tun als mit der mangelhaften Technik des Jungen. Der Klang war unrein, und unmittelbar vor dem Höhepunkt ließ er beim Tonwechsel die letzte Note aus.

»Irgendwie klingt es osteuropäisch, nach Budapest oder Sofia«, sagte ich.

Die glibberige Masse schlug bereits Blasen. Den Pfannenstiel mit beiden Händen umfassend, beobachtete ich, wie langsam der Käse schmolz.

»Obwohl du noch niemals dort gewesen bist ...«, warf er ein.

Mein Mann faltete sorgfältig die Zeitung zusammen, nachdem er sie vollständig ausgelesen hatte. Es war eine Geste, die so gar nicht zum Ton seiner Stimme passte.

»Ich stelle mir ein Dorf in Osteuropa vor, wo ein hübscher Jüngling mit kastanienbraunen Augen in der Abenddämmerung diese Melodie summt. Ringsumher blüht der Mohn, und auf einem Hügel erkennt man das verfallene Gemäuer einer Schlossruine und einen Kirchturm.«

»Was für Hirngespinste ...«

»Und das Stück hat gewiss einen schönen Titel.«

»Da wäre ich mir nicht sicher ...«

Mit dem Bratenwender schichtete ich die Masse zu einem Omelett auf. Der wabernde Brei nahm langsam eine feste Form an.

»Mir ist so, als hätte ich das Stück früher schon einmal gehört.«

»Das glaubst du nur, weil du es tagaus, tagein zu hören bekommst.«

»Wenn ich tagsüber hier alleine herumsitze, dann überkommt mich das Gefühl, dass mir der Titel, den ich eigentlich gar nicht kenne,...
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Autor

Yoko Ogawa gilt als eine der wichtigsten japanischen Autorinnen ihrer Generation. Für ihr umfangreiches Werk wurde sie mit vielen Literaturpreisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Akutagawa-Preis und dem Tanizaki-Jun'ichiro-Preis. Für ihren Roman "Das Geheimnis der Eulerschen Formel" erhielt sie den begehrten Yomiuri-Preis. Bei Liebeskind erschienen zuletzt die Romane "Das Ende des Bengalischen Tigers", "Schwimmen mit Elefanten" und "Der Herr der kleinen Vögel". Yoko Ogawa lebt mit ihrer Familie in der Präfektur Hyogo.