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Fäkaliendramen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
328 Seiten
Deutsch
Droschl, Merschienen am08.03.2013
Die revidierte, korrigierte und neu zusammengestellte Sammlung von Werner Schwabs Klassikern. Werner Schwabs kometenhafter Aufstieg in die deutschsprachige Literatur und das Theaterleben begann mit den ersten Aufführungen jener Stücke, die dann bald unter dem Sammelnamen 'Fäkaliendramen' zu einer ersten Buchausgabe (1991) zusammengestellt wurden. Die Herausgeberinnen der Werkausgabe legen hier eine revidierte Sammlung vor, in der den ?klassischen? 'Fäkaliendramen' - Die Präsidentinnen, Übergewicht, unwichtig: Unform, Volksvernichtung und Mein Hundemund - aus guten Gründen auch Der Himmel mein Lieb meine sterbende Beute zugeordnet wird. 'Werner Schwab, ein 33jähriger Grazer, ist ein unangenehmes Talent, eine enervierende Begabung, ein wirklich spannender Autor. In seinem Wirtshaus-Drama Übergewichtig, unwichtig: Unform vernichtet er mit einem einzigen falschen Artikel den Sinn ganzer Sätze. Sein Text ist ein Wechselbad aus schiefen Bildern, grammatikalischen Verbrechen und poetischen Höhenflügen. Obwohl stellenweise von einer akuten Kakolalie halb verwüstet, ist Übergewicht, unwichtig: Unform ein früher Gipfelpunkt der österreichischen Dramatik in den neunziger Jahren und Schwab ein außergewöhnlicher Schriftsteller am Ende der Ordnung der Welt.' (Helmut Schödel in der Zeit, 1991)mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden (Leinen)
EUR25,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR19,99

Produkt

KlappentextDie revidierte, korrigierte und neu zusammengestellte Sammlung von Werner Schwabs Klassikern. Werner Schwabs kometenhafter Aufstieg in die deutschsprachige Literatur und das Theaterleben begann mit den ersten Aufführungen jener Stücke, die dann bald unter dem Sammelnamen 'Fäkaliendramen' zu einer ersten Buchausgabe (1991) zusammengestellt wurden. Die Herausgeberinnen der Werkausgabe legen hier eine revidierte Sammlung vor, in der den ?klassischen? 'Fäkaliendramen' - Die Präsidentinnen, Übergewicht, unwichtig: Unform, Volksvernichtung und Mein Hundemund - aus guten Gründen auch Der Himmel mein Lieb meine sterbende Beute zugeordnet wird. 'Werner Schwab, ein 33jähriger Grazer, ist ein unangenehmes Talent, eine enervierende Begabung, ein wirklich spannender Autor. In seinem Wirtshaus-Drama Übergewichtig, unwichtig: Unform vernichtet er mit einem einzigen falschen Artikel den Sinn ganzer Sätze. Sein Text ist ein Wechselbad aus schiefen Bildern, grammatikalischen Verbrechen und poetischen Höhenflügen. Obwohl stellenweise von einer akuten Kakolalie halb verwüstet, ist Übergewicht, unwichtig: Unform ein früher Gipfelpunkt der österreichischen Dramatik in den neunziger Jahren und Schwab ein außergewöhnlicher Schriftsteller am Ende der Ordnung der Welt.' (Helmut Schödel in der Zeit, 1991)
Details
Weitere ISBN/GTIN9783854209331
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum08.03.2013
Seiten328 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse650 Kbytes
Artikel-Nr.3010957
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


ERSTE SZENE

Während das Publikum Platz nimmt, hört man die Übertragung einer Messe, die der Papst2 mit irgendeiner Masse3 feiert. Die Fernsehsendung geht zu Ende und der Vorhang auf.

Ernas groteske Wohnküche. Erna schaltet das TV-Gerät aus. Mariedl sucht unter dem Tisch etwas. Grete sitzt am Tisch.

ERNA

So viele Menschen.

So viel Menschen sind zusammengekommen und zusammengeblieben und haben eine Gemeinschaft gemacht bei den Füßen des Heiligen Vaters.

GRETE

Und die Bilder so wunderbar.

Die Farben wie aus dem Leben so schön.

ERNA

Eine ergreifende Friedlichkeit entsteht bei so vielen Menschen.

Der Friede ist der Sinn des Lebens, und das Leben ist der Sinn für die Menschlichkeit.

GRETE

(hebt das Tischtuch und spricht unter den Tisch hinein)

Jetzt laß doch den Knopf, Mariedl, so wichtig ist mir der Knopf nicht. Vergiß jetzt den Knopf und setz dich zu uns.

(Zu Erna)

Das war aber wirklich gescheit von dir, Erna, daß du dir die Pelzhaube und den Farbfernseher angeschafft hast. Jetzt kommt der Genuß auch in deine Wohnung. Jetzt mußt du dich dem Leben hingeben, Erna, damit das Leben dich genießen kann.

ERNA

Ja freilich, aber das sagt sich so leichtfertig daher. In Wirklichkeit ist es schon schwer, einen Lebensgenuß aufzunehmen, wenn einem das Sparen in das Fleisch und in das Blut übergegangen ist. Aber einmal im Leben muß ja auch so einen Menschen das Glück erreichen, der immer nur den Schmutz der anderen Menschen wegputzen muß.

(Erna stellt sich vor dem Spiegel auf.)

Die Pelzhaube, die habe ich aufgefunden vor einem Jahr bei der Mülldeponie. Da darf aber jetzt niemand glauben, daß die Haube jemand einfach so weggeschmissen hat, da ist sie viel zu wertvoll. Da haben sicher nur so böse junge Menschen der Haube einen Streich gespielt. (Sie kehrt dem Spiegel den Rücken und setzt sich.)

Aber was glaubst du, wie dreckig die Pelzhaube am Anfang war. Dreieinhalb Stunden hab´ ich mich geplagt, bevor ich die Haube der Polizei ausgeliefert habe.

(Grete macht Anstalten, den Pelz der Haube mit zwei Fingern zu prüfen. Erna bückt sich, um Gretes Vorhaben zu erleichtern.)

Und jetzt, nach einem Jahr, hat sich wirklich niemand gemeldet wegen der Haube. Und da war auf dem Fundamt so ein netter Polizist, der hat gesagt zu mir: Sie sind eine einfache Frau, weil Sie ehrlich sind. Legen Sie sich diese Haube da unter den Weihnachtsbaum, damit Sie auch einmal eine kleine Freude haben können ... Ich gönne meinem Leben ja wirklich nicht viel, aber da hab´ ich mich echt gefreut.

GRETE

So eine große Sparsamkeit solltest du auch wieder nicht betreiben, Erna, weil so ein geringes Geld hast du ja auch wieder nicht. Und das Leben geht dann auch schneller an einem vorüber, als man sich das ausdenken kann.

ERNA

Jetzt hab´ ich mir ja den Fernseher geleistet, auch wenn der Fern-
seher ein gebrauchter Fernseher ist. Der ist das einzige, was ich mir im Leben geleistet habe für meine Leistung. Sonst aber habe ich mir im Leben alles vom Mund abgespart, auch mein Kind, den Herrmann. Wenn man das Sparen gut versteht, dann kann man sich das Leben auch viel besser einteilen. Man kann überall sparen. Statt einen Kaffeefilter, zum Beispiel, kann man auch ein Klopapier nehmen, und statt einem Klopapier kann man auch ein Zeitungspapier benützen, das man ja aufsammeln kann im Stiegenhaus, dort wo das Papier ist für die Altpapiersammlung ... Und ich für meinen Teil, ich erspar´ mir den Kaffee ja überhaupt, weil zum Glück vertrag´ ich einen Kaffee ja gar nicht. Aber der Herrmann frißt seine Leberkässemmel ja nicht, wenn er sie nicht mit einem schwarzen Kaffee hinunterlassen kann, wie er sagt. Als ob die Leberkässemmel ein menschlicher Stuhl wär´ und sein Bauch der Abort.

MARIEDL

(unterm Tisch)

Ich glaub´ nicht, daß das recht ist, Erna, mit deiner Sparsamkeit. Deine Sparsamkeit ist viel zu groß und viel zu übertrieben. Der Herrgott will nicht, daß es den guten Menschen schlecht geht.

ERNA

(wütend, hebt das Tischtuch)

Du hast ein leichtes Reden, meine liebe Mariedl, du warst immer alleine und ohne eine richtige Bindung. Du hast immer herumfahren können in der Welt, wenn du eine Freizeit bekommen hast in deinem Leben. Du warst heuer schon in Lourdes, in Medjugorje und zweimal in Mariazell. Du hast keine Verantwortung für ein abtrünniges Kind.

GRETE

Aber der Herrmann ist doch schon ein männlicher Mann.

(Mariedl taucht auf, setzt sich, zuckt ratlos die Schultern und beginnt den Oberkörper rhythmisch nach vor und zurück zu bewegen.)

ERNA

Ein Mannsbild ist er schon. Die Weiber dreh´n sich eh alle um nach dem Herrmann, so schamlos wie die sind in der heutigen Zeit. Aber er leugnet ja alles ab, was schön ist im Leben und was einen guten Sinn hat. Da oben, sag´ ich immer zum Herrmann, da oben kommen einmal die Bilder von meinen Enkerln hin. (Sie zeigt auf zwei weiße, rechteckige Flecken an der Wand.) Aber den Gefallen tut er mir nicht an, der macht mir keine Enkelkinder. Dabei hab´ ich früher einmal fünf freie Platzerln freigehalten für die Enkelbilder, jetzt hab´ ich eh schon drei Plätze aufgebraucht für die erste Zeit, damit der Herrmann nicht so geschreckt ist. Dabei könnte er so leicht Verkehr haben in der heutigen Zeit. Heute haben die Menschen ja den ganzen Tag einen Verkehr. Und der Herrmann gibt ja auch zu, daß er immer einen Verkehr haben könnte, aber er hat eben absichtlich nie einen Verkehr, weil so ein Verkehr kann ja eine richtige Schwangerschaft einleiten, und so etwas wäre zusammengezählt unter dem Strich womöglich ein Enkerl.

GRETE

Geh hör auf, Erna, der ist doch eh so groß und fesch, der Herrmann. Die Richtige wird ihn schon noch finden.

ERNA

Ja, das ist meine einzige Hoffnung, derweilen ich noch leben muß, daß der Herrgott meinen Herrmann in die Hand nimmt. (Weinerlich) Er kommt ja viel herum, der Herrmann, als Vertreter, da könnte schon einmal was passieren, aber dann schreibt er mir immer wieder diese schrecklichen Karten, wo vorne eine schöne Landschaft aufgebildet ist und hinten schreibt er, daß er schon wieder einen Verkehr haben hätte können, daß er aber akkurat wieder keinen Verkehr aufgenommen hat. (Weint.)

GRETE

(klopft Erna beruhigend den Rücken)

Aber Erna, wenn die Richtige kommt, dann wird sie sich den Herrmann ganz einfach schnappen und ihm ein Busserl geben. Und dann kommt der Verkehr ja ganz von selber nach. (Sie singt.) Die Liiiebe die Liiiiebe ist eine Himmels ... (Hält plötzlich inne.)

Aber was soll denn dann eigentlich ich sagen, da mußt du erst einmal mein Schicksal betrachten, Erna, dein Herrmann denkt wenigstens noch an dich und schickt dir immer eine Verkehrskarte, aber ich? Meine Tochter ist schon vor neun Jahren ausgewandert nach Australien, aber vorher hat sie sich noch ausnehmen lassen wie ein Hendl, die Eierstöcke und was weiß ich, eben alles was man braucht für die Enkelkinder. In neun Jahren eine einzige Karte. Ich bin gut angekommen und es geht mir durch und durch gut, hat sie geschrieben vor achteinhalb Jahren. Jetzt hab´ ich nur noch die Lydia.

ERNA

Aber der Herrmann muß doch nicht immer solche Karten schreiben, daß er den Verkehr für immer einstellen will oder daß er den Samenleiter durchschneidet.

GRETE

Ja ja, die Hannelore, meine Tochter, jetzt ist sie auch schon eine alte Schachtel, auch schon bald vierzig. Aber sie hat auch immer so ein ausgefallenes Getue gehabt, fast ein bisserl wie der Herrmann. Die Hannelore hat auch oft vergessen, daß sie nicht die Tochter ist von irgendwelchen schlechten Menschen. Und wie oft hat sie nicht so getan, als ob sie gar keine Erziehung hätte. Mit dem Gesicht hat sie manchmal eine Fensterscheibe zerstört und dann auch noch seelenruhig die Scherben aufgegessen, und richtig herzlich gelacht hat sie immer, wenn sie sich dann die Wangen aufgeschnitten hat und den Busen. Und wenn ich dann gesagt hab´: So, Lore, jetzt schaust´ wenigstens aus wie eine tranchierte Sau, da werden sich die Männer aber um dich reißen; da ist sie dann immer ganz ruhig geworden, hat sich den Daumen in den Mund gesteckt und hat dreißig Stunden verschlafen.

ERNA

Ja, so ist das menschliche Leben. Da versucht man das ganze Leben lang einen ordentlichen Lebensweg zu gehen, und dann wenden sich die leibeigenen Kinder ab vom Leben und von der Menschlichkeit.

GRETE

Na ja, soll die Hannelore halt ihr Glück drüben finden, in Austra-
lien, auch ohne Eierstöcke oder was weiß ich, wenn es sein muß.

ERNA

Der Herrmann ist ja so weltfremd. Wenn er einen Menschen sieht, dann muß er gleich einen Weinbrand trinken und eine Zigarette rauchen, sonst kriegt er den Augenkrebs, wie er sagt. Den Herrmann graust es vor allen Menschen, darum ist er ja auch Vertreter geworden, weil er da mit vielen Menschen zusammenkommen muß, da hat er täglich eine Ausrede, wenn er jeden Tag betrunken heimkommt.

MARIEDL

Da sind aber schon sehr viele Heilige entstanden unter den Menschen, die ihr Antlitz in ihrer jugendlichen Zeit verbergen vor der Welt.

ERNA

Jugendliche Zeit? Der Herrmann ist doch auch schon bald vierzig Jahre alt.

MARIEDL

Jeden Tag kann der Mensch einen inwendigen...

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