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Das Schattencorps (eBook)

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
450 Seiten
Deutsch
ars vivendi Verlagerschienen am30.04.2017
Hans Barkhusen hat viel verloren: die Zukunft, die ihm im 'Dritten Reich' offenstand, den Kampf gegen den Kommunismus, den Anschluss an das bürgerliche Leben. Nach dem Krieg von den Briten für eine geheime Kampftruppe angeworben, arbeitet er 1962 desillusioniert als Taucher und hofft darauf, das vom Atomkrieg bedrohte Europa zu verlassen. Als er für die Suche nach dem sagenumwobenen 'Rommel-Schatz' angeheuert wird, glaubt er zunächst an einen schlechten Scherz. Aber dann taucht plötzlich sein alter Agentenführer auf, und Hans erhält einen neuen Auftrag, der ihn von Hamburger Hafenkais und einsamen Heideforsten in die Sonne Italiens führt, wo die Jagd nach dem Schatz im Dickicht der Geheimdienstintrigen und internationalen Verschwörungen immer rasanter wird, bis schließlich der Friede der Welt selbst auf dem Spiel steht ...

Bernd Ohm, Jahrgang 1965, studierte Anglistik, Hispanistik sowie Neuere und Neueste Geschichte in Augsburg. Später arbeitete er als Musiker, Drehbuchautor, Übersetzer, Übersetzungslektor und Berater für Softwarelokalisierung. 2015 erschien sein Debütroman Wolfsstadt im ars vivendi verlag.
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Produkt

KlappentextHans Barkhusen hat viel verloren: die Zukunft, die ihm im 'Dritten Reich' offenstand, den Kampf gegen den Kommunismus, den Anschluss an das bürgerliche Leben. Nach dem Krieg von den Briten für eine geheime Kampftruppe angeworben, arbeitet er 1962 desillusioniert als Taucher und hofft darauf, das vom Atomkrieg bedrohte Europa zu verlassen. Als er für die Suche nach dem sagenumwobenen 'Rommel-Schatz' angeheuert wird, glaubt er zunächst an einen schlechten Scherz. Aber dann taucht plötzlich sein alter Agentenführer auf, und Hans erhält einen neuen Auftrag, der ihn von Hamburger Hafenkais und einsamen Heideforsten in die Sonne Italiens führt, wo die Jagd nach dem Schatz im Dickicht der Geheimdienstintrigen und internationalen Verschwörungen immer rasanter wird, bis schließlich der Friede der Welt selbst auf dem Spiel steht ...

Bernd Ohm, Jahrgang 1965, studierte Anglistik, Hispanistik sowie Neuere und Neueste Geschichte in Augsburg. Später arbeitete er als Musiker, Drehbuchautor, Übersetzer, Übersetzungslektor und Berater für Softwarelokalisierung. 2015 erschien sein Debütroman Wolfsstadt im ars vivendi verlag.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783869138305
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum30.04.2017
Seiten450 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1965 Kbytes
Artikel-Nr.3010997
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


 

Más a Tierra

Den Anfang machen natürlich die verfluchten Schweine. Zuerst ist es nur ein kurzes, leises Grunzen, das irgendwie den Weg durch Waschküche und Diele findet, vielleicht ist eine der Sauen aufgewacht oder der Zuchteber, aber dann beginnen gleich die Ferkel zu quieken, und das Grunzen wird lauter, fordernder, bis schließlich der erste Jungeber mit dem Schädel gegen die Futterklappe kracht und ein Höllenlärm losbricht, der sich erst wieder legen wird, wenn jemand den Tieren eine Ladung Rüben oder Kraftfutter in den Trog schmeißt.

Mit Schlafen ist es jedenfalls nichts mehr. Hans zieht sich die Decke über die Ohren und versucht, wieder in den Traum hineinzukommen, aus dem ihn das hungrige Borstenvieh vertrieben hat, aber es hilft nichts. Irgendjemand, wahrscheinlich sein Vater, kommt polternd die Treppe heruntergestapft und geht in Richtung Schweinestall, aber bis die Rüsselschnauzen sich endlich wieder beruhigt haben, fangen schon die beiden Milchkühe an zu muhen, und draußen hat mittlerweile auch der Hahn gemerkt, dass es Tag geworden ist. Die ersten Amseln zwitschern, es ist Ende März.

Hans quält sich hoch und kneift die Augen zusammen, um möglichst wenig Licht hineinzuzulassen. Er ist gestern Abend bei Tangmann hängengeblieben, länger, als er wollte, und dann haben die älteren Männer wieder von ihrer Zeit mit Rommel in Afrika angefangen, bis ihm die Ohren geklungen haben vor lauter El Alamein und Feldmarschall Montgomery und heldenhaften Landserabenteuern, bei denen er nicht mithalten kann, weil er das eine entscheidende Jahr zu spät geboren ist. Seine eigenen Heldentaten behält er lieber für sich, weil die früher oder später ja doch immer auf diverse Gastspiele in Internierungslagern und Untersuchungsgefängnissen hinauslaufen, und was sonst noch passiert ist, müssen die hier in Darkum erst recht nicht wissen.

Immerhin gewöhnt man sich im Knast an, immer fein säuberlich die Klamotten zu sortieren, bevor man sich schlafen legt, weswegen Hans auch keine größeren Probleme hat, seine Hose zu finden und sie überzustreifen, um zur Toilette zu gehen. Auf dem Flur ist noch niemand, aber hinter der Tür zu den beiden Kammern, wo sein Bruder und seine Schwägerin mit ihren Kindern wohnen, ist schon abwechselnd Hermanns dahingeknurrtes Niedersachsenplatt und Magdas pommerscher Singsang zu hören. Bald nach der Taufe wollen sie anfangen, das Dachgeschoss auszubauen, damit die beiden Großen endlich ein eigenes Zimmer haben. Das Schweinefutter wird im neu gebauten Stall gelagert, da muss der Kornboden nicht mehr so groß sein, sogar ein Wasserklosett soll oben eingebaut werden.

Momentan muss man noch in das Häuschen draußen neben der Scheune. Hans ärgert sich, dass er kein Hemd angezogen hat, nachts hat es wieder gefroren, und alles ist mit einer dicken Schicht Raureif bedeckt, aber es ist dringend, also läuft er schnell über den Hof und erledigt bibbernd sein Geschäft.

Nachher geht er in die Waschküche, lässt den Hahn über der Spüle so lange laufen, bis das Wasser eiskalt ist, und spritzt sich dann wieder und wieder einen ganzen Schwall davon ins Gesicht, um wach zu werden. Als er sich abtrocknet, kommt Magda in die Küche, gut gelaunt pfeifend und den Säugling auf dem Arm. Jemand hat schon Feuer unter dem Herd gemacht, es ist mollig warm.

»Ach Morjen, Hans!«, ruft sie ihm durch die offene Tür zwischen Küche und Waschküche zu. »Das is jut, dass du schon auf bist. Wir wollen in der Stube den großen Tisch ausziehen, damit dort alle frühstücken können.«

Hans nickt, während er sich die Haare nach hinten kämmt.

»Moin! Ich pack gleich meine Sachen zusammen und klapp das Sofa ein, dann kann´s losgehen.«

»Hat Fritz gestern Abend noch was gesagt?«

Hans schüttelt den Kopf.

»Die waren müde von der langen Fahrt und sind gleich auf ihr Zimmer im Gasthof. Ich hab dann noch kurz in die Gaststube geguckt ...«

»Soso«, macht Magda, und Hans ahnt, dass sie sich ein Grienen verkneifen muss. »Na, du weißt schon, was du machst. Wenn Hermann und euer Vater mit dem Vieh fertig sind, könnt ihr ja den Tisch ausziehen und Stühle holen. Die Münchner wollen bis halb neun hier sein. Ich muss jetzt erst mal den Kleinen füttern ...«

Hans geht durch die Küche in Richtung Wohnzimmer, während seine Schwägerin sich auf die Küchenbank setzt und dem lütten Martin, der jetzt mächtig am Brüllen und Weinen ist, die Brust gibt. Eigentlich hätte Martin als Stammhalter ja Hermann heißen sollen, wie bei den Barkhusens seit Generationen üblich, aber Magda hat sich mit Händen und Füßen gewehrt dagegen, ihre Kinder sollen nicht solche altmodischen Namen haben, und da ihr Mann von der nachgebenden Sorte ist und die Schwiegermutter nicht mehr lebt, hat sie sich durchgesetzt.

Sie hat sich überhaupt in vielen Sachen durchgesetzt, denkt Hans, während er sich Socken und Hemd anzieht. Mit den Kindern wird Hochdeutsch geredet, und Ingrid, die älteste Tochter, darf auf die Realschule in Heustedt, dabei hat der alte Hermann Barkhusen nach der so unglücklich geendeten Karriere seines zweiten Sohnes auf der Napola geschworen, dass nie wieder ein Mitglied seiner Familie eine Schulbildung erhalten soll, die über die Darkumer Dorfschule hinausgeht. Doch dann wird er Witwer, sein erster Sohn heiratet ein bettel­armes pommersches Flüchtlingsmädchen mit einer Verwandtschaft, die über ganz Deutschland verstreut lebt, und alles läuft anders als geplant. Was ja für Hans ganz genauso gilt.

Überraschend taucht der Alte selbst auf, und sie klappen schweigend gemeinsam das Sofa zusammen und ziehen den Tisch aus, wie Magda es gewünscht hat. Viele Worte sind nicht gefallen zwischen ihnen in den letzten Jahren, eigentlich schon seit der Zeit gleich nach dem Zusammenbruch, als Hans sich in Hamburg herumtrieb und nur sporadisch nach Hause kam, um sich den Bauch mit schwarz geschlachtetem Schwein und Darkumer Kartoffeln vollzuschlagen.

»Brukst vandaage nich arbeiten?«, sagt sein Vater schließlich doch, und Hans zuckt zusammen, weil die Worte durch die Stube knallen wie ein Peitschenhieb.

»Nee, ick hebb mi freinaamen«, stößt er schließlich zwischen den Zähnen hervor und vermeidet es, seinem Vater ins Gesicht zu sehen, während er sich an seiner Reisetasche zu schaffen macht, die neben dem Sofa auf einem Stuhl steht. Er sagt auch nicht, warum er sich schon den Sonnabend freigenommen hat, obwohl die Taufe erst am Sonntag ist, denn wenn der Alte mitkriegt, dass er Dahlsen besuchen will, den pensionierten Dorflehrer, der ihn damals gegen den Willen der Eltern auf die Napola gebracht hat, dann knallt hier noch ganz was anderes. Gauleiter von Vandalenland hätte Hans werden sollen oder Gouverneur von New York. Und was ist er geworden?

 

*

 

Schließlich gibt es Frühstück. Die Münchner sind von ihrem Quartier in Tangmanns Gasthof gekommen, in ihrem silbergrauen, fast neuen Borgward Isabella, für den Magdas Bruder letztes Jahr extra aus Süddeutschland angereist sein soll, um ihn günstig direkt aus der Konkursmasse des Bremer Werks zu erwerben. Dabei sieht Fritz nicht so aus, als ob er auf Sonderangebote angewiesen wäre: eleganter Filzhut, Nadelstreifenanzug, seidene Krawatte, teure Manschettenknöpfe - was man sich so leisten kann, wenn man beim bayerischen Landeskriminalamt arbeitet. Magda hat stolz erzählt, ihr Bruder sei in amerikanischer Kriegsgefangenschaft gewesen und habe dort »perfekt« Englisch gelernt, das sei ihm nach dem Krieg zugutegekommen. Hans hat immerhin zwei Jahre in Australien verbracht und gelernt, »goodonyermatey« und »waddayawant« zu sagen, das ist allerdings weder perfekt noch kommt es ihm in irgendeiner Weise zugute.

Während er sich schweigsam mit einem gekochten Ei beschäftigt, unterhalten die anderen sich über John Glenns Raumflug letzten Monat und den Sputnik, den die Russen gestern in die Erdumlaufbahn geschickt haben. Bald kommt die Rede auf Kennedys große Rede letztes Jahr, in der er eine amerikanische Mondlandung bis zum Ende des Jahrzehnts angekündigt hat.

»Ich kann das immer noch nicht glauben«, meint der junge Hermann Barkhusen, während er eines der Wurstbrötchen mit Gurke verdrückt, die seine Frau vorbereitet hat. »Was soll denn erst sein, wenn unser Lütter hier groß ist? Urlaub auf dem Mond, oder was?«

Wie auf Bestellung kräht der kleine Martin, den Magda im Arm hält, und alle lachen. Oder fast alle: Hans vergräbt sich noch ein Stück tiefer in seinen Kaffee, schwarz und ohne Zucker, und denkt sich seinen Teil.

Magdas Schwägerin Hilde, die ihre weißen Handschuhe erst ausgezogen hat, als es schon zu Tisch ging, lächelt milde und deutet mit einem Kopfnicken auf ihren Mann.

»Fritz hat uns einmal mit Sondererlaubnis in die amerikanische Offiziersmesse in Harlaching mitgenommen, damit die Jungens einen Fernsehfilm sehen konnten, den Walt Disney mit Professor von Braun gemacht hat! Ich habe kein Wort verstanden, aber mein lieber Mann hat uns alles übersetzt ...«

Der liebe Mann winkt ab.

»Ach was, das war doch keine Sache ... Vor allem, wo der von Braun so einen schrecklichen deutschen Akzent hat, den kann man wirklich leicht verstehen. Eine Raumstation wollen sie bauen, die aussieht wie ein riesiges Rad und außerhalb der Atmosphäre die Erde umkreist. Und von dort soll es zum Mond gehen. Ich glaube ...«

Den Rest hört Hans nicht mehr, oder besser gesagt: will er nicht mehr hören. Es ist schlimm genug, dass die Astronauten des ersten Mondflugs sich nicht in der Sprache Luthers und Goethes unterhalten werden. Aber muss man den neuen Herren...

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Autor

Bernd Ohm, Jahrgang 1965, studierte Anglistik, Hispanistik sowie Neuere und Neueste Geschichte in Augsburg. Später arbeitete er als Musiker, Drehbuchautor, Übersetzer, Übersetzungslektor und Berater für Softwarelokalisierung. 2015 erschien sein Debütroman Wolfsstadt im ars vivendi verlag.