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Alles, was wir verloren haben

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
512 Seiten
Deutsch
HarperCollinserschienen am01.10.20181. Auflage
Lucy Durant war erst vierzehn Jahre alt, als sie ihren älteren Bruder Nolan verlor. Zuerst an seine paranoiden Wahnvorstellungen, als er zunehmend von UFOs und Verschwörungstheorien besessen war. Dann, als er spurlos verschwand.
Zehn Jahre später kämpft Lucy immer noch mit dem Verlust. Sie fühlt sich wie in einer Warteschleife gefangen und tut, was sie kann, um nicht an Nolan zu denken. Aber als eine Reihe mysteriöser Ereignisse Lucy in ihre Heimatstadt Bishop zurückführen, ist sie gezwungen, sich mit den verworrenen Erinnerungen ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen, um endlich herauszufinden, was wirklich mit ihrem Bruder passiert ist.
Gone Girl' trifft auf 'Akte X', bei diesem faszinierenden Sprung in die Tiefen der Erinnerung und des Schmerzes.«
Carrie La Seur, Autorin von »Denn wir waren Schwestern«
«Meisterhaft schafft es die Autorin zwei mögliche Szenarien vorzugeben: Entweder war Nolan paranoid - oder er wurde tatsächlich von den »Men in Black« verfolgt. Der Leser sollte niemandem trauen und alles infrage stellen! Perfekt für Fans von Joyce Maynard und Jennifer McMahon.«
Booklist


Die Autorin Valerie Geary machte sich in den USA bereits mit ihren tiefgründigen Kurzgeschichten einen Namen in den großen Literaturmagazinen. »Das Schweigen der Bienen«, ihr vielbeachtetes Romandebüt, war 2016 für den »Ken Kesey Award« nominiert. Valerie Geary lebt mit ihrer Familie in Portland, Oregon.
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Produkt

KlappentextLucy Durant war erst vierzehn Jahre alt, als sie ihren älteren Bruder Nolan verlor. Zuerst an seine paranoiden Wahnvorstellungen, als er zunehmend von UFOs und Verschwörungstheorien besessen war. Dann, als er spurlos verschwand.
Zehn Jahre später kämpft Lucy immer noch mit dem Verlust. Sie fühlt sich wie in einer Warteschleife gefangen und tut, was sie kann, um nicht an Nolan zu denken. Aber als eine Reihe mysteriöser Ereignisse Lucy in ihre Heimatstadt Bishop zurückführen, ist sie gezwungen, sich mit den verworrenen Erinnerungen ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen, um endlich herauszufinden, was wirklich mit ihrem Bruder passiert ist.
Gone Girl' trifft auf 'Akte X', bei diesem faszinierenden Sprung in die Tiefen der Erinnerung und des Schmerzes.«
Carrie La Seur, Autorin von »Denn wir waren Schwestern«
«Meisterhaft schafft es die Autorin zwei mögliche Szenarien vorzugeben: Entweder war Nolan paranoid - oder er wurde tatsächlich von den »Men in Black« verfolgt. Der Leser sollte niemandem trauen und alles infrage stellen! Perfekt für Fans von Joyce Maynard und Jennifer McMahon.«
Booklist


Die Autorin Valerie Geary machte sich in den USA bereits mit ihren tiefgründigen Kurzgeschichten einen Namen in den großen Literaturmagazinen. »Das Schweigen der Bienen«, ihr vielbeachtetes Romandebüt, war 2016 für den »Ken Kesey Award« nominiert. Valerie Geary lebt mit ihrer Familie in Portland, Oregon.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783959677936
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum01.10.2018
Auflage1. Auflage
Seiten512 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.3016126
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

   1   

Lucy Durant stand auf dem Haus ihres Vaters, mit den Fußspitzen an der Dachkante, und blickte in einen schwarzen Abgrund hinunter. Es war fast Mitternacht, der Himmel mondlos. Tiefe Dunkelheit erfüllte den Vorgarten. Die Schwerkraft zog an ihren Schultern. Wie leicht es doch wäre, sich einfach fallen zu lassen, sich ins Vergessen zu stürzen. Wie hoch war es wohl? Sechs Meter? Zehn? Hoch genug jedenfalls, um sich alle Knochen zu brechen. Doch ihr war, als würde sie womöglich ewig in die Finsternis hinabstürzen, ohne je am Boden aufzuschlagen, falls sie wirklich springen würde.

Im Haus erklang lautes Gelächter. Gläser klirrten. Jazzmusik strömte hinter ihr aus dem offenen Dachbodenfenster. Die Verlobungsparty lief seit vier Stunden, und nichts deutete darauf hin, dass sie bald vorüber sein würde. Niemand hatte es bemerkt, als sie hinausgegangen war. Davor hatte sie auch niemand beachtet, während sie in der Wohnzimmerecke herumgestanden und auf ihre Füße gestarrt hatte. Das Augenmerk der Gäste galt allein Robert und Marnie, den glückstrunkenen Bald-Vermählten. An jedem anderen Tag wäre nichts dagegen einzuwenden gewesen. Aber die Party hatte ja ausgerechnet heute stattfinden müssen, am fünften Dezember - dem Tag, an dem vor zehn Jahren ihr Bruder verschwunden war.

Sie hatte Robert gebeten, einen anderen Termin zu finden. Jeder andere Samstag wäre in Ordnung gewesen, aber Marnie hatte auf dem Fünften bestanden. Sie und Robert hatten sich vor fünf Monaten am fünften Juli um 17.55 Uhr kennengelernt, als der Fahrstuhl, in dem sie standen, zwischen dem fünften und sechsten Stock stecken geblieben war. Sie hatten fünfundfünfzig Minuten festgesessen, ehe die Feuerwehr sie schließlich befreit hatte. Auf dem Feuerwehrfahrzeug hatte die Nummer 55 gestanden. Es sei Schicksal, sagte Marnie. Ihre Glückszahl sei immer die Fünf gewesen, und wenn das jetzt kein Zeichen war, dann wüsste sie auch nicht mehr. Das Universum habe sie und Robert zusammengeführt; nun wollte sie ihr märchenhaftes Happy End und sie bekam es auch.

»Wir haben nie großes Aufheben darum gemacht«, hatte Robert zu Lucy gesagt, als sie zu bedenken gab, wie unpassend es sei, dass die Verlobungsparty ausgerechnet an ihrem inoffiziellen Trauertag stattfinden sollte.

Es stimmte ja. In den letzten Jahren war der fünfte Dezember immer ohne großes Brimborium vergangen. Robert hatte den Tag nie erwähnt, und einige Male hatte selbst Lucy ihn vergessen, und hinterher hatte sie ein schlechtes Gewissen gehabt, weil sie dieses wichtige Datum verschwitzt hatte. Aber es gab auch die anderen Jahre, wo sie in den Tagen vor und nach dem fünften Dezember eine düstere Schwermut erfasste. Die Jahre, in denen sie keinen Sinn darin sah, überhaupt aus dem Bett zu steigen. Zehn Jahre waren eine lange Zeit, um jemanden zu vermissen, und doch wurde der hohle Schmerz in ihrem Inneren nicht weniger.

Nachdem ihr Vater sich geweigert hatte, die Verlobungsparty zu verschieben, hatte Lucy versucht sich abzulenken, indem sie bei den Vorbereitungen mithalf. Sie verschickte die Einladungen und half beim Dekorieren des Hauses. Am Morgen des großes Ereignisses erbot sie sich sogar, Marnies fünfstöckige, achthundert Dollar teure Verlobungstorte von der Bäckerei abzuholen. Was danach geschah, war nicht ihre Schuld.

Ein paar Schritte neben dem Bäckereieingang hatte ein Straßenprediger sein Podium aufgebaut, einen umgedrehten Dreißig-Liter-Farbeimer, auf dem er barfuß stand und der sich unter dem Gewicht des Mannes bog. Die weiße Schmuddeldecke, die er sich wie eine Toga umgelegt hatte, war mit rosa Gänseblümchen gemustert und am Saum völlig ausgefranst gewesen. Mit weit aufgerissenen Augen blickte er auf die kleine Schar der Neugierigen, zeigte seine spitzen gelben Zähne. Sein schwarzes ungewaschenes Haar fiel ihm in knotigen Zotteln wirr auf die Schultern, im Bart hingen Essensreste. Er roch säuerlich von zu viel Sonne, überreif und schwärend. Mit krummen Fingern winkte er die Leute näher und verkündete: »Wir sind Teil von etwas Größerem, was ihr mit eurem armseligen kleinen Verstand nicht einmal ansatzweise begreift.«

Lucy blieb am Rand der Menge stehen und betrachtete den Mann. Sie hatte schon vor Jahren aufgehört, in den Gesichtern von Fremden nach ihrem Bruder Ausschau zu halten, aber der Straßenprediger war etwa in Nolans Alter, Mitte zwanzig, und obwohl sie ihren Bruder nie mit Bart gesehen hatte, stellte sie sich ihn bärtig ungefähr so vor wie diesen Typen dort. Sie musterte ihn genauer, die hängenden Schultern und schlaksigen langen Arme, erkannte den vertrauten Tonfall seiner Stimme, die Wut und den Schmerz einer gebrochenen Seele, eines Mann-Kindes, das einer größenwahnsinnigen Psychose erlegen war.

»Ich habe ein Geschenk erhalten«, erklärte der Straßenprediger mit einem Kifferlächeln. »Es besteht darin, die Zusammenhänge erkennen zu können.« Er hob eine Hand und ahmte mit wackelnden Fingern einen davonfliegenden Vogel nach. »Ich weiß, was kommen wird, und ich bin hier, um dafür den Weg zu bereiten.«

Dann richtete er seinen Blick auf Lucy. Die kalten blauen Augen sahen aus wie gefrorene abgrundtiefe Seen, umrandet von dunklem Indigo. Ganz anders als Nolans warme braune Augen.

Der Straßenprediger winkte ihr zu und rief: »Du und du und ich, wir drei. Sonne, Mond und Sterne ⦠wir drei ⦠so frei.«

Jemand warf ein paar Münzen in eine Dose, die vor dem Mann stand. Das Klimpern riss Lucy aus der Erstarrung. Sie wandte sich ab, voller Scham dafür, dass sie den Mann mit ihrem Bruder in Verbindung gebracht hatte, und ging in die Bäckerei, wo sie die Torte bezahlte, ohne sie sich vorher anzuschauen. Mit zitternden Händen trug sie sie zum Wagen. Sie fuhr zügig, hoffte, dadurch den Schuldgefühlen zu entkommen, die sie erfasst hatten. Der Straßenprediger war nicht ihr Bruder, aber wäre er es gewesen, hätte Lucy sich wahrscheinlich keinen Deut anders verhalten. Sie wäre weitergegangen, hätte den Blick gesenkt, hätte so getan, als würde sie ihn nicht erkennen - nur einer von Hunderten von Landstreichern, die in Los Angeles County auf ein paar schnelle Dollars aus sind.

Zu Hause lieferte sie die Torte in der Küche ab. Marnie hob den Deckel und schaute hinein. Sie stöhnte auf, fasste sich an die Brust. »Oh, Lucy«, entfuhr es ihr. Doch es war nicht die Stimme einer Frau, die sich über eine perfekte Verlobungstorte freute, sondern sie klang bestürzt.

»Was hast du getan?« Robert schaute in den Karton.

Die fliederfarbene Glasur war genau in der Mitte aufgebrochen. Die aufgetürmten Etagen waren abgesackt und verrutscht, offenbarten nun eine profane Schokotorte mit glänzender Himbeerfüllung. Lucy versuchte sie wieder zurechtzuschieben und die Glasur mit einem Buttermesser glatt zu streichen. Aber dann zeigte sich der nächste Riss und gleich noch einer, schmale, Unheil verbreitende Verwerfungslinien in der Glasur.

Sie versuchte zu erklären, was geschehen war. »Da war dieser Straßenprediger und all die Leute. Ich musste mich durch das Gedränge schieben, um durchzukommen.«

Dass der Mann sie an Nolan erinnert hatte, erwähnte sie nicht, denn ihr Vater hatte klargestellt, dass dies Marnies Tag sei und dass er nichts darüber hören wolle, was vor zehn Jahren geschehen war, nichts Deprimierendes, Unerfreuliches, Beunruhigendes. Schluss, aus.

Marnie seufzte, und als ihr Blick abermals auf die Torte fiel, hingen Tränen an ihren Wimpern.

»Wir können sie schneiden, ehe die Gäste eintreffen«, schlug Lucy vor. »Zu jedem Stück legen wir eine der hübschen lila Gartenblumen auf den Teller. Wie heißen die noch gleich?«

»Stiefmütterchen.« Robert hob die Tortenschachtel.

»Genau, Stiefmütterchen.« Lucy lächelte Marnie an, die reagierte jedoch nicht. »Ist ein wenig unkonventionell, aber bestimmt merkt es niemand, und falls doch, ist es denen eh egal, wenn sie einmal zu essen angefangen haben. Die Torte schmeckt noch genauso lecker. Sie hat halt einen leichten kosmetischen Schaden genommen, das ist alles. Sie ist bestimmt noch köstlich.«

Während sie noch plapperte, trug Robert die Torte durch die Küche und warf sie in den Müll.

Lucy wollte protestieren, doch Robert hob mahnend die Hand. »Ich weigere mich, meinen Gästen so ein Desaster zu servieren.«

»Robert ⦫, sagte Marnie, doch er verbot auch ihr das Wort.

»Ich rufe Donna an. Sie hat bestimmt die rettende Idee.«

Donna war die für das Party-Catering zuständige Frau. Sie war gut in ihrer Arbeit, aber wie sie das Wunder bewerkstelligen sollte, auf den letzten Drücker eine derart hochwertige Verlobungstorte herbeizuzaubern, konnte Lucy sich beim besten Willen nicht vorstellen. Doch Robert wollte sie nicht mit den Einzelheiten behelligen und verscheuchte sie aus der Küche wie ein kleines Kind. »Für heute hast du genug geholfen. Mach dich doch einfach rar, bis die Party beginnt. Und versuche bitte, heute Abend nicht noch irgendeinen Fauxpas hinzulegen. Meinst du, das schaffst du?«

Sie würde es jedenfalls versuchen.

Lucy blieb in ihrem Zimmer, bis um kurz nach acht die ersten Gäste eintrudelten. Dann ging sie nach unten. Ein Tisch nahe der Eingangstür war bald vollgestellt mit teuren Weinflaschen und aufwendig verpackten Geschenken. Auf einem kleineren Tisch in der Zimmermitte stand eine exakte Nachbildung der Torte, die Lucy zerstört hatte. Lucy ging hinüber; sie wollte nachschauen, ob die Torte echt war, doch eine groß gewachsene Frau im Anzug verscheuchte sie. Marnie wirbelte von Gast zu Gast, ein schimmernder...
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Autor

Die Autorin Valerie Geary machte sich in den USA bereits mit ihren tiefgründigen Kurzgeschichten einen Namen in den großen Literaturmagazinen. »Das Schweigen der Bienen«, ihr vielbeachtetes Romandebüt, war 2016 für den »Ken Kesey Award« nominiert. Valerie Geary lebt mit ihrer Familie in Portland, Oregon.