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Begutachtung bei Menschen mit Migrationshintergrund

E-BookEPUBDRM AdobeE-Book
218 Seiten
Deutsch
Elsevier Health Scienceerschienen am15.01.20142. Auflage
Holen Sie sich interkulturelle Kompetenz für Ihre Gutachten Wenn Ihr Patient ausländische Wurzeln hat: Dieses Buch hilft Ihnen, Zusammenhänge und Hintergründe zur Situation von Migranten zu verstehen: - mit Kasuistiken und Gesprächsprotokollen aus der Praxis - viele Tipps und praktische Formulierungshilfen.

So können Sie einfühlsam und kompetent begutachten - ohne kulturelle Schranken!

Begutachtung in der Praxis - mit interkultureller Kompetenz und ethnomedizinischen Hintergründen Die medizinische Versorgung von Menschen mit Migrationshintergrund ist längst Bestandteil des klinischen Alltags geworden. Unterschiedliche schulische und berufliche Bildung, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit stellen entscheidende Faktoren für eine erfolgreiche Integration oder - in ungünstigen Fällen - eine psychosomatische Erkrankung dar. Die Begutachtung von Patienten mit ausländischen Wurzeln stellt stets eine Herausforderung und eine besonders hohe Verantwortung dar, gilt es doch, Menschen mit ganz verschiedenen Biografien, andersartiger Herkunft, sehr unterschiedlichen Sprachkenntnissen und nicht zuletzt auch oft abweichenden Vorstellungen von Gesundheit, Krankheit und Leistungsfähigkeit zu beurteilen. In der zweiten Auflage dieses Buches finden Sie neben den grundlegenden Aspekten der Begutachtung mit ethnomedizinischen und transkulturellen Erwägungen auch Hinweise auf spezielle Fragestellungen wie die Begutachtung von Frauen, Jugendlichen, alternden Menschen, Asylbewerbern, PTBS als besonderes Problem, auch traumatisierende Erlebnisse deutscher Staatsangehöriger in Krieg, Nachkriegszeit und DDR. Kasuistiken und Gesprächsprotokolle aus der Praxis der Verfasser geben den Bezug zur praktischen Begutachtung.
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Verfügbare Formate
E-BookEPUBDRM AdobeE-Book
EUR99,99
Book on DemandKartoniert, Paperback
EUR105,00

Produkt

KlappentextHolen Sie sich interkulturelle Kompetenz für Ihre Gutachten Wenn Ihr Patient ausländische Wurzeln hat: Dieses Buch hilft Ihnen, Zusammenhänge und Hintergründe zur Situation von Migranten zu verstehen: - mit Kasuistiken und Gesprächsprotokollen aus der Praxis - viele Tipps und praktische Formulierungshilfen.

So können Sie einfühlsam und kompetent begutachten - ohne kulturelle Schranken!

Begutachtung in der Praxis - mit interkultureller Kompetenz und ethnomedizinischen Hintergründen Die medizinische Versorgung von Menschen mit Migrationshintergrund ist längst Bestandteil des klinischen Alltags geworden. Unterschiedliche schulische und berufliche Bildung, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit stellen entscheidende Faktoren für eine erfolgreiche Integration oder - in ungünstigen Fällen - eine psychosomatische Erkrankung dar. Die Begutachtung von Patienten mit ausländischen Wurzeln stellt stets eine Herausforderung und eine besonders hohe Verantwortung dar, gilt es doch, Menschen mit ganz verschiedenen Biografien, andersartiger Herkunft, sehr unterschiedlichen Sprachkenntnissen und nicht zuletzt auch oft abweichenden Vorstellungen von Gesundheit, Krankheit und Leistungsfähigkeit zu beurteilen. In der zweiten Auflage dieses Buches finden Sie neben den grundlegenden Aspekten der Begutachtung mit ethnomedizinischen und transkulturellen Erwägungen auch Hinweise auf spezielle Fragestellungen wie die Begutachtung von Frauen, Jugendlichen, alternden Menschen, Asylbewerbern, PTBS als besonderes Problem, auch traumatisierende Erlebnisse deutscher Staatsangehöriger in Krieg, Nachkriegszeit und DDR. Kasuistiken und Gesprächsprotokolle aus der Praxis der Verfasser geben den Bezug zur praktischen Begutachtung.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783437316258
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisDRM Adobe
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum15.01.2014
Auflage2. Auflage
Seiten218 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2645 Kbytes
Artikel-Nr.3085404
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
1;Front Cover
;1
2;Begutachtung bei
Menschen mit
Migrationshintergrund
;2
3;Copyright
;3
4;Vorwort zur 2. Auflage
;4
5;Inhaltsverzeichnis
;5
6;KAPITEL 1 - Einleitung;10
6.1;1.1 Definition der Migration;10
6.2;1.2 Angst vor dem Fremden;11
6.3;1.3 Einwanderungsbewegung in Zahlen;14
6.4;1.4 Zusammenleben von Menschen verschiedener Ethnien;17
6.5;1.5 Gedichte;21
7;KAPITEL 2 - Historische Entwicklung;24
7.1;2.1 Austausch der Kulturen;24
7.2;2.2 Ethnisch-kulturelle Aspekte;25
7.3;2.3 Wanderbewegungen;26
7.4;2.4 Migration heute;27
8;KAPITEL 3 - Allgemeine Grundlagen der ärztlichen Gutachtertätigkeit;30
8.1;3.1 Definition des Gutachtens;32
8.2;3.2 Position des Arztes als Gutachter;32
8.3;3.3 Auswahl des Gutachters;33
8.4;3.4 Duldungspflicht;33
8.5;3.5 Eigenverantwortlichkeit des Gutachters;34
8.6;3.6 Pflichten des Gutachters;34
8.7;3.7 Forderungen an den Auftraggeber;34
8.8;3.8 Schweigepflicht;35
8.9;3.9 Urheberrechte;36
8.10;3.10 Grundhaltung des Gutachters;36
8.11;3.11 Haftung des Gutachters;37
8.12;3.12 Wie erstelle ich ein Gutachten?;37
8.13;3.13 Beurteilung von GdS/GdB nach dem sozialen Entschädigungsrecht und/oder nach dem Schwerbehindertenrecht;52
8.14;3.14 Klassifikation der somatoformen Störungen;54
8.15;3.15 Berufliches Leistungsvermögen bei somatoformen Störungen;55
8.16;3.16 Prognosebeurteilung somatoformer Störungen (Foerster 1992);56
9;KAPITEL 4 - Häufige gutachtensrelevante Begriffe und Definitionen;58
9.1;4.1 Krankheit;58
9.2;4.2 Erwerbsminderung bzw. Erwerbsunfähigkeit;59
9.3;4.3 Berufsunfähigkeit;59
9.4;4.4 Arbeitsunfähigkeit;60
9.5;4.5 Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) und Grad der Behinderung (GdB) bzw. der Schädigungsfolgen (GdS);60
9.6;4.6 Beweismaße;61
9.7;4.7 Kausalität;61
9.8;4.8 Conditio sine qua non;62
9.9;4.9 Berufskrankheiten;62
9.10;4.10 Stützrente;62
9.11;4.11 Vorschaden - Nachschaden - Folgeschaden;63
9.12;4.12 Rehabilitation;63
9.13;4.13 Verschiebung der Wesensgrundlage;64
9.14;4.14 Grundsatz der freien Beweiswürdigung;64
10;KAPITEL 5 - Ethnomedizinische Grundlagen;66
10.1;5.1 Klassifikationssysteme psychischer Störungen;66
10.2;5.2 Migration als prägender Lebensabschnitt;67
10.3;5.3 Auswirkungen der Migration auf die sozialen Sicherungssysteme;68
10.4;5.4 Medizinische Konsequenzen;68
10.5;5.5 Psychische Störungen bei Menschen mit Migrationshintergrund;70
10.6;5.6 Interkulturelle Kompetenz;72
10.7;5.7 Interkulturelle Öffnung;73
10.8;5.8 Einsatz von Dolmetscher (Sprach- und Kulturvermittlern);73
10.9;5.9 Paramedizin;74
11;KAPITEL 6 - Sozialrechtliche Situation;78
11.1;6.1 Rechtlicher Status von Ausländern in Deutschland;78
11.2;6.2 Besondere Rechtsstellung türkischer Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen;83
11.3;6.3 Institutionelles Vorgehen der Rentenversicherungsträger;83
11.4;6.4 Asylrecht;84
11.5;6.5 Sonderregelungen;84
12;KAPITEL 7 - Transkulturelle Aspekte;86
12.1;7.1 Allgemeine Überlegungen;86
12.2;7.2 Spezielle Aspekte im interkulturellen Begutachtungsprozess;87
12.3;7.3 Kultursensibler Anamneseleitfaden;88
12.4;7.4 Türkei-stämmige Menschen;89
12.5;7.5 Migranten aus dem ehemaligen Jugoslawien;97
12.6;7.6 Spätaussiedler aus Russland;98
12.7;7.7 Migranten aus anderen osteuropäischen Ländern;99
12.8;7.8 Asylsuchende aus anderen Staaten;102
12.9;7.9 Schlussfolgerung;102
13;KAPITEL 8 - Spezielle Probleme bei der Begutachtung;106
13.1;8.1 Allgemeine Aspekte;106
13.2;8.2 Sprachprobleme;111
13.3;8.3 Probleme der Integration;118
13.4;8.4 Aspekte der Krankheitsentstehung;119
13.5;8.5 Lebensgeschichtliche Probleme;126
13.6;8.6 Akzeptanzprobleme funktioneller Störungen;129
13.7;8.7 Suchtprobleme;132
13.8;8.8 Suizidproblematik bei Menschen mit Migrationshintergrund;134
13.9;8.9 Problem der Hektik ;135
13.10;8.10 Problem der Ehre ;135
13.11;8.11 Spezielle familiäre Aspekte in der türkischen Gesellschaft;136
14;KAPITEL 9 - Frauenspezifische Probleme;144
14.1;9.1 Sterilitätstherapie;144
14.2;9.2 Gynäkologische Notfälle;145
14.3;9.3 Geburtsbegleitung;145
14.4;9.4 Perinataldaten;145
15;KAPITEL 10 - Die Begutachtung von Kindern und Jugendlichen;150
15.1;10.1 Kulturelle Entwicklung;151
15.2;10.2 Krankheitsspektrum, gesundheitlicher Zustand und schulische Entwicklung;152
15.3;10.3 Migrationshistorie;153
15.4;10.4 Rolle der Mädchen;153
15.5;10.5 Berufschancen;154
15.6;10.6 Drogenproblematik;155
15.7;10.7 Straffälligkeit;157
16;KAPITEL 11 - Der alternde Mensch;160
16.1;11.1 Lebensentwurf;160
16.2;11.2 Das Alter - eine sensible Phase für Krisen;161
16.3;11.3 Soziale Strukturen;161
17;KAPITEL 12 - Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) als spezielles Problem;166
17.1;12.1 Migration und Trauma;166
17.2;12.2 Epidemiologie;167
17.3;12.3 Definition der PTBS (F 43.1) nach der ICD-10;168
17.4;12.4 Definition der PTBS nach dem DSM-IV (American Psychiatric Association);168
17.5;12.5 Symptome der PTBS;169
17.6;12.6 Traumazentrierte Psychotherapie;172
17.7;12.7 Weitere traumainduzierte Störungen;173
17.8;12.8 Umgang in der Begutachtungssituation;174
18;KAPITEL 13 - Aspekte der forensischen Begutachtung;180
18.1;13.1 Unterschiedliche Sichtweisen der jeweiligen Rechtsnormen;180
18.2;13.2 Das Sprachproblem;181
18.3;13.3 Kulturell bedingte Aspekte;181
18.4;13.4 Maßregelvollzug;182
19;KAPITEL 14 - Spezielle Probleme bei der Begutachtung von Asylbewerbern;186
19.1;14.1 Beschleunigung der Asylverfahren;186
19.2;14.2 Problematisches Denkmodell;187
19.3;14.3 Begutachtung im Asylverfahren;187
19.4;14.4 Prognostische Überlegungen;190
19.5;14.5 Reisefähigkeit;191
20;KAPITEL 15 - Spätfolgen traumatisierender Erlebnisse deutscher Staatsangehöriger in Krieg, Nachkriegszeit und DDR;194
20.1;15.1 Bedeutung von Krieg und Nachkriegszeit;194
20.2;15.2 Historische Entwicklung der Bewertung seelischer Traumen;195
20.3;15.3 Vertreibung;198
20.4;15.4 Posttraumatische Verbitterungsstörung (PTED);199
20.5;15.5 Begutachtung psychischer Störungen nach politischer Haft in der ehemaligen DDR;200
21;KAPITEL 16 - Praktische gutachtliche Konsequenzen;206
21.1;16.1 Gefahr von Fehldiagnosen;207
21.2;16.2 Hoher Stellenwert der Anamnese;208
21.3;16.3 Aggravation und Simulation;209
21.4;16.4 Kommunikationsprobleme;209
21.5;16.5 Krankheitskonzept der Migranten berücksichtigen;210
21.6;16.6 Im Spannungsfeld zwischen verschiedenen Kulturen;211
21.7;16.7 Umstände und Auswirkungen der Migration;211
21.8;16.8 Schwierigkeit des objektiven Krankheitsnachweises;212
21.9;16.9 Die zwölf Sonnenberger Leitlinien;213
21.10;16.10 Ziel eines Gutachtens;214
22;Index
;216
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Leseprobe


2
Historische Entwicklung

Summary

Migration in human history, there was always. The whole population of the earth is regarded as a single migration. Historically, there were just in the contact between the Eastern and Western culture, some peaceful, some warlike was varied fertilization and mutual stimulation. The exchange of cultural achievements and the direct contact of people from different backgrounds has always triggered new thinking and counteracted not rare solidification of mental models.

Zusammenfassung

Migration gab es in der Menschheitsgeschichte schon immer. Die ganze Besiedelung der Erde ist als eine einzige Migration aufzufassen. Historisch ergaben sich gerade im Kontakt zwischen der östlichen und der westlichen Kultur, der teils friedlich, teils kriegerisch erfolgte vielfältige gegenseitige Anregungen und Befruchtungen. Der Austausch kultureller Errungenschaften und der unmittelbare Kontakt der Menschen unterschiedlicher Herkunft hat stets zu neuen Denkweisen angestoßen und einer nicht seltenen Erstarrung der Denkmodelle entgegengewirkt.


Keywords

Exchange of cultures

History of Turkey

Migration



Schlüsselwörter

Austausch der Kulturen

Geschichte der Türkei

Wanderungsbewegungen




2.1 Austausch der Kulturen?

2.2 Ethnisch-kulturelle Aspekte?

2.3 Wanderbewegungen?

2.4 Migration heute?



Migration ist ein Phänomen, welches seit Beginn der Menschheit existiert und zur Normalität zählt. Geht man vom Auftreten des Homo sapiens in Ostafrika vor etwa 60.000 Jahren aus, so war die ganze Besiedelung der Erde eine einzige Migration.

Auch die germanische Völkerwanderung in Europa zwischen dem 2. bis 8. Jahrhundert n. Chr. hat entscheidend die weitere Entwicklung Europas bis heute beeinflusst.

Europa und der Nahe Osten, der Orient und der Okzident stehen seit Jahrtausenden in enger Beziehung miteinander. Sie haben sich gegenseitig kulturell befruchtet, miteinander Handel getrieben und es kam auch immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Diese engen, aber durchaus wechselvollen Beziehungen prägten die Menschen in diesen sehr unterschiedlichen Regionen, die nicht zuletzt kulturell sehr eng miteinander verknüpft sind.

Goethe (1819) hat dies in seinem Alterswerk "Der west-östliche Diwan" trefflich ausgedrückt: "Wer sich selbst und andere kennt, wird auch hier erkennen - Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen".

2.1 Austausch der Kulturen

Kenntnisse in den verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen wurden auf sehr unterschiedlichem Wege zwischen West und Ost ausgetauscht, häufig über Kaufleute, allerdings ebenso häufig auch im Rahmen von Kriegszügen in beiden Richtungen.

Schnittpunkt der Kulturen war von jeher die heutige Türkei mit Byzanz bzw. Konstantinopel, aber auch Andalusien im Süden Spaniens. Die hoch entwickelten Kenntnisse der Antike gingen in Westeuropa nach dem Zusammenbruch des weströmischen Reiches im 5. Jahrhundert und in der Zeit der Völkerwanderung weitgehend unter. Sie wurden jedoch in den arabischen Ländern bewahrt und weiter entwickelt und kamen auf diesem Umweg später wieder in die westlichen und nördlichen Länder Europas.

Beschränkte sich der christliche Westen in der Wissenschaft auf religiöse Glaubensfragen, so hatten die Muslime eine sehr viel aufgeschlossenere Haltung zur Wissenschaft. In den arabischen Ländern wurde großer Wert auf den Erhalt der Bücher und Bibliotheken gelegt. Beispielhaft ist dafür die größte damalige Bibliothek in Alexandria in Ägypten. Es bestanden aber auch andere große arabische Bibliotheken etwa in Bagdad. Die Araber waren bewundernswerter Weise in der Lage, Wissen von anderen kulturell hoch stehenden Völkern zu übernehmen. Die Leistungen in der Philosophie, der Astronomie, der Mathematik, der Musik, speziell der Medizin waren beträchtlich und gelangten im Mittelalter zunächst über das arabische Südspanien, die Region Andalusien nach Westeuropa. Viele heute noch bei uns als selbstverständlich gebrauchte Lehnworte sind arabischer Herkunft. Auch viele Themen der Literatur wurden von arabischen Vorlagen übernommen bzw. waren zumindest von dem dortigen Gedankengut inspiriert. Die europäische Kultur hat somit unendlich viele Einflüsse aus dem arabischen Raum übernommen, nicht nur in der Medizin und der Philosophie, in der Astronomie, in der Mathematik mit unseren "arabischen Ziffern", sondern auch im Alltag mit Teppichen und Gewürzen und vielen anderen uns vertrauten Dingen.

In späteren Jahrhunderten waren es vor allem die Kaufleute, die die Kontakte zwischen West und Ost vermittelten und natürlich auch die Kriege, von den Kreuzzügen angefangen über die Expansion der Türken bis unmittelbar vor Wien im 17. Jahrhundert. So blutig und so schrecklich für die Beteiligten diese Kriege waren, so haben diese doch zusätzlich zum Austausch kultureller Errungenschaften beigetragen.


2.2 Ethnisch-kulturelle Aspekte

Besonders in der Medizin hatten die arabischen Länder große Fortschritte gemacht. Die Hospitäler von Damaskus, Kairo und Bagdad waren weltberühmt und es wurden dort auch humane psychiatrische Behandlungseinheiten eingerichtet. In dieser Zeit - im Mittelalter - hing die westeuropäische Medizin bezüglich der seelischen Krankheiten noch einem Besessenheits- und Dämonenwahn an und fiel dadurch auf den Stand vor der Antike zurück. Nach Ackerknecht (1985) wurde im Mittelalter "die Uhr der Zeit um 1.000 Jahre zurückgestellt". Hexenverfolgung, Inquisition, Folter und Scheiterhaufen beherrschten die Denkweise gegenüber den in irgendeiner Art und Weise abnorm und nicht gesellschaftskonform erscheinenden Menschen. Geisteskranke wurden als vom Teufel oder von bösen Geistern besessen angesehen und entsprechend "behandelt", wobei nicht der Arzt, sondern der Inquisitor federführend war. Beobachtungen über Geisteskranke in Westeuropa findet man daher in dieser Zeit nicht in medizinischen Büchern, sondern in Handbüchern und Protokollen der Hexenverbrenner und Teufelsaustreiber.

Andere zeitgenössische Autoren wie Schott und Tölle (2006) sehen dies kritischer und verweisen einerseits auf einen bis in die Neuzeit, manchmal auch heute noch in bestimmten Regionen bestehenden Dämonenglauben, andererseits auf das Heilen als christlichen Missionsauftrag, zum Handeln in der Nachfolge Christi. In vormodernen Zeiten könne kein klarer Trennungsstrich zwischen religiösen und dämonologischen Vorstellungen und empirisch-rationalen Theorien der Medizin gezogen werden.

In der frühen arabisch-islamischen Heilkunde hatte die Behandlung der Geisteskranken im Gegensatz zum christlicheuropäischen Mittelalter einen hohen Rang. Sie war ebenso herausragend humanitär geprägt wie empirisch fundiert (Payk 2000). Entsprechende Vorschriften finden sich im Koran. In Europa entstanden die ersten psychiatrischen Spitäler erst mit der Ausbreitung des Islams im Süden Spaniens. Große Namen arabisch-türkisch-persischer Ärzte wie Rhazes, Avicenna, Maimonides (latinisierte Namen) u. a. sind in der Medizingeschichte heute noch präsent. Erst sehr viel später wurden deren Erkenntnisse auch in Westeuropa wahrgenommen und akzeptiert. Der Strom der Kultur und des Wissens ging in dieser Zeit eindeutig von Ost nach West.

Der Pionier der Psychiatrie und der psychiatrischen Nosologie, Emil Kraepelin (1856-1926) kann auch als einer der ersten Pioniere einer transkulturellen Psychiatrie gelten. Er veröffentliche Anfang des 20. Jahrhunderts die ersten Arbeiten auf dem Gebiet der vergleichenden soziokulturellen Psychiatrie und legte Wert auf soziokulturell bedingte Unterschiede. Er unternahm 1904 eine ausgedehnte Studienreise in außereuropäische Länder, die ihn bis nach Südostasien führte. Er bereiste auch die Türkei. Sein Vorhaben, die transkulturelle Psychiatrie auch in weiteren Ländern zu studieren, musste wegen des ersten Weltkrieges abgebrochen werden. Sein Verdienst ist es, ethnisch-kulturelle Eigenschaften und soziale Lebensbedingungen in das Verständnis mancher psychopathologischer Phänomene zu integrieren.

Ein sehr kurzer Exkurs zur Geschichte des Landes, aus dem die meisten unserer Probanden stammen, sei eingefügt. Als Stammheimat der Türken wird das mittelasiatische Gebiet angesehen, von wo sie als Nomadenstämme nach und nach in das Gebiet der heutigen Türkei eindrangen und allmählich den Islam...


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